„Kirche der Angst“

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Nov 072010
 

Christoph Schlingensief, mit dem ich noch kurz vor seinem Tod ein letztes Mal zusammentraf,  prägte den genialen Ausdruck „Kirche der Angst“. In der Tat, wenn eine Gemeinde nichts Positives vorzuweisen hat, wenn sie nicht weiß, wofür sie arbeiten und wirken soll, dann wählt sie sich ein Gegenüber, das dann mit allen Kräften verteufelt wird.

Das verteufelte Gegenüber kann eine Menschengruppe sein, eine Religion, eine Technik. Das Angstmachende kann aber auch die befürchtete Verschmutzung und Verletzung der Natur sein.

So erschlugen die Germanen die fremdländischen Missionare, die Hand an die Reinheit der Bäume legten.

Man kann dann, geeint durch die Angst vor einem schier übermächtigen Gegner, für die „Reinheit des Volkes“, die „Reinheit der Natur“, die „Reinheit der Kultur“ kämpfen.

Man kämpft im Namen der Millionen Jahre, zu deren Hüter man sich berufen fühlt. Man greift auf das Schicksal vor: „Was wäre, wenn …“ Man spielt selbst Schicksal! Da man Sachwalter des Schicksals ist, braucht man keinerlei Rücksichten auf die staatliche Ordnung zu nehmen.

Was diese Gemeinden zusammenbindet, ist die Selbstermächtigung: „Was Reinheit und Sicherheit ist, das bestimmen wir! Wir brauchen uns an kein Recht und kein Gesetz zu halten.“

Die Berufung auf eine beschworene Natur, auf eine vor- und überstaatliche Gemeinschaft, verleiht Riesenkräfte. Man fordert den Leviathan heraus.


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2001 – ein Trauma?

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Mai 152010
 

Auf etwa 50 Quadratmetern lebten in den 70er Jahren im Moskau der Sowjetunion etwa 1-2 Familien mit 5-8 Menschen zusammen. Das galt auch für Akademiker, Künstler, Ingenieure. Umzug, Wohnungswechsel gehörten zur Normalität. Niemand murrte darüber. Das Wichtigste war: Man lebte in der Hauptstadt. Dafür war man bereit, mit weniger Wohnraum auszukommen als ein Bauer in Taschkent.

Heute hat in Berlin ein Sozialmieter oft schon ein Drei- bis Vierfaches der gutverdienenden Moskowiter an Wohnraum zur Verfügung. Dies ist ein nachgereichter Beleg für die Überlegenheit der Westberliner Mischform aus  Kapitalismus und Klientelismus! Und was einmal so ist, muss auch immer so bleiben. Die Bau- und Wohnungswirtschaft, die politischen Parteien, die öffentliche Verwaltung und die Sozialstaatsklientel – sie alle lebten prächtig von den Steuermillionen, die die reiche Bundesrepublik aus dem Westen herüberscheffelte. Wenn wieder einmal 500.000 D-Mark fehlten, genügte oft schon ein Griff zum Telefonhörer und ein Gespräch mit dem zuständigen Abgeordneten.

Mir wurde das von Berliner Politikern etwa so berichtet: „Kannst du uns mal bitte einen Haushaltsposten für 550.000 D-Mark lockermachen? Ja? Danke, wir laden dich dann zu unserem nächsten Empfang ein.Tschühüß!“ Und die 50.000 D-Mark Überschuss? Die waren Verfügungsmasse, mit denen konnte man sich weitere Klientelgruppen heranzüchten. Hier ein Pöstchen, da ein Mandätchen.

So hat man in Berlin über die Jahrzehnte hin eine satte, üppige Versorgungslandschaft erblühen lassen. Samt passender Versorgungsmentalität und Verteilungs-Ideologie. Ein Schlamm. Ein richtiger Faulschlamm. Dieser Schlamm baute sich über Jahre und Jahrzehnte auf. Das Gute daran ist: Schlamm ist fruchtbar. Im Schlamm gedeihen Geschöpfe, die anderswo nicht überleben würden.

Dann kam 2001. Der Bankenskandal. Die riesige Chance!  Jetzt konnte man den Schlamm richtig ausräumen. Besser: Man hätte den Schlamm ausräumen können. Man konnte die Gatter öffnen, konnte die alte Westberliner Verteilungsmentalität hinausspülen. Die gesamte alte Westberliner Machtelite konnte nach vorne treten und sagen: „Ja, wir sind Teil dieses Systems gewesen. Ja, wir waren dabei. Ja, wir haben uns an dieser Stadt und am Haushalt dieser Stadt versündigt. Die Väter haben Trauben gegessen – und den Söhnen werden die Zähne stumpf! Wir wissen, dass an unseren politischen Sünden die Stadt noch jahrzehntelang zu leiden haben wird. Zum Zeichen der Umkehr ändern wir unsere Politik grundlegend. Wir haben uns versündigt.“

Das alles wäre damals möglich gewesen. Es kam anders, wie wir alle wissen. Teile der Berliner Parteien betreiben Politik weiterhin, als hätte es „2001“ nie gegeben. Die Erfahrungen des Jahres 2001 werden als singuläres traumatisches Ereignis abgetan. Als wäre dieser Skandal der einzige gewesen! Also eine Art Tabubruch, für den man keine Erklärung liefert und aus dem man keine Lehren zieht.

Es wird weiterhin munter Geld verteilt. Jede Partei findet einen eigenen Berechtigungsgrund für das Geldverteilen: Mal sind’s die Investoren, mal sind es die Sozialschwachen, mal die Mieter, mal die Vermieter, mal die Klimaschützer. Dann die Klimaschutzindustrie, dann die Elektro-Auto-Industrie. Dann die Sozialindustrie. Dann die Antifa-Industrie.

Ausnahme: Für Kindererziehung gibt es keine Industrie. Deshalb fehlen in Berlin Lehrer, fehlen Erzieher. Sie sind nicht ausgebildet worden. Ausgerechnet da, wo staatliches Geld am dringendsten benötigt wird, fehlt es – schlimmer noch: Es kann mangels Masse nicht ausgegeben werden. Lehrer und Kita-Erzieher kann man sich in Berlin nicht kaufen. Es gibt sie nicht mehr zu haben.

Man verteilt Geld um an seine Empfängergruppen. Teile aller Parteien machen das so bei uns im Bundesland Berlin, selbstverständlich auch der ehemaligen Alternativ-Partei, der heutigen Grünen. Jeder holt sich vom Staat ab, was er kriegen kann. Auf dass kein Wandel eintrete!

Gibt es Ausnahmen? Ja. Selbstverständlich. In allen Parteien gibt es Zeichen des Umdenkens. Umstiege, Ausstiege aus satten, faulmachenden Verteilungssystemen. Der jetzige Finanzsenator und auch sein Amtsvorgänger bemühen sich redlich, die alte Versorgungsmentalität zu brechen. Sie haben oder hatten es schwer. Was Sarrazin über Migranten vom Stapel gelassen hat, lag daneben. Aber als Fachpolitiker hat er sich kein X für ein U vormachen lassen. Absolut untypisch für Berlins Parteienlandschaft! Ein Fremdling, ein migrantisch-erratischer Block. Gleiches gilt für den jetzigen Amtsinhaber Nußbaum. Ebenfalls erratisch, von außen eingeflogen und obendrein parteilos. Dass stets migrantische Politiker zu Finanzsenatoren werden, lässt tief blicken. Es ist doch offenkundig, dass eine solide Haushaltspolitik von denen, die vor 2001 ihr politisches Handwerk in Bundesland Berlin erlernt haben, vorerst nicht unbedingt zu erwarten ist. Also müssen Migranten aus anderen Bundesländern ran.

Es beweist, dass das jahrzehntelang angezüchtete finanzpolitische  Versorgungsdenken in Berlins Parteien noch keineswegs überwunden ist.

Letzter Beleg: Das inständige Flehen um eine Wiedereinführung der staatlichen Mieterförderung im großen Stil. Es darf sich nichts ändern! Die alten Kartelle sollen über die Hintertür wieder entstehen. Es soll ja alles so bleiben, wie es immer war. Hauptargument neuerdings gegen das Umziehen: „Wir haben hier unser gewachsenes Umfeld.“ Und das gewachsene Umfeld, die herrlichen Sozialkieze, der Traum jedes Moskowiters,  – das alles muss der Staat hegen und pflegen.

Wie in den guten alten Zeiten vor 2001. Zurück ins alte West-Berlin!

Post für den Problemmieter – 15.05.2010 – Berliner Zeitung

Man verfolge schließlich dasselbe Ziel: „Wenn die Politik auf massiven Druck oder per Richterspruch die Förderung wieder einführt, hilft das ja auch uns Eigentümern.“ Mit der Erhöhung hat Fitzke seinem Problemmieter sogar ein Wohnungsangebot der Konkurrenz aus der Nachbarschaft mitgeschickt: „Die Wohnung dort wäre billiger, dafür sogar größer“, sagte er.

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Jul 132009
 

Tolles Hoffest am Samstag bei uns in der Obentrautstraße! Hier seht ihr ein Bild von unserem wunderschönen Hofbrunnen! Ich erzählte das „Märchen vom armen Mann, vom Rabenkönig und vom Frettchen.“ Eine Mischung aus ukrainischen Märchenmotiven und eigenen Zutaten: dem Frettchen vom U-Bahnhof Neukölln. Der arme Mann verliert seinen Ochsen, auf dem der ganze Lebensunterhalt beruht. Die Familie hat nichts mehr zum Beißen und geht dem Hungertod entgegen.  Da hilft das Frettchen aus Neukölln dem dritten Sohn des armen Mannes, den geraubten Ochsen aus der Macht des bösen Rabenkönigs zu befreien. Wanja spielte das Beethoven-Lied „Das Frettchen“ auf seiner halben Geige dazu. Alles in Butter, alles toll! Wirklich? Wer ist denn das – ein armer Mann? Wer ist arm? Anlass genug für unsere morgendliche Betrachtung!

14,3% aller Deutschen und etwa 50% meines unmittelbaren Wohnumfeldes in Friedrichshain-Kreuzberg gelten als arm. Sie leben demzufolge unterhalb der von der internationalen Arbeitsorganisation ILO anerkannten Armutsgrenze, denn sie haben weniger als 60% des deutschen Durchschnittseinkommens zum Leben (764 Euro monatlich für Singles oder 1.376 Euro für Paare).

Hierzu erklärt der Politiker Johannes Hampel:

Das international anerkannte Armutskriterium – „weniger als 60% des Durchschnittseinkommens“ – ist willkürlich. Es ist ein lächerlicher Unfug. Es ist eine Verspottung der echten Armen, die es reichlich gibt, und zwar im Kosovo etwa, in Afrika, in der Ukraine, im Libanon, in Teilen der Türkei. Diese Menschen haben weniger als 2 Dollar pro Tag zur Verfügung. Sie sind arm. Mit 1375 Euro ist kein Paar arm. So etwas zu behaupten ist amtlicher Unsinn. Liest man „Die Lage der arbeitenden Klasse“ von dem begüterten Kapitalisten Friedrich Engels, dann erfährt man, was echte Armut war! In den USA kann heute Arbeitslosigkeit unter Umständen eine gewisse Armut bedeuten. Man überlebt dann oft nur noch durch die staatliche oder kirchliche Fürsorge, also durch Notküchen und mildtätige Zuwendungen, und viele verlieren ihr gewohntes Heim und müssen in ärmliche Quartiere ziehen.  In den EU-Staaten hingegen haben Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger durchschnittlich etwa 50% eines Erwerbseinkommens zur Verfügung. Das reicht in Deutschland vollkommen aus, um ohne Armut zu leben. Zugleich liegen die Menschen zuverlässig UNTERHALB des staatlichen Armutskriteriums.  Damit ist gesichert, dass eine Heerschar von ARMUTSBEKÄMPFERN auf Jahrzehnte hinaus Lohn und Brot findet! Mit dem amtlichen Armutskriterium bekämpft man also zuverlässig und nachhaltigst die drohende Arbeitslosigkeit der Armutsbekämpfer. Es wird schon aus mathematischen Gründen immer genug vermeintlich Arme geben, für die die professionellen Armutsbekämpfer kämpfen können. Etwa die Linkspartei. In unserem Wahlkreis 84 gibt es höchstens 1 Prozent echte Arme. Alle anderen, also die etwa 50% der Menschen, die hier im Wahlkreis 084 von Transferleistungen des Staates leben, sind nicht wirklich arm. Die nichtarbeitenden Klassen werden nur künstlich arm gerechnet. Dann sagt man ihnen: „Ihr seid arm, ihr seid arm dran, ihr Armen!“ Damit sie sich einnisten in ihrem behaglichen Opferstatus und nichts tun, um selbständig ihre Chancen und ihren – allerdings bescheidenen – Wohlstand zu mehren. Armes Kreuzberg, armes Friedrichshain, armes Prenzlauer Berg!

Auf, ihr Arme dieses Bezirks, lernt auf eigenen Füßen zu stehen!

 Posted by at 09:18