Tja, liebe Freunde, darauf würde ich erwidern: An der Sprache!
Oft wird in unzulässiger Vereinfachung von „den Muslimen“ gesprochen. Unzulässig! Denn die Muslime in Deutschland sind ethnisch bunt gemischt.
Als Faustregel verwende ich: Wer Türkisch spricht, ist Türke, wer Arabisch spricht, ist Araber.
Das ist zwar eine grobe Vereinfachung, denn viele Kurden beispielsweise sprechen Türkisch, sehen sich aber nicht als Türken, sondern als Kurden. Ebenso gibt es in Kreuzberg viele arabischsprachige Kurden, die weder Palästinenser noch Libanesen sind, sondern Kurden, die es überhaupt ablehnen, sich irgendeinem Nationalstaat, sei es die Türkei, sei es Deutschland verpflichtet zu fühlen.
Kompliziert! Aber meine arabischen und türkischen Freundschaften haben mir immer wieder behutsam die Unterschiede in Sprache und Denkart erklärt. Jeder arabische Muttersprachler kann sofort hören, ob dieser oder jener Araber ein Palästinenser, ein türkischer Mallamyie-Kurde, ein Ägypter oder ein Syrer ist. Deswegen herrscht auch weiterhin eine echte, eine strukturelle Diskriminierung gegenüber den – arabischsprachigen – Palästinensern etwa im Libanon. Dort sind sie weiterhin von vielen Berufen ausgeschlossen – obwohl sie „Araber“ sind.
Woran unterscheidet man sie von den anderen Arabern? An der Sprache, an einzelnen Wörtern, an der Aussprache des Arabischen!
Mir fällt immer wieder eine große Unbekanntheit der deutschen Bevölkerung mit den ganz unterschiedlichen Herkünften der muslimischen Zuwanderer auf.
Der große Unterschied zwischen den Türken und den Arabern, auch in Deutschland, besteht meines Erachtens darin, dass die meisten Türken neben dem Sippenbewusstsein ein ausgeprägtes türkisches Nationalstaatsbewusstsein entwickelt und beibehalten haben, während die Araber kaum ein Nationalstaatsbewusstsein, aber dafür ein uraltes, ein sehr starkes Sippenbewusstsein und manchmal auch ein panarabisches, kulturell begründetes Überlegenheitsbewusstsein hegen. Das Sippenbewusstsein ist stärker als das Bewusstsein der Staatlichkeit. Der Staat, das ist für die arabischen Familien grundsätzlich etwas, das man zur Kenntnis nimmt und wovon man ein möglichst großes Stück für die eigene Familie abhaben möchte.
Die Araber fühlen sich aber den jeweiligen Staaten kaum verpflichtet. Eine Zivilgesellschaft in unserem Sinne gibt es in den arabischen Ländern nicht, sehr wohl aber in Iran, also dem alten „Persien“, und in der Türkei, dem Nachfolgestaat der Osmanen. Die zugewanderten Türken fühlen sich mit ihrem Herkunftsland, ihrem Herkunftsstaat viel stärker verbunden als die zugewanderten Araber.
Der türkische Staat nimmt auch weiterhin über seine Behörden und seine Verbände starken direkten Einfluss auf die deutsche Politik.
Wie das Beispiel Zypern lehrt, sieht sich der türkische Staat in der Pflicht, die Interessen der Auslandstürken und somit seine eigenen auch gegenüber anderen Staaten zu vertreten.
Diese Unterschiede sollte man bedenken, ehe man recht kurzschlüssig von „den muslimischen Zuwanderern“ spricht.
„Wie unterscheidet man Türkisch und Arabisch?“ Indem man sich mit Türken und mit Arabern trifft, ihnen zuhört, mit ihnen lacht, redet, ihre Einladungen zum Ramadan annimmt, sie selbst zum Osteressen oder zum Weihnachtsbraten einlädt, mit ihnen das Fasten bricht und mit ihnen den Rosenkranz betet. Indem die Familien sich gegenseitig besuchen, Kinder gegenseitig zum Geburtstag einladen, sich gegenseitig ein paar Brocken Türkisch, ein paar Brocken Deutsch, ein paar Brocken Arabisch lehren.
Indem man zusammen Tee trinkt.
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