
Herrlicher Januar 2021! Seit heute liegt hier auch Schnee! Findet Ihr auf obenstehendem Foto das Eichhörnchen? Es wohnt hier in meiner Nähe in Natur-Park Schöneberger Südgelände.

Herrlicher Januar 2021! Seit heute liegt hier auch Schnee! Findet Ihr auf obenstehendem Foto das Eichhörnchen? Es wohnt hier in meiner Nähe in Natur-Park Schöneberger Südgelände.
Gewisse Dinge können wir nicht ändern. Wir hängen Tag um Tag von vielen anderen Menschen ab. Wir hängen von Naturgesetzen ab, wie etwa der Schwerkraft auf dieser Erde. Uns ist es nicht gegeben, die Bedingungen unseres Hierseins und Soseins vollständig zu steuern. Und gerade deswegen ist es befreiend, im Bewusstsein der Abhängigkeit einfach einmal … abzuhängen. Sich hineinzubegeben in die Schwerkraft dieser Erde, sich langziehen zu lassen, minimale Bewegungs- und Freiheitsspielräume zu erkunden. Denn etwas kann man doch immer machen! Man muss nicht nichts machen! Man kann zum Beispiel diesen Hampelmann in leichte Bewegung bringen. Man kann sich hochziehen und damit etwas zur Stärkung seiner Muskelkräfte unternehmen.
Ich gewann an jenem schönen Sonntag im November 2020 weitere Beweise für meine Zuversicht, dass die Welt mit jedem Tag schöner wird, wenn man sie richtig anschaut. Nach langer Suche hatten wir endlich die Hampelmänner im Britzer Garten gefunden. Andere Spaziergänger trällerten mit ihren Kindern gerade das herrliche Lied:
Jetzt steigt Hampelmann, jetzt steigt Hampelmann
Aus seinem Bett heraus, aus seinem Bett heraus
Oh du mein Hampelmann, mein Hampelmann bist du.
Dieses ermutigende Kinderlied, dass ich noch aus meiner Kindheit kenne, gab mir den Schwung und die innere Zuversicht, in ein Spiel mit Abhängigkeit und Freiheit einzutreten.
Wer hätte gedacht, dass Neukölln so herrliche, so schöne Stellen bietet wie etwa diese herbstdurchsonnten Pfade im Britzer Garten!
Ja, es stimmte auch und gerade im November 2020, was Ludwig Uhland damals über den Frühling sagte und sang:
Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag!
Großer, heller Sonnentag, Sonntag der Seele! Das Volk strömt in hellen Scharen hinaus ins Lichte und Weite. Wir erkunden den Berliner Mauerweg im Südwesten, fahren ihn auf Rädern ab. Ja, die Mauer ist weg, die Mauern sind weg! Die Birken leuchten in goldenem Gelb, der tiefblaue Himmel verweist auf lichte Fernen. Heitere Gespräche erklingen, schnüffelnde Hunde wuseln, letzte Blätter baumeln an der Allee japanischer Kirschenbäume. Wann werden sie fallen? Noch nicht, noch erfreuen sie uns, noch scheint die Sonne, als gäbe es keinen Abend. Leuchte weiter, Licht! Scheine hell, liebe Sonne!
Ich schaue hinaus auf den herbstlichen Park in den Sonnenschein vor meinem Fenster, und gerade in diesen Oktobertagen kommt mir da Uhlands “Frühlingsglaube” in der Vertonung durch Franz Schubert in den Sinn:
Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
man weiß nicht was noch werden mag!
Blickt man hingegen in die Zeitungen, verfolgt man die tonangebenden Medien, so muss es eher heißen:
Die Welt wird schlimmer mit jedem Tag,
man weiß nicht, was noch werden mag!
Ein ungeheures, verwirrendes Datengereiße, Zagen, Zähneklappern, Zittern, Zahlengewirr, Zukunftslosigkeit, Zuversichtslosigkeit, ein alles einhüllender grauer Novembernebel, das ist es, was seit Wochen schon aus den Medien trieft. Die Massenmedien berichten doch fast nur noch Negatives. Ist es nicht so? Da ist keine Freude mehr, keine Sehnsucht nach Schönheit, kein Hinhören, kein aufmerksames Lauschen, keine Zwischentöne mehr. Eine Walze der Hoffnungslosigkeit. Ideologie der Negativität! Welch ungeheuren Schaden richtet das an zarten Kinderseelen an!
Und trotzdem! Es singt in mir: Eppure non ho mai amato tanto la vita, tanto la vita! Ich glaube. Ich erlebe viel Schönes. Es ist möglich, von dem Schönen etwas weiterzugeben und es weiterzuerzählen. Frühling im Herbst!
Die zarten Birken des Zukünftigen wachsen und gedeihen am Ufer des Sees der Schrecken.
Das Bild zeigt Birken im Park der Villa Liebermann am Ufer des Wannsees, direkt neben der Villa der Wannseekonferenz. Birken, gesehen, freudig erlebt, genossen am vergangenen Wochenende bei einer Radtour.
Zwei Schwäne genießen das grünlich schimmernde Wasser an der Kaimauer des Fontaneplatzes in Altenhof. Ein buntes Segel bläht sich dahinter, von leichten Winden getrieben segelt die Barke des Daseins selig dahin. Werbellinsee, schönster aller Seen der Mark Brandenburg, wie schon Fontane wusste, Du schenktest uns heute einige Stunden ungetrübten Glückes! In Deinem unergründlichen Grün spielen die Lichtreflexe eines lange anhaltenden Nachsommers. In Deinen Winden liegt der Geruch von Heu, Tang, Pilzgeruch! Feine Wassertröpfchen sammelst Du ein und wehst sie uns zu. Ja, wir atmen Dich ein, ja in diesem Atem ist – – – was? Bist Du, ist das Du, ist Heimat.
Nach 4 Wochen wieder in Berlin eingetroffen. Zunächst hatte ich arbeitsreiche Wochen im Schwarzwald. Nur am Wochenende fuhr ich jedes Mal ganz wild mit einem gemieteten Mountainbike in die Kreuz und die Quer. Herrlich, dieser Schwarzwald, so wild, so überraschend und so schön!
In Alpirsbach, wo ich einquartiert war, gibt es eine sehr gute Kirchenmusikszene unter der Organistin/Kantorin Carmen Jauch, die ich zwei Mal im Gottesdienst hörte und auch danach in einem Konzert mit geistlichen Liedern. Hier keimt in kleiner Besetzung nach tonloser Zeit das Neue auf, die Freude, die zur Musik wird. Möge sie weiter und lauter tönen!
Dann verbrachte ich eine Woche Urlaub in Mittelfranken im kleinsten lieben Kreise, wo es mir noch besser gefiel! Das bildkräftig und blütenreich verträumt hergerichtete Römerlager in Ruffenhofen, die konzentrierte Darbietung unseres großen Dichters Wolfram in Wolframs-Eschenbach, der herrlich frische Altmühlsee, der Igelsbachsee – es war eine Perlenkette an guten, erfrischenden, belehrenden heiteren Stunden! Und jeden Abend gab ich ein kleines Konzert mit deutschen und italienischen Liedern und Arien, und rahmte den Gesang stets auch mit der Geige. Ein richtiger Hausmusikant war ich für ein ganz liebes Publikum geworden, das mich immer unterstützte!
Zum Abschluss dann zwei richtige Konzerte im Garten in Massing/Niederbayern für das große Verwandtenfest mit unserer guten Tante Greti, alles mit vorher eingespielter Klavierbegleitung. Ich fühlte mich frei und sicher. Nach Wochen und Monaten des öffentlichen Verstummens endlich aus voller Brust und voller Hingabe zu singen und zu geigen! Im Freien, im Sommer, bei Tag und in der Nacht! Es war, als hätt der Himmel die Erde still geküßt …!
Was Besseres kann einem nicht passieren, die Leute wollten mehr hören, sie klatschten, sie lagen hingeschmolzen flach auf dem Rasen! Also bitte! Bin sehr froh, dass ich das alles erleben durfte!
“Ich wollt als Spielmann ziehen und singen meine Weisen vor jedem Haus…!”
Wie bei Eichendorff! Das ist wirklich Manna, dieser lebendige Kontakt zum Publikum in Fleisch und Blut!
Werde das alles noch nachklingen lassen…!
“Schönes Bild! Aber was ist das am Fuße der Treppe? Ein kleiner Hund, ein Rucksack oder ein kleiner Affe?”, fragt mich eine Zuhausegebliebene. Antwort: Ich weiß es nicht.
“Mit der güldnen Welle des Lichts nimmst du das Ungemach”, so sangen wir zaghaft hinter unseren Nasen-Mund-Masken versteckt heute in einem Lied zum Gottesdienst. “Du nimmst das Ungemach mit der güldnen Welle des Lichts?” Ha? Wie schön ist das denn! Kann man das erlösende Erlebnis des Tagesanbruchs besser beschreiben?
Ich kehre eine kurze Weile nach dem Schlusssegen zurück zu einem Konzert unter dem Titel “Musik dient Gott”. Raumfüllend eröffnet die 11 m hohe fahrbare “Orgelskulptur” mit dem ersten Satz der VI. Symphonie von Charles-Marie Widor die Abfolge von Liebesliedern: “Sehet, welche Liebe”.
Das Schifflein voller Musik mit sicherer Hand und strahlend durch die gewaltige Klosterkirche hindurchleiten! Das war die Aufgabe. Die Orgel ist der Anker des Gemeindegesanges, ist der Hort der Musik im Konzert, wenn sonst auch alle Stricke reißen und unsere menschlichen, allzu menschlichen Stimmen hinter Masken zittern und zagen. Die Orgel nimmt mit der güldnen Welle des Klanges das Ungemach von den Mündern der Menschen.
Sie strahlt wirklich skulptural, diese Orgel, hier versteht man jede Stimme, die in den Raum hineingedrechselt wird, man kann alles durchhören, wenn sie von so guten Organisten gespielt wird, es geht nichts verloren! Phantastisch, sensationell, dieses Zusammenspiel des Raumes und der Stimmen, auch der menschlichen Stimme, heute ausgefüllt durch den Bariton Christian Honold!
Und die Organisten sind das Instrument für dieses Zusammenspielen. Wie begnadet muss sich das anfühlen!
MUSIK DIENT GOTT. Klosterkirche Alpirsbach, Sonntag, 12. Juli 2020, um 11.15 Uhr. Orgel: Carmen Jauch. Bariton: Christian Honold
Angelehnt an die Efeuwand
Dieser alten Terrasse,
Du, einer luftgebornen Muse
Geheimnisvolles Saitenspiel,
Fang’ an,
Fange wieder an
Deine melodische Klage!
So beginnt Eduard Mörike sein herrliches Gedicht “An eine Äolsharfe”. Heute, an Ostern, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine echte Äolsharfe gesehen und gehört! Was für ein Osterwunder ereignete sich da!
Ihr kommet, Winde, fern herüber,
Ach! von des Knaben,
Der mir so lieb war,
Frischgrünendem Hügel.
Und Frühlingsblüten unterweges streifend,
Übersättigt mit Wohlgerüchen,
Wie süß bedrängt ihr dies Herz!
Die Äolsharfe, auch Windharfe oder Geisterharfe genannt, besteht aus mehreren aufeinander eingestimmten Saiten, die in einen Resonanzkasten eingespannt sind. Wenn der Gott der Winde, Äolus, hindurchbläst, erklingen diese Saiten in unterschiedlichen Tönen bzw. Obertönen und erzeugen je nach Windrichtung und Windstärke unterschiedliche Harmonien.
Und säuselt her in die Saiten,
Angezogen von wohllautender Wehmut,
Wachsend im Zug meiner Sehnsucht,
Und hinsterbend wieder.
Diese Äolsharfe im Britzer Garten in Berlin ist eine Leihgabe von Jutta Kelm, Oldenburg. Die Video- Aufnahme entstand heute, am Ostersonntag des Jahres 2020, in der Mittagsstunde, der “Stunde Pans”.
Aber auf einmal,
Wie der Wind heftiger herstößt,
Ein holder Schrei der Harfe
Wiederholt mir zu süßem Erschrecken
Meiner Seele plötzliche Regung,
Und hier – die volle Rose streut, geschüttelt
All ihre Blätter vor meine Füße!
Quelle: “An eine Äolsharfe”.
In: Eduard Mörike: Werke. Herausgegeben von Hannsludwig Geiger. Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin 1961, S. 31
Hier könnt ihr die Äolsharfe des Britzer Gartens hören:
“Wir wollen alle fröhlich sein in dieser österlichen Zeit, denn unser Heil hat Gott bereit. Halleluja halleluja halleluja halleluja, gelobt sei Christus, Marien Sohn.”
Der Turmbläser spielte strahlend dieses Lied und vielen andere Melodien heute am Ostermorgen, die Sonne erstrahlte heller und immer heller zu diesen Tönen und wegen dieser Trompetentöne hinter der Königin-Luise-Gedächtniskirche auf der Roten Insel in Berlin-Schöneberg, und der ganze Erdenkreis strahlte und sang mit!
Text und Melodie im Evangelischen Gesangbuch, Ausgabe Berlin-Brandenburg 1995, Lied Nr. 100