„Wie unterscheidet man eigentlich Türken von Arabern?“

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Okt 042010
 

Tja, liebe Freunde, darauf würde ich erwidern: An der Sprache!

Oft wird in unzulässiger Vereinfachung von „den Muslimen“ gesprochen. Unzulässig! Denn die Muslime in Deutschland sind ethnisch bunt gemischt.

Als Faustregel verwende ich: Wer Türkisch spricht, ist Türke, wer Arabisch spricht, ist Araber.

Das ist zwar eine grobe Vereinfachung, denn viele Kurden beispielsweise sprechen Türkisch, sehen sich aber nicht als Türken, sondern als Kurden. Ebenso gibt es in Kreuzberg viele arabischsprachige Kurden, die weder Palästinenser noch Libanesen sind, sondern Kurden, die es überhaupt ablehnen, sich irgendeinem Nationalstaat, sei es die Türkei, sei es Deutschland verpflichtet zu fühlen.

Kompliziert!  Aber meine arabischen und türkischen Freundschaften haben mir immer wieder behutsam die Unterschiede in Sprache und Denkart erklärt. Jeder arabische Muttersprachler kann sofort hören, ob dieser oder jener Araber ein Palästinenser, ein türkischer Mallamyie-Kurde, ein Ägypter oder ein Syrer ist. Deswegen herrscht auch weiterhin eine echte, eine strukturelle Diskriminierung gegenüber den – arabischsprachigen – Palästinensern etwa im Libanon. Dort sind sie weiterhin von vielen Berufen ausgeschlossen – obwohl sie „Araber“ sind.

Woran unterscheidet man sie von den anderen Arabern? An der Sprache, an einzelnen Wörtern, an der Aussprache des Arabischen!

Mir fällt immer wieder eine große Unbekanntheit der deutschen Bevölkerung mit den ganz unterschiedlichen Herkünften der muslimischen Zuwanderer auf.

Der große Unterschied zwischen den Türken und den Arabern, auch in Deutschland, besteht meines Erachtens darin, dass die meisten Türken neben dem Sippenbewusstsein ein ausgeprägtes türkisches Nationalstaatsbewusstsein entwickelt und beibehalten haben, während die Araber kaum ein Nationalstaatsbewusstsein, aber dafür ein uraltes, ein sehr starkes Sippenbewusstsein und manchmal auch ein panarabisches, kulturell begründetes Überlegenheitsbewusstsein hegen. Das Sippenbewusstsein ist stärker als das Bewusstsein der Staatlichkeit. Der Staat, das ist für die arabischen Familien grundsätzlich etwas, das man zur Kenntnis nimmt und wovon man ein möglichst großes Stück für die eigene Familie abhaben möchte.

Die Araber fühlen sich aber den jeweiligen Staaten kaum verpflichtet. Eine Zivilgesellschaft in unserem Sinne gibt es in den arabischen Ländern nicht, sehr wohl aber in Iran, also dem alten „Persien“, und in der Türkei, dem Nachfolgestaat der Osmanen. Die zugewanderten Türken fühlen sich mit ihrem Herkunftsland, ihrem Herkunftsstaat viel stärker verbunden als die zugewanderten Araber.

Der türkische Staat nimmt auch weiterhin über seine Behörden und seine Verbände starken direkten Einfluss auf die deutsche Politik.

Wie das Beispiel Zypern lehrt, sieht sich der türkische Staat in der Pflicht, die Interessen der Auslandstürken und somit seine eigenen auch gegenüber anderen Staaten zu vertreten.

Diese Unterschiede sollte man bedenken, ehe man recht kurzschlüssig von „den muslimischen Zuwanderern“ spricht.

„Wie unterscheidet man Türkisch und Arabisch?“ Indem man sich mit Türken und mit Arabern trifft, ihnen zuhört, mit ihnen lacht, redet, ihre Einladungen zum Ramadan annimmt, sie selbst zum Osteressen oder zum Weihnachtsbraten einlädt, mit ihnen das Fasten bricht und mit ihnen den Rosenkranz betet. Indem die Familien sich gegenseitig besuchen, Kinder gegenseitig zum Geburtstag einladen, sich gegenseitig ein paar Brocken Türkisch, ein paar Brocken Deutsch, ein paar Brocken Arabisch lehren.

Indem man zusammen Tee trinkt.

 Posted by at 12:24

Weltuntergang wegen Fortfalls der Sozialhilfe?

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Apr 092010
 

Eine interessante Diskussion entspinnt sich auf dem Blog Jörg Laus! Wir werden uns schmarotzerhaft daran heften!

Bremst der Wohlfahrtsstaat die Integration? « Jörg Lau
“Man stelle sich vor, was geschähe, wenn die Sozialhilfe nach 6-12 Monaten wegfiele.”

Ein Leser J. S. warnt:

Dann müssten viele in den Problemvierteln nach dieser Zeit aus ihren Wohnungen ausziehen. Das bedeutet Leerstand und damit Wertverlust der Immobilien. Das führt u.U. zu einer Krise auf dem Immobilenmarkt. Und was das für Folgen haben kann, haben wir bei der letzten Weltwirtschaftskrise gesehen.

Darauf kommentierte ich:

In die freiwerdenden Wohnungen würden bei uns in Berlin (Kreuzberg, wo ich wohne) die neuen, aufstiegswilligen, gut verdienenden Familien einziehen, denn die Innenstadtlagen sind in Berlin heiß begehrt! Es entstünde endlich die gewünschte ethnische Mischung statt unserer türkisch-arabischen Migrantenquartiere. Aus einem Problemviertel würde ein Zukunftsviertel mit vielen neuen Wohnqualitäten! Die arbeitenden, weniger verdienenden Araber und die arbeitenden, weniger verdienenden Türken könnten dann in die hochwertigen, aber billig zu mietenden Plattenbauten im Osten Deutschlands einziehen, die jetzt entvölkert und leider abgerissen werden. Oder die steinreichen libanesischen Bankiers leihen günstige Start-up-Kredite an ihre ehemaligen Landsleute – warum nicht?

 Posted by at 12:46
Feb 242009
 

Beherzt willkommen geheißen – so wachsen wir in die neue Schule hinein. Heute war Faschingsfest – auch wir Eltern waren eingeladen. Alle steuerten etwas Leckeres bei, die Kinder und Lehrerinnen machten Spiele, ich selbst führte wieder einmal den unverwüstlichen Stier Ferdinand samt meiner Geige auf. Außerdem hatte eine Prinzessin Geburtstag, da brachten wir ein Ständchen dar.

Ich lernte einige türkische Mütter kennen, und in der Parallelklasse gibt es sogar ein Kind, dessen Muttersprache Deutsch ist – bisher das einzige. Ich war heute übrigens der einzige Vater, der gekommen war, und ich bin der einzige mit deutscher Muttersprache unter allen Eltern meiner Klasse. Gut finde ich: Die türkischen und arabischen Mütter sprechen mindestens ein paar Brocken Deutsch. Man kommt ohne weiteres ins Gespräch, auch als Mann, auch dann, wenn sie – wie die Mehrheit der Mütter hier – Kopftuch und schwarze Kleidung tragen.

Aber eines ist auch klar: In solchen Siedlungen gibt es keinen zwingenden Grund, sich zur Realität „Bundesrepublik Deutschland“ hin zu öffnen. Man ist ja bereits bestens integriert – untereinander!

Mein Türkisch – ist weiterhin höchst mangelhaft, drei oder vier Wochen Urlaub haben bei weitem nicht ausgereicht, um mich an unserer Grundschule der Mehrheitsgesellschaft anpassen zu können.

Wo schicken eigentlich die vielen deutschen Eltern meines Viertels ihre Kinder in die Schule? Das ist doch unsere normale Grundschule, das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat unsere Straßenseite genau dieser Schule zugewiesen. Es gibt doch in unserem Viertel so viele Grünen-Wähler! Die Berliner Grünen haben doch jahrzehntelang fröhliches Multikulti gepredigt, lehnen verpflichtende Sprachtests für zuwandernde Ehefrauen ab. Wo seid ihr hin verschwunden?

Oder könnte es sein, dass alle diese guten Menschen Multikulti predigen, aber heimlich deutsche Eliteschule praktizieren …? Von den Bezirkspolitikern ist dies öffentlich bekannt – in allen Parteien.

Egal – WIR SIND DABEI – wir kommen ins Gespräch! Wir LEBEN weiterhin die Realität, von der viele immer nur quatschen und brabbeln. Das ist auch gut so!

So freuet euch an dem Bild von unserem heutigen Karneval!

 Posted by at 20:55