Gewaltig ragt er da auf, unser Watzmann, So dass jeder ihn bewundern kann, Mir lange vertraut aus frühesten Kindertagen! Doch kann ich der Befremdung mich nicht entschlagen, War er auch damals so schroff, so weltenthoben, Eiskalt ins Herz hinan, so schneebestoben? Und drängte er seine Frau so patzig und grob Zur Seite, wenn sie ihr Haupt erhob? Und kümmerte er sich damals so wenig um seine sieben Kinder, Die ihm zum Trotz mit Semmeln spielten und tobten, die Sünder? Ja, ja, der Watzmann, er war ein Tyrann, Der seine Rute über Weib und Kinder schwang, Verhängnis bracht er über seinen Stamm, Bis zum heutigen Tag versteint ist der König Watzmann Mit seiner ganzen elenden Bagasch, Da hängt er nun traurig und lasch In der Hamburger Kunsthall an der Wand, Wo ich ihn gestern im Menschengedräng fand.
Und doch bin ich ihm nicht gram, Er ist eben doch – immerhin! – nicht zahm, Ist ein Original, das Original von so vielen Fälschungen, Von Schwindel, Hinterhalt und dreisten Täuschungen!
Ja, hänge da nun, ruhe da nun, nichts hast du zu tun. Also sei ruhig und lass dich bestaunen, Lass die Leut raunen.
„Du hoitst as Mai!“
Bildnachweis:
Caspar David Friedrich: Der Watzmann. Öl auf Leinwand. Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie. Leihgabe der Deka Frankfurt am Main.
Gemälde gesehen am gestrigen Abend, dem 23. Januar 2023, in der Kunsthalle Hamburg
Der britische Guardian berichtete gleich zu Jahresbeginn, am 4. Januar 2024, wie in der Berchtesgadener Musikkneipe Kuckucksnest ein Grüppchen Neonazis auf einen behinderten Mitbürger losging und mutwillig eindrosch. Das mutige Eingreifen einiger Stammgäste und des Wirts vom Kuckucksnest verhinderte Schlimmeres.
„Einschüchtern heißt für die Feiglinge, einem geistig Beeinträchtigten ins Gesicht zu schlagen und dann davonzulaufen“, sagt Palm. „Ihr wisst gar nicht, was ihr da angestellt habt.“ So berichtet die Münchner Abendzeitung über diesen Vorfall.
Bin stolz auf meinen Verwandten Jakob Palm, den Wirt vom Kuckucksnest (dessen Urgroßvater Karl Seiberl übrigens auch mein Großvater war). In seinem Instagram-Post hebt Jakob ausdrücklich hervor: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Dieses Gebot gilt uneingeschränkt auch dann, wenn wir uns der rohen Gewalt entgegenstellen und die Hilflosen schützen.
Vorbildlicher Mut von Berchtesgadener Bürgern, sich nun dem extremistischen Nazi-Mob und auch dem NS-Kult entgegenzustellen! Gute Initiative, die Von-Hindenburg-Allee endlich umzubenennen! (Ich bin sowieso immer viel lieber die Kälbersteinstraße entlanggegangen). Hindenburg passt sicher nicht – oder heute nicht mehr – nach Berchtesgaden; man sollte zwar wissen, wer er war und welche Rolle er gespielt hat, aber durch eine Straße sollte man ihn nicht weiterhin ehren.
Bild: Erinnerung an den Berchtesgadener Volkskundler Rudolf Kriß. Unter der Herrschaft des Nationalsozialismus leistete er neben einigen anderen in Berchtesgaden Widerstand gegen das vor aller Augen verübte Unrecht.
Augsburg, 24.07.2018
Ich besuche das Grab meiner Mutter im Neuen Ostfriedhof. Nach den heftigen Regengüssen der vergangenen Tage strahlt und blitzt der uralte Baumbestand; die Stieleichen ragen mächtig und stolz in den Himmel. Was würde meine Mutter sagen, wenn ich meine Schuhe im Friedhof auszöge, wenn ich mich – wie es die Alten Israels taten – unbeschuht nahete, als Zeichen der Demut und Ehrfurcht? Ich tue es. Ich löse die Sandalen von meinen Füßen und beschreite den sanften, bis unter die Graswurzeln durchweichten Boden. „Zieh ruhig die Klapperl aus“, würde sie sagen. (Klapperl, das ist ein bairisches Wort für Sandalen).
Ich verharre lange Augenblicke in der Zwiesprache mit meiner Mutter und beschließe dann, einige Madagaskarglöckchen zu pflanzen. Dann drängen sich mir einige Gedanken auf, erst in deutscher, dann in lateinischer Sprache. Sie besagen folgendes:
Der Schrecken des Todes löset sich, nun darfst
du barfuß den Boden, in dem deine Mutter ruht,
betreten. Die sechs flammenden Käthchen, die du ihr
aufs Grab gepflanzt, werden für sie blühen; zieh
deine Klapperl aus, fühle den weichen Mutterboden!
Entschlag dich deiner Sorgen, singe die Lieder,
die sie einst für euch gesungen: es wird sie erfreuen.
Solvitur acries hiems mortis, nunc pede
libero pulsanda tellus matris, Kalanchoe
blossfeldiana nunc virescit, at tu tolle
calceos, languidas curas dimitte, licet cantare.
In memoriam
Zur Erinnerung an Gerda Hampel
* 28. Juli 1927 in Berchtesgaden +8. Februar 2015 in Berlin-Kreuzberg
Berchtesgaden, Deutschstunde, SüdtirolKommentare deaktiviert für Griaß enk!, oder: Losts enk net übern halen Gupf zu die Fockn in Lettn werfn
Sep032016
Jedem Kenner und Liebhaber der deutschen Sprache muss das Herz im Leibe lachen, wenn er das Gespräch mit den Einheimischen in Südtirol sucht. Kaum zu glauben, dass uralte, im heutigen normierten Hochdeutschen längst geschwundene Formen aus dem alten Kernbestand jeder Sprache – etwa Personalpronomina – dort in der Gegend von Brixen und Bozen heute noch verwendet werden!
Nicht nur einmal begegnete es uns auf Bergeshöhn, wenn wir wieder einmal einen halen Gupf erkletterten, dass wir von ganz jungen Leuten mit „Griaß enk“ begrüßt wurden. „Enk“, das ist eine Form, die mich meine aus Berchtesgaden stammende Mutter sel. noch lehrte! Eine alte, im Althochdeutschen auch noch schriftlich belegte Form für „Euch“, wobei „enk“ den Dativ oder Akkusativ des altbairischen Personalpronomens „es“ bildet, das seinerseits ursprünglich die Dualform der 2. Person Plural bildete! In uralten Zeiten verwendete man „es“ und „enk“ also, wenn man zwei und nur zwei Personen anredete.
Die Südtiroler Mundarten sind äußerst klangvolle, in Satzmelodie und Lautgebung farbenprächtige Spielarten des Deutschen. Von fern gehört, erinnern sie mich in musikalischer Hinsicht in dem melodiösen, oft leicht singenden Tonfall an die Spielarten des Italienischen in Welschland, die ich vor wenigen Monaten im Tal des bergamaskischen Brembo, nur wenige Alpentäler entfernt, an den Tischen der Wirtshäuser hörte.
Zum Nachlesen und Vertiefen habe ich zwei Bücher mit nachhause gebracht, einen äußerst spannenden Südtirol-Krimi aus dem zwielichtigen Milieu der Spitzengeiger dieser Welt – sowie als wissenschaftliche Begleitung ein Wörterbuch der Südtiroler Mundarten.
Vorerst mag jeder sich an folgender Kostprobe des Deutschen, wie es etwa in Bozen gesprochen wird, die Zähne ausbeißen; sie findet sich am Schluss des genannten Krimis von Robert Adami:
Wenn mir der Graf schlutzig kimp, nor wird der Onkel Theo sierig und wirft nen oi über den haalen Gupf zu die Fockn in Lettn.
Nachweise:
Robert Adami: Der Zwerg im Berg und die Geigerin im Sarg. Kriminalkomödie. Verlagsanstalt Athesia, Bozen 2014, hier bsd. S. 188
Hans Moser: Wörterbuch der Südtiroler Mundarten. In Zusammenarbeit mit Robert Sedlazcek. Athesia-Tappeiner Verlag Verlag, Bozen 2015, hier S. 65
Bild: Auf der Wanderung von Neustift über Schalders zu den Schrüttenseen (1957 m), Blick von einem halen Gupf nach Norden vom Nockbach aus, 14.08.2016. Auf dieser Wanderung (ca. 1500 Höhenmeter) hörte ich das „Griaß enk“ erstmals
Statt eines steil ausgesetzten Höhenkamms – den man nicht haben kann im Umland von Berlin – führte uns der Weg am Sonntag von Ribbeck im Havelland auf dem Barfußpfad über eine Länge von 2 km zum Kinderbauernhof Marienhof. Ohne Schuhe und ohne Socken stapften wir durch Sumpf und Luch, über Stock und Stein, immer am Rand des Wirtschaftsweges entlang. Mancherlei Hindernisse stellten sich uns in den Weg, von der knuppeligen Baumwurzel über steil aufragende Altreifen, von der schottrigen Grauwacke über einen schwanken Steg aus zwei Balken bis hin zum umgestülpten Mehrweggetränkeflaschentragl.
Die nackten Füße erfuhren Erdgeschichte, erfuhren den ersten Kältehauch des Herbstes im tief quatschenden Sumpf, ertasteten noch die gespeicherte Wärme des Sonnentages im feinkörnigen Mergel und im aufgeschütteten Schluff. Und ja, dieses ständige Fassen und Nehmen der Fußsohle am Boden, das Weichen und Nachgeben, das Drücken und Zwicken des Erdbodens entfalteten eine konzertante Gesamtwirkung auf den gesamten Bewegungs- und Halteapparat aus Zehen, Füßen und Beinen, dass ich mich danach an die wohlig walkende Wirkung eines Höhenpfades in 2.000 m erinnert fühlte. Das gesamte Alpenpanorama dacht‘ ich mir dazu – etwa mit folgenden Versen:
Der Einsamkeiten tiefste schauend unter meinem Fuß
Entlassend meiner Wolken sanftes Tragewerk
Betret‘ ich wohlbedächtig dieser Gipfel Saum
— und die Südtiroler Herrlichkeit vergegenwärtigte mir ein Buch, das ich im Sammelregal gebrauchter Bücher im Schloß Ribbeck fand und erstand, nämlich den packenden Schicksalsroman „Zwei Menschen“ von Richard Voß, 1911 zuerst erschienen in Stuttgart, 1959 wieder aufgelegt durch den Fackelverlag Olten. Eine prachtvolle, in vollem Selbstbewusstsein schaltende und waltende Frau ist sie, diese Judith vom Platterhof! Ein Leckerbissen für Genderforscherinnen aller Geschlechter!
Der Roman spielt in Vahrn am wild schäumenden Eisack, wo ich meine letzten Bergabenteuer erlebt habe, und der Autor starb 1918 in seiner Wahlheimat Berchtesgaden, wo man sich seiner noch heute erinnert. Ebenfalls erwähnt wird in dem Buch das Kloster Neustift, aus dem ich drei Flaschen Wein mit nach Berlin brachte.
Wer mochte dies Buch dort wohl für mich hinterlegt haben?
Ergebnis: Ja, Barfußpfade sind eine taugliche Alternative für alle jene, die es nicht schaffen, am Wochenende ins Hochgebirg zu fahren, um starre, zackige Felsengipfel zu erklimmen.
Der Havelland-Radweg führt bequem, still und geräuschlos rollend von Nauen bis Ribbeck ans Ziel.
Aus dem Berchtesgadener Gemeindebeschlußbuch zitieren wir ungekürzt und unkommentiert eine unerhörte Begebenheit, bei der der Großvater des hier Schreibenden eine entscheidende Rolle spielt:
Konstatierung. – Am 9. März 1933 abends 7 Uhr erschienen im Arbeitszimmer des noch im Rathaus anwesenden 1. Bürgermeisters Seiberl (BVP = Bayerische Volkspartei) die Gemeinderäte B. und S., begleitet von etwa 50 teilweise bewaffneten SA- und SS-Leuten. Gemeinderat B. eröffnete dem 1. Bürgermeister, daß er von der Gauleitung der N.S.D.A.P. den Befehl erhalten habe, auf dem Rathaus Berchtesgaden die Hakenkreuzfahne zu hissen, wenn nötig, auch unter Anwendung brutaler Gewalt. Auf dem Bezirksamt sei ebenfalls soeben die Fahne gehißt worden. Darauf entgegnete Bürgermeister S., daß zunächst um unnötiges Blutvergießen und gefährliche Weiterungen zu vermeiden, er der Gewalt weiche und die Einwilligung gebe die Fahne auszuhängen, daß er aber die endgültige Entscheidung dem Gemeinderat vorbehalten müsse, den er sofort zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen werde. In der dann auf 8 Uhr abends einberufenen Sitzung waren mit Ausnahme des entschuldigten Gemeinderats A. sämtliche Gemeinderäte und die beiden Bürgermeister anwesend. Nach dem Bericht des 1. Bürgermeisters und einer kurzen Beratung, zunächst vertraulicher, dann in öffentlicher Sitzung, wurde einstimmig folgender Beschluß gefaßt: »Unter dem Zwange der Verhältnisse erklärt sich der Gemeinderat damit einverstanden, daß die Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus gehißt wird, jedoch unter der Bedingung, daß gleichzeitig auch die weiß-blaue und die schwarz-weiß-rote Fahnen aufgehängt werden.«
Darauf zogen die SA- und SS-Leute, die das Rathaus besetzt hatten, wieder ab. Der Gemeinderatsbeschluß wurde sofort durchgeführt.
Zitiert nach: Erinnerung an 1933. Von Dr. Manfred Feulner. In: „Marktbote“. Beilage des „Berchtesgadener Anzeigers“, Donnerstag 2. Mai 1996
„Mein finnischer Großvater schloss sich 1940 freiwillig der SS an, wie ich kürzlich mit Entsetzen feststellen musste“, so erzählte es mir kürzlich ein finnischer Bekannter.
„Und mein bayerischer Großvater weigerte sich am 9. März 1933 trotz körperlicher Bedrohungen durch die SA, einen Befehl der NSDAP auszuführen und die Hakenkreuzflagge an dem Rathaus auszuhängen, dem er damals als Bürgermeister vorstand. Er wurde kurz darauf – nach 2-wöchiger Inhaftierung – abgesetzt und durch einen NSDAP-genehmen Mann ersetzt“, erwiderte ich.
2 europäische Großväter, 2 europäische Geschichten! Lang ist’s her, dennoch entdeckt man immer wieder Überraschungen!
Von sowjetischem oder russischem Boden ging im 20. Jahrhundert immer wieder Krieg aus. Der sowjetische Überfall auf Finnland ist nur ein Beispiel dafür. Wieso schlossen sich so viele Finnen und Balten 1939 und danach der SS an? Antwort: Die Sowjetunion betrieb damals eine aggressive Außenpolitik und plante – wie man heute nachweisen kann – die Annexion des gesamten finnischen Territoriums.
Die Sowjetunion hatte Finnland, nachdem dieses den verlangten Gebietsabtretungen nicht zugestimmt hatte, am 30.11.1939 angegriffen, zivile Ziele bombardiert und in diesem letztlich gewonnenen „Winterkrieg“ sich tatsächlich einen Teil des finnischen Territoriums einverleibt (12.03.1940).
Wer griff wen an? Wer war schuld an der Entfesselung des finnisch-sowjetischen „Winterkriegs?“ Die Antwort der sowjetischen Kommunisten auf diese Frage war klar! Wie es die russische Wikipedia schreibt, wusste die Sowjetunion sich als Opfer finnischer Aggression darzustellen. Nach sowjetischer Darstellung war der Überfall auf Finnland ein Präventivkrieg:
Ответственность за начало военных действий была полностью возложена на Финляндию.
„Die Verwantwortung für den Beginn der kriegerischen Ereignisse wurde ausschließlich Finnland angelastet.“
Nach dieser Teilannexion Finnlands wurden auch die drei baltischen Staten Estland, Lettland, Litauen durch die Sowjetunion annektiert (21.07.1940) und verloren ihre staatliche Eigenständigkeit.
Ähnlich wie Italien ab 1935 und das Deutsche Reich ab 1938 betrieb also die Sowjetunion damals eine aggressive, kriegerische Annexionspolitik. Sie wurde deshalb am 14.12.1939 aus dem Völkerbund ausgeschlossen.
Diese drei Mächte – Italien, Deutschland, Sowjetrussland – schienen damals miteinander zu wetteifern, wer mehr Gebiete der Nachbarn gewissermaßen auffraß.
In dieser Situation sahen viele Finnen nur noch im Waffenbündnis mit Deutschland eine Möglichkeit, den Fortbestand Finnlands zu sichern, und schlossen sich den Freiwilligenverbänden der SS an. Sie wurden Teil eines (wie wir heute urteilen) verbrecherischen Systems, um sich vor einem anderen verbrecherischen System zu schützen, das sie existenziell bedrohte.
Wir dürfen sagen: Die Sowjetunion bzw. Russland ab 1917, Deutschland ab 1933 und Italien ab 1924 wiesen zahlreiche Gemeinsamkeiten auf: alle drei betrieben Konzentrationslager, sie schalteten „innere Feinde“ gewaltsam aus, sie unterdrückten die Minderheiten, sie errichteten einen totalitären Staat, und sie waren bestrebt, ihr Staatsgebiet durch kriegerische Handlungen zu erweitern.
So bereiteten Italien, Spanien, Deutschland und Russland etwa ab 1935 die Bühne für den nächsten großen Europäischen Krieg, der dann ab 22.06.1941 in den 2. Weltkrieg umschlug. Ab Sommer 1941 war der 2. Weltkrieg kein 2. Europäischer Großer Krieg mehr, sondern der europäische und der asiatische Kriegsschauplatz gehörten zusammen.
Schlaf ist ein kurzer Tod, Tod ist ein langer Schlaf. Am vergangenen Sonntag um 10.00 Uhr ist unsere Mutter, Großmutter, Verwandte, Freundin, Weggefährtin Gerda nach langer Krankheit in völliger Ruhe und Gelassenheit im Schlaf hinübergegangen, hinübergeglitten in seine Hände.
Das letzte Geleit und Abschied: Freitag, 13. Februar 2015, 09.00 Uhr Requiem für Gerda Hampel, geb. Seiberl (28.07.1927 Berchtesgaden – 08.02.2015 Berlin-Kreuzberg) Pfarrkirche Heilig Geist Grüntenstr. 19
Hochzoll-Nord 86163 Augsburg
Anschließend ab 10.20 Uhr: Beerdigung auf dem Neuen Ostfriedhof Zugspitzstr. 104 Hochzoll-Nord 86163 Augsburg
Nacht ruht in jeder Blume und schwarz ist geworden der Mohn, kein Zittern, kein Lächeln mehr ist, und der Kuß geendet: wie flügelt die Seele dann, o wie schwebt sie, die unsre in eins gefaltete ruhelose, über dem Tode.
Verse von Georg von der Vring
Quelle:
Erna Woll: Wo die Seele flügelbebend sich öffnet. Lieder für mittlere Singstimme und Tasteninstrument. Verlag P.J. Tonger, Rodenkirchen/Rhein 1971, S. 6-7
Berchtesgaden, Freude, SingenKommentare deaktiviert für Max Raabe? Dem möcht‘ ich gern Paroli bieten
Mrz292014
Der Tag war insgesamt sehr gut. Die Sonne strahlte! Kreuzberg leuchtete.
Im Pflegeheim in der Wilhelmstraße versammelten sich die Altersweisen, die Kranken, die Schwerkranken und die Gesunden und zwei jüngere Musiker, eine Sängerin mit Gitarre – nennen wir sie die Ursel – und ein junger spannenlanger Hansel mit der Geige. Wir spielten und sangen im hellen Sonnenschein Volkslieder für die Alten und Kranken: Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt, Komm lieber Mai und mache die Bäume wieder grün, Der Kuckuck und der Esel, aber in einem zweiten, gewagteren Teil auch Lieder, wie sie der von vielen, von leider allzu vielen Fauen angehimmelte Max Raabe zum besten bieten mag, etwa Veronika, der Lenz ist da,Ich hab ’nen grünen Kaktus, und zu guter letzt die Capri-Fischer: Wenn bei Capri die Sonne im Meer versinkt. Schlicht, nicht frei von Sentiment, tastend in den Akkorden und Harmonien, in den improvisierten Glissandi und hingehauchten Smorzandi der Fiedel! Potz! Einem Max Raabe möcht‘ der spannenlange Hansel gern Paroli bieten!
Mannigfache Dialoge zwischen Alt und Jung umspannen die Lieder:
„Und woher kommen Sie eigentlich?“, fragt die Ursel eine der Altersweisen.
„Aus Berchtesgaden.“
„Und spielen Sie auch ein Instrument?“
„Ja!“
„Welches?“
“ Warten Sie … warten Sie … mmmhh …“, zögerte die Altersweise.
„Man braucht zehn Finger und zwei Hände dazu. Es ist groß. Wer weiß es?“, schaltete der Hansel sich ein.
„KLAVIER! Richtig, ein Klavier ein Klavier!“
Große Freude, dass wir alle diese Aufgabe gemeinschaftlich gelöst haben.
Der Kreuzberger Hansel hatte heute noch einen Erfolg mit seinem Gemüseauflauf, den er völlig in eigener Regie gekocht hatte: Kartoffeln, 2 große Stangen Lauch, Gewürze, geriebenen Käse, zwei Scheiben gehackte Salami, eine Ei-Sahne-Sauce darunter gehoben – siehe Foto. Dann ab, 40 Minuten in der Röhre überbacken, bis eine leichte goldbraune Färbung sich einstellte … Per-fekt.
„DAS schmeckt LECKER“, sagten die beiden 11-jährigen Jungs, die der Hansel heute zu bekochen hatte. Ein großer Erfolg für den kochenden Kreuzberger Vater, denn es war völlig richtig, dass es gut schmeckte. Der Gemüseauflauf ist auch noch gesund. Dazu gab es ungezuckerten frischgekochten Kräutertee. Alles bestens. Alles in Butter.
„Wie war das damals? Wie habt ihr das erlebt?“ Ich habe immer wieder, zuletzt in diesem Sommer in Berchtesgaden (Ort beim berüchtigten Obersalzberg) bei Zeitzeugen nachgefragt.
Mein Ergebnis fasse ich so zusammen: Die Güter am Obersalzberg wurden von der Nazibande durch Aufkäufe und Enteignungen zusammengerafft, widerspenstige Besitzer – so etwa der „Türkenwirt“ – wurden eingeschüchtert, verhaftet, bestraft und zwangsenteignet. Unter den Jüngeren (etwa Geburtsjahrgang 1915-1940) waren viele, aber bei weitem nicht alle, gern und auch mit Begeisterung bei der neuen Bewegung und dem neuen Regime dabei. Warum?
Das Grundgefühl mochte sein: Endlich mal weg von der katholischen Kirche, raus ins Freie, weg mit dem wertkonservativen Krempel, weg mit dem Gott der Juden und Christen, weg mit der altmodischen Mitleidsethik, endlich gender-neutrale Erziehung für Maiden und Buben, Befreiung des Körpers, Wandern, Lagerfeuer, Auslandsreisen, hurrah! „Mit uns zieht die neue Zeit“, das war ein unübertrefflich schönes Motto, wie es Hermann Claudius, erst ein leidenschaftlicher Sozialdemokrat und später geschworener Anhänger Hitlers, so schön reimte. Der Pfarrer Schüller predigte in der Stiftskirche und in den katholischen Jugendgruppen gegen den Geist der neuen Zeit, der eigentlich ein Ungeist war, und versuchte die Jungmannen und Jungmaiden vor schlimmsten Verirrungen zu bewahren, was ihm teilweise gelang.
Mein konservativer Großvater (Jg. 1892) hingegen weigerte sich, die Hakenkreuzflagge bei Führerbesuchen am Marktplatz rauszuhängen – und wurde sofort als Bürgermeister abgesetzt und zum abgrundtiefen Entsetzen seiner ganzen Familie ein paar Tage in „Schutzhaft“ genommen. Nach der Entlassung muckte er (Vater von 5 Kindern) selbstverständlich nicht mehr auf. Er hatte also den (katholisch und wertkonservativ motivierten) Widerstand gegen die neue Zeit versucht und wurde gnadenlos zurechtgestutzt. Trotzdem fiel er 1941 in den ersten Wochen des Russlandfeldzuges (R.I.P. 02.09.1941).
Meine Großmutter, eine Witwe mit 5 Kindern, protestierte – ebenfalls 1941 – brieflich bei den Behörden gegen die befürchtete bzw. berichtete Ermordung Behinderter („Euthanasie“). Die Ermordung der Behinderten ging weiter, einer meiner Verwandten wurde ebenfalls ermordet, den diesbezüglichen Briefwechsel habe ich noch.
Ein streng katholischer, heute würde man sagen ein „erzkonservativer“ Volkskundler aus dem Ort, Rudolf Kriß, wurde wegen regimekritischer Äußerungen denunziert und zum Tode verurteilt – allerdings nach einigen Monaten Haft doch nicht hingerichtet.
Tja, liebe Freundinnen und Freunde im glorreichen Heute! Zeitgenossinnen und Zeitgenossen im Ikea-Lehnsessel! So lief das, zu scherzen war mit den Herrschaften nicht.
Bis heute sind diejenigen namentlich bekannt, die damals denunzierten und teilweise ja noch leben. Der Riss ging quer durch die Familien, spaltete Generationen und Geschwisterscharen, wobei zweifellos die Begeisterung für Hitler und sein Regime unter der jüngeren, aufmüpfigen Generation größer war als bei den Älteren.
In jedem Fall war es nach 1945 meines Erachtens angebracht, ja lebensnotwendig, zunächst einmal den Mantel des Schweigens über das Ganze zu werfen. Eine Aufarbeitung des Geschehenen hätte Risse vertieft. Der völkische Staat hatte schon genug Familien zerstört.
Übrigens: Es gibt auch heute – etwa in Afrika und Asien – ähnlich schlimme Diktaturen, wie es Deutschland in den 30er und 40er Jahren Jahren war. Wer von uns würde sich „anständig“ verhalten? Ich – mit großer Wahrscheinlichkeit – nicht. Ich würde wohl das eigene Überleben und das Überleben der eigenen Familie obenan stellen. Meine Hochachtung gilt jenen, die sich widersetzten, meine Trauer gilt allen Opfern, auch jenen, die den Widerstand am eigenen Leib bezahlen mussten.
„Bairisch wurde 2009 von der UNESCO auf die Liste der aussterbenden Sprachen gesetzt. Doch gerade die Sprache verbindet uns mit der Heimat und egal wo und was für den Einzelnen Heimat ist, sie mag im Koffer, im Fotoalbum oder vor der Haustüre sein – die Sprache ist und bleibt immer ein Teil von ihr. Allerdings ist Sprache auch ein Teil einer anderen Heimat, einer Heimat, die uns fremd ist, die wir nicht kennen, aber die Heimat des Anderen ist. Da helfen nur Toleranz, Respekt und Zuneigung.“
Gute, treffende, nachdenkliche Worte von Rosemarie Will zum Eingang des Berchtesgadener Heimatkalenders 2013, den wir hier im Familienkreis im preußischen Friedrichshain-Kreuzberg mit großem Gewinn lesen!
Redlichkeit gebietet es allerdings auch in der Blogosphäre, eigene sprachliche und sachliche Fehler einzugestehen. So unterlief uns gestern ein dicker Patzer bei der Pluralbildung von „Scham di“ / „schäme dich, Bayern, dass du die staatliche Kleinstkinderbetreuungsquote so niedrig hast und wertvolle Menschen bzw. Humanressourcen dem Produktionskreislauf vorenthältst!“
Schamt’s eahna ist falsch. Schämt euch, ihr Bayern! muss in gutem gepflegtem Bairisch lauten: „schamt’s enk!“ oder auch „schamt’s aich„.
Zu höhergestellten Damen könnte man sagen:
Schamen’s eahna – schämen Sie sich, dass sie Ihr Kleinstkind selbst betreuen, statt es in professionelle Hände abzugeben.
Und damit für heute auf Türkisch:
allahaısmarladık
oder, wie der Bayer im preußischen Friedrichshain-Kreuzberg sagt:
Spannend! Im Berchtesgadener Heimatkalender des Jahres 2013 gibt es eine Geschichte über die Ansiedlung bzw. Wiederansiedlung des edlen Steinwildes und den Naturschutz in der Röth, einem hochgelegenen Almgebiet oberhalb des Obersees in den Berchtesgadener Alpen, gegen den Willen der Bevölkerung durch den Nazi im grünen Rock, den damaligen Reichsforst- und Reichsjägermeister Hermann Göring durchgedrückt. Die Bevölkerung wollte zwar 1935 die Berge weiterhin als Wirtschaftsraum für Almbeweidung und Wandertourismus nutzen, der Reichsgrüne Göring verlangte aber herrisch Flächenstilllegung, Wiederansiedlung bedrohter Arten, Naturschutz. „Artenschutz geht vor Eigennutz“, lautete ein Wahlspruch der Nationalsozialisten, und bereits 1934 ordnete Göring gegen die Interessen der Wanderer und Almbauern an, „dass die Röth zum Naturschutzgebiet besonderer Ordnung erklärt wird.“ Umfangreiche Nutzungs- und Wegeverbote wurden durch das Bezirksamt Berchtesgaden verhängt. Die Natur, das edle, das rassige Wild durfte durch schnödes Wirtschaften des Menschen nicht gestört werden! Naturschutz war in den Augen der Herrschenden wichtiger als wirtschaftliche Interessen der Berchtesgadener Einheimischen.
Unser im Juli 2012 geschossenes Bild zeigt einen Blick über den herrlichen Obersee hin, genau auf jene Röth hin, wo der „Steinbock“ oder das Steinwild, wie der Waidmann sagt (capra ibex), 1935 in einem speziellen Artenschutzprogramm wieder ausgewildert wurde.
Sehr oft habe ich mich mit der Generation meiner Väter über die Grundgedanken der Ökologie und des Umweltschutzes gestritten und unterhalten. Wie die meisten Jugendlichen und die meisten Bildungsbürgersöhne neigte ich innerlich den Grünen zu. Ich fasse meine Erkenntnisse aus den damaligen Gesprächen vorläufig so zusammen:
Mit dem ganzen Geraune von Naturschutz, Schutz der Heimat, Umweltschutz, Klimaschutz, Reinhaltung des Mutterbodens, Schutz vor Verseuchung der Erde usw. konnte sie, die erste Nachkriegsgeneration, die Generation der Söhne und Töchter der Nazis, – exemplarisch verkörpert in der neugegründeten CDU/CSU – nichts mehr anfangen. Die Väter von der CSU und CDU sagten mir:
„Am wichtigsten war nach Krieg, Massenmorden und Vertreibung, dass wieder Recht und Gerechtigkeit einkehrten. Die Menschenrechte waren ja 1918-1947 durch die sowjetischen Kommunisten und die europäischen Nazis mit Füßen getreten worden. Die Nazis und die Kommunisten huldigten einem Gewaltideal, das sie als Naturideal ausgaben: das herrische Raubtier Nietzsches blitzte einerseits aus dem Auge des arischen Naturburschen auf. Die unterdrückte Kreatur, der Naturmensch, der Proletarier eines Karl Marx, setzt sich andererseits gegen den ruchlosen Unterdrücker, den Kapitalisten zur Wehr – dieses Bekenntnis zur unvorgreiflichen Natur einte Kommunisten und Nationalsozialisten. Damit wollten wir aufräumen. Wir wollten vor allem die Einhaltung der Menschenrechte, wir wollten vor allem Rechtsstaatlichkeit. Wir brauchten nach Kriegen, politischen Massenmorden und Vertreibungen vor allem Frieden und Häuser, Straßen, Schulen, Arbeit und Brot, etwas zu beißen! Ganze Lehrergenerationen waren durch die Nazis im Westen Europas und die Kommunisten im Osten Europas vernichtet worden – der Naturschutz musste selbstverständlich im Vergleich zum NS-Regime, das unleugbar Beispielhaftes im Bereich des Natur- und Landschaftsschutzes geleistet hatte, deutlich zurücktreten. Auch für die ideologische Aufarbeitung der NS-Zeit blieb keine Zeit. Wir Deutschen wollten Schluss machen mit allem, wofür die Nationalsozialisten und die Kommunisten standen, unter anderem mit dem Kult der Natur und dem Kult der Gewalt. Daraus entstand die Bundesrepublik Deutschland, die sich zu den unverletzlichen Menschenrechten und den ewigen Freiheitsrechten aller Menschen bekannte, nicht hingegen zu einer ewigen oder heiligen Natur, nicht zu einem heiligen Boden, und am allerwenigsten zu einem Blut der Rasse!“
Soweit das Grundgerüst der Argumente, die ich in meiner Kindheit und Jugend immer wieder hörte. In der Politik der 50er und 60er Jahre spielte der Naturschutz nur eine untergeordnete Rolle.
Die Grünen, also die geistig-politischen Enkelinnen und Enkel der Nazis, haben beginnend in den späten 70er Jahren, einige alte, wesentliche Bestandteile der nationalsozialistischen Ideologie und der nationalsozialistischen Politik wiederbelebt und wieder aufgegriffen, insbesondere
– den Grundsatz der ganzheitlichen Bestandspflege,
– den nachhaltigen Ansatz des Natur- und Umweltschutzes, verkörpert insbesondere im bahnbrechenden deutschen Reichsnaturschutzgesetz von 1935,
– die Reinhaltung des heimatlichen Bodens vor der Verseuchung, wobei Verseuchung des Bodens in den Augen der Nationalsozialisten durch naturferne, artfremde, „zersetzende“, „spaltende“ „Rassen“ erfolgte, 3 Jahrzehnte später bei den Grünen durch die naturwidrige, „zersetzende“, „spaltende“ Atomkraft bewirkt wurde.
Auch die Selbstermächtigung durch die Lehre vom „Ausnahmezustand“, wie sie der maßgebliche NS-Rechtstheoretiker Carl Schmitt entwickelt hatte, taucht ansatzweise bei den Anti-Atom-Bewegungen, bei der westdeutschen Friedensbewegung und dann – in geradezu reinrassiger Wiedergeburt – bei den linken Terroristen der Roten Arme Fraktion (RAF) wieder auf.
Bei den recht zahlreichen einsichtsfähigen, akademisch gebildeten Grünen-Politikern wie etwa Jürgen Trittin sind diese Strukturanalogien zwischen nationalsozialistischem Naturschutzgedanken und ökosozialistischem Klimaschutzgedanken durchaus bekannt. Die recht zahlreichen einsichtsfähigen Grünen wären möglicherweise durchaus bereit zuzugeben: „Es war ja nicht alles schlecht, was die Nazis eingeführt haben. Denn Mülltrennung, ganzheitlicher Naturschutz, Artenschutzprogramme, Wiederansiedlung ausgerotteter Arten, Grundsatz des Naturschutz geht vor Eigennutz, Flächenstilllegung, Schutz des Bodens vor Verseuchung – das sind alles Dinge, die in der Tat die Nationalsozialisten in Deutschland auf breiter Front eingeführt haben. Das haben wir Grünen – so schmerzhaft dies ist, so sehr wir uns von den Nazis unterscheiden – von den Nationalsozialisten und den italienischen Faschisten unbewusst übernommen. “
Der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin drückte dies höchst diplomatisch, aber doch unumwunden 2002 so aus:
„(E)s gab eigentlich keinen Punkt, an dem Naturschutz und Nationalsozialismus ideologisch grundsätzlich unvereinbar waren.“
Es ehrt den ehemaligen grünen Umweltminister, dass er bereit ist, maßgebliche Traditionen seiner Partei bis in die Jahre 1933-1945 zurückzuverfolgen. Die frühere Anti-AKW-Politik, die Klimaschutzpolitik der heutigen Grünen trägt leider in der Tat gewisse manichäische, welterlösende, pathetische und diktatorische Züge – etwa dann, wenn behauptet wird, der Klimaschutz sei die alles überragende Aufgabe der heutigen Politik, dem alles andere unterzuordnen sei.
Keineswegs sei aber hiermit behauptet, die Grünen seien ebenso gefährlich wie die Nationalsozialisten. Nur einen gewissen apodiktischen Starrsinn, eine alles wegwischende, autoritäre Geste, die wird man den Grünen durchaus zusprechen können.
Hierfür ein beliebiges Beispiel:
„Heizpilze bleiben verboten!“ So wörtlich und allen Ernstes unser herrisches Bezirksamt 2010. Klimaschutz geht vor Eigennutz der Restaurants! Mit dieser Begründung verhängten Grüne und Rote in unserem Bezirk 2009 ein klimapolitisch begründetes Verbot der Aufstellung von Wärmestrahlern im Freien, denn „ein Heizpilz belastet das Klima genau so stark wie ein PKW“.
Trockenen Auges gesteht allerdings der Bezirksbürgermeister Schulz von den Grünen im selben Jahr: „Ich fahre gern Fahrrad, aber ich fahre auch Auto. Das ist für mich kein Gegensatz.“
Da stellt sich doch die Frage: Wäre es nicht angebrachter, zielführender, ehrlicher, die hunderttausenden von klimapolitischen rollenden GAU’s, die gesundheitsgefährdenden erdölgetriebenen PKWs in Friedrichshain-Kreuzberg zu verbieten – oder mindestens dem Radverkehr wenigstens annähernde Gleichrangigkeit mit dem Autoverkehr in Friedrichshain-Kreuzberg einzuräumen – statt die lumpigen paar Heizpilze zu verbieten, die klimapolitisch völlig unerheblich sind, aber ein paar Euros mehr in den Steuersäckel gespült hätten?
Wissenschaftliches Schrifttum:
Radkau, Joachim; Uekötter, Frank (Hg.): Naturschutz und Nationalsozialismus. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2003, Trittin-Zitat hier: S. 38
Heimatkundliches Schrifttum:
Pressemitteilung des Bezirksamtes: „Heizpilze bleiben verboten!“ http://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/aktuelles/pressemitteilungen/archiv/20100714.1105.302973.html
Günther Gödde: Wie das Steinwild in der Röth bei Berchtesgaden eingebürgert wurde. Eine heimatkundliche Betrachtung. In: Berchtesgadener Heimatkalender 2013, Verlag Berchtesgadener Anzeiger, Berchtesgaden 2012, S. 75-89
http://berchtesgadener-heimatkalender.de/b/Original_Berchtesgadener_Heimatkalender.html
„Spannende Prozesse rechts und links der Spree.“ Im Gespräch mit Bezirksbürgermeister Dr. Franz Schulz. In: Friedrichshain-Kreuzberg. Ein Bezirk mit vielen Gesichtern. 2009/10. Berlin 2009, S.1-2, hier S. 2 [Bezirksbroschüre]
Berchtesgaden, Donna modernaKommentare deaktiviert für Als Mann und Weib schuf er sie, oder: Subtilen Alltags-Sexismus erkennen und benennen!
Jan302013
VND SCHUFF SIE EIN MENLIN VND FREWLIN. So übersetzt Martin Luther. „Männlich und weiblich schuf er sie“, würden wir heute mit Rita Maria Steurer wohl übersetzen. Ein Kernsatz der naturgegebenen Unterschiedlichkeit von Mann und Frau, an der die moderne Geschlechterforschung – „Gender studies“ – seit etwa 1970 und nicht ohne Erfolg rüttelt!
Ein Beispiel für den subtilen, jahrtausendealten Alltags-Sexismus der herkömmlichen Rollenaufteilung, der letztlich nach der Lehre des strengen Gender Mainstreaming zur Unterdrückung der Frau und des Mannes führen muss, liefert heute wieder einmal die Süddeutsche Zeitung auf Seite 10.
„Ich durfte die drei Kinder nicht allein lassen„, erzählt die Ehefrau, hier Gerlinde genannt. Und deshalb spielte die Politik nur die zweite Geige im Leben der Ehefrau, während der Ehemann, hier Winfried genannt, groß herauskommen durfte. Typisch Mann, typisch Frau! „Ich kann gut backen und kochen„, „ich bin nur die Mutter meiner drei Kinder„. Wir sehen: Erkennbar ordnet die Ehefrau die Politik und überhaupt die Außenwirkung, das ganze „Groß-Herauskommen“ dem Wohl der Kinder und der Familie insgesamt unter. Die Frau ist stolz auf ihre Rolle als Mutter. Die ganze Politik spielt im Leben der Frau nur die zweite Geige. Die Familie spielt die erste Geige. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, wenn man ihr unterstellt: Solange es der Familie insgesamt gut gut, geht es auch der Ehefrau und Mutter gut. Den Kindern geht es schlecht, wenn sie alleingelassen werden.
Und umgekehrt haben auch uns alle Mütter, denen wir lauschten, immer wieder erzählt: „Wenn es meiner Familie oder einem meiner Kinder schlecht geht, kann ich nicht ruhig sein. Immer muss ich mir dann Sorgen machen. Und die Kinder MERKEN das gar nicht.“
Sehr aussagefähig auch das Foto: Die Frau steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden, sie hält und stützt den Mann. Der Mann darf ausgreifen, er darf „ins Leben schreiten“. Sie bewahrt ihn mit festem Griff vor alten Fehltritten, etwa vor seinen alten Schwärmereien für einen der drei großen, überragenden Diktatoren des 20. Jahrhunderts: Stalin, Mao, Hitler.
Die Schwärmerei für jedweden der drei großen Gewaltherrscher des 20. Jahrhunderts – wie gesagt: Hitler, Mao, Stalin – ist die Verlockung, von der die Frau den Mann zurückholt. Die Frau und Mutter hegt also „die ewigen Güter der Menschheit“, wie dies der Erzkatholik Konrad Adenauer im Jahr 1946 ausdrückte. Der Mann soll der Frau gehorchen, und er soll nach dem Willen der Frau dem Kult der Gewalt und der Macht, dem Stalin, Mao und Hitler huldigten, widersagen. Die Frau und Mutter soll dem Mann seine Anbetung des falschen Ersatz-Götzen Mao „persönlich ausgetrieben“ haben. Die Frau, das „Ewig-Weibliche“ gewissermaßen, wie es ein heute weithin belächelter hessischer Heimatdichter sagte, wirkt lehrend, bessernd, begütigend, sittigend, erziehend auf den Mann ein:
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan.
Der Mann darf hinaus ins feindliche Leben, darf wirken und streben nach Macht und Einfluss, wie es bei einem heute deutschlandweit belächelten schwäbischen Heimatdichter heißt. Und siehe da – er schafft es auch. Das Volk liebt diese jahrtausendealte Rollenaufteilung.
Der Mann muß hinaus
in’s feindliche Leben,
Muß wirken und streben
Und pflanzen und schaffen,
Erlisten, erraffen,
Muß wetten und wagen
Das Glück zu erjagen.
Denn das Volk weiß es zuinnerst: So soll es sein, so war es ja auch jahrtausendelang. Etwas Besseres ist bisher nicht gefunden. Gleichberechtigung der Frau – ja! Völlige Rollenangleichung von Mann und Frau, völlige Vermischung und Verwischung der Rolle von Mutter und Vater – nein! Das will das Volk nicht. Das Volk ist nicht bereit, den Lehrerinnen des Gender-Mainstreaming – etwa in Gestalt einer Judith Butler – zu folgen.
„Des is abr a a runterg’rissener Katholik“, sagt man bei uns im Bairischen, wenn man meint: „Dieser ist aber auch ein Erzkatholik, er ist aber auch ein Katholik bis in die Knochen.“
Die Süddeutsche Zeitung liefert heute auf S. 10 das „runterg’rissene Bild“ der frommen katholischen Ehe, der konservativen christlichen Familie in Schrift und Abbild. Das Volk liebt das. Das Volk will das. So ist es recht. So ist es in der Ordnung. So kann man das ohne jede Änderung als Denkanstoß für die Kinder in den katholischen und evangelischen und islamischen und jüdischen Religionsunterricht und in den Ethik-Unterricht der frommen Atheisten übernehmen. Man muss nicht daran glauben. Aber man sollte es einmal überlegen.
Ich meine, frau sollte diesen gutartigen, gleichwohl höchst kunstvoll gestalteten, diesen subtilen Alltags-Sexismus nicht in Bausch und Bogen verdammen und verbannen, selbst wenn frau nur eine einfache Friedrichshain-Kreuzberger Bürgerin ist.
Konrad Adenauer: Rede in der Aula der Universität Köln am 24. März 1946. http://www.konrad-adenauer.de/index.php?msg=4501
Judith Butler: Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity. With an introduction by the author. Second edition. Routledge Classics, New York and London, 2007
Roman Deininger: „Ich seh‘ mich nicht als Dame“, Süddeutsche Zeituung, 30.01.2013, S. 10
Johann Wolfgang Goethe: Faust. Texte. Herausgegeben von Albrecht Schöne. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 1999, S. 464
D. Martin Luther: Die gantze Heilige Schrifft. Deudsch auffs new zugericht. Wittenberg 1545, I. Buch, C. I, 27
Friedrich Schiller: Das Lied von der Glocke. In: Das deutsche Gedicht. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Herausgegeben von Wulf Segebrecht unter Mitarbeit von Christian Rößner. S. Fischer Verlag, o.O.2005, S. 167-178, hier S. 170
Rita Maria Steurer: Das Alte Testament. Interlinearübersetzung Hebräisch-Deutsch und Transkription des hebräischen Grundtextes nach der Biblia Hebraica Stuttgartensia 1986, Hänssler Verlag Neuhausen-Stuttgart 1989, S. 8
Bild: Die Natur, wie Gott sie schuf. Im Nationalpark Berchtesgadener Alpen.