Berückende Schönheit im Unteren Odertal

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Mai 192024
 

Vor wenigen Tagen führten dienstliche Belange mich in den Nationalpark Unteres Odertal. Denn wieder einmal galt es einige Brücken zwischen den Ländern herzustellen und gangbar zu machen. Voll unbändiger Freude sattelte ich mein stählernes Ross, packte die wenige Habe, die ich benötigen würde, in zwei Taschen – und fort ging es von Schwedt Richtung Süden. Bald schon hatte ich den Damm längs der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße erreicht, die sich wie ein glitzerndes Band am Rande der vielfach gegliederten Auenlandschaft windet. Leichtgängig rollte mein Rad auf der Krone des Deiches dahin, dem Ziel Criewen entgegen.

An einem geschlossenen Gatter bog ich vom Damm nach links unten ab, und nun öffnete sich vor meinen Augen eine wilde Auenlandschaft, mit immer neuen glitzernden Wasserflächen, hoch in der Luft riefen die Lerchen, links und rechts quakten Frösche unermüdlich um die Wette, kleine Moore, mosaikartige lehmige Flächen, Sedimentablagerungen, glitzernde Wasserflächen, trübe Pfützen säumten den nun doch recht holprigen Fahrweg.

In war also in den Poldern angekommen, jenen Überflutungsflächen, in denen sich nach starkem Regen das Wasser der Oder ergießen und ausbreiten darf! Drüben im Osten, schon auf polnischem Gebiet erhob sich der Hügelzug des Odertals, eine Hinterlassenschaft der letzten Eiszeit, die vor etwa 12.000 Jahren endete.

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Urzeugung des Lebens – Metamorphosen der Form im Strandbad Wannsee

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Sep 242023
 

Heute Vormittag besuchte ich als erster und längere Zeit all-einziger Badegast das riesige Strandbad Wannsee, ein herrliches Gefühl! Zumal ich dann auch zwei Mal in dem brackigen, von reichlich Grünalgen besiedelten See umherschwamm und anschließend auch kalt duschte. Um mich herum als Badegast die etwa zehn Bediensteten, Sicherheitsleute, Badewärter, Aufsichtspersonen! Ich plauderte ein bisschen mit dem einen oder anderen und fühlte mich rundum behütet und betreut! Ein Betreuungsschlüssel von 10 Betreuern für einen einzigen zu betreuenden Schwimmgast, davon können sie in Schönebergs oder Neuköllns Sommerbädern, in Berlins Kitas und Schulen nur träumen!

Ein wunderbarer Tag – schaut hin! Dieses Wasser der Havel lebt und wimmelt, Milliarden von grünen Zellen verknäueln sich hier ineinander; unter dem kraftvoll anregenden Sonnenlicht blühen die winzigen, gallertartig verklumpten Lebewesen schimmernd auf! Wenn man so will, – dies ist die Urzeugung des Lebens aus der unbelebten Materie – dem Wasser!

Nach allerlei sportlichen Übungen und sorgsamem Abduschen des Körpers mit Schwällen klaren, kalten aus geometrisch geformten Duschköpfen spritzenden Wassers blieb mir Zeit, die einsam daliegende, anmutig gestaltete Landschaft zu betrachten, in die ich sozusagen als kleiner König des Augenblicks versetzt war. Und siehe, sogar an ein Kunstwerk haben die Planer gedacht, denn um ein Kunstwerk muss es sich zweifellos handeln bei diesem archaisch hingewuchteten, wie von Zyklopen aufgestellten Felsgebilde! Ein Besinnungsgeviert, eine Art Begräbnisstätte, ein Menhir für einen Abwesenden – gewidmet dem einzigen hier Anwesenden, wer vermöchte das zu entscheiden?

Und wie lieblich, wie ansprechend ist doch diese Hausfassade, der ich beim Verlassen des weitläufigen Geländes meine Aufwartung macht! Man möchte an das Gartenhaus Goethes denken, das ich vor Jahr und Tag in Weimar besuchte. Wie sorgfältig haben die Architekten und Ausführenden (Martin Wagner, Richard Ermisch) in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts hier jedes Detail entworfen und gestaltet! Jeder Fensterladen, jeder Blumenkasten, jedes Gebüsch, jedes Gitter, die Farben, die unverputzten, in Rot und Ocker spielenden Backsteine – alles tritt hier zu einem harmonischen Ganzen zusammen, das dem müßigen Wanderer Bewunderung und Entzücken abverlangt!

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Bioturbation: das immerwährende Sich-Umschaffen der Natur

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Sep 162023
 

Wasserbüffel beweiden die Pfaueninsel in der Havel im Südwesten Berlins. Aufnahme des Verfassers vom 3. Juli 2019.

Schaut hier hin: Großtiere wie diese Weidetiere schufen und schaffen durch Betreten, Äsen, Scharren, Wühlen, Absondern von Dung eine Vielzahl an kleinräumigen Habitaten für eine Unzahl an Lebewesen, von den humusbildenden Mikroben, den Asseln, Würmern, Insekten, den Kleinsäugern wie Mäusen, Hamstern bis hin zu den Beutegreifern wie Fuchs, Wolf, Habicht und Fischadler. Auch die vielgerühmte Schwarzerde der Ukraine, der Kornkammer der Welt, wie wir sie nennen dürfen, ist so entstanden!

Über diesen einst die Landschaften Europas und aller Kontinente prägenden Wirkzusammenhang schrieb Jan Haft im Jahr 2023:

„Unterirdisch lebende Tiere wie Regenwürmer, Käferlarven, Maulwürfe, Hamster, Ziesel und andere verfrachten den Humus beim Wühlen in immer tiefere Erdschichten. Dabei bringen sie Gesteinsbrocken und damit Mineralien an die Oberfläche und machen sie für die Pflanzen verfügbar. Hierfür gibt es sogar einen eigenen Fachbegriff: „Bioturbation“. Auf diese Weise sind überall auf der Welt mehrere Meter tiefe Braun- und Schwarzerdeböden entstanden, voller Humus und voller Kohlenstoff. Die Existenz dieser Böden beweist ihrerseits, dass es die offenen, von Großtieren dominierten Savannen gab. Sei es in der amerikanischen Prärie und Pampa oder den Steppen in Afrika, Asien, Australien und Europa.

Die wichtigsten Getreideanbaugebiete befinden sich heute im Bereich dieser Schwarzerden, von denen ein Drittel in der Ukraine liegt. So könnte man sagen dass die Menschheit ihre Nahrung zu einem beträchtlichen Teil den von ihr ausgerotteten Weidetieren zu verdanken hat.“

Zitatnachweis:
Jan Haft: Wildnis. Unser Traum von unberührter Natur. Penguinverlag, München 2023, Seite 66

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Schön ist deiner Erfindung Pracht

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Apr 022023
 

Sandstrohblume, Habichtskraut, Eberesche, Hartriegel, Rispenflockenblume, Rainfarn, Nachtkerze, Weinrosen – diese Pflanzenarten und noch viele mehr, nämlich über 350 Pflanzenarten sind hier im Schöneberger Südgelände nachgewiesen!

Friedrich Gottlieb Klopstock fasst die staunenswerte Fülle, die die natürliche Umwelt uns bietet, mit folgenden Worten:

Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht,
Auf die Fluhren zerstreut ; schöner ein froh Gesichte,
Das den großen Gedanken
Deiner Schöpfung noch einmahl denkt.

Die Natur – so erlebt der Dichter dies 1750 bei seiner Fahrt auf der Zürcher See – ist eine prachtvolle Erfinderin, deren Einfallsreichtum uns immer wieder in Staunen versetzt. Nicht der Mensch hat die Natur geschaffen, sie ist vor ihm da und wird ihn auch überdauern. Die Natur ist zunächst einmal nicht unser Gegenstand, sondern das uns Ergreifende, uns Entzückende.

Von der schimmernden See weinvollen Ufer her,
Oder, flohest du schon wieder zum Himmel auf,
Komm im röthenden Strale,
Auf den Flügeln der Abendluft ;

Komm, und lehre mein Lied jugendlich heiter seyn,
Süße Freude, wie du ! gleich dem aufwallenden
Vollen Jauchzen des Jüngelings!
Sanft, der fühlenden Sch — inn gleich.

Während für das heutige besorgende, verwaltende Denken und Rechnen die Natur wie auch das Klima im wesentlichen nur noch als Lebensgrundlage des Menschen, als Menschendienliches, als eine Art gewaltige berechenbare Maschine erscheint, die es am Laufen zu halten gilt, gerät der Dichter außer sich, – er denkt über das reine Menschsein hinaus, er denkt – nach. Er weiß, dass er über die Natur (wie auch über das Klima) keine Gewalt hat.

Dies, so meine ich, sollten wir heute ebenfalls beherzigen.

Und wir Menschen – dürfen das mit Herz und Sinn, mit Verstand und Gefühl genießen. Für die durch die Medien maßlos hochgepeitschte, apokalyptische Angst vor dem vielbeschworenen Untergang der Welt, wie wir sie kennen, besteht, so meine ich, kein Anlass, nicht der geringste Anlass!

Der Natur-Park Südgelände ist ein prachtvolles Zeugnis für den Erfindungsreichtum der Natur – hier hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte fast ohne Zutun des Menschen auf einer verlassenen Eisenbahnbrache eine Lebensgemeinschaft herausgebildet, die artenreich, widerständig, lebensstrotzend, klimawandelresistent und wandelbar ist.

Gedruckte Erstfassung hier zitiert nach:
1750. Friedrich Gottlieb Klopstock: Zweyte Ode von der Fahrt auf der Zürcher See. In: Gedichte 1700-1770. Nach den Erstdrucken in zeitlicher Folge herausgegeben von Jürgen Stenzel. [=Epochen der deutschen Lyrik in 10 Bänden. Herausgegeben von Walther Killy. Band 5], 2. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1977, S. 243-245, hier: S. 243

Bild: Ein Blick in den Natur-Park Schöneberger Südgelände am heutigen 2. April 2023

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„Gott will Mensch und sterblich werden“

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Nov 212020
 

Gott will Mensch und sterblich werden

3. Advent, Gottesdienst mit Taufe und festlicher Musik | Evangelische Halensee Gemeinde (kirchengemeinde-halensee.de)

Mich erreicht eine Einladung zu einem Gottesdienst unter diesem Motto, der ich mit Freuden singend Folge leisten will. Recht seltsam mutet jedoch der Titel dieser Arie an, die Georg Philipp Telemann in Töne gesetzt hat:

Gott will Mensch und sterblich werden.

3. Advent, Gottesdienst mit Taufe und festlicher Musik
Pfarrer Joachim Krätschell
Sonntag, 13. Dezember 2020, 10:00 – 11:00 Uhr
Ort: Kirche der ev. Kirchengemeinde Halensee, Westfälische Straße 70A, 10709 Berlin

„Gott will Mensch und sterblich werden“ Barocke Arien zum Advent
Musik von Johann Sebastian Bach und Georg Philipp Telemann

Johannes Hampel, Tenor; Franziska Ritter, Flöte; Kathrin Freyburg, Orgel und B.C.

Bild: Bilder der sterblichen Natur, hier: kleine sterbliche Menschlein auf einem Steg, hineingebaut in göttlich geschaffene Natur. Britzer Garten, Berlin-Neukölln, Aufnahme des Verfassers vom 8. November 2020

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Weisungslos Wandern im Weglosen in den Werbelliner Wäldern

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Sep 172020
 

Prachtvolle alte, beständig sich verjüngende Baumbestände durchwanderten wir am 30. August 2020. Als Wanderstrecke hatten wir am Vorabend die Route „Joachimsthal-Altenhof-Hubertusstock. Rund um den Werbellinsee“ gewählt, und zwar nach folgendem, in vielerlei Hinsicht vortrefflichem Büchlein:

Bernhard Pollmann: KOMPASS Wanderführer+Karte Berlin-Brandenburg. 75 Touren. Innsbruck 2017, S. 188-191

Das Abenteuer im Weisungslosen begann bereits mit dem Schienenersatzverkehr ab dem Bahnhof Eberswalde, denn wegen Lokführermangels konnte die fahrplanmäßige Bahnverbindung zum Ausgangspunkt der Wanderung, dem Kaiserbahnhof Joachimsthal nur mit einem eiligst beorderten Bus bedient werden. Der sehr freundliche Busfahrer erkundigte sich nach der Strecke und nach unseren Fahrtzielen, und einige ortskundige Mitreisende schlugen ihm eine geeignete Route zu dem vorgegebenen Endbahnhof vor.

Betrachtet das Bild aus dem Inneren der Werbelliner Berge! Ihr seht mittig einen uralten Baumstumpf aufragen, der bis auf Schulterhöhe von einer Moosschicht überwachsen wird. Was mag den Riesen gefällt haben? Ein zuckender Blitzschlag, knickender Windwurf, jahrelang nagende Kernfäule? Schaut genauer hin: Schwämme klammern sich an den Flanken des gebrochenen Titanen fest, Spinnen haben an einigen Stellen ein feines Gespinst gewoben, um darin Fliegen zu fangen.

Die mächtige Krone der abgestorbenen Buche ist nicht mehr zu erkennen. Junges, frisches, aufsprießendes Grün hat Platz gegriffen, wo einstmals die weit ausgebreitete Baumkrone Licht in sich aufnahm und Wasser von Regengüssen aufsaugte. Büsche und junge Bäume suchen sich nun einen Platz, streben ungestüm dem Licht entgegen! Nicht alle werden sich behaupten, vielleicht wird nur ein einziger Baum die Größe, den Stammumfang des vormaligen Herrschers dieser Lichtung erobern.

Doch damit nicht genug! Weitere Überraschungen erwarteten uns: die angekündigten Markierungen fehlten meist, oftmals erkannten wir an Weggabelungen oder Kreuzungen nicht, wie wir weitergehen sollten. Nach einigen Kilometern fanden wir denn doch noch einen Wegweiser auf einem morschen Zaunpfahl. Doch dieser Wegweiser war frei drehbar in beliebige Richtung, und die Richtung, in der jetzt zufällig gerade zeigte, führte weglos ins Unterholz. Einige Male endeten wir derart im Weglosen, im Unbegangenen – wir waren auf einem Holzweg! Holz lautet ja ein alter Name für Wald. Holzwege sind weisungslose Wege, die im Unbegangenen enden.

Und siehe da – wir gelangten auf einem kaum erkennbaren Pfad zu einem Ansitz, vor dem auf einem Pfahl ein mächtiger Salzstein in Kopfhöhe ausgelegt war. Hier soll wohl das Rotwild direkt vor die Flinte angelockt werden, und wenn es dann den Hals emporbeugt, bietet es sich dem Jäger auf dem Hochsitz ungeschützt zum Blattschuss dar.

Theodor Fontane ist es, der uns erzählt, dass der Werbelliner Forst weltweit an der der Spitze des Jagdwildbestandes liege – übertroffen nur vom Kopenhagener Tiergarten („Dyrehave“), und er fährt fort:

Aber an Rotwild bleibt Werbellin à la tête. Seine Forsten umschließen dreitausend Hirsche, die größte Zahl, die, soweit die Kenntnis davon reicht, an irgendeinem Punkte der Welt, innerhalb eines abgegrenzten Reviers gehalten wird. Hier war denn auch, wie selbstverständlich, der Platz, wo sich die Zahl der getöteten Hirsche (denn trotz des Prinzips der Schonung müssen die alten weggeschossen werden) auf eine Höhe bringen ließ, die selbst von den Taten des Cooperschen »Hirschtöters« schwerlich erreicht worden ist. Der jetzt im Potsdamer Wildpark angestellte Wildmeister Grußdorf war dreißig oder vierzig Jahre lang Förster im Werbelliner Forst, und die Leute versichern von ihm, daß er derjenige Jäger sei, der in seinem Leben die meisten Hirsche geschossen habe. Er kannte nicht nur alle, die überhaupt da waren, er fand auch alle, die er finden wollte, und traf alle, die er treffen wollte. 

Wir können nicht vorhersagen, wie es an diesem verschwiegenen Ort bei Joachimsthal weitergeht. Doch wir sind gewiss: Die Natur wird sich behaupten, unter all den Pflanzen und Tieren bildet sich eine wandelbare Lebensgemeinschaft heraus, die auch über den Tod des einzelnen Lebewesens, etwa den Tod dieser uralten Buche hinausgeht.

Ein großartiges Theater, das sich abseits des Weges vor unseren staunenden Augen auf dieser begeisternden Wanderung entfaltete. Weisungslos! Denn ein menschlicher Regisseur für dieses beständig sich erneuernde, sich verjüngende Schauspiel des Lebens ist nicht zu erkennen.

Zitat
Theodor Fontane: „Am Werbellin„. In: ders., Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Zweiter Teil. Das Oderland. Barnim-Lebus. Herausgegeben von Gotthard Erler und Rudolf Mingau. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2005, S. 480-486, hier S. 483

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Tief greifen die Wurzeln der Tanne in den…

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Jul 242020
 

Tief greifen die Wurzeln der Tanne in den Boden, leicht zieht sie mit ihren Fasern die Nährstoffe in sich ein. Schon lange steht sie hier auf dem Schöllkopf, nicht weit von Freudenstadt entfernt, wohl 250 bis 300 Jahre ist sie alt, sie, die nachweislich mächtigste Tanne des ganzen Schwarzwaldes! Erst stand sie freistehend, spendete Schatten dem unter ihr weidenden Vieh; später wurde rings um sie herum aufgeforstet.

Großvatertanne wird sie genannt. Da sie sich bester Gesundheit erfreut, mag sie durchaus das natürliche Höchstalter der Tanne, also etwa 400 Jahre erreichen. 46 Meter ist sie hoch, ihr Stammvolumen umfasst 36 Kubikmeter.

Tanne und Buche sind die beiden Baumarten, die von Natur aus hier auf etwa 700 m Höhe über dem Meer am besten gedeihen. Sie sind die Charakterbäume des Schwarzwaldes; die heute oftmals dominante Fichte wurde erst später durch den Menschen zur Ausbeutung als Monokultur nachgepflanzt.

Ich legte am Sonntag, dem 19. Juli 2020, meine Hand auf die merkwürdig sanft anmutende Rinde der Großvatertanne. Sie war schon lange vor mir da, sie wird auch lange nach mir noch da sein. Und doch kann ich Fühlung mit ihr aufnehmen. Beglückend!

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Kinder, wer sind diese fleißigen Gesellen?

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Mai 112020
 
Im Tal der Briese bei Birkenwerder am 10. Mai 2020
Wir staunten gestern auf unserer Wanderung darüber!
„Land unter“ im Naturpark Barnim
Wer hat diesen Staudamm so kunstfertig aufgeschlichtet?

Nicht zu fassen,
Die dreisten Gesellen!
Sie können’s nicht lassen,
Die Bäume zu fällen
Im Tal der Briese,
Sie stauen die Quellen,
Sie fluten die Wiese,
Sie hausen im Dunkeln,
Sie nagen bei Nacht,
Bleib wach und munter,
Du nimm dich in acht,
Wenn Sterne funkeln,
Sonst gehst du unter.

Nun frage ich euch, liebe Kinder: Wer ist gemeint? Wer sind die fleißigen Gesellen, das dreiste Gelichter?

Antwort: Es sind die … !

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Frühlingsglaube

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Mrz 162020
 
Stechginster in Blüte. Botanischer Garten Berlin, 15.03.2020

Es wandert eine schöne Sage
Wie Veilchenduft auf Erden um,
Wie sehnend eine Liebesklage
Geht sie bei Tag und Nacht herum.

Das ist das Lied vom Völkerfrieden
Und von der Menschheit letztem Glück,
Von goldner Zeit, die einst hienieden,
Der Traum als Wahrheit, kehrt zurück.

Wo einig alle Völker beten
Zum Einen König, Gott und Hirt:
Von jenem Tag, wo den Propheten
Ihr leuchtend Recht gesprochen wird.

Dann wird’s nur Eine Schmach noch geben,
Nur Eine Sünde in der Welt:
Des Eigen-Neides Widerstreben,
Der es für Traum und Wahnsinn hält.

Wer jene Hoffnung gab verloren
Und böslich sie verloren gab,
Der wäre besser ungeboren:
Denn lebend wohnt er schon im Grab.

Gottfried Keller: Frühlingsglaube
Hier zitiert nach: Deutsche Gedichte. Herausgegeben von Hans-Joachim Simm. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig, 3. Auflage 2013, S. 762-763.

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Vielfach gestaffelte Räume, wimmelndes Leben im Nuthe-Urstromtal

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Mai 192019
 

Ab von dem längs der Gottower Chaussee verlaufenden Radweg, etwa 2 km von Gottow und von Luckenwalde entfernt, lockte uns heute der Waldweg in den urwaldartigen Baumbestand des Nuthe-Urstromtales. Wir bogen ab in den Waldlehrpfad, der zum Eiserbach führt. An der Kranichwiese stießen wir auf einen übermannsgroßen Ameisenbau. Die Waldameisen wimmelten zu Tausenden auf dem mächtigen Haufen umher. Das geschärfte Ohr des Waldgängers vernahm ein feines Rascheln und Knistern, ein Knacken und Zirpen in vielen Frequenzen aus dem Haufen heraus.

Der Ameisenbau an der Kranichwiese

Der Wald in diesem Abschnitt des Nuthe-Urstromtales erinnert in wesentlichen Zügen an einen Urwald, wie er sich früher über die Jahrhunderte ohne tiefgreifende Eingriffe der Menschen an Bächen und Flüssen herausgebildet hat und jetzt allmählich durch gezielte Renaturierung wieder zurückbildet. Kennzeichen der naturnahen, urwaldähnlichen Pflanzenverbundgesellschaft im Nuthetal sind: ein erstaunlicher Artenreichtum, hoch aufwachsende Laubhölzer, insbesondere Esche, Buche, Erle, einige wenige Eichen und Birken. Keine Nadelbäume! Immer wieder kreuz und quer liegend alte, hochaufgeschossene Baumriesen, die durch Windbruch, Schädlingsbefall, Pilze oder altersbedingte Schwäche umgestürzt worden sind und dadurch eine Lichtung für nachwachsende Gehölz schaffen: raschwachsende Büsche, Moose, Gräser. Das Leben schießt unverwüstlich wieder auf, das Leben im Wald überlebt!

„Verkammerte“ Lebensräume: man blickt immer wieder in Abschnitte der Pflanzengesellschaft hinein, die eine Art Binnen-Räumlichkeit schaffen, mit eigenem Licht, eigenen Farben, eigenen Geräuschen. So insbesondere auch am Eiserbach selbst, einem nicht begradigten schmalen Bach, der hier zu sehen ist:

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Besuch der Bachstelze

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Mai 012019
 

Emsig wippt der Schwanz der hochbeinigen Bachstelze, die sich mutig voranschreitend unserem Strandkorb am Wannsee nähert. In taktmäßig geregeltem Schreiten sucht sie die Uferzone vor unseren Füßen nach Fliegen, Larven, Köcherfliegen und anderen Dipteren, nach kleineren Schnecken und nach Arthropoden ab. Unermüdlich, unverdrossen, fleißig, unablässig, unausgesetzt hackt sie und pickt sie im angefeuchteten Sand nach der für uns unsichtbaren winzigen Beute. Völlig vertieft in ihr Hacken und Gucken scheint sie. Der Wannsee hat sich nach heftigem Wellengang mittlerweile beruhigt und leckt nur noch am flachen Sandstrand entlang. Die Sonne sinkt. Der Tag der Arbeit neigt sich. Es war ein guter Tag für die Bachstelze.

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Atemzüge eines Riesen – vom Wandel der Natur

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Mrz 192019
 
Blick von der Kipphornaussicht elbeaufwärts Richtung Gelobtbachmühle und Großer Zschirnstein, 17.03.2019

Wir wanderten gerade erst am Wochenende mit offenem Aug, mit weit geblähten Nüstern durch die Wälder des Nationalparks Sächsische Schweiz. Was für eine herrliche Erfrischung, was für eine Labsal für Körper und Seele, welche Wonne brachte uns das Elbsandsteingebirge zu beiden Seiten der Elbe!

Besonders gefreut hat mich, dass man auf Schritt und Tritt mit den Sachsen so gut ins Gespräch kommt und dass das Elbsandsteingebirge mittlerweile Wanderer und Erholungssuchende aus aller Welt anzieht. Insbesondere Israelis und Amerikaner haben das Bundesland Sachsen für sich entdeckt. Oft fliegen sie über den Flughafen Prag nach Europa und steigen dann in den Zug von Böhmen nach Sachsen. Sie genießen hier am Ufer der Elbe in hellen Scharen die sächsische Gastlichkeit und die überwältigenden Eindrücke der wild zerklüfteten Bergwelt. Es muss nicht immer Georgien oder der Yellowstone-Nationalpark sein!

Blick vom Fremdenweg auf die Winterbergspitzen, 17.03.2019


Und wieder haben wir herrliche Beobachtungen zum unfassbar klugen Anpassungsgeschehen des Waldes in Zeiten des Klimawandels anstellen können. Unsere Wälder entwickeln sich – teils aus eigenem, naturhaftem Wirken, durch Selektion und Adaptation also, teils durch gezielte forstliche Eingriffe – hin zu widerstandsfähigeren, an die gerade ablaufenden und die bevorstehenden Klimaänderungen besser angepasste Systeme.

Alte Fichte im Lattengrund, ca. 90 Jahre alt, vor wenigen Tagen durch Starkwind gestürzt, 16.03.2019

Unter anderem wird klar, welche Baumarten wo hingehören! Der Wind wirft viele Flachwurzler wie etwa die Fichte erbarmungslos um, während eng zueinander stehende, schlanke Buchen ohne breitausladende Krone offenbar ausgezeichnet an starke Stürme und an vorübergehenden Wassermangel in besonders heißen Dürreperioden angepasst sind. Sehr gut zu beobachten auf dem Großen und Kleinen Winterberg im Nationalpark Sächsische Schweiz bei Schmilka!

Bestand jüngerer Buchen am Großen Winterberg bei Schmilka, 16.03.2019

Während die zunehmenden Starkwindereignisse an einigen Stellen gerade die ältesten, mächtigsten Fichten umgeworfen haben, zeigen die jüngeren und mittelgroßen Laubbäume, insbesondere die zarten Birken und die schlanken Buchen keinerlei Schäden; im Gegenteil, sie scheinen für ihre Art Lebensraum zu gewinnen, den bisher die oftmals vom Menschen eingebrachten, schnellwüchsigen und zu Nutzungszwecken geförderten Nadelhölzer monokulturell in Beschlag genommen hatten.

Die Natur, und wir sind ja ein Teil von ihr!, spielt ihr Millionen Jahre altes Spiel immer weiter, sie steckt vieles weg, was unsere Fassungskraft übersteigt! Entstehen, Werden, Vergehen, Wandel, Anpassen, Aktion und Reaktion, das sind einige der Grundmechanismen, denen wir hier im Nationalpark Sächsische Schweiz zusehen konnten, wie man den Atemzügen eines schlafenden Riesen lauscht!

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Lauschend im Niedwald

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Feb 132019
 
Im Niedwald. Aufnahme vom 13.02.2019

Recht heimlich ist mir’s im Niedwald. Über die Jahrtausende hat er sich gebildet, hier, wo mich vorgestern bei der Ankunft der Habicht mit seinem lauttönenden Ruf begrüßte. Beiderseits der Altarme der Nidda erstreckte er sich, hier zu meinen Füßen, wo Hainbuche, Ahorn, Wildkirsche, Esche, ja vereinzelt auch noch bis zu 250 Jahre alte Stieleichen aufragen. O wie dunkel ist’s hier in der finsteren Nacht gestern gewesen. Wie gern röche ich hier im Frühjahr den Bärlauch, der als weißer Blütenteppich den Boden bedeckte und mit leichtem Knoblauchgeruch die Luft erfüllte wie damals, als wir die wilden Pentlands bei Edinburgh durchstreiften!

Horch hinein in die Zeitentiefe! Hier an der Via regia sicherte einst berittenes Geleit vor Überfällen durch die Straßenräuber. Diese Straße hier verband damals den Bischofssitz Mainz mit Fulda und Hersfeld, den bedeutenden Abteien, und führte Berittene auf Heerfahrt, Krämer, Marketender weiter nach Eisenach und Erfurt, den Städten, die ich bei der Herfahrt mit dem ICE-Zug kurz grüßte.

Bei Leisenwald im Vogelsberg ist heute noch ein Verbotsstein erhalten, der es „bei fünff Gulden Straff“ verbot, die Straße ohne die Bezahlung des Wegezolls von 4 Schilling zu benutzen.

Doch ich, ich bin ja nicht so, bin ja kein Wegelagerer noch auch Wege-Erschleicher. Ich zolle dieser Straße meinen Wegezoll der Achtsamkeit! Ich wende ihr genau die Aufmerksamkeit zu, die sie verdient genau so wie der Niedwald, den sie hier durchquert. Künftiger Bärlauch, Esche im Niedwald, berittene Wächter, lauter Habicht im Auenwald, Wegstein im Leisenwald, Fulda, Hersfeld, Mainz – seid mir gegrüßt, ich werde vorübergehen, aber die Erinnerung an euch wird bleiben wie an den, der hier vorüberzog eine winzige Wegstrecke seines Lebens.

Quellennachweis: „VIA REGIA. Kulturroute des Europarates“, auf: Obelisk aus dem 21. Jahrhundert, aufgestellt vor dem alten Ramada im Niedwald an der alten Via Regia (heute: Oeserstraße 180, 65933 Nied/Hessen)

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