Sollte man die Angst und den Hass einfach verbieten?

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Dez 102012
 

Ein merkwürdiger Zusammenklang des Widersprüchlichen ergibt sich im griechischen Phobos. Das Wort bezeichnet Angst, Flucht und Scheu gleichermaßen. Angst hier verstanden als übertriebener, nicht beherrschbarer Fluchtreflex.

Erst im heutigen Englischen ergibt sich der Einklang von Phobie und Furcht. Islamophobie oder engl. islamophobia etwa ist die Angst vor dem Islam. Der Sieg der Seldschuken bei Manzikert im Jahr 1071, die Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 dürften  Gründungsereignisse  für diese  Angst der Europäer vor der Überwältigung durch islamische Eroberer sein.

Der heftige Abscheu gegenüber dem Rassismus, gegenüber allen Rassisten, gegenüber der „braunen Pest“ usw. ist – so vermute ich –  getränkt von einer tiefsitzenden Angst davor, auch in sich selbst Keime des Rassismus, Keime der Fremdenangst, Keime der Angst vor Eroberung zu entdecken.

Gegen diese Angst vor dem verschwiegenen Eigenen wird ein heftiger Verbotsreflex in Marsch gesetzt: „Es darf nicht sein, dass auch in mir der Keim des Bösen liegt!“ Und deshalb wird nicht das Böse verboten – denn wer könnte den Hass und die Angst verbieten? -, sondern die Bösen werden verboten.

Wer die Bösen sind? Das wechselt! In den 70er Jahren waren es die Linksradikalen, etwa die KPD oder die DKP, denen man mit Verboten zu Leibe rückte. Heute sind es „die Rechten“.

Beim vorgeschlagenen NPD-Verbot sollte man sich besinnen und sich belehren lassen durch die mannigfachen Verzweigungen und Affiliationen, die der mörderische Terrorismus der RAF seit damals bis in den SDS, ja auch in eine heute zum allergrößten Teil grundgesetzkonforme, „systemtragende“ Bundestagspartei hinein hatte und hat. Mannigfaltige Verbindungen ergeben sich auch zwischen dem Links- und dem Rechtsextremismus, exemplarisch verkörpert in Horst Mahler, dem langjährigen Sozius und Kumpel eines heute im Bundestag sitzenden Abgeordneten der Grünen. Hätte man denn damals gleich die Grünen als Partei verbieten sollen, nur weil Horst Mahler und andere RAF-Terroristen in engeren Arbeits- und Unterstützerbeziehungen zu prominenten Vertretern der Grünen standen, die bis zum heutigen Tag im Geiste einer unerschütterlichen Omertà nichts Böses über die Genossinnen und Genossen von damals aussagen?

NPD-Verbotsantrag? Man sollte es besser lassen. Ich schließe mich den Bedenken eines Teils der Grünen und des Bundestagspräsidenten Lammert an.

Spannender wäre es, der NPD inhaltlich das Wasser abzugraben. Arbeit, Familie, Nation – diese Themenfelder gilt es zu beackern! Am ehesten traue ich das übrigens den Grünen zu.

Wer sagt etwas Substantielles zur deutschen Nation? Wer traut sich da ran?

Man könnte ja auch so anfangen: „Alle deutschsprachigen Schwaben, Sachsen, Tscherkessen, Türken, Schlesier, Niedersachsen usw. usw. gehören zur deutschen Nation, sofern sie sich zu ihr bekennen“? – „Auch die Kurden gehören zur Nation!“ „Auch die in Deutschland lebenden, deutschsprachigen  Kurden gehören zur deutschen Nation, sofern sie dies wünschen und sich der deutschen Nation anschließen!“ „Man kann sehr wohl guter Kurde, guter Tscherkesse und zugleich guter Deutscher sein!“ Was ist davon zu halten?

„Du musst Deutsch können!“ Wer hat diesen national – wo nicht nationalistisch – getönten Spruch als erste im Bundestagswahlkampf 2009 losgelassen? Renate Künast von den Grünen!

Die deutschen Grünen, diese urwüchsig deutscheste aller Parteien, gestehen es mittlerweile offen ein, dass ihre Wurzeln in der deutschen Romantik liegen – Boris Palmer hat es kürzlich wieder einmal hervorgehoben. Einige Programmpunkte der NPD sind denn auch durchaus anschlussfähig ans Programm der Grünen, etwa die Kapitel „Gesunde Heimat – gesunde Natur“ oder auch „Raumorientierte Volkswirtschaft“.

Die deutsche Romantik ist der Ursprung des Nationalismus, Ursprung der Naturschutzbewegung, Ursprung des Gedankens vom „Volkskörper“, der organisch-biologisch im Naturganzen eingebettet ist, Ursprung der bündischen Jugend, Ursprung der biologisch-dynamischen Erzeugergemeinschaften. Man lese doch bitte einmal Fichtes „Reden an die deutsche Nation!“ Auch diese Gedanken sind dann mit dem antimodernen, antikapitalistischen Affekt im Nationalsozialismus zusammengeflossen.

Also, was folgt daraus für den NPD-Verbotsantrag? „Erscht denga, dann schwätza und schreiba!“ Das KPD-Verbot von 1956 halte ich für verfehlt. Der Radikalen-Erlass war verfehlt. Ein Grünen-Verbot wäre falsch gewesen. Verbote bringen wenig. Wenn man jetzt alles nationalistisch-übersteigerte Denken und die einzige, eher kümmerlich dastehende nationalistische Partei Deutschlands verbieten will, dann muss man auch Heinrich von Kleist, Johann Gottlieb Fichte und Friedrich Hölderlin verbieten und aus den öffentlichen Bibliotheken entfernen. Dann muss man auch das Lied „Wann wir schreiten Seit an Seit“ verbieten, das die SPD zum Abschluss ihrer Parteitage singt. Denn ein bekennender Nationalsozialist, das überzeugte NSDAP-Mitglied  Hermann Claudius hat es geschrieben.

Vor allem aber gilt es, Angst und Abneigung als Teil des eigenen Selbst anzuerkennen. Das Perhorreszieren des Fremden, des Abartigen und des Andersartigen führt zum Hass und zur Feindseligkeit auf beiden Seiten.

Besonnene Argumente, die sachliche Auseinandersetzung, der sokratische Dialog, das Werben um Zustimmung für die Ideale der Demokratie, der Humanität und der Rechtsstaatlichhkeit sind bessere Mittel im Kleinhalten der rechtsextremen Parteien und im Bekämpfen der nationalistischen Bewegungen, als Verbote und Verteufelungen dies je sein könnten.

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Fernstenliebe oder Nächstenliebe? (2)

 Bundestagswahlen, Donna moderna, Fernstenliebe, Frau und Mann, Liebe  Kommentare deaktiviert für Fernstenliebe oder Nächstenliebe? (2)
Sep 132011
 

Ein sehr schöner Aufsatz im Tagesspiegel! Die Autorin Verena Friederike Hasel tut das, was viele nicht schaffen: Sie klopft die Parteien Punkt für Punkt ab, sie fragt nach, bohrt, prüft, wendet Blätter um. Als junge, dynamische und emanzipierte, akademisch gebildete Frau wählt sie zunächst das, was man und frau halt wählt – aus dem Bauch heraus: die Partei des Rocks und nicht des Hemdes, die Partei der Natur- und Fernstenliebe, also die Grünen. Es fühlt sich irgendwie gut an.

Welche Partei sie nun selbst wählt? Die Partei der radfahrenden Direktkandidatin, die auf Besuch beim Kaffee sitzt? Es wird nicht verraten.

Wahlkampf in Berlin: Alles eine Soße? – Berlin – Tagesspiegel
Obwohl die meisten von uns die Parteien an ihrer Umweltpolitik messen, legen wir diesen Maßstab nicht bei uns selbst an. Zumindest sitzt keiner am Tisch, der auf Fernreisen verzichtet, mein Mann und ich eingeschlossen, und bald schon reden wir nur noch über den Kohlendioxidausstoß in China. Vielleicht ist das das Problem der Globalisierung: dass man die Schuld immer woanders suchen kann, sich für die Weite, aber nicht mehr für das Lokale interessiert. Mag sein, dass die Politiker nicht gut sind. Ich fürchte, wir sind als Bürger nicht besser.

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Wahlkampf in Berlin: Alles eine Soße?

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Sep 102011
 

Spannend! Die Tagesspiegel-Autorin denkt ungefähr so, wie ich vor dreißig Jahren dachte. Die ANGST prägte vor 30 Jahren auch mein politisches Denken zu wesentlichen Teilen. Angst vor Umweltzerstörung, Angst vor Überbevölkerung, Angst vor der Atomenergie, Angst vor Hunger, Angst vor Krankheit, Angst vor Rechts- und Linskextremisten. Der Club of Rome hatte durch nachweislich falsche Berechnungen, wie wir heute wissen, das ökologische Gewissen der Menschheit wachgerüttelt. Seine Prophezeiungen waren falsch, seine Warnungen waren nicht unbegründet.

Es waren überwiegend irrreale Ängste, die bewusst geschürt wurden und von denen vor allem die Grünen profitierten und auch heute noch profitieren.

Die wichtigsten Probleme Berlins sind meiner Meinung nach heute: eine vollkommen überzogene Anspruchshaltung der Bürger gegenüber dem Staat, ein tief eingefahrener Vulgärsozialismus, eine gigantische Verschuldung, Faulheit vieler Menschen, mangelhaftes Deutsch bei sehr vielen Jugendlichen, mangelnde Bildungsanstrengungen bei sehr vielen Schülern und bei deren Eltern, Verwöhnung der Bürger durch die Politik, mangelnde Ehrlichkeit der Politiker, organisierte Verantwortungslosigkeit der Landespolitik, Abschottung von ethnischen Bevölkerungsgruppen vom Rest der Gesellschaft, Zerfall der Gesellschaft in Parallelgesellschaften, hohe Arbeitslosigkeit, geistiger und körperlicher Immobilismus, Mangel an Unternehmergeist.

Wahlkampf in Berlin: Alles eine Soße? – Berlin – Tagesspiegel
Mir liegt das Thema Umwelt auch nahe. Die Naturzerstörung ist für meine Generation das, was der Weltkrieg für die meines Vaters war. Die drohende Klimakatastrophe ist unsere größte gemeinsame Angst und unser kleinster gemeinsamer Nenner, und längst ist Sorge um die Umwelt kein parteiliches Alleinstellungsmerkmal mehr.

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Mai 222011
 

Und wieder hat die CDU deutlich verloren, während die Grünen sich als westdeutsche Volkspartei  der Akademiker und der Jungen festsetzen.

Berliner Zeitung – Aktuelles Politik – Rot-Grün gewinnt in Bremen – CDU auf drittem Platz
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sprach von einer «schmerzhaften Niederlage» und einer «herben Enttäuschung». Er betonte in der ARD: «Es ist schwer, Volkspartei in einer Großstadt zu sein.»

Nicht unbedingt.  Ich meine, die CDU könnte durchaus auch in Großstädten wie etwa Bremen oder Berlin Volkspartei sein. Bedingungen: Klare Erkennbarkeit mit klaren Themen. Dasselbe in schwarz, was auch die Roten oder die Grünen anbieten? Reicht nicht! Zumal ja neokonservative Grüne wie etwa Kretschmann, Künast und neuerdings auch Özdemir erfolgreich in zentrale Themen wie Familie, Eigenverantwortung und Wirtschaftsförderung einsteigen. Kantigkeit, Griffigkeit sind gefragt.

In Berlin wäre es meiner festen Überzeugung nach ein anderes Verständnis vom Zusammenspiel zwischen Staat und Mensch, womit die CDU punkten könnte.

Die linken Parteien vertrauen dem zentral gelenkten Staat, setzen auf den Staat, erwarten fast alles von der fürsorglichen Politik, kämpfen um den Staat. Sie nehmen Politik wahnsinnig ernst.

CDU sollte auf „das Volk“ vertrauen, auf die einzelnen Menschen, die kleinen Einheiten, also Familie, Kita, Unternehmen und Schule. Die CDU sollte sich selbst und auch die Politik nicht so wahnsinnig ernst nehmen.

Berlin leidet weiterhin an einer jahrzehntelangen Überversorgung durch staatliches Geld, die letztlich neben zahlreichen Skandalen und einer gigantischen Verschuldung zu einer Lähmung der Eigenkräfte geführt hat und als Aufforderung zur Ausplünderung des Staates gewirkt hat und wirkt.

Passivität, Staatsgläubigkeit und Anspruchshaltung herrschen in Berlin vor. CDU-Politik muss diesem verheerenden Syndrom eine Absage erteilen.

Hier muss sich die CDU bewusst und kraftvoll absetzen. Sie kann ruhig zeitgemäß, aktuell, peppig und was auch immer sie will sein. Aber sie muss ihren Kernbestand hegen und pflegen: den subsidiären Freiheitsbegriff, das Vertrauen in die Verantwortung des Menschen. Kernbotschaft könnte etwa sein: „Ich trau es dir zu!“

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Der Staat kann nicht alles schultern: Geh deinen Weg!

 Beweg dich, bitte!, Bundestagswahlen, Familie, Pflicht, Sozialstaat, Tugend, Vaterlos, Verantwortung  Kommentare deaktiviert für Der Staat kann nicht alles schultern: Geh deinen Weg!
Aug 232010
 

Stets mit hochgezogenen Augenbrauen nehme ich es zur Kenntnis, wenn Politiker dem „Volk“ nichts versprechen, sondern etwas von den Bürgern „fordern“, oder besser gar, sie zu etwas auffordern: „Der Staat kann nicht alles schultern. Die Gesellschaft muss sich beteiligen, sonst kriegen wir die Probleme nicht in den Griff.“

So Ministerin von der Leyen. So weit so gut. Völlig richtig. Vom Glauben an die Allzuständigkeit und umfassende Letztverantwortung des Staates sollten wir uns verabschieden (ich gehörte eh nie zu DER Fraktion.)

Bildung für Arme: Von der Leyen fordert Beitrag der Reichen – Politik – Tagesspiegel

Possierlich sind die Reaktionen der Leser im Tagesspiegel-Forum auf die insgesamt richtigen Forderungen von der Leyens: „Armutszeugnis … natürlich ist der Staat verantwortlich, schlechteste Bundesregierung, die wir je hatten“, bis hin zu allerlei Beschimpfungen. Das Übliche. Kaum jemand weiß, wieviel der Staat pro Kopf für Schulen und Kindergärten, für Sozialhilfe und Sozialleistungen ausgibt. Mehr ist schwer möglich, es sei denn um den Preis noch höherer Staatsverschuldung.

Ich selber freue mich stets, wenn Politiker  mehr Engagement und Fleiß von den Bürgern verlangen und nicht gar so viele unrealistische Versprechungen unters Volk säen.

Gerade beim Thema Bildung für Kinder führt kein Weg daran vorbei, dass die Jungs und Mädchen mehr lernen, dass sie fleißiger sein müssen. Man kann nicht immer alle Versäumnisse dem Staat anlasten. Das ist zu bequem. Solches Gerede entfaltet bei meinen Miteltern und bei unseren Kindern eine verheerende, eine geradezu lähmende Wirkung.

Die Eltern sollten selbst etwas tun„, so hat es auch unser Bezirksbürgermeister Franz Schulz zu diesem Thema gesagt und zu Protokoll gegeben. „Bequemlichkeit ist kein Argument“ – und noch weniger eine sinnvolle Ausrede. Dieses letzte Zitat stammt von einer Politikerin in unserem Bezirk. „Du musst Deutsch können“ – so die Bundesvorsitzende einer Oppositionspartei im Bundestagswahlkampf 2009.

Der Staat kann nicht alles schultern
Die Eltern sollten selbst etwas tun
Bequemlichkeit ist kein Argument
Du musst Deutsch können

Ehrlich gesagt: Ich mag solche Sätze. Ich steh auf solche Sätze. Denn ich lebe in Berlin und ich kenne mein Kreuzberg.

Machen wir es noch knapper:

Steh auf. Mach etwas. Geh. 

 Posted by at 17:08
Feb 052010
 

Zu den spannendsten und schönsten politischen Erfahrungen, die ich bisher machen durfte, gehörte der gesamte Internet-Wahlkampf bei der vergangenen Bundestagswahl. Zwar vermisste man mich (schmerzlich?) bei den traditionsgesättigten Stammtischen, aber die wöchentlichen Wahlkampfbesprechungen und die virtuellen Beratungen im Netz habe ich fast alle besucht. Insgesamt habe ich im Bundestagswahlkampf 2009 sicherlich 250-300 Stunden ehrenamtliche Parteiarbeit geleistet, davon etwa 50% (!) mit dem Rechner im Internet, etwa 30% auf der Straße und in Veranstaltungen, und etwa 20% bei parteiinternen Besprechungen im kleineren Kreis.

Plakatekleben und Stammtischbesuch – das war noch bis vor wenigen Jahrzehnten das Rezept einer erfolgreichen Parteikarriere. „Und bitte nicht anecken!“ Heute hat sich das Bild gewandelt. Plakate werden nicht mehr geklebt, sondern gehängt, getackert, belächelt und nicht ernst genommen. Die politische Auseinandersetzung hat sich verlagert – in mannigfache Medien hinein. Der Straßenwahlkampf mit dem Verteilen von Luftballons und billigem Propagandamaterial verliert noch stärker an Bedeutung, wichtiger wird die direkte Ansprache von Menschen in Kneipen, bei Veranstaltungen, in Schulen, Betrieben und auf Festen.

Professionelle Pressearbeit war immer von überragender Wichtigkeit und bleibt es auch. Neuland betreten die Parteien hingegen noch mit dem Internetwahlkampf.

Ich selber wurde ins Wahlkampfteam der CDU Friedrichshain-Kreuzberg berufen. Meine Aufgabe:  Koordinierung des Internet-Wahlkampfes, verantwortlicher Redakteur im offiziellen Blog der CDU-Bundestagskandidatin Vera Lengsfeld.

Das war er, das ist es, der oder das Blog:

Waehltverablog

Die gesammelten Beiträge, die wir teils ohne Namen, teils auch mit Namensnennung hinterlegt haben, stellen ein einzigartiges Archiv der politischen Debatte dar. Vieles ist haltbar, anderes wird sicher verwehen – es war der Augenblickslage geschuldet. Dieses Archiv ist bis zum heutigen Tag frei zugänglich! Besonders schön war für mich, dass wir Redakteure und schreibende Helfer praktisch freie Hand hatten. Zwar legte ich am Anfang Vera Lengsfeld sicherheitshalber einige Texte „zum Gegenlesen“ vor, aber bald stellte sich ein vollkommenes Vertrauensverhältnis zwischen Kandidatin und Team her. Wir verständigten uns „auf Zuruf“.

Im Netz muss man sehr schnell reagieren, es kommt auf Stunden, ja manchmal Minuten an, um Themen zu setzen, Argumente für sich zu reklamieren, dem Gegner einen Zug voraus zu bleiben.

Besondere Sorgfalt verwendete ich auf den finalen Wahlaufruf, einen Tag vor dem Abstimmungstag am 27. September!  Für drei Akteure galt es einen letzten Appell vom Stapel zu lassen: für die Kanzlerkandidatin, für die Wahlkreiskandidatin, für die Partei. Für diese drei reservierte ich ungefähr gleich viel Platz – es sollte klar werden, dass jede Stimme für Merkel, für Lengsfeld, für die CDU gebraucht wurde. Und das kam nach etwa 30 Minuten Nachdenken ans Tageslicht.

Ist es ein guter Text? Ich weiß es nicht. Ihr könnt es selbst entscheiden – à vous la choix!

Die Bilanz der Kanzlerin Angela Merkel ist herausragend: Sie hat in der Finanzkrise Panik vermieden und somit das Schlimmste verhütet. Sie hat stets auf sozialen Ausgleich geachtet, hat mehr Geld für Hochschulen und Forschung ausgegeben. Unter ihrer Kanzlerschaft wurde die Arbeitslosigkeit zunächst massiv gesenkt. Weltweit werden wir Deutschen um unsere Kanzlerin beneidet. Denn obwohl sie bei den Polen mit großem Abstand die beliebteste ausländische Politikerin ist, gibt sie dem französischen Präsidenten Sarkozy das Gefühl, dass er und nur er der Größte ist. Wer schafft so etwas außer ihr?

Wer Merkel will, muss Merkels Partei, die CDU, wählen. Und nicht  Westerwelles FDP. Denn nur eine mit sehr großem Abstand führende CDU kann die Entstehung nicht gewünschter Koalitionen, nicht gewünschter Notgemeinschaften verhindern. Wenn die CDU nur mit bescheidenem Abstand stärkste Partei wird, besteht die Gefahr, dass nur eine Dreierkoalition die Regierungsmehrheit schafft. Dreierkoalitionen sind derzeit nur die zweitbeste Lösung. Besser sind Koalitionen aus Groß + Klein. Deshalb gilt unumstößlich: Nur eine starke CDU kann auch eine starke Kanzlerin wählen.

Gleiches gilt für die Erststimme. Eine Vera Lengsfeld im Deutschen Bundestag stellt sicher, dass der Bundestag seinen grundgesetzlichen Aufgaben besser nachkommt. Eine Vera Lengsfeld im Bundestag hilft verhindern, dass der Bundestag zum Abnick- und Akklamationsorgan wird. Eine Vera Lengsfeld im Bundestag hilft dabei, dass das goßartige Erbe der DDR-Bürgerrechtler nicht völlig aus dem politischen Betrieb verschwindet. Es ist bitter, dass fast niemand von den aktiven Bürgerrechtlern mehr in den Parlamenten sitzt. Vera Lengsfeld muss deshalb in den Bundestag.

Somit gilt:  Morgen Erststimme für Vera Lengsfeld, Zweitstimme für CDU und ihre Angela Merkel!

Tja, ich selbst muss gestehen: Ich kann zu diesem Aufruf stehen. Ich habe keine Mühe, den zu zitieren. Und wir wissen: Das Netz vergisst nichts.

Eines dürfte klar geworden sein: Mit Frauen, die sich in der CDU engagieren, habe ich keine Probleme. Versprochen!

 Posted by at 21:40
Jan 112010
 

Einer, der sich gut auskennt in der Politik, ist mein Vater. Ihn fragte ich als kleiner 10-jähriger Bub nach dem Unterschied zwischen SPD und CDU/CSU.  Seine Antwort lautete: „In vielem stimmen sie überein.“ Das schockierte mich, denn die Schwarzen und die Sozen bekämpften einander erbittert. Warum, wenn sie doch in vielem übereinstimmten?

Mein Vater fuhr fort: „Aber der Unterschied ist: Die SPD will mehr Gleichheit, mehr Gerechtigkeit, mehr Verantwortung des Staates. Die Union will mehr Freiheit, mehr Verantwortung des einzelnen, der unteren Ebenen. Die Union hat kein so starkes Vertrauen in die Regelungskraft des Staates, sie hat mehr Vertrauen in die Verantwortung der einzelnen Menschen. Die SPD verlangt mehr vom Staat. Der Staat soll es richten.“ Das verstand ich einigermaßen, war aber doch der Meinung, dass irgendwann eine der beiden Parteien „recht bekommen“ würde. Ich glaubte als Kind, dass sich irgendwann herausstellen musste, dass entweder die SPD oder die CSU recht hatte.  Irgendwann würde nur noch eine Partei übrigbleiben, glaubte ich, und der ganze Streit hätte endlich ein Ende.

Heute glaube ich das nicht mehr: Ich glaube, dass die Demokratie sogar auf dem streitigen Gegeneinander von nicht austauschbaren Positionen beruht. Ferner glaube ich, dass weiterhin die Union und die SPD durch ein unterschiedliches Verständnis dessen geprägt sind, was der Staat leisten und nicht leisten kann.

Man kann dies wunderbar zeigen an den Integrationsvorstellungen für die Stadt Berlin, wie sie Bürgermeister Wowereit kürzlich entfaltet hat: Mehr Beratung, mehr Förderung, mehr Fürsorge und Unterstützung der Bürger durch den Staat. Mehr Geld für Quartiersmanagement und Stadtteilmütter.  Das Zusammenwachsen der Stadt Berlin sieht Wowereit nunmehr als Kernaufgabe seines Senats. Im nächsten Doppelhaushalt stellt er deshalb erhebliche Mittel bereit. Der Tagesspiegel kommentierte:

Wowereit ist als neuer stellvertretender SPD-Vorsitzender zuständig für Stadtpolitik; da kann er, wenn er noch mehr will, es sich nicht so leicht machen. Statt fatalistischer Äußerungen wie jener, er würde seine Kinder auch nicht in Kreuzberg zur Schule schicken, braucht Wowereit hier jetzt Erfolge. Er weist zurecht auf sinnvolle Projekte wie das Quartiersmanagement hin; aber das reicht nicht. Das beitragsfreie letzte Kitajahr ist wichtig, aber zu wenig. Er kündigt an, mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu schaffen; er sagt aber nicht, wie das gehen soll.

Ich hingegen sehe das Zusammenwachsen der Stadt Berlin als Kernaufgabe von uns Bürgern. Zu diesem Zweck vertrete ich das Leitbild von der „Zusammenwachsenden Stadt“. Dieses Leitbild müssen die Bürger mit Leben füllen. Deshalb sage ich nicht nur: „Ich würde meine Kinder in Kreuzberg in die Schule schicken“, sondern ich tue dies auch.

Die Parteien können uns beim Zusammenwachsen helfen, aber sie können es uns nicht abnehmen. Auch Armin Laschet weist letztlich allen Bürgern diese Verantwortung zu: Jedem Bürger obliegt es, den Aufstieg zu erarbeiten. Der Staat kann allenfalls helfen, aber er kann es nicht selber für die Bürger machen.

So widerspreche ich also all jenen, die von einer immer stärkeren Angleichung der beiden großen Volksparteien sprechen. Im Bundesland Berlin trifft dies zwar in gewissem Sinne zu. Ja, wir beobachten hier sogar die Kuriosität, dass die CDU einige Jahre noch staatsverflochtener, noch staatsverquickter war als die SPD. Mit schädlichen Folgen für das Selbstverständnis dieser Partei.

Aber grundsätzlich bin ich überzeugt: Die CDU lässt das Gemeinwesen von unten nach oben wachsen. Die SPD greift von oben her ordnend und ausgleichend ein.

Ich bin für die Konturierung der Gegensätze, nicht für den weitgehenden programmatischen Ausgleich zwischen den Volksparteien. Darüber lesen wir heute im SPIEGEL:

Gefahr von der Basis – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
Die Tatsache, dass so viele Wähler schwanken, hängt auch mit der in der Öffentlichkeit konstatierten völligen Austauschbarkeit von Positionen der großen Parteien zusammen. Die Tatsache, dass sich gerade in der Großen Koalition die politischen Partner doch letztlich thematisch sehr nahe waren, machte ein Umschalten der Wähler zu einer anderen Partei eher möglich.

 Posted by at 17:50

Find ich gut: Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2009

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Sep 042009
 

Bei allen Bedenken, die man äußern kann: Dieser

Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2009

scheint mir vernünftig gemacht. Ich konnte soeben nicht widerstehen, habe die Fragen durchgearbeitet. Mein Ergebnis – wie befürchtet: Ich bin und bleibe unverbesserlich ein Mann der Mitte. Drei der fünf Bundestagsparteien sind demnach für mich gut wählbar. Bei mindestens drei der fünf Bundestagsparteien kann ich viele wesentliche Forderungen mittragen. Auch der Gewinner der Wahlbefragung laut Wahl-O-Mat konnte mich nicht überraschen. Es ist die FDP. Gleich dahinter kommen gleichaufliegend die CDU und die SPD.

 Posted by at 15:41
Sep 042009
 

… dann muss es auch eine Wahlfühligkeit geben. Und genau daran leide ich: Ich kenne keine Wetterfühligkeit, sondern der Schädel brummt nur bei einer bestimmten Art Rotwein. Sehr wohl aber die Wahlfühligkeit.

Oft schreibe ich die erwarteten Wahlergebnisse vor dem Urnengang auf einen eingebildeten Zettel – und  vergleiche dann am Wahltag mit den tatsächlichen Ergebnissen. Befund: Ich bin „wahlfühlig“, d.h. ein dumpfes Gefühl sagt meistens voraus, wie es ausgeht.

Aus der Union ist wenig zur konkreten Analyse der Landtagswahlen zu vernehmen. Deshalb nur meine Notate als „wahlfühliger“ Bürger. Das habe ich mir vorher gedacht:

Thüringen: Rein personenbezogener Wahlkampf war ein klarer Fehler. Teamfähigkeit hätte herausgestellt werden müssen. Grundbotschaft hätte sein müssen: „Wir sind ein starkes Team. Wenn der erste Mann schwer angeschlagen ist, stützen wir ihn. Das Team steht und fällt nicht mit einer Person.“ Dieter Althaus hörte ich vor seinem Unfall und nach seinem Unfall. Zwei unterschiedliche Menschen. Traurig, dass niemand in der CDU sich um ihn ernsthaft gekümmert zu haben scheint. Ein Duz-Freund hätte das machen müssen. Umstände des Rücktritts eindeutig ein Schlag ins Kontor für die Union. Der Wähler fragt sich: „Ja, wie geht ihr denn miteinander um? Steht bei euch nicht der Mensch im Mittelpunkt?“ Keine Überraschungen.

Sachsen: Tillich verkörpert glaubhaft die Figur des guten Vaters. Keine Überraschungen für wahlfühlige Menschen.

Saarland: Hier hätte der Kampf fast ganz um Inhalte geführt werden müssen. Lafontaine ist unglaublich populär, über die Menschlichkeitsschiene konnte Müller nicht gegen ihn ankommen. Hier hätte man die Linkspartei sehr konfrontativ, aber fair angreifen müssen. Man hätte die Argumente der Linken unterlaufen müssen. Muster: „Nehmen wir mal an, ihr habt recht … dann ergibt sich folgendes …“ Keine Überraschungen für wahlfühlige Menschen.

Gesamteindruck: Wahlkämpfe derzeit noch von großer Mutlosigkeit geprägt, außer bei der Linkspartei und der FDP. Die meisten Politiker sind nicht mutig genug. Sie zeigen große Angst vor dem Volk.

Bei weitgehend unveränderter Großwetterlage, also wenn alle Parteien mehr oder minder den Wahlkampf so weiter führen, sehe ich als „Wahlfühliger“ folgendes für den 27. September voraus:

Geringe Verluste für die Union gegenüber 2005, wenn sie nicht klarmachen kann, was sie außer der Spitzenkandidatin zu bieten hat.

Geringe Verluste für die SPD gegenüber 2005.

Starke Gewinne für die FDP.

Deutlicher Gewinn für die Linke.

Leichte Gewinne für die Grünen.

Mein Gefühl: Die Mehrheit für Schwarz-Gelb wird wegen zu geringer Ergebnisse der Union knapp verfehlt, wenn der Wahlkampf von allen Parteien so oder so ähnlich weitergemacht wird. Es wird erneut zu unklaren Verhältnissen am Wahlabend kommen.

Ein Kardinalfehler, der leider immer noch gemacht wird:  Der Ausdruck „bürgerliche Mehrheit“, „Wir brauchen eine bürgerliche Koalition“. Wer diese Ausdrücke immer noch als Wahlkampfargumente verwendet, lebt hinter der Zeit.

 Posted by at 14:10
Jul 292009
 

Immer wieder sage ich: Mitbürger, jetzt – VOR der Bundestagswahl – ist die beste Zeit, um die Politiker zu erziehen! Sagt doch nicht, ihr hättet keinen Einfluss! Wir sind die Wähler! Wir sind das Volk! Die Abgeordneten erhalten von uns einen zeitlich begrenzten Auftrag, unsere Anliegen zu vertreten.

Eine hervorragende Sache finde ich abgeordnetenwatch.de Hier ein Beispiel, wie man konkrete Anliegen an die Kandidatinnen herantragen kann:

abgeordnetenwatch.de:
Sehr geehrte Kandidatin,

sehr viele Falkenseer tätigen ihre Einkäufe im 2 km entfernten Havelpark in Dallgow. Die viel befahrene Straße ist leider noch immer ohne Radweg, und Radfahrer fühlen sich dort wie Hasen in der Treibjagd. Überall in Brandenburg, selbst an kaum befahrenen Straßen, werden Radwege gebaut. Warum nicht an so einem Brennpunkt?

Mit freundlichen Grüßen

R. Knö

 Posted by at 10:58
Jul 262009
 

22072009001.jpg Eine herbe Enttäuschung erlebte ich am Mittwoch bei folgendem Abend im Café Sybille:

Diskussionsabend mit Vera Lengsfeld:  Die zunehmende Gewalt gegen Polizisten in Berlin. Mit Bodo Pfalzgraf, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, und Horst Pawlik, Bundespressesprecher der Bundespolizeigewerkschaft.

Denn ich hatte mir gewünscht, dass Anja kommt! Anja, die mich und uns alle im wähltvera-Blog als FaSCHISStInnen bezeichnet hatte. Ich bin dafür, dass man einander Vorwürfe und Anklagen direkt ins Gesicht sagt.  Mit voller Namensnennung und unter Angabe von Gründen. Aber ich wartete vergebens. Dennoch: Ich erwähnte die abwesende anja, stellte die Frage nach dem Täter-Opfer-Ausgleich. Ich stelle mir in der Tat vor, was in so jemandem vorgehen mag, der eine Flasche auf eine Polizistin wirft – und ihr später vielleicht gegenübersitzt und erfährt, dass sie eine Tochter in genau jenem Alter hat.

Dennoch spannender Abend! Pfalzgraf und Pawlik konnten mit vielen Einsichten aus dem Polizeialltag aufwarten. Die meisten Gewaltvorfälle gegen Polizisten – etwa 9 pro Tag – ereignen sich im Alltag bei Routineoperationen, etwa bei Personenkontrollen. Die Polizei wird häufig angegriffen als Vertreterin des Staates Bundesrepublik Deutschland. Eines Staates, den man ablehnt, obwohl man von ihm lebt, eines Staates, der störend in kriminelle Machenschaften hineinleuchtet. Noch einmal hörte ich aus erster Hand die Geschichte von den zwei Polizisten im Wedding, die sich bei einer harmlosen Kontrolle plötzlich von 40 Männern umstellt und eingeschüchtert sehen. Die Nationalität dieser 40 Männer hat unerwähnt zu bleiben.

Gut gefallen hat mir, dass weder Pawlik noch Pfalzgraf die Mitleidsdrüsen drückten. Die Polizei hält täglich ihren Kopf für unsere Sicherheit hin. Genügend Anerkennung erhalten die Polizisten nicht dafür. Aber nicht deswegen braucht die Polizei mehr Rückendeckung. Völlig zurecht hoben Pfalzgraf und Pawlik hervor, dass unsere Demokratie selbst angegriffen wird, wenn Polizisten angegriffen werden.

Es war spannend zu sehen, wie die Politikerin Vera Lengsfeld die Forderungen der Polizeivertreter aufgriff. Sie hat genau darüber ausführlich im wähltvera-Blog berichtet. „Ich werde mich darum kümmern, wenn ich im Bundestag bin.“ Genau das sollen die Abgeordneten auch tun! Sie sollen die berechtigten Anliegen der gesellschaftlichen Gruppen zu Gehör bringen. Wir wählen sie nicht als Wahl- und Akklamationsorgan für die neue Bundesregierung, sondern als deren Aufsicht.

Überhaupt wählen wir am 27. September nicht die Bundesregierung, sondern den Bundestag. Das wird sträflich vernachlässigt. Das wird fast völlig unterschlagen. Immer wieder schießt einem da der Gedanke durch den Kopf: Wo bist du, BUNDESTAG? BITTE MELDE DICH! Es geht um deine Zukunft!

Genau jetzt, vor den Wahlen,  ist die spannendste Zeit unserer Demokratie. Anja, Leute, geht hin zu den Kandidaten, schüttet euer Herz aus, beeinflusst die Kandidaten, verlangt etwas von ihnen. Wenn sie erst mal im Bundestag sitzen, sind die Einflussmöglichkeiten geringer. JETZT ist die Zeit!

 Posted by at 08:43

„Ich habe es vermasselt – I messed it up“

 Bundestagswahlen, Obama  Kommentare deaktiviert für „Ich habe es vermasselt – I messed it up“
Jul 012009
 

Mit diesen Worten äußerte sich der neue Präsident Obama bereits nach zwei Wochen Amtsführung, als ihm ein erster echter Fehler unterlief. Es war eine mißglückte Personalie. Ich halte diese und andere Gesten des neuen Präsidnenten für eine Art Gezeitenwende bei den Politikern. Denn seither gibt es immer mehr Spitzenpolitiker und führende Repräsentanten des öffentlichen Lebens, die unumwunden ihre Verantwortung oder Mitschuld einräumen. So etwas habe ich in meinem ganzen langen Leben noch nicht gesehen. Ich halte dies für äußerst erfreulich.

Gerade lief die Sendung „Retter in Not – wie Politiker die Krise bändigen wollen“ von Stephan Lamby in der ARD, die zahlreiche ähnliche Bekenntnisse eigenen Verschuldens enthielt.  Greifen wir einige davon heraus:

 ARD Digital – Digitales Fernsehen der ARD – Digitalfernsehen – Digital TV
„Ich habe daran geglaubt, dass gewisse stabilisierende Elemente immer wirken. Zum Beispiel, dass die Risiken zwar weltweit gestreut sind; aber jeder so viele Risiken nimmt, wie er selbst verkraften kann – und dass dadurch das System auch bei großen Schocks von außen die Stabilität behält. Das war eine Annahme, die falsch war.“ Ackermanns Schlußfolgerung: „Aufgrund dieser Annahme hat man Positionen aufgebaut, die sich im nachhinein als zu groß erwiesen haben. Insofern: Selbstverständlich habe ich auch eine Mitschuld.“

Harte Selbstkritik äußert auch Deutschlands oberster Bankenaufseher, BaFin-Chef Jochen Sanio: „Wir, die deutsche Aufsicht, weltweit die Aufsicht, hat ihre Aufgabe nicht erfüllt – ihre Aufgabe, die Stabilität des Systems zu garantieren, ohne den Einsatz von Steuermitteln.“
Die Politiker Peer Steinbrück SPD und Michael Glos CSU bekennen sich bei ihrer Ursachenforschung ebenfalls zur eigenen Schuld. So erinnert Finanzminister Steinbrück an die Koalitionsverhandlungen 2005. Damals versuchte die Bundesregierung, laut Steinbrück, den Finanzmarktplatz Frankfurt „auf Augenhöhe mit der City of London und mit der Wall Street zu halten. Dies ist zu naiv gewesen.“ Und Ex-Wirtschaftsminister Glos ergänzt: „Wir tragen alle eine kollektive Mitschuld. Ich war schon länger Bundestagsabgeordneter vorher. Insofern bin ich vielleicht auch als Gesetzgeber irgendwo mitschuldig.“

„Ich war schon länger Bundestagsabgeordneter vorher. Insofern bin ich vielleicht auch als Gesetzgeber irgendwo mitschuldig.“

Et ego peccavi – so hörte ich das im katholischen Beichtunterricht, den ich übrigens teilweise noch in lateinischer Sprache genoß. Diese Kultur der öffentlichen Gewissenserforschung gefällt mir. Sie ist reinigend. Ich bin gespannt, wie der Bundestagswahlkampf ablaufen wird. Eigentlich müssten die Parteien ihr gesamtes Werbekonzept umstellen. Es müsste eigentlich ein Bundestagswahlkampf werden, wie ihn Deutschland noch nicht gesehen hat.

 Posted by at 22:39