Ein durchaus beachtenswerter Debattenbeitrag erreicht uns soeben von unserem großen Nachbarn und Bündnispartner, von Polen. Wir erfahren, dass Ministerpräsident Donald Tusk angesichts der neuen Gemengelage auf den Weltmärkten eine umfassende Repolonisierung der polnischen Wirtschaft verkündet. Aber lest selbst, was der meines Erachtens durchaus seriöse Dziennik soeben berichtet:
Polskie firmy nie będą stały na straconej pozycji w konkurencji z międzynarodowymi molochami– podkreślił Tusk.
Czas na odbudowę narodowej gospodarki, repolonizację polskiej gospodarki, rynku, kapitału – oświadczył szef rządu.
Tusk ogłasza repolonizację gospodarki
Premier Donald Tusk oświadczył, że nadzór nad rozwojem terminala Sławków będzie w stu procentach polski. Polacy, polskie firmy, polskie państwo będzie na tym zarabiać – powiedział. Podkreślił, że trwają bardzo intensywne prace nad terminalem Sławków. Jego zdaniem bardzo wiele firm „ostrzyło sobie zęby“ na to miejsce.
Donald Tusk, der ehemalige Präsident des Europäischen Rates (2014-2019), uns noch in bester Erinnerung als einer der ganz wenigen in Europa verbliebenen Anhänger des Ordoliberalismus im Sinne Erhards, Euckens, Röpkes, kündigt nunmehr eine Repolonisierung, also eine Renationalisierung der polnischen Wirtschaft an. Während andere maßgebliche Stimmen in Deutschland – siehe etwa den neuen Koalitionsvertrag zwischen CDU, SPD und CSU – ein stärkeres Gewicht für die Europäische Union einfordern, scheint die Stimmung in Polen bereits in die entgegengesetzte Richtung gekippt zu sein.
Die Leitwerte in Polen dürften nunmehr heißen: Weg von offenen Grenzen auf den Weltmärkten, weg von der seit langem geforderten Banken- und Kapitalmarktunion innerhalb der EU, Vorrang des nationalen Gedankens vor dem Europagedanken!
Ich empfehle allen Europafreunden, zu denen ich ja persönlich ebenfalls gehöre, die Entwicklungen in Polen, aber auch in Tschechien, Ungarn, Italien, Spanien und der Slowakei nie aus den Augen zu verlieren. Ich meine: Ohne feste Einbindung Polens, Tschechiens, Italiens, Ungarns und der Slowakei werden die in der EU gerade jetzt dringend nötigen Reformen nicht zu einer vertieften Integration führen können.
Wir rufen den neuen oder eher doch alten nationalen Tönen, den Rufen nach nationaler Abschottung unser kräftiges „Jeszcze Europa nie zginęła“ entgegen.
„Das, was im deutschen Kontext etwa seit Beginn der Zweitausender als Clan bezeichnet wird, besteht immer aus über einem Dutzend Großfamilien, alle verwandt und durch Hochzeiten noch stärker miteinander verwoben, die nach ihren eigenen Regeln leben. Die Gesetzgebung wird ignoriert, vielmehr wird der Staat als eine Art Selbstbedienungsladen gesehen; man nimmt sich, was man braucht. Um es mit einem Wort zu sagen: Sozialbetrug. In diesem verzweigten System („je mehr Kinder, desto mehr Geld“) ist die Rolle der Frau damit bereits klar definiert. Gleichzeitig erklärt es, gemeinsam mit den Phänomenen der Importbräute und des Familiennachzugs, wie die sogenannten Clans – nicht nur unserer, auch andere – in Deutschland ab den 1970ern so schnell so groß werden konnten. Warum es heute Strukturen gibt, die parallel zum Rest der Gesellschaft existieren. Wenn ich es aufschreibe, kommt es mir selbst unfassbar vor, jedoch: Meine Familie darf man getrost als Keimzelle eines dieser toxischen Haufen verstehen.
Die Großfamilie ist eine verschworene Gemeinschaft, selbst kleine Kinder werden rücksichtslos in die Machenschaften involviert, wie meine Geschichte zeigt. Auch ich wurde als Kurier eingesetzt und musste Falschaussagen machen; Straftaten, die längst verjährt sind, falls ich überhaupt strafmündig war. Bei ihren kriminellen Geschäften erbeuten meine Verwandten Millionen, die weltweit angelegt werden. Doch es geht längst nicht mehr nur um Geld. Sie genießen es, dem deutschen Staat zu zeigen, wer das Sagen hat.“
Mein Kommentar zu diesen Schilderungen: Von „Ketteneinwanderung“ aus der Türkei sprach schon vor vielen Jahren sehr zutreffend der Berliner SPD-Politiker Kenan Kolat. Er bezeichnete damit das häufig ab den 70er Jahren zu beobachtende Phänomen, dass innerhalb weniger Jahre ganze Dörfer auf Geheiß des oder der Dorfältesten aus dem Süden der Türkei (den sogenannten „Kurdengebieten“) nach und nach in deutsche Großstädte übersiedelten, stets unter Inanspruchnahme des Asylrechts oder des Familiennachzugs sowie anschließender fester Integration in das deutsche Sozialsystem, besser: in das Gewirr verschiedener deutscher Sozialsysteme, schon damals wie auch heute häufig unter Vorspiegelung mehrerer oder falscher Identitäten. Der Staat hat unter Führung aller jeweils regierenden Parteien dieses Geschehen bis zum heutigen Tage gewähren lassen und müht sich seit einigen Jahren – eher erfolglos – dieses wiederkehrende Geschehen angemessen zu erkennen oder sogar einzudämmen.
Ich meine, die wahre Analyse liegt schon lange auf dem Tisch. Kenan Kolat, Latife Arab, Ralph Ghadban, Seyran Ateş und einige wenige andere Deutsche wissen, wie das ganze Geschäft läuft mit all den „Schutzsuchenden„, all den „Geflüchteten“ – und was dergleichen schönklingende, beschönigende Vokabeln mehr im Umlauf sind, um uns, dem ach so dem dummen dummen Volk Sand in die Augen zu streuen.
Diese mit humanitären Erwägungen gerechtfertigte, wertebasierte Einwanderung stützt sich auf zwei Grundwerte: GELD vom Staat und MACHT für den Clan. Und fertig is. Bitte mal die Augen aufmachen.
Zitatnachweis:
Latife Arab: Der Überfall, in: Latife Arab: Ein Leben zählt nichts – als Frau im arabischen Clan. Eine Insiderin erzählt. Wilhelm Heyne Verlag, 3. Aufl., München 2024, S. 11-23, hier: S. 22-23
Bild: Straßenszene in der Hauptstraße, Ecke Dominicusstr., Berlin-Schöneberg, Aufnahme vom 27.04.2024
Die kursorische Lektüre des wichtigen Buches „Stranieri residenti“ von Donatella di Cesare macht mir Lust, ein bisschen durch Zeiten und Räume, durch Sprachen und literarische Gattungen zu wandern. Wandern wir gemeinsam! Beginnen wir beim Titel des Buches! Wie könnte man auf Deutsch am besten das von der römischen Philosophin Gemeinte wiedergeben? Wir denken her, wir denken hin, wir fragen im Wandern: Menschen, die bei uns wohnen, die bei uns nicht nur vorübergehend verweilen, die bei uns bauen, ohne hier geboren zu sein, ohne von Ansässigen abzustammen, die aber einen gesicherten Aufenthaltsstatus ohne die vollen Bürgerrechte genießen, wie könnten wir die nennen? Antwort: Mit einem heute veralteten, aber überall verstandenen Ausdruck schlage ich für „straniero residente“ den Ausdruck „Beisasse“ vor. „Beisasse“, in Grimms Wörterbuch als „beisasz“ eingetragen, ist die häufigste Bezeichnung für das in Rede Stehende in alten deutschen Übersetzungen der biblischen Bücher, in Übersetzungen der Bücher aus dem alten Griechenland. Das griechische Wort dafür lautet μέτοικος, italienisch meteco.
In den meisten Stadtgemeinden der griechischen Antike, insbesondere in Athen, war bekanntlich das Bürgerrecht meist an die „Herkunft aus diesem Ort“, an die Abkunft von „Hiergeborenen“ geknüpft, während die dauerhaft Zugewanderten, eben die Metöken oder „Beisassen“ nur eingeschränkte Teilhaberechte genossen und eingeschränkte Teilhabepflichten auf sich nehmen mussten. Die ukrainische Wikipedia sagt darüber zutreffend:
Мете́ки (грец. Μέτοικοι) — у Стародавній Греції так називали чужинців, що оселилися у тому, чи іншому полісі. У 5-4 ст. до н. е. метеки, що складали значну частку міського населення Аттики, відігравали важливу роль в економіці міст. Становище метеків, що жили в різних грецьких полісах, було неоднаковим.
Der im Jahr 384 in Stageira geborene Aristoteles etwa, der selbst kein Bürger Athens war, aber doch als Metöke, d.h. als Beisasse in Athen etwa 20 Jahre lange lernte, lehrte und forschte, schreibt in lakonischer Kürze, politische Teilhabe genössen in Athen diejenigen, die von beiden Elternteilen her Abkömmlinge Athens seien. Sobald sie nach glaubhafter Bezeugung durch andere Bürger 18 Jahre alt seien, würden sie unter feierlichem Schwören in die Liste der Gemeindemitglieder, der „Vollbürger“ aufgenommen. Solle jedoch eine nachträgliche Prüfung ergeben, dass jemand fälschlich in den Besitz der Bürgerrechte gelangt sei, so verkaufe die Gemeinde Athen diesen Mann, der das Bürgerrecht erschlichen habe, in die Sklaverei.
Ausführlich im griechischen Text (Aristot. Const. Ath. 42.1):
Die Untersuchung Donatella di Cesares liefert, wie wir gesehen haben, bereits vom Titel an fundamentale Anstöße, unser gesamtes Denken über Herkunftsgemeinschaften, Herkunftsdenken, Migration, Staatlichkeit in Frage zu stellen.
Di Cesares Hauptthese scheint mir dabei zu sein, dass grundsätzlich jedem Menschen das Recht zustehen müsse (müsse!), in ein Gebiet seiner Wahl zuzuwandern. Umgekehrt stehe den modernen Territorialstaaten, die sich zu viele Geltungsansprüche anmaßten, grundsätzlich nicht das heute allzu leichtfertig als selbstverständlich angenommene Recht zu, Ankommende, Zuwandernde, Wandernde an den Staatsgrenzen zurückzuweisen.
Sie untermauert diese Behauptung mit einer beeindruckenden Fülle an systematischen und historischen Befunden.
Quellen:
Donatella di Cesare: Stranieri residenti. Una filosofia della migrazione. Bollati Boringhieri, Torino 2017
Hinab ins Alte, ins Uralte führte uns kurz vor dem „UNESCO-Tag der Muttersprachen“ (21. Februar) der Weg. Einige Händler und Köche aus der sudanesischen Sahara haben Zelte mit bunten Luftballons aufgeschlagen und laden zur Eröffnung des neuen Imbisses ein. Palmen aus Pappmachée, Nachbildungen von Tempelsäulen, Farnwedel und der unverwechselbare Geruch von Falafel, Datteln, Bulgur, Erdnuss-Soßen, Magali und Halloumi umfangen uns. Die Köche begrüßen mich – „Wir kennen uns doch aus der Eisenbahnstraße…?“; „Ja!, wir kennen uns!“, stimme ich zu. Ja, wir Wüstenwanderer – „O Traum der Wüste, Durst und Datteln, endlos Sehnen…“ wir erkennen uns.
Schmeckhaft, lecker breiten sich die Gerichte aus. Wir nehmen Platz und tun uns gütlich! Am besten gefällt mir, dass die Gäste in ihren Muttersprachen das „Willkommen“ an die Wand schreiben dürfen. Ich erkenne eine uralte, mir unbekannte, entfernt an ägyptische Hieroglyphen des 2. Jahrtausends v. Chr. erinnernde Bilderschrift, ferner das Hebräische, das Türkische, das Isländische und ein gutes Dutzend regionaler Sprachen. Ich beschließe ebenfalls in der Sprache meiner Mutter einen besonders herzlichen Willkommensgruß daneben zu setzen, den mich meine Mutter noch gelehrt hat: „Griaß enk!“ Enk, ein alter Dual des Bairischen, im heutigen Bayern nicht mehr geläufig, aber im südlichen Tirol bei Brixen (das ja zur bairischen Sprachenvielfalt gehört) habe ich ihn noch gehört, von jungen Bergwanderern. Und ich lehre die Sudanesen aus Naga, aus Meroe die zwei herrlich klingenden Wörter des Bayrischen und sie lehren mich den Klang und Sang ihrer Muttersprachen.
O Traum der Wüste, Liebe, endlos Sehnen!
Bild: Die Wand des Willkommens. In: Sahara. Sudanesische Spezialitäten. Aufnahme vom 18.02.2017
Einer unserer besten Reiseerzähler in die faszinierende Welt der Völker oder Volksgruppen Syriens, die in diesen Tagen und Wochen als ganze Gemeinden und Verbände nach und nach in die EU, vor allem nach Deutschland umsiedeln, ist unser guter deutscher Landsmann, der 1946 im syrischen Damaskus geborene Suhail Fadél, besser bekannt als Rafik Schami. Er weiß genau, wo und in welcher Moschee das Grab Johannes des Täufers liegt, das Grab des Yahya, wie ihn die muslimischen Mhallami hier um die Ecke in Kreuzberg auf Arabisch nennen. Sein Roman „Sophia oder Der Anfang aller Geschichten“ führt uns nach Damaskus, in die Stadt, in der Paulus von Tarsos (früher Saulus genannt) sich einige Zeit vor seinen Häschern versteckte.
Schami schreibt in seinem höchst lesenswerten Buch „Die dunkle Seite der Liebe“:
„Jedes Volk lebt nach einer Werteskala. Bei dem einen steht die Eroberung neuer Gebiete für das Vaterland an erster Stelle, bei dem anderen das Glück der Familie, beim Dritten ist es die Ehre der Frau.“
Entscheidend ist hier der Volksbegriff! Für die syrische Gesellschaft ist die Volkszugehörigkeit zentraler Teil der Identität der Person. Die Eroberung neuer Gebiete für das eigene Volk ist eine zentrale Triebkraft hinter den militärischen Konflikten und den Migrationsbewegungen. In welchem Volk und in welcher Religion man geboren ist, bleibt für das ganze Leben in Syrien von entscheidender Bedeutung. „Wir in unserem Volk sind alle Christen“, sagte mir einmal eine assyrische Friseuse aus Hamburg beim Haareschneiden, ehe sie mir beibrachte, wie man in der Sprache Jesu Christi – also Aramäisch – Frohe Weihnachten sagt.
Nun überlegt selbst: „Wir in unserem Volk sind alle Christen“, das würde doch in Deutschland niemand sagen! Oder? Kein Deutscher würde sagen: „Wir in unserem Volk sind alle Christen“, „wir sind ein christliches Land“, schon einfach aus dem Grund, weil die öffentlich bekennenden Christen in Deutschland wie in den meisten anderen europäischen Ländern mittlerweile eine Minderheit sind.
In Syrien, Irak, Ägypten, Israel, Libanon, Palästina hingegen ist das klare Bekenntnis zu einer Religion und zu einem der Völker unerlässlich, es prägt Lebensgeschichten und Persönlichkeiten.
„Mit Religion habe ich nichts am Hut, die Religion kann mir gestohlen bleiben“, sagte mir hingegen einmal ein alawitischer Moslem aus Syrien. Er ist zwar weiterhin nominell Moslem, aber er „praktiziert“ nicht, er ist Atheist. Er darf sich jedoch nicht vom Islam lossagen, denn dies würde ihn und die Seinen großer Gefahr an Leib und Leben aussetzen.
Die Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Libanon, Palästina und alle anderen wird man nur verstehen, wenn man sie aus ihrem jeweiligen Volk und der jeweiligen Religion zu verstehen versucht. Sie werden zwar jederzeit gern nach Deutschland übersiedeln, in ein Land, das ihnen endlich Frieden, Brot und ein sicher Dach bietet – was Länder wie Syrien oder Irak immer weniger leisten wollen und leisten können. Denn diese Länder werden zerrissen von uralter, neu angefachter Uneinigkeit und Zwietracht zwischen Völkern, Religionen, Sippen und Machtverbänden.
Aber die Flüchtlinge werden ihre Identität als dieses oder jenes Volk bewahren. Sie werden beispielsweise weiterhin in der Regel Angehörige des eigenen Volkes und derselben Religion heiraten, sie werden enge Kontakte zu den in der Heimat gebliebenen Sippenangehörigen und Verwandten halten und beim Heiraten einem Partner aus der alten Heimat meist den Vorrang geben. Auf keinen Fall beabsichtigen sie, in Deutschland ihre Identität als Assyrer, Kurden, Palästinenser, Jesiden, Alawiten usw. aufzugeben und Deutsche wie andere Deutsche auch zu werden. Insoweit sollte man sich vom Gedanken einer wirklich umfassenden kulturellen Integration recht bald verabschieden, ehe es zu bitteren Enttäuschungen kommt.
Lesehinweise:
Rafik Schami: SOPHIA oder Der Anfang aller Geschichten. Roman. Carl Hanser Verlag, München 2015
Kurt Rothmann: Kleine Geschichte der deutschen Literatur. 20., durchgesehene und erweiterte Auflage, Philipp Reclam jun. Stuttgart 2014; zu Rafik Schami: S. 519-522, hier bsd. S. 521
Bild:
Schuhe, Sand, Spuren. Aufnahme vom Badeschiff am Spreeufer. Heute. Berlin, 5. September 2015, 13.10 Uhr
Wie ist die aktuelle Lage in der Ukraine einzuschätzen?
Recht offen sprechen zwei Führer der in der Ostukraine operierenden Milizen, Alexander Kostin und Wladimir Stepanow, zwei ehemalige Offiziere der Sowjetarmee, über ihre politischen Ziele und ihre Unterstützer in der aufschlussreichen, auf Deutsch erscheinenden „Moskauer Deutschen Zeitung“.
Zusammenfassung:
1) Die Führer wollen einen von Russland unabhängigen neuen Staat Donbass.
2) Sie erklären, von der russischen Regierung unabhängig zu kämpfen. „Sind wir etwa nach Moskau gefahren, um uns den Segen von Putin zu holen?“
3) Sie stellen fest, dass die ukrainische Regierung gar nicht das Geld habe, um den Feldzug gegen sie, die unabhängigen Milizen, lange aufrechtzuerhalten.
4) Die Vorhaltung des Journalisten, die Milizen würden von Russland mit schweren Waffen ausgerüstet, weisen sie weder zurück, noch bestätigen sie sie. Vielmehr sagen sie: „Woher die Waffen kommen, wird Ihnen bis ins Detail keiner beantworten.“
Es lohnt sich, dieses spannende Interview zu lesen! Mir scheint, die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland war generalstabsmäßig durchgeplant; die Kämpfe in der Ostukraine sind jedoch offensichtlich von der Moskauer Regierung nicht mehr zu steuern. Ein neuer unabhängiger Staat, der finanziell auf eigenen Füßen stehen möchte, Milizen, die es nach eigenem Bekunden an Finanzstärke mit einem Staat von 44 Millionen Einwohnern aufnehmen können … das klingt abenteuerlich, klingt verwegen! Werden die Führer dazu aber auch das nötige Fachwissen mitbringen?
Die Äußerungen der Führer scheinen mir ferner ein weiterer Beleg dafür, dass der russische und auch der ukrainische Staat keineswegs nach Art einer Diktatur straff von oben nach unten durchorganisiert sind, sondern im Gegenteil vielmehr geprägt sind durch eine Vielzahl an begrenzt autonom operierenden Kräften, die häufig konflikthaft miteinander um Anteile an der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Macht kämpfen. Dies gilt insbesondere für ehemalige Soldaten der sowjetischen Armee, aber mehr noch für Angehörige der zahlreichen bewaffneten „anderen Kräfte“. Diese suchen offensichtlich Betätigungsfelder außerhalb des bisherigen Territoriums der Russischen Föderation, zumal bei einer russischen Truppenstärke von etwa 1 Million Mann (!) und geplanten Kürzungen ein unerschöpfliches Reservoir an Ehemaligen nach neuen Aufgaben sucht.
Der Osteuropaforscher Hannes Adomeit schrieb dazu im Jahr 2010: „Die Umstrukturierung der „anderen“ Truppen, insbesondere der Truppen des Innenministeriums ist nicht vorangekommen. Der Widerstand dieser militärischen Formationen gegen Kürzungen und organisatorische Veränderungen konnte nicht gebrochen werden. Der Wirrwarr von Streitkräften und Sondertruppen mit ihren vielfältigen Aufgabenüberschneidungen besteht weiter.“
Fazit: Die aktuellen kriegerischen Zusammenstöße im Osten der Ukraine sind ein Bruderkrieg zwischen verwandten, versippten und verschwisterten Formationen, eine Art hybrider, „simmernder“ Krieg zwischen regulären und irregulären Truppen mit unklarer Legitimität, unklaren Kriegszielen, mit gemischter Provenienz und unklarem Kombattantenstatus. Eine klare Strategie Moskaus ist nicht zu erkennen. Viele Kombattanten haben keinerlei politische oder administrative Erfahrung im Hintergrund.
Für die deutsche Außenpolitik und die EU-Außenpolitik sollte dies meines Erachtens ebenso wie für die NATO bedeuten: Ein Eingreifen in den Konflikt, ganz zu schweigen von einer militärischen Hilfe für die Ukraine, ist höchst inopportun, zumal es dabei nicht nur zwei, sondern 2+x Seiten gibt. EU und NATO sollten erkennen, dass eigene vitale Interessen derzeit nicht berührt sind. Weder NATO noch EU sollten einseitig Partei in diesem Bruder- und Bürgerkrieg ergreifen. Die NATO soll und muss Verteidigungsbereitschaft für die eigenen Mitgliedsländer zeigen, mehr nicht.
Das zentrale, jahrhundertealte Grundproblem in der russischen und der ukrainischen Politik, nämlich die Frage der Legitimität der Herrschenden, ist nicht eindeutig beantwortet! Es ist neben den eklatanten Mängeln der ukrainischen Wirtschaft der Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung.
Die Botschaft an die kämpfenden Parteien müsste sein: „Männer! Soldaten! Kämpfer! Ihr seid alt genug, um für Euch Verantwortung zu übernehmen. Ihr seid doch erwachsene Männer. Einigt Euch untereinander. Wenn ihr Vermittlerhilfe und ein paar gute Worte braucht, könnt Ihr Euch an uns wenden. Das liegt bei euch. Schafft Sicherheit, schafft Strom, Wasser, Nahrung für die Zivilbevölkerung heran. Wir im Westen werden euch weder Waffen noch Geld zur Verfügung stellen. Wir wünschen euch Frieden – auf gut Ukrainisch: Мир вам. Oder, um es auf gut Russisch zu sagen: Мир вам. Denkt auch an die Worte Jesu Christi: Wer das Schwert zückt, wird durch das Schwert umkommen.“
Diese meine Schlussfolgerung mag resignativ klingen. Sie ist es nicht. Im Gegenteil! Sie entspringt der Einsicht, dass hier über die Jahre hinweg vom Westen unbeachtet und kaum verstanden eine höchst verworrene Gemengelage entstanden ist, die von außen auf keinen Fall direkt mehr geordnet werden kann. In der EU-Außenpolitik scheint mir offen gestanden auch kaum die Fachkunde, die Sprach- und Landeskenntnis vorhanden zu sein, um hier – im Osten der Ukraine – auch nur das sprichwörtliche „Bein auf den Boden zu kriegen“.
Zitate:
„Kiew kann diesen Krieg nicht gewinnen.“ Milizenführer aus der Ostukraine über sich, ihre Unterstützer, ihre Waffen und ihre Ziele, in: Moskauer Deutsche Zeitung. Unabhängige Zeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur. Gegründet 1870. Nr. 15 (382), August 2014, hier besonders Seite 2
www.mdz-moskau.eu
Hannes Adomeit: Russische Militär- und Sicherheitspolitik, in: Heiko Pleines / Hans-Henning Schröder (Hrsg.): Länderbericht Russland. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2010, S. 263-285, hier besonders S. 276
Bild:
Ein Blick in ein russisches Technikmuseum in der Nähe von Moskau am 16.08.2014. Merke: Die Einstellung gegenüber Waffen und schwerem Kriegsgerät ist in Russland deutlich unverkrampfter als bei uns in Deutschland.
Naturschutz, Umweltschutz, Klimaschutz – diese Werte liegen heute wie ein fein verstäubter Nebel im öffentlichen Diskursraum. Eine bekannte deutsche Partei verdankt ihren Erfolg zum Teil der Berufung auf das unvorgreifliche Erste, auf die Natur.
„Geht es der Natur gut, so geht es dem Menschen gut. Der Mensch muss sich der Natur einordnen. Er ist letztlich nur Teil der Natur. Die Natur ist das erste, ihr folgte der Mensch. Er stört also die Natur. Sein erstes und oberstes Gebot ist also, dass er die NATUR nicht so sehr stören oder zerstören darf.“
Der gute Mensch ist der Mensch, welcher sich der Mutter Natur oder Mutter Erde überantwortet und sich in den Dienst der Natur stellt. „Der Mensch mache sich der Natur untertan! Er gebe sich der Natur zu eigen. Wer die Natur rettet, rettet den Menschen.“
Knapp und bündig fasste Hermann Claudius diesen Glauben an die Natur als oberste Richtschnur so zusammen:
Birkengrün und Saatengrün:
Wie mit bittender Gebärde
hält die alte Mutter Erde,
daß der Mensch ihr eigen werde,
ihm die vollen Hände hin;
ihm die vollen Hände hin.
Alles, was den Vorrang der absolut gesetzten Natur sehr stört oder zerstört, wird in dieser Denkungsart verworfen. Der ungeborene Juchtenkäfer hat mehr Daseinsrecht als eine projektierte ICE-Trasse! Uralte, kippgefährdete Bäume sind wertvoller als Wege, Plätze und Häuser für den Menschen, den großen Störfaktor der Natur.
Umgekehrt wird in dieser Hypostasierung der verehrten Natur alles begrüßt, was das Naturhafte im Menschen fördert und pflegt. Im Menschen selbst als einem Teil der Natur quillt der Urquell der Wahrheit. Befreiung des Menschen bedeutet demnach, alle von der Geschichte auferlegten Gesellschaftsverhältnisse, ja den eigenrechtsetzenden Staat insgesamt abzuwerfen und die Natur zu sich selbst kommen zu lassen.
Mittel zu dieser Selbstbefreiung ist in den Jahren 1797-1815 neben der Stärkung des Naturgedankens vor allem die Stärkung des Naturhaften im Menschen, die Pflege der naturähnlich gesehenen Herkunft, also des Nationalen. Von daher die überragende Bedeutung der Muttersprache im Naturdenken der Romantik. Stärkung der Natur, Stärkung der Nation, Stärkung der Muttersprache! Das ist der Dreiklang, mit dem Deutschland und andere europäische Völker das Napoleonische Joch der welschen Fremdherrschaft abschütteln.
Der Nationalismus der verschiedenen europäischen und außereuropäischen Völker speist sich zweifellos aus der Gleichsetzung von Volk, Nation und Natur. Nationalismus ist eine Spielart des Denkens der Natur als eines unhintergehbaren Ersten.
Fichtes Reden an die deutsche Nation begründen für die nachfolgenden zwei Jahrhunderte mit unübertroffener Klarheit diesen innig verschränkten Zusammenhang von Naturanrufung und Selbstbefreiung des Menschen durch Abwerfen des widernatürlichen Jochs der Herrschaft des Fremden:
So wie die Gegenstände sich in den Sinnenwerkzeugen des Einzelnen mit dieser bestimmten Figur, Farbe u.s.w. abbilden, so bilden sie sich im Werkzeuge des gesellschaftlichen Menschen, in der Sprache, mit diesem bestimmten Laute ab. Nicht eigentlich redet der Mensch, sondern in ihm redet die[315] menschliche Natur, und verkündiget sich anderen seines Gleichen.
So schrieb Johann Gottlieb Fichte im Jahr 1809 – mit für ihn unabsehbaren Folgen.
Quellen:
Wann wir schreiten Seit an Seit Text: Hermann Claudius. Musik: Michael Englert. In: Volksliederbuch. Herausgegeben von Andreas Kettel. Bilder von Sabine Wilharm. rororo rotfuchs. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 1984, S. 228-229
Johann Gottlieb Fichte: Reden an die deutsche Nation
Staunen und Lächeln beim Studium der morgendlichen taz: Eine neue Geld-Umverteilungsorgie im nach wie vor vulgärsozialistisch regierten Bundesland Berlin ist in vollem Gange! 100 Mio. werden in dieser Legislatur dank des von Jan Stöss und Raed Saleh (SPD) geschmiedeten „Bündnisses für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“ und dank der 30%-vom-Einkommen-Kappungsgrenze indirekt an die Vermieter verteilt werden. Wird der Finanzsenator Nußbaum Chuzpe und Traute genug haben, diesem erneuten, besonders dreisten Anschlag auf die Haushaltskonsolidierung zu widerstehen? Zweifel sind angebracht!
„Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“. Wem fiele da nicht die Arie des Papageno aus Mozarts Zauberflöte ein:
Das klinget so herrlich,
das klinget so schön!
Trala la lalal la,
Trala, la la!
Welcher politische Depp steht denn gern für unsoziale Wohnungspolitik und für Wuchermieten da? Niemand. Auch Herr Nußbaum nicht. Auch dieser arme Kreuzberger Blogger nicht. Natürlich nicht!
Diesen für das Individuum sehr bequemen, für die Konsolidierung des Landeshaushaltes aber verheerenden Geldverschwendungsmechanismus hat der Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeister Franz Schulz klipp und klar vollkommen richtig, aber sehr höflich auf gut Französisch so ausgedrückt (im Deutschen lügt man ja bekanntlich, wenn man höflich ist, lächel …):
„Plafonner les loyers ne serait pas réaliste. Cela ne concernerait que le logement social et obligerait Berlin déjà lourdement endetté à verser des sommes colossales aux bailleurs pour les dédommager du manque à gagner.“
Zu Deutsch: Eine Kappungsgrenze der Mieten beträfe nur die Sozialwohnungen und zwänge Berlin, das ohnehin bereits schwer verschuldet ist, riesige Beträge an die Vermieter zu bezahlen, um sie für entgangene Gewinnmöglichkeiten zu entschädigen.
Bürgermeister Schulz hat recht: Wuchermieten – etwa am Kreuzberger Kotti oder in Neukölln – werden dank der Mietenkappung direkt mithilfe des geldverteilenden Berliner Senates in breitem Umfang möglich. Die Bezirke dagegen werden komplett ausgezogen bis aufs Hemd. Der Personalabbau in den Bezirken ist eine logische Folge der mit unerbittlicher Konsequenz weitergetriebenen, seit 1961 bis heute in Berlin herrschenden vulgärsozialistischen Umverteilungspolitik. Gutes, spannendes, kenntnisreiches Interview mit Bezirksstadträtin Franziska Giffey, taz, S. 23!
Nach den Türken, den Arabern („Libanesen“) rollt nun eine dritte „Zuwanderungswelle“, wie Frau Giffey sagt, auf Neukölln zu.
Hier im heutigen taz-Interview gibt es die guten Ratschläge, wie man – nach der bestens gelungenen Integration der türkischen Volksgruppe, der arabischen Volksgruppe – nun auch die gelungene Integration der neu entstehenden Roma-Bevölkerungsgruppe in den Sozialstaat schafft:
1) Einreise der Familien mithilfe eines auf 3 Monate befristeten EU-Visums
2) Unterbringung der Familien als Untermieter in den angemieteten Wohnungen der Übersiedlungshelfer gegen Zahlung einer Wuchermiete, z.B. 1000.- Euro/Zimmer
3) Anmeldung eines Gewerbes, etwa als Zettelverteiler, Entrümpler, Handyverkäufer oder Abschleppdienstleister. Dadurch ist das dauerhafte Aufenthaltsrecht gesichert. Kindergeld sofort beantragen!
4) Zum Jobcenter gehen. Sofortige Beantragung der Aufstockung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit. Jeder mitfühlenden Seele ist klar, dass man mit Zettelverteilen oder Kellerausräumen keine Familie ernähren kann. Die Aufstockung muss also her. Damit ist eigentlich alles Wesentliche getan. Denn:
4) Nach 1 oder 2 Jahren kann das Zettelverteilungsunternehmen, das Abschleppgewerbeunternehmen, der Handyladen oder das Automatencasino planmäßig in den Konkurs geschickt werden. Von diesem Zeitpunkt an werden die gesamte Familie und all die zahlreichen weiteren Beschäftigten des Zettelverteilungsunternehmens, Handyladens oder Automatencasinos auf Dauer und generationenübergreifend von staatlicher Hilfe leben. Das ist nun wirklich in Deutschland hunderttausendfach vorgemacht worden, und es wird hunderttausendfach nachgemacht werden.
5) Nächster Schritt: Sehnsüchtiges Warten auf das „Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“! Sobald die Menschen die Unbezahlbarkeit ihrer Wuchermieten (etwa 1000 Euro/Zimmer) nachweisen können, also nachweisen, dass sie mehr als 30% des vom Staat aufgestockten Nettoeinkommens für Mieten ausgeben, stehen ihnen auch für die Miete indirekte Ausgleichszahlungen zu. Diese Mietenausgleichszahlungen werden allerdings direkt an die Vermieter gezahlt – in diesem Fall an die landeseigenen Wohnungsgesellschaften. Die Details sind völlig unklar. Für die Klärung der administrativen Einzelheiten, die Verwaltung, die Antragsberatung, die Hilfe bei der Antragstellung und die Antragsprüfung werden zahlreiche neue Sachbearbeiterstellen nötig sein. Diese Stellen in der Verwaltung werden geschaffen werden – nicht Stellen für Erzieher, Lehrer, Polizisten! Der öffentliche Dienst wird also im Zuge der Umsetzung des „Bündnisses für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“ ebenfalls erneut anschwellen.
LIES! jeden Tag eine gute taz! In diesem guten Interview mit Franziska Giffey auch ein klares Bekenntnis zum Volksgruppenkonzept: Neu-Neuköllner Roma, Alt-Neuköllner Türken, Alt-Neuköllner Araber, Neu-Neuköllner „Bildungsbewusste“ (=gemeint sind mit diesem verhüllenden Euphemismus zuwandernde deutsche Migranten) müssen in die „nötige Balance“ gebracht werden. Schön: Die Realität, dass sich in Berlin mithilfe der üppigen Füllhörner des Sozialstaates klar voneinander abgeschlossene, gleichberechtigte, nebeneinander herlebende Volksgruppen angesiedelt haben, wird endlich von der Politik anerkannt. Nach der türkischen, der arabischen, der deutschen entsteht nun also eine Roma-Volksgruppe. Willkommen!
Das taz-Interview mit Franziska Giffey bringt denn auch ein klares, wohltuendes Bekenntnis zum Volksgruppenkonzept, wie es ähnlich auch in der Tschechoslowakei, in Jugoslawien, in Belgien und in der Sowjetunion vom Staat durchgeführt worden ist. Auch in diesen vier genannten, bewusst multiethnisch angelegten Staaten wurde streng darauf geachtet, dass jede der Volksgruppen genug vom Kuchen, also vom staatlichen Geld abbekam. Der Staat sorgte in der Sowjetunion, in Jugoslawien, in Belgien und in der Tschechoslowakei für das nötige Gleichgewicht zwischen den Völkern. Es klappte prima über mehrere Jahrzehnte, wie wir alle wissen.
Frau Giffey formuliert die Aufgabe des mithilfe des reichlich vorhandenen Geldes zentral steuernden Staates auf gut Deutsch so: „Wir müssen für die nötige Balance zwischen den Bevölkerungsgruppen inklusive der neu Zugewanderten sorgen.“
Schön gesagt. Danke, Frau Giffey.
Clever gemacht. Die Ausplünderung des Berliner Landeshaushaltes geht weiter. Von BER schweigen wir. Wir nennen nur das Kürzel und verweisen auf die heutige taz. Das reicht.
Herr Nußbaum, bitte bleiben Sie hart. Leisten Sie Widerstand.
Soeben las ich Jörg Baberowskis „Verbrannte Erde“ in einem Zug zu Ende. Großartiges Buch, aber die sehr starke Personalisierung auf Stalin als schlechthin „bösartig“ finde ich denn doch überraschend. Denn solche Psychopathen wie Stalin gibt’s überall! Und der systematische Terror, die Massenhinrichtungen, die Ausmerzung der Volksfeinde und Verräter, die Ausplünderung und Vertreibung von ganzen Menschengruppen begann bereits mit der Oktoberrevolution 1917, also lange vor der Machtergreifung Stalins, wie Baberowski selbst sorgfältig herausarbeitet (S. 33-109). Allerdings erreichte erst mit und durch Stalin der Terror eine völlig neue Stufe, weil nunmehr jeder, auch engste Freunde, Verwandte und Mitarbeiter jederzeit den Mordbefehlen ausgesetzt sein konnten.
Warum konnte Stalin sich über Jahrzehnte gerade im Zeichen von Hammer und Sichel und unter der roten Fahne des Marxismus-Leninismus so lange an der Macht halten?
Aufregend und hochaktuell für uns Deutsche ist es, wie Baberowski die Verfolgung und Unterdrückung der islamischen Völker anreißt! In Deutschland weithin unbekannt: Es gab staatlich befohlene Zwangsentschleierungen der usbekischen, der tatarischen Frauen, die Frauen wurden als unterdrückte Opfer durch die Bolschewiki „befreit“ – und nach der „Entehrung“ oft von den eigenen Männern des Clans ausgestoßen, kollektiven Schandstrafen unterzogen. Es gab hunderte Ehrenmorde.
Die Frauen wehrten sich gegen die erzwungene Befreiung, indem sie sich bewusst re-islamisierten und re-nationalisierten: „Einen Schleier zu tragen und religiöse Bräuche auszuüben, hieß jetzt nationalen Widerstand zu leisten“ (S. 149-154, vor allem S. 153).
Mein Tipp: Von hinten her, also vom letzten Kapitel anfangend, lesen!
Bild: Sehnsucht nach Hammer und Sichel. Das Bild, das sich mir täglich beim Verlassen meines Hauses bietet.
Jörg Baberowski
Verbrannte Erde
Stalins Herrschaft der Gewalt
C. H. Beck Verlag, München 2012
ISBN-10 3406632548
ISBN-13 9783406632549
Gebunden, 606 Seiten, 29,95 EUR
Sven Regeners Buch herrlich verqueres Buch „Neue Vahr Süd“ verschlang ich mal zwischen zwei Spaziergängen durch das winterlich verschneite Moskau. WIE KLEIN DOCH DEUTSCHE MENTALITÄT IST. Diese Deutschen!, schmunzelte ich. Sie lieben ihre Unzufriedenheit sehr!
Aber Regener hat wirklich einen Blick für das Wesentliche. Sein Zwischenruf zur Veranstaltung „Hilfe! Die Turis kommen!“ verdient Beachtung. Hier, in dieser Veranstaltung, wurde ja offenbar in spalterischer Weise gegen Fremde&irische Trinklieder singende Ausländer gehetzt. Als würden nur Fremde und betrunkene Ausländer Bierflaschen auf Radwegen fallen lassen oder das Wasser am nächsten Polizeiauto abschlagen!
Gut auch seine Bobachtung zum Nebeneinanderherleben der verschiedenen Volksgruppen!
Ich habe verstanden: Der Kiez ist kein Sehnsuchtsort – Meinung – Tagesspiegel
„Und was heißt schon Kreuzberg? In Kreuzberg gab und gibt es doch ohne Ende Parallelwelten. Das ist doch so eine Mulitkulti-Lebenslüge: Ich habe in Kreuzberg nie einen Deutschen gekannt, der mit einem Türken befreundet gewesen war. Und in die Türkencafés, das nur mal als Beispiel, darf man oft gar nicht rein. Aber das macht ja nichts, die Leute müssen doch nicht den ganzen Tag Händchen halten, und wenn es einem nicht passt, zieht man weg. Der ganze Kiez-Quark, das ist doch alles nur muffig. Denn wenn einer sagt, unser Kiez soll so und so sein, ist das die Voraussetzung dafür, dass einer totgeschlagen wird, wenn er nicht reinpasst.“
Militante Gewalt in den großen europäischen Städten scheint sich eine Art Einheitskluft zurechtgelegt zu haben. Schaut man Bilder der „schwarzen Blöcke“ an, so kann man nicht erkennen, ob es rechte oder linke Säuberungstrupps sind, ob sie gegen Gentrifizierung oder Überfremdung kämpfen – oder beides zugleich.
Die Staaten des realen Sozialismus waren Nährböden eines recht erbitterten Nationalismus. In allen postsozialistischen Staaten ist diese Saat des nationalen Sozialismus, des „Sozialismus in einem Lande“, wie dies Lenin und seine Genossen nannten, aufgegangen. Im Gebiet der früheren DDR, in der Slowakei, in Ungarn gab oder gibt es chronische Feindseligkeiten gegen alle, die nicht als der eigenen Nation oder der eigenen Klasse, der eigenen Rasse zugehörig empfunden werden. Am stärksten wurden jedoch nationale Gefühligkeiten in der russisch geführten, russisch dominierten UdSSR gepflegt und aufgebaut.
Audiatur et alter pars! Eine vortreffliche Quelle für innertürkische Befindlichkeiten ist turkishpress.de! Hier kann man auch ohne Türkischkenntnisse etwas darüber erfahren, was über uns Deutsche gesagt und gedacht wird.
Eindeutig erkennbar ist, dass von der türkischen Politik eine wachsende türkische Quasi-Staatlichkeit in Deutschland gefördert wird. Der türkische Staat fördert und stützt mehr und mehr die Bindung der Auslandstürken an das ewige Mutterland, da der deutsche Staat nicht genug für die Förderung des Türkentums tut. Der türkische Staat baut sich offenbar gezielt eine Art türkische Enklave in Deutschland auf.
Grundmuster: Die Türken fühlen sich von all den rassistischen, rechtskonservativen Deutschen ausgegrenzt, benachteiligt und beleidigt. Also wenden sie sich in Gedanken an die Schutzmacht Türkei. So wie dies die Türken auf Zypern machten.
Besonders bemerkenswert ist folgende Meinung:
Deutsche Medien sind schlechte Medien | TURKISHPRESS.de | Deutsch – Türkisches Medienportal
ich finde der Bericht gibt die heutigen gegebenheiten sehr gut wieder und ich teile ihre meinung dies bez.! Dieses Türkei/Türken bashing also gezieltes schlechtmachen von minderheiten in medien ect. ist ein von der politik geleitetes vorhaben um trends in der konservativ-rechten bevölkerung zu bestätigen oder auch zu verstärken! Von pressefreiheit in der BRD kann daher schon gar keine rede sein.. Da degradiert man mal bsp.-weise die kurdischen terroristen von der pkk als freiheitsfalken, rebellen blabla und aus erpressern,dealern und mördern aus kurdisch, arabischen famielien-clans werden schnell mal türkische staatsbürger erster klasse um die auflagen stärke der propaganda blätter zu maximieren! Selbst in der türkei hatt sich schon bereits rumgesprochen das man als „pkk anhänger“ mit wenig oder kaum bürokratischen hindernissen bei der einreise zu rechnen hatt und die BRD sogar für den unterhalt aufkommt damit´s diesem dreckspack auch ja gut geht.. Nur die rechnung wird dann anschließend von uns türken getragen! Nach dem Motto; Guter Türke=Kurde, Schlechter Kurde= Türke.. Ich denke mittlerweile das die griechen uns damals mit zypern weit weniger anlass zur invasion gaben als die deutschen! Ein Türkisches Rammstein täte deutschland sehr gut^^
Tja, liebe Freunde, darauf würde ich erwidern: An der Sprache!
Oft wird in unzulässiger Vereinfachung von „den Muslimen“ gesprochen. Unzulässig! Denn die Muslime in Deutschland sind ethnisch bunt gemischt.
Als Faustregel verwende ich: Wer Türkisch spricht, ist Türke, wer Arabisch spricht, ist Araber.
Das ist zwar eine grobe Vereinfachung, denn viele Kurden beispielsweise sprechen Türkisch, sehen sich aber nicht als Türken, sondern als Kurden. Ebenso gibt es in Kreuzberg viele arabischsprachige Kurden, die weder Palästinenser noch Libanesen sind, sondern Kurden, die es überhaupt ablehnen, sich irgendeinem Nationalstaat, sei es die Türkei, sei es Deutschland verpflichtet zu fühlen.
Kompliziert! Aber meine arabischen und türkischen Freundschaften haben mir immer wieder behutsam die Unterschiede in Sprache und Denkart erklärt. Jeder arabische Muttersprachler kann sofort hören, ob dieser oder jener Araber ein Palästinenser, ein türkischer Mallamyie-Kurde, ein Ägypter oder ein Syrer ist. Deswegen herrscht auch weiterhin eine echte, eine strukturelle Diskriminierung gegenüber den – arabischsprachigen – Palästinensern etwa im Libanon. Dort sind sie weiterhin von vielen Berufen ausgeschlossen – obwohl sie „Araber“ sind.
Woran unterscheidet man sie von den anderen Arabern? An der Sprache, an einzelnen Wörtern, an der Aussprache des Arabischen!
Mir fällt immer wieder eine große Unbekanntheit der deutschen Bevölkerung mit den ganz unterschiedlichen Herkünften der muslimischen Zuwanderer auf.
Der große Unterschied zwischen den Türken und den Arabern, auch in Deutschland, besteht meines Erachtens darin, dass die meisten Türken neben dem Sippenbewusstsein ein ausgeprägtes türkisches Nationalstaatsbewusstsein entwickelt und beibehalten haben, während die Araber kaum ein Nationalstaatsbewusstsein, aber dafür ein uraltes, ein sehr starkes Sippenbewusstsein und manchmal auch ein panarabisches, kulturell begründetes Überlegenheitsbewusstsein hegen. Das Sippenbewusstsein ist stärker als das Bewusstsein der Staatlichkeit. Der Staat, das ist für die arabischen Familien grundsätzlich etwas, das man zur Kenntnis nimmt und wovon man ein möglichst großes Stück für die eigene Familie abhaben möchte.
Die Araber fühlen sich aber den jeweiligen Staaten kaum verpflichtet. Eine Zivilgesellschaft in unserem Sinne gibt es in den arabischen Ländern nicht, sehr wohl aber in Iran, also dem alten „Persien“, und in der Türkei, dem Nachfolgestaat der Osmanen. Die zugewanderten Türken fühlen sich mit ihrem Herkunftsland, ihrem Herkunftsstaat viel stärker verbunden als die zugewanderten Araber.
Der türkische Staat nimmt auch weiterhin über seine Behörden und seine Verbände starken direkten Einfluss auf die deutsche Politik.
Wie das Beispiel Zypern lehrt, sieht sich der türkische Staat in der Pflicht, die Interessen der Auslandstürken und somit seine eigenen auch gegenüber anderen Staaten zu vertreten.
Diese Unterschiede sollte man bedenken, ehe man recht kurzschlüssig von „den muslimischen Zuwanderern“ spricht.
„Wie unterscheidet man Türkisch und Arabisch?“ Indem man sich mit Türken und mit Arabern trifft, ihnen zuhört, mit ihnen lacht, redet, ihre Einladungen zum Ramadan annimmt, sie selbst zum Osteressen oder zum Weihnachtsbraten einlädt, mit ihnen das Fasten bricht und mit ihnen den Rosenkranz betet. Indem die Familien sich gegenseitig besuchen, Kinder gegenseitig zum Geburtstag einladen, sich gegenseitig ein paar Brocken Türkisch, ein paar Brocken Deutsch, ein paar Brocken Arabisch lehren.