Mai 122015
 

Von der „deutsch-sowjetischen Doppelaggression“ im Zuge des Hitler-Stalin-Paktes, deren Opfer „unsere ostmitteleuropäischen Nachbarn“ geworden seien, sprach in seiner bewegenden Rede am 8. Mai 2015 der Historiker Heinrich August Winkler im Deutschen Bundestag. Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?

Ist denn nicht das nationalsozialistische Deutsche Reich der Urquell aller politischen Verbrechen, aller militärischen Aggressionen in all den Jahren von 1933-1945? Hat denn die sozialistische Sowjetunion, haben denn die Tscheka und der NKWD, hat denn die Rote Armee in all den Jahren 1918-1945 und dann bis 1989 auch nur einem anderen Staat (heiße er nun Polen, Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien … oder Afghanistan) in einem Angriffskrieg auch nur ein Härchen gekrümmt?

Bei der Beantwortung dieser Rätselfrage sagen zwei Bilder mehr als tausend Worte!
Ein reich bebildertes Buch, ein Versuch, das gesamte Zeitalter der Weltkriege zu umspannen, liegt vor mir. Es enthält zwei Fotos, die allein schon den moderaten Kaufpreis von € 4,50 lohnen:

Ernst Piper (Hrsg.): Das Zeitalter der Weltkriege. Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Band 1553, Bonn 2015

Das erste Foto (S. 95), aufgenommen am 22. September 1939 in Brest-Litowsk (heutiger Name: Brest), zeigt von links nach rechts
a) den sowjetischen Brigadegeneral Semjon Moissejewitsch Kriwoschein; daneben, ihm freundschaftlich lächelnd zugewandt
b) den deutschen General Heinz Guderian, und rechts daneben
c) den österreichischen General Mauritz von Wiktorin

Das zweite Foto (S. 217) zeigt exemplarisch die freundschaftliche, von guter Zusammenarbeit geprägte Atmosphäre, in der sich deutsche und sowjetische Generäle und Offiziere in all den Jahren von 1926 bis 1941 begegneten. Der sowjetische Kommissar Borowenskij ist soeben aus seinem Panzerauto gestiegen. Ort: ebenfalls Brest-Litowsk, Tag: 20.09.1939. Die Zerschlagung Polens, das Gemeinschaftswerk deutscher und sowjetischer Truppen, ist gelungen, man freut sich des raschen gemeinsamen Sieges über den unterlegenen Nachbarn.

Bei genauem Hinsehen wird der Betrachter den Geist lächelnden Einverständnisses zwischen den deutschen, dem österreichischen und den sowjetischen Offizieren erkennen.

Die enge militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und dem Deutschen Reich, die ununterbrochen von 1926 bis zum 21. Juni 1941 dauerte, manifestierte sich in zahlreichen Begegnungen auf hoher und höchster Ebene sowie einer ganzen Reihe von Abkommen zur wirtschaftlichen und wehrtechnischen Zusammenarbeit, deren letztes das deutsch-sowjetische Wirtschaftsabkommen vom 10. Januar 1941 darstellt.

Im Sommer 1941 verriet jedoch das nationalsozialistische Deutsche Reich seinen stärksten Bundesgenossen und wichtigsten Waffenbruder im Kriege, nämlich die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UDSSR); hatte sich der neue europäische Krieg bisher als Angriffskrieg des faschistischen Italien, des nationalsozialistischen Deutschen Reiches und der kommunistischen Sowjetunion gegen deutlich schwächere Nachbarstaaten wie etwa Albanien, Polen und Finnland („Winterkrieg“ der kommunistischen Sowjetunion gegen Finnland ab 30.11.1939!) entwickelt, so weitete sich das Geschehen nun, ab 22.06.1941, schlagartig zu einem echten Weltkrieg aus.

Mt seiner Wendung von der deutsch-sowjetischen Doppelaggression, die mancher leicht links (oder gar in der Kommunistischen Plattform) sitzenden Bundestagsabgeordneten ungewohnt aufgestoßen haben mag, traf der Historiker Winkler also durchaus ins Schwarze. Unter Historikern unterliegt es heute keinem Zweifel mehr: Neben dem Königreich Italien – das leider allzu oft links liegen gelassen wird und das derzeit sträflich unterbelichtet ist – leistete 1939 auch die sozialistische Sowjetunion (UDSSR) einen entscheidenden, einen geradezu proaktiven Beitrag zur Entfesselung des Zweiten Weltkrieges.

Auch darin hatte Winkler bei seiner großen Rede im Deutschen Bundestag am 8. Mai 2015 recht.

Ernst Piper (Hrsg.): Das Zeitalter der Weltkriege. Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Band 1553, Bonn 2015

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Mrz 222012
 

Ein hübscher, polemisch zuspitzender Ausdruck, den ich von Leo Trotzki übernehme, ist der Ausdruck „Nationalkommunismus“. Bekanntlich sprach Trotzki sich gegen das Leninsche Konzept vom Sozialismus in einem Lande aus, wonach die kommunistische Revolution ruhig zuerst einmal in einem rückständigen Musterland durchgeführt werden solle, auch dann, wenn die Stunde der Weltrevolution noch nicht geschlagen habe. Stattdessen verfolgte er unbeirrt das übergeordnete Ziel der Weltrevolution. Das hat ihn sein Leben gekostet, die von ihm kritisierten russischen Nationalkommunisten jagten ihn aus dem Land und ermordeten ihn schließlich am 20.08.1940 in Mexiko wie so einige Millionen andere tatsächliche oder vermeintliche Abweichler, Volksschädlinge, zersetzende Elemente usw. usw.

Trotzki war einer der ersten, der in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bereits die strukturelle Ähnlichkeit zwischen Nationalsozialismus und Nationalkommunismus herausarbeitete. Er sprach bereits viele Jahre vor dem deutsch-russischen Interessenaufteilungsabkommen vom 23.08.1939 von einer Art Volksfront der Nationalsozialisten und Nationalkommunisten gegen die wahren Kommunisten – die „Trotzkisten“ eben, wie sie sich später nannten. Gut gemacht!

Es wäre einmal interessant zu prüfen, ob die 1920 erfolgte Umbenennung der DAP in NSDAP ausdrücklich mit Bezug auf die Schriften Leo Trotzkis erfolgte, salopp formuliert:  „Wenn die Russen ihren Nationalkommunismus so erfolgreich durchziehen, dann probieren wir’s eben als Deutsche mit dem Nationalsozialismus. Könnte klappen! Probieren wir’s einfach!“ Und es hat – im zweiten Anlauf 1933 – geklapppt!

Wie und wann entstand der Nationalkommunismus? 1917 begann der Nationalkommunismus zunächst in Russland – und setzte sich in zunächst Russland und dann in anderen, durch Russland eroberten Ländern fort bis etwa 1956 … Massenerschießungen, Ausmerzung von „Schädlingen“, Zwangsrussifizierung der Minderheiten, hunderte von sogenannten „Konzentrationslagern“ (Концентрационный лагерь, später in „stalinistischer“ „Gulag“ umbenannt), Judenfeindschaft, übersteigerter russischer, später rumänischer, ungarischer, tschechischer, bulgarischer Nationalismus gehörten zum Kernprogramm dieser Nationalkommunismen.

Eine sehr hohe Millionen-Zahl an Terroropfern und einge verbrecherische Angriffskriege hat der nationalistische Kommunismus in Russland und den Nachbarländern ab 1917 produziert, und zwar bereits weit vor dem 1. September 1939. Alles vergessen? Nicht ganz, aber TOTgeschwiegen. Der eine oder andere Fachhistoriker wird wohl wissen, wovon ich hier rede.

Der durch die Oktoberrevolution 1917 eingeleitete russische Nationalkommunismus war nachweislich das große Strukturvorbild erst der italienischen Faschisten und dann der deutschen Nationalsozialisten! Nicht nur im Namen, sondern auch in den Propaganda-Methoden ahmten zuerst die italienischen Faschisten und dann die deutschen Nationalsozialisten das Vorbild der russischen Nationalkommunisten erstaunlich präzise nach. 

Zwangsrussifizierung der Ukrainer, Letten, Esten, Litauer, Zwangsitalianisierung der Slowenen und der Südtiroler, Zwangsgermanisierung der nichtdeutschen Minderheiten … die nationalistischen Programme der russischen, italienischen und deutschen Politik glichen sich im kommunistischen Russland, im faschistischen Italien, im nationalsozialistischen Deutschland mit erstaunlicher Präzision.

Ich kenne Plakate gegen Volksschädlinge in deutscher und in russischer Sprache aus den 30er Jahren, die einen von den russischen Nationalkommunisten, die anderen von den deutschen Nationalsozialisten gefertigt. Sie sind in der Bildsprache und selbst in den Slogans nicht zu unterscheiden.

Nur schweigt die Welt heute davon. Man will nichts von den Zwangsrussifizierungen, den Zwangsitalianisierungen wissen. SCHLUSS-STRICH endlich!

Wie kann man den Schlussstrich ziehen? Durch eine ganz einfache Friedensformel: Die Deutschen waren an  allem schuld. Und aus, fertig, erledigt. Die Deutschen sind die Urquelle allen Übels.

Das friedliebende Italien, nicht das kriegerische Deutschland hat Albanien am 2. April 1939 militärisch überfallen und besetzt und damit gewissermaßen das miltärische Vorspiel zum 2. Weltkrieg geliefert. Vergessen! Das friedliebende Italien hat am 28.10.1940 aus eigenem Antrieb Griechenland überfallen und besetzt. Vergessen! Ein unbedeutendes Detail. Zahlen müssen und sollen heute endlich die Deutschen. Weg mit den Tatsachen. Kommunistische italienische Partisanen haben im italienischen Bürgerkrieg Pier Paolo Pasolinis Bruder ermordet. Passt nicht ins Bild. Also weg mit diesen Tatsachen.  Denn sie könnten das Bild ins Wanken bringen, dass letztlich die Deutschen und nur die Deutschen an allem Bösen schuld sind.

Das ist die antideutsche Theologie oder auch Holocaust-Theologie, wie sie heute weltweit und tausendfach vertreten und gelehrt wird, vor allem auch in Deutschland selbst, aber daneben vor allem in tausenden von Filmen und Büchern über die „dunklen Zeiten“.

Bis hin zu dem Punkt, dass man sich an staatlichen deutschen Feiertagen schämt, die deutsche Sprache, die Muttersprache eines Martin Luther, Philipp von Zesen, Johann Sebastian Bach, Friedrich Schiller, Immanuel Kant, Albert Einstein, Karl Marx, Heinrich Heine, Sigmund Freud, Franz Kafka, Thomas Mann zu verwenden und stattdessen lieber Englisch oder gar nichts spricht und singt. Ist alles Deutsche böse?

Sind denn Martin Luther, Philipp von Zesen, Johann Sebastian Bach, Friedrich Schiller, Immanuel Kant, Heinrich Heine, Albert Einstein, Karl Marx, Sigmund Freud, Franz Kafka, Thomas Mann alle böse, nur weil sie Deutsche waren, die deutsche Sprache liebten und sprachen, oder im sprachlich-kulturellen Sinne als Deutsche anzusehen sind?

Stillschweigendes Motto des heutigen antifaschistischen, antirassistischen Kampfes:

a) Du sollst nicht wissen!
b) Du sollst nicht fragen!
c) Die Deutschen und nur die Deutschen haben mit ihren Helfershelfern ganz Europa verwüstet. Sie sind letztlich an allem Bösen in der europäischen Geschichte schuld.

Leo Trotzki: Gegen den Nationalkommunismus. Lehren des »Roten« Volksentscheids

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