Die nach Bezirken aufgeschlüsselte Deutungsarbeit, die dieses Blog zum Tempelhof-Volksentscheid versprach, haben andere mittlerweile weitgehend geleistet. Es war auch nicht so schwer. Daraus macht ihr mir hoffentlich keinen Vorwurf!
Die Aufschlüsselung nach Bezirken konnte uns nur wegen der schlagenden Eindeutigkeit überraschen, mit der sie exakt der Grenze zwischen Ost- und West-Bezirken folgt. Die Lausitzer Rundschau schreibt zu diesem Thema:
Die große Schwäche der Berliner CDU offenbarte sich durch die Abstimmung erneut. Im Ostteil der Stadt spielt die Partei kaum eine Rolle. Das änderte sich auch durch das Thema Tempelhof nicht. Der traditionsreiche Flughafen, an dem viele ältere West-Berliner wegen der Rosinenbomber hängen, bedeutet den meisten Menschen im Osten wenig.
Tempelhof spielte in Lichtenberg eine ähnlich geringe Rolle wie der Abriss des Palastes der Republik in Spandau. Während in den Westbezirken die Menschen zur Abstimmung gingen, um den Flughafen zu retten, stimmten sie im Osten mit großer Mehrheit ausdrücklich mit Nein. Ein klares Signal gegen die Debatte, die als West-Thema empfunden wurde.
In der FAZ äußert sich Leser Lukas Werth mit folgenden Worten:
Ich lebe in Berlin und empfinde das Theater um Tempelhof als unwürdiges, doch bezeichnendes Geblubber der heutigen Politik und Ausdruck ihrer Leere. Es war nie ein großes Thema der Berliner Bürger, und andere, emotionell viel heißere Beschlüsse sind ohne Volksentscheid gefaßt worden (wie der Abriss des Palastes der Republik, der Wiederaufbau des Schlüterschlosses).
Lobenswert: Alexander Kaczmarek, Vorstandsmitglied der ICAT, beweist laut Morgenpost politischen Realitätssinn und Einsicht in das Unabänderliche:
„Was jetzt weiter passiert, ist im Grunde in den Händen des Senats, nicht mehr in unseren Händen. Wir haben das getan, was wir tun können.“
Ich meine: Der Flughafen Tempelhof eignete sich von Anfang an nicht als Thema, um eine erfolgreiche Kampagne für einen Volksentscheid auszurollen und irgendwie politisches Kapital daraus zu schlagen. Das war von Beginn an absehbar, und ich habe dies auch rechtzeitig – also einige Monate vor der Abstimmung – bei einigen mir persönlich bekannten Unterstützern der ICAT mündlich und brieflich „zu Protokoll gegeben“. Zu spät allerdings, die Maschinerie war schon Fahrt gekommen. Ich habe mich daraufhin konsequent aus dem ganzen Tempelhof-Drama herausgehalten und keine explizite Stellung mehr bezogen, sondern nur Dutzende Gespräche mit Hinz und Kunz geführt, um mir ein eigenes Urteil zu bilden. Und so bin ich am Sonntag als pflichtbewusster Bürger sehr wohl zur Abstimmung gegangen.
Welche Themen aber eignen sich statt des prinzipiell untauglichen Tempelhof-Themas? Ich meine, gute politische Kampagnenthemen für unsere Stadt, die dann in ein Volksbegehren münden können, zeichnen sich durch folgendes aus:
1) Sie müssen einfach kommunizierbar sein und ein klares Ja oder Nein ermöglichen. Der Flughafen Tempelhof war es nicht, im Gegenteil! Ein ganzer Rattenschwanz an juristischen, politischen, finanziellen und technischen Problemen ließ dem Laien keinerlei Chance, sich in kurzer Zeit ein kompetentes Urteil zu bilden. Folge: Viele Wähler sind überfordert, wissen nicht, woran sie sind, und bleiben der Abstimmung fern. Dies um so mehr, als die Befürworter und Gegner des Volksentscheides einander bis zuletzt der Lügen bezichtigten.
2) Gute Kampagnenthemen müssen die Berliner Bürger in Ost und West gleichermaßen betreffen und dürfen nicht zu einem gespaltenen Votum führen, wie es beim Flughafen Tempelhof vorhersagbar der Fall war.
3) Sie müssen erkennbar vernünftig sein und Unterstützung mindestens potenziell bei Anhängern aller Parteien finden. Ein Beispiel hierfür ist die Kita-Bildungs-Initiative des LEAK. „Bessere Bildung für alle Kinder im Kita-Alter!“ ist eine vernünftige Forderung, der sich niemand verschließen wird. Hier wird es nun noch darauf ankommen, das Anliegen möglichst schlicht und eingängig zu formulieren.
4) Gute Kampagnenthemen müssen nach vorne in die Zukunft gerichtet sein, klares Handeln ermöglichen. Sie müssen als eindeutige Handlungsanweisung an das Abgeordnetenhaus formulierbar sein, vorzugsweise als Gesetz. Auch dies war bei Tempelhof nicht der Fall. Denn selbst wenn der Volksentscheid Erfolg gehabt hätte, was wäre dann gekommen? Es war nicht klar! Die Kampagne trat zunächst stark vergangenheitsbezogen auf, erst in den letzten Tagen versuchte die ICAT das Ruder noch herumzuwerfen.
5) Die Anliegen der Volksentscheide sollten auch nicht einseitig durch politische Parteien vereinnahmt werden. Auch wenn es in der Natur der Sache liegt, dass ein Volksbegehren bzw. ein daraus folgender Volksentscheid sich vorwiegend gegen den jeweiligen amtierenden Senat richten wird, da es der Landesregierung ja jederzeit freisteht, derartige vernünftige Anliegen durch eigenen Entschluss zu verwirklichen.
Gibt es solche Themen? Ich meine ja: Ja, es gibt sie. Allerdings nur ganz wenige. Man kann sie mit der „doppelten Fünfer-Faustregel“ ermitteln:
Es sind jederzeit höchstens fünf Themen. Man kann sie anhand dieser fünf eben genannten Kriterien suchen.
In diesem Sinne stoßen wir an: Auf ein gutes neues Volksbegehren!