Ať žije Česká republika!

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Okt 292021
 
„Es lebe das Königreich Böhmen“. Kundgebung tschechischer Monarchisten auf dem Wenzelsplatz am 28. Oktober 2021

Neugierig wanderte ich gestern, am tschechischen „Tag der Republik“, einem landesweit begangenen Feiertag, auf dem Wenzelsplatz umher. Ich wollte Fühlung aufnehmen mit der festlichen Stimmung auf Straßen und Plätzen, mitten im Volk mich treiben lassen. Doch was geschieht da …? Erst traute ich meinen Augen nicht… War dies ein weiterer Beweis für den tschechischen Humor? Ist es eine Komödie, ist es eine Tragödie, eine Farce? Ist es eine Kunstaktion des heißgeliebten Nestbeschmutzers David Černý? – Vor dem Wenzelsdenkmal werde ich Zeuge einer Versammlung tschechischer und österreichischer Monarchisten, die die Wiedereinführung des Königtums in den Ländern fordern, die einst zur österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie gehörten. Ich las: „Dost bylo Republik!“ („Republiken gab es schon genug!“) Kaum zu glauben – ist das die Stimmung im Lande? Ist es buffonesk? Ist es gespenstisch?

Gespräche mit einigen Tschechen bringen mich weiter: Der gewählte Staatspräsident Zeman liegt schwerkrank auf der Intensivstation und ist nicht imstande, die Amtsgeschäfte fortzuführen. Erste Bemühungen, ihn für amtsunfähig zu erklären, sind auf den Weg gebracht. Zu feiern besteht also in diesem Jahr kein Anlass. Schwere Vorwürfe gegen den Präsidenten und gegen den noch amtierenden Premierminister Babiš stehen unübersehbar im Raum. Die letzten Wahlen haben die Mehrheitsverhältnissse im Parlament grundlegend verändert. Doch noch steht es in den Sternen, ob und wann der Wahlsieger Petr Fiala die Regierung übernehmen kann. Bis 8. November muss eine Entscheidung getroffen werden.

Auffällig war für mich, dass der Demonstration der Monarchisten keinerlei Ablehnung, keinerlei Protest entgegenschlug, sondern eher vorsichtige Zustimmung bei den Umstehenden. Auch österreichische Vertreter – hier in Gestalt von Nicole Fara – durften sich äußern – wenn auch nur in englischer Sprache.

Die Kundgebung auf dem Wenzelsplatz, direkt zu Füßen des verehrten Gründerkönigs der böhmischen Monarchie abgehalten, bin ich geneigt als Ausdruck verbreiteten Unbehagens an der Politik zu deuten; die Tschechen wünschen sich offenbar etwas anderes als sie bisher erlebt haben.

Zugleich auch drückt sich darin wohl der Wunsch aus, eine überparteiliche, unbestechliche Instanz jenseits des Zanks und Haders der Parteien zu finden, wie man sie in verklärender Rückschau wohl in den böhmischen Königen zu erblicken meint.

Welchen Schluss ziehe ich daraus, fragt ihr? Den folgenden:
Ich wünsche den Tschechen einen guten Weg aus dieser verworrenen Lage – selbstverständlich im Rahmen der Republik.

Ať žije Česká republika! Es lebe die tschechische Republik!

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„Der Ausnahmezustand wird zum Normalzustand“: Die Sehnsucht des Falk Richter

 Ausnahmezustand, Autoritarismus, Freiheit, Hass und Hetze, Parlament, Süddeutsche Zeitung  Kommentare deaktiviert für „Der Ausnahmezustand wird zum Normalzustand“: Die Sehnsucht des Falk Richter
Mrz 222016
 

Flächendeckende Personenkontrollen in Frankreich! Schwerbewaffnete Polizisten vor öffentlichen Gebäuden!  Der deutsche Regisseur  Falk Richter kann sein Theater in Straßburg nicht betreten, ohne dass er durchsucht würde. Das Parlament in Frankreich hat ja den dreimonatigen Ausnahmezustand anstandslos bis Ende Mai 2016 verlängert.

Der große Freiheitsexperte Falk Richter, der tolle deutsche Künstler findet es richtig gut, ständig kontrolliert zu werden, wie er heute auf S. 11 der Süddeutschen Zeitung bekennt. Kuckstu ma hier! So schnell kann also man in den Glauben an den STARKEN STAAT abrutschen! So schnell gibt man fundamentale Bürgerrechte gegenüber der Polizei preis. Denn der Ausnahmezustand ist in Frankreich beileibe kein Pappenstiel. Versammlungsverbote, Ausgehverbote, Hausdurchsuchungen zu jeder Tages- und Nachtzeit, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und und und… die Liste der Freiheitseinschränkungen ist lang. Sie gehen weit über die deutsche Notstandsgesetzgebung hinaus, gegen die damals die glorreichen 68er auf die Straße gingen.  Das ist der große Rollback zurück.

Nächstes Beispiel für die neue deutsche  Autoritätshörigkeit: Jeden Monat nimmt der EZB-Direktor 80 Milliarden Euro in die Hand, um damit Anleihen vom Markt wegzukaufen. Der EZB-Direktor – sein Name sei gepriesen, sein Wille geschehe – macht also direkt Finanz-, Wirtschafts- und Haushaltspolitik. Er ist – so kann man durchaus glaubhaft begründen – der mächtigste Politiker Europas. Er dirigiert zentral vom Frankfurter EZB-Tower das Schicksal der Währungsunion. Und? Kein Hahn kräht danach. Unter der Chiffre „Super-QE“ wird durch das laufende EZB-Anleihenprogramm ohne jede Aufsicht jedes Jahr etwa drei Mal so viel Geld hin- und hergeschoben wie der Staat Belgien im selben Zeitraum einnimmt oder ausgibt. Kein Parlament, kein Pegida-Experte kuckt ihm auf die Finger. Dabei sind 80 Mrd. Euro pro Monat kein Pappenstiel. Oder?

Drittes Beispiel: Die EU hat zusammen mit der Türkei beschlossen, zusammen zigtausende Menschen hin- und herzuverfrachten. Rein in die Türkei, raus aus der Türkei. Werden die Menschen dazu befragt? Was, wenn sie dies nicht wollen, dieses Hin- und Herverfrachtetwerden? Was, wenn sie nicht folgen? Dürfen die Staaten dann Gewalt gegen die Menschen in Griechenland und der Türkei anwenden?

Jeder, der die aktuelle EU-Politik, insbesondere die Asylpolitik der EU kritisiert, der die aktuelle Geld- und Bankenrettungspolitik kritisiert, der gegen die dauerhafte Einschränkung der Parlamentsbefugnisse durch den Etat d’urgence protestiert, wird allzu leicht mit den „Europafeinden“, den „Europahassern“ in einen Topf geworfen.  Motto: Ist doch eh alles brauner Quatsch mit Soße! Ist die Welt des Falk Richter doch so einfach, sobald man einmal die „Hasser“ und „Hetzer“ erkannt hat. Das sind nämlich immer die anderen!

Falk Richter will den starken Staat. Er erklärt in der Berliner Schaubühne und auch heute im SZ-Interview manche, namentlich benannte Menschen explizit zu Feinden der bestehenden Gesellschaft.

Der Absturz des Falk Richter in die Autoritätshörigkeit, die Sehnsucht des Falk Richter nach dem starken Staat, seine kritiklose Zustimmung zur Verhängung der Notstandsgesetze in Frankreich sind ein Beweis dafür, wie schnell doch die Menschen bereit sind, fundamentale Freiheitsrechte der Gesellschaft zugunsten des starken Staates einschränken zu lassen. Was für eine tolldreiste Schaubühne!

Lesenswert! So schnell kann also ein einzelner Mensch abrutschen.

Beleg: „Wie schnell eine Gesellschaft abrutschen kann“. Schützen, was Europa ausmacht. In: Süddeutsche Zeitung, 22. März 2016, S. 11

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Steuern wir auf eine „parlamentarisch tolerierte Präsidialregierung“ zu?

 Entparlamentarisierung, Europäische Union, Europawahl 2024, Grundgesetz, Parlament, Verfassungsrecht  Kommentare deaktiviert für Steuern wir auf eine „parlamentarisch tolerierte Präsidialregierung“ zu?
Okt 272015
 

Es gelten in Europa keine Gesetze mehr„, so klagte gestern im Fernsehen bei „Hart aber fair“ der amtierende Präsident des Bayerischen Landkreistages. Ferner: „Wir sind hier in einem völlig rechtlosen Zustand„, beschwerte sich vor wenigen Tagen in Günter Jauchs Sendung aus dem Schöneberger Gasometer ein praktizierender Rechtsanwalt und ehemaliger Bundestagsabgeordneter. Ein Richter an einem Bundesgericht, mit dem ich am Rande einer privaten Feier in kleinem Kreis zu plaudern Gelegenheit hatte, vertraute mir wiederum vor geraumer Zeit bereits einmal an, dass die Bundesgerichte sich seit langem schon in einem Limbus der Rechtsungewissheit bewegten; das durch die EU gesetzte Recht sei über weite Strecken methodisch, sprachlich und vor allem begrifflich nicht kompatibel mit dem Recht der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch seien die Obersten Bundesgerichte gehalten, die Rechtsakte der EU bei der Urteilsfindung „ständig zu berücksichtigen“. Im Grunde bewegten sich die Richter der Obersten Gerichtsbarkeit des Bundes (Art. 95 GG) im Kleinen wie im Großen ständig auf einem schmalen Grat der „Rechtsunsicherheit nach beiden Seiten hin“; man wisse als amtierender Bundesrichter schlechterdings nicht, welche der Rechtsordnungen – die der EU oder die der Bundesrepublik – Vorrang habe, so ungeheuerlich das auch erscheinen möge. Ein juristisches Niemandsland, auf das man als Bundesrichter/als Bundesrichterin in keiner Weise vorbereitet sei!

Drei zufällig eingefangene Stimmen von ganz unten und von ganz oben in der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Dazu kommt noch als I-Tüpfelchen: Durch Weisung der Exekutive – also durch eine Art „Notverordnung“ – wurden in diesen Wochen die geltenden Gesetze über die Kontrolle der Staatsgrenzen Deutschlands außer Kraft gesetzt. Jeder einzelne Bundespolizist steht also in einer Art Konfliktzustand. Was soll er durchsetzen: das Gesetz oder den Willen der Bundesregierung?

Herrscht also derzeit tatsächlich „Anomie“, „Chaos“, „Rechtlosigkeit“ in der Bundesrepublik Deutschland? So weit würde ich nicht gehen.

Für den in den drei Stimmen beschriebenen Zustand schlage ich stattdessen den Begriff der „methodischen Rechtsungewissheit“ vor; in der Politikwissenschaft hat sich für eine derartige schleichende Aushöhlung der geltenden Verfassung, wie sie beispielhaft ab 1930 in der Weimarer Republik zu beobachten war, der Ausdruck „Präsidialkabinett“ eingebürgert; angesichts eines andauernden krisenhaften Zustandes wurde damals allmählich, sicherlich jedoch ab dem Kabinett Brüning I (30.03.1930), die Legislative, also der Reichstag, zunehmend entmachtet, die Exekutive regierte gestützt auf die überragende Stellung des direkt gewählten Reichspräsidenten; das Recht der Ernennung des Reichskanzlers, das Recht der Notverordnungen und die ständige Drohung mit dem Recht der Reichstagsauflösung – die alle dem Reichspräsidenten zustanden – ließen den Reichstag schleichend zu einem Akklamations- und Abnickorgan herabsinken.

Wollen wir so etwas noch einmal erleben? Nein! Ich meine deshalb, in der jetzigen Lage sollten folgende, bisher in dieser Klarheit meines Wissens nirgendwo geforderten Grundsätze gelten:

1) Bundesrecht bricht Europarecht. Das EU-Recht ist im wesentlichen nur zwischenstaatliches Vertragsrecht. Das Recht der Bundesrepublik Deutschland ist stärker; es ist hoheitlich gesetztes, durch das Grundgesetz und den repräsentativ über Organe geäußerten Volkswillen gestütztes Recht. Das Grundgesetz und die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland genießen somit methodisch Vorrang vor allfällig entgegengesetzten Bestimmungen des EU-Rechts. Im Zweifelsfall bricht deutsches Recht Europarecht, so wie im Zweifelsfall Bundesrecht Landesrecht bricht (GG Art. 31).

2) Die Gesetzgebung und die Rechtssprechung gehen im Zweifelsfall der vollziehenden Gewalt vor, ebenso wie auch die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes den Gesetzen vorgehen (Art. 25 GG).

3) Die Exekutive, also die jeweilige Regierung, führt im wesentlichen nur aus, was die Legislative, also das jeweilige Parlament vorschreibt. Die Exekutive hat nicht das Recht, vom geltenden Recht abzuweichen oder Gesetze ohne rechtssicheren Grund außer Kraft zu setzen.

4) Zur Bewältigung der gegenwärtig drohenden Staats- und Verfassungskrise sind vorrangig die allgemeinen Regeln des Völkerrechts und die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu wahren. Nachrangig sind auch die vertraglichen Verpflichtungen einzuhalten, die sich für die Bundesrepublik Deutschland aus ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Union ergeben.

Bibliographischer Hinweis:
„Das System der Präsidialkabinette“, in: Der große Ploetz. Die Enzyklopädie der Weltgeschichte, 35. Aufl., Freiburg 2008, S. 965

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„Was will das Volk?“ Pelasgos‘ Einsicht in das Wesen der Demokratie

 Antike, Flüchtlinge, Griechisches, Migration, Parlament, Samariter, Staatlichkeit  Kommentare deaktiviert für „Was will das Volk?“ Pelasgos‘ Einsicht in das Wesen der Demokratie
Okt 222015
 

ὑμῖν δ᾽ ἂν εἴη δῆμος εὐμενέστερος
τοῖς ἥσσοσιν γὰρ πᾶς τις εὐνοίας φέρει.

„Euch mög das Volk nun zugeneigter sein
Den Schwächren will doch jeder wohl.“
(Hiketides, Vers 488-489, eigene Übersetzung des Vf.)

Ein bis heute ergreifendes Zeugnis echter Humanität und echter Barmherzigkeit bietet der mythische König von Argos, Pelasgos, in Aischylos‘ Tragödie „Flehende“ (Hiketides). „König“ Pelasgos? Nun, Herrscher war Pelasgos zweifellos. Herrscher? Nicht wirklich! Ehe er die schutzlosen 50 jungen Frauen vor den bewaffnet heranstürmenden jungen Männern rettet und ihnen Asyl gewährt, befragt er das Volk (δῆμος). Er ruft eine Volksversammlung ein und lässt per offenem Handzeichen darüber abstimmen, ob die 50 Töchter des Danaos unter den Schutz der heimischen Götter gestellt werden sollen. Und er gewinnt den Volksentscheid triumphal!

Kurz und gut: Pelasgos entscheidet nicht im Alleingang. Er lässt sich nicht erweichen und erpressen, etwa durch den bühnenwirksam angedrohten Suizid der 50 Jungfrauen, obwohl tatsächlich Gefahr im Verzuge ist. Stattdessen fragt er: Was will das Volk?

Ja was ist denn das für ein König, der sein Volk befragt, ehe er die Landesgrenzen öffnet? Ist das dargestellte Geschehen glaubwürdig? Antwort: Aischylos blendet die politische Realität seiner Zeit mit in den mythischen Stoff ein. Ihm ging es nicht darum, nur eine spannende Sage dramatisch auf die Bühne zu bringen, nein, er inszenierte ganz bewusst eine politisch-moralische Streitfrage der Gegenwart in mythischer Einhüllung.

Und die Gegenwart, das war nun einmal die damals (ca. 470-460 v. Chr.) noch junge, noch ungefestigte Demokratie. Athen war zweifellos seit den Reformen des Kleisthenes (509 v. Chr.) im echten Sinne, auch in unserem Sinne eine Demokratie, wahrscheinlich die erste in Europa überhaupt; Entscheidungen über Krieg und Frieden, über Aufnahme oder Abweisung fremder Volksgruppen, über Steuerfragen durften seitdem nicht mehr durch einen obersten Herrscher alleine getroffen werden. Träger der Souveränität, ja der Souverän selbst, war nunmehr das Volk (Demos), das durch Wahl und durch Los Körperschaften zu seiner Vertretung schuf (den „Rat der 500“, die 9 „Archonten“, das „Volksgericht“), aber zugleich noch durch Volksabstimmungen starke Züge der „direkten“, nicht-repräsentativen Demokratie beibehielt.

Die Athener Bürger hatten also bei allen wesentlichen Entscheidungen Mitspracherechte. Gegen und ohne das Volk lief nichts. Es gab keinen Platz für einsame Entscheidungen eines Königs oder einer Großherrscherin mehr.

Was lernen wir für die Bundesrepublik Deutschland daraus? Nun, wir sind auch eine Demokratie. Wir haben heute kaum mehr die direkte, sehr wohl aber die repräsentative Demokratie. Und das bedeutet, das Volk, der Souverän, wird durch gewählte Abgeordnete in Parlamenten vertreten. Träger der staatlichen Souveränität und der Daseinsvorsorge sind zunächst einmal bei uns im Alltag die 16 Bundesländer. Sie sind gefragt, wenn es um die Unterbringung der aus allen Richtungen regellos Zuwandernden geht. Der Bund hat keine Berechtigung, den Bundesländern Aufgaben der Daseinsvorsorge ohne deren Zustimmung zuzuweisen, insbesondere ohne ihnen die nötigen Sach- und Finanzmittel zur Verfügung zu stellen (vgl. Artt. 28 und 30 GG).

Die 16 Landesparlamente und der Bundesrat sollten also – so meine Meinung – auch jetzt Herren des Verfahrens werden. Die 16 Landesparlamente müssen bei so weitreichenden Entscheidungen wie der nunmehr faktisch verkündeten völligen Öffnung der deutschen Grenzen für ausnahmslos alle Zuwandernden vorher gefragt und vorher einbezogen werden. Auch der Bundestag sollte vor allen vorschnellen Entscheidungen intensiv gefragt und einbezogen werden. Die 16 Länderkammern, der Bundesrat und auch der Bundestag müssen nun entscheiden, wohin die Reise geht. Sie – die 16 Länderparlamente, der Bundesrat, der Bundestag müssen das Heft des Entscheidens in die Hand nehmen. Von ihrem Willen hängen die Regierungen der 16 Bundesländer ab. Ein bundesweiter Volksentscheid ist dann unnötig, zumal er sowieso rechtlich nicht zulässig ist.

Denn staatliches Handeln muss auch in Krisenzeiten weiterhin an Recht und Gesetz gebunden bleiben.

Durch intensive gemeinsame Entscheidungsfindung, durch offenes Ringen und Austauschen der Argumente in Rede und Gegenrede wird die repräsentative Demokratie der Bundesrepublik Deutschland ihre Stärke und ihre Humanität beweisen!

Es ist möglich, so glaube ich, eine Lösung der Zuwanderungsfragen und der Flüchtlingskrise zu finden, wenn zu dem humanitären Impuls der sittlich gebotenen Nothilfe für Schwache, Kranke, für schutzlose Frauen, Kinder, Arme und Notleidende eine rechtlich gebotene Besinnung auf das Wesen und die Eigenart der parlamentarischen Demokratie hinzutritt.

Und Wesen der Demokratie ist es nun einmal, dass das Volk Träger der Souveränität ist.

Ich meine: Schwache, Arme, Kranke, Kinder, Witwen und Waisen, schutzlose verfolgte Frauen, Hilflose, die sich bei uns innerhalb unserer Grenzen aufhalten, verdienen unser Mitgefühl. Ob wir die Hunderttausenden voll arbeitsfähiger, voll mobiler junger Männer aus aller Herren Länder weiterhin wie bisher unterschiedslos bei uns aufnehmen wollen, darüber sollten wir uns in Rede und Gegenrede unterhalten.

Letztlich sollte diese Fragen das Volk (der Demos) über die gewählten Parlamente entscheiden.

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„Selbstgleichschaltung“ bis zum „Kadavergehorsam“ in Deutschlands Parlamenten?

 Entkernung, Entparlamentarisierung, Europäische Union, Parlament, Populismus, Süddeutsche Zeitung, Trasformismo europeo  Kommentare deaktiviert für „Selbstgleichschaltung“ bis zum „Kadavergehorsam“ in Deutschlands Parlamenten?
Okt 202015
 

Vor der Gefahr einer neuen „Selbstgleichschaltung bis zum Kadavergehorsam“ spricht Peter Steinbach in seinem neuen Buch „Nach Auschwitz“. Die Kolonialgreuel im Kongo, die Greueltaten der russischen Oktoberrevolution, der Holodomor in der Ukraine, die Shoah in den Ländern Osteuropas (fälschlich mit „Auschwitz“ gleichgesetzt), die Massaker in Ruanda … die Liste der einzigartigen, erschütternden Menschheitsverbrechen des 20. Jahrhunderts ist lang! Stets funktionierten solche Massenverbrechen im Zusammenwirken vieler Befehlsempfänger und vieler williger Vollstrecker.

Kadavergehorsam auch heute? Ich denke, an der Warnung Steinbachs ist vielleicht schon etwas dran, aber von Selbstgleichschaltung oder Kadavergehorsam der Parlamente kann man heute in der Bundesrepublik nicht sprechen. Unsere Demokratie lebt, die Freiheitlich-Demokratische Grund-Ordnung gilt es zu schützen und zu hegen!

Ich sehe eher die Gefahr einer Selbst-Entmachtung der parlamentarischen Demokratie. Was sich derzeit abspielt, „geht an die Substanz der parlamentarischen Demokratie“ (Stefan Marschall).

Die Parlamente der Bundesländer und der Bundestag sind eigentlich die Herzkammern der Demokratie – oder sollten es sein. Aber heute werden sie immer mehr in den Schatten gestellt von der Bundesregierung, die eigentlich fast schon eine Zentralregierung geworden ist, und vor allem in den Schatten gestellt von der EU. Insbesondere die Fraktionen der CDU und SPD begreifen sich offenkundig immer mehr als Wasserträger und gehorsame Stützen ihrer Regierungen und Abnickorgane der EU-Behörden. „Vorgaben der EU wollen wir eins zu eins umsetzen“, heißt es im geltenden CDU-SPD-Koalitionsvertrag für den Bundestag. Was brauchen wir noch mehr? Das ist der brave Gehorsam von Schuljungen! Man vergleiche nur etwa einmal anhand der amtlichen Datenhandbücher des Bundestages die Zahl der Vorlagen und der Gesetzentwürfe, die die Bundesregierung einbringt, mit der viel geringeren Zahl an Vorlagen, die aus dem Bundestag selbst kommen!

Nein, Herr Steinbach, es droht nicht der Kadavergehorsam, sehr wohl aber die Gefahr der schleichenden Aushöhlung der Macht der Bundesländer und der Macht der Parlamente! In der 17. Wahlperiode betrug die Zahl der EU-Vorlagen im Bundestag atemberaubende 4258 – gegenüber noch 946 in der 6. Wahlperiode (1969-1972)! Und sehr oft begreifen die Bundestagsabgeordneten nicht, was sie da abnicken und durchwinken. Die Gesetze und Vorlagen sind ganz bewusst derart kompliziert, dass sehr oft nur eine winzige Handvoll Fachpolitiker deren Sinn und Zweck einschätzen kann.

Und das berühmt-berüchtigte Volk? Tja, das Volk – oder sagen wir besser die Bevölkerung – kriegt das natürlich irgendwie mit. Und es, das Volk, wird sauer.

Ich würde von einem schleichenden Übergang, einem Trasformismo (wie im Italien des späten 19. und 20. Jahrhunderts) sprechen, mit dem die parlamentarische Demokratie allmählich in eine zentral gesteuerte Apparatur der Machtausübung in den Händen der Exekutive umgewandelt wird. Der Wandel geschieht unmerklich, ist aber konkret an neuralgischen Themenfeldern wie etwa Flüchtlingspolitik und Finanzpolitik (Euro-Politik) nachweisbar. Diese Gefahr lässt sich meines Erachtens nicht leugnen.

Es ist noch nicht zu spät, um dieser Gefahr zu steuern.

Beleg:
Ulrike Nimz: Gedanken über Gedanken. Süddeutsche Zeitung, 20.10.2015, S. 15 [= Rezension von:
Peter Steinbach: Nach Auschwitz. Die Konfrontation der Deutschen mit der Judenvernichtung. Dietz Verlag 2015]

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Okt 122015
 

Im Gränzenlosen sich zu finden,
Wird gern der Einzelstaat verschwinden,
Sich aufzugeben, ist Genuß!

So mag es einem wohl spielerisch in den Sinn kommen, nachdem man mit Hochgenuß die späten politisch-moralischen Gedichte Goethes durchgelesen hat.

Von „entgrenzter Demokratie“ schreibt sehr packend, sehr überzeugend der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Stefan Marschall. Er erkennt, dass Phämomene wie „Europäisierung“ (gemeint ist jedoch nur der absolute Vorrang der EU-Rechtsakte vor den Rechtsakten der EU-Mitgliedsstaaten) und „Globalisierung“ den herkömmlichen westlichen Staatstypus zunehmend ins Abseits manövrierten und potenziell handlungsunfähig machten; in der Tat, so meine ich, Altertümlichkeiten wie etwa die Gewaltenteilung zwischen gesetzgebender, ausführender und rechtssprechender Gewalt werden in modernen Zeiten zunehmend außer Kraft gesetzt; gefragt ist in unseren Zeiten der wachsenden Anomie, der Widersprüchlichkeit unvereinbarer Rechtsordnungen wie etwa derjenigen der EU einerseits und der Nationalstaaten andererseits heute rasches, kühnes Zupacken, Raffen und Schaffen, auch wenn dieses „Schaffen“ oft nur ein „Abschaffen“ oder auch ein „Sich-Aufgeben“ ist, in diesem Fall also ein Abschaffen des herkömmlichen Souveränitätsgedankens der Territorialstaaten.

Wir zitieren Stefan Marschall (Hervorhebungen durch dieses Blog):

„In der Gesamtschau spricht vieles dafür, dass die Globalisierung der Gesellschaften und staatlicher Politik einen Beitrag zur Entparlamentarisierung, zur Schwächung des Bundestages im politischen System Deutschlands leistet und damit an die Substanz der parlamentarischen Demokratie geht.“

In scharfen Tönen, die nicht frei von Polemik sind, spricht der hochangesehene ehemalige Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust am 9.10.2015 von der „Kanzlerin ohne Grenzen“; der europäische Politiker Guy Verhofstadt wiederum geißelte kürzlich im EU-Parlament die derzeitige europäische Anomie als reinstes Chaos, in dem es nicht eine, sondern „mindestens zehn Unionen“ gebe.

Nun, ich meine: Die zutreffend erkannte „Entgrenzung“ oder auch Regellosigkeit der hohen Politik macht uns einfachen Bürgern zunächst einmal Angst. Wir einfachen Bürger wissen derzeit oft nicht mehr, woran wir sind – was gilt, beispielsweise in der Euro-Staatschuldenkrise, in der wirtschaftlichen Dauerkrise der Eurozone und der Massenmigration in die verschiedenen europäischen Sozialsysteme? Was hat Vorrang? EU-Recht? Deutsches Recht? Das Recht des Stärkeren? EZB-Recht? Eine Art permanentes Notfallrecht? Oder brauchen wir gar in Europa endlich wieder einmal eine starke Frau, die vernünftigen Sinnes alles lenkt und leitet, „legibus absoluta“, also oberhalb der Gesetze stehend, wie etwa Kaiserin Maria Theresia oder Zarin Katharina II.? Oder ist alles letztlich sowieso eins, im Sinne eines Goethe’schen „Eins und Alles“? Fragen über Fragen!

Hier meine ich: Wenn man manche Zuspitzung und im Eifer des Gefechts unterlaufende Übertreibung abzieht, sollte und müsste man die Bemerkungen und Einwürfe eines Johann Wolfgang Goethe, eines Stefan Marschall, eines Stefan Aust und eines Guy Verhofstadt durchaus ernst nehmen. Sind letztlich doch alles besonnene, welterfahrene Menschen!

Belege:

Stefan Marschall: „Die entgrenzte Demokratie – Europäisierung und Globalisierung“, in: Stefan Marschall: Das politische System Deutschlands. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2015, S. 234-259, hier bsd. S. 247, S. 255, S. 257

Rede Guy Verhofstadts im EU-Parlament vom 07.10.2015
https://www.youtube.com/watch?v=D_VbHfgPVlg (hier besonders 4:47)

Stefan Austs Artikel vom 09.10.2015:
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article147423831/Angela-Merkel-Kanzlerin-ohne-Grenzen.html

Goethes Gedicht „Eins und Alles“ (mit einigen schweren Schreibfehlern!):
http://gutenberg.spiegel.de/buch/johann-wolfgang-goethe-gedichte-3670/243

Bild:
Lascia dir la gente
e va per la tua strada (Dante). Bild vom Havelland-Radweg, unterwegs zu dem Ribbeck von Ribbeck auf Havelland.
20151004_090713

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EU-Recht bricht nationales Recht, oder: von der Selbstentmächtigung der Parlamente

 Europäische Union, Parlament, Verfassungsrecht  Kommentare deaktiviert für EU-Recht bricht nationales Recht, oder: von der Selbstentmächtigung der Parlamente
Sep 232015
 

Rechtssicherheit ist eine der Grundlagen staatlichen Zusammenlebens. Auch oberhalb der staatlichen Ebene, etwa in der EU, wird Rechtssicherheit verlangt. Oft herrscht dagegen im Gegeneinander von EU und Nationalstaaten Anomie, also ein Zustand der Rechtsunsicherheit bzw. der Rechtsabwesenheit.  Bei der Migrations-, Einwanderungs-, Flüchtlings-, Abschiebungs- und Asylpolitik tritt dies derzeit überdeutlich zutage. Man weiß als Bürger sehr oft nicht, was als Recht gilt: Dublin III oder nationales Recht? Es ist a bisserl so wie mit der überflüssigerweise krummgeprügelten (oder überflüssiger Weise krumm geprügelten?) mehrfach reformierten deutschen Rechtschreibung.  Keiner weiß mehr bescheid (Bescheid?).

Und hier gilt es nun laut und vernehmlich zu sagen: EU-Recht bricht nationales Recht! Die EU-Staaten haben nicht das Recht, EU-Recht zu ignorieren. Den Verordnungen und Richtlinien der EU ist Folge zu leisten. Insbesondere ist die EU-Kommission als oberste gesetzgebende, gesetzgebungsausführende und gesetzgebungsausführungsüberwachende Behörde anzuerkennen. Es gibt kein Abwehrrecht der Staaten und noch weniger ein Abwehrrecht der verfassungsrechtlich das Volk vertretenden Parlamente gegen die EU, wie es der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Roman Herzog einmal zu Recht (zu recht?) hervorgehoben hat.

Vorgaben der EU wollen wir 1 zu 1 umsetzen!” So steht es im derzeit geltenden, feierlich unterzeichneten Koalitionsvertrag der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD (S. 15)!  Und der einfache Bürger fragt: Und nun? Warum geschieht dies nicht? Warum lässt der Bundestag seiner hoch und heilig erklärten Selbstentmächtigung und Selbstunterwerfung unter die Vorgaben der EU nicht die entsprechenden Taten folgen? Das grenzt an Anomie!

Aus diesem Grund leitet – wie wir soeben erfahren – die EU-Kommission völlig  zu Recht 40 Vertragsverletzungsverfahren wegen der Asylpolitik gegen 19 EU-Staaten ein, darunter Deutschland, Frankreich, Ungarn und Italien. Die 19 Länder sind ihrer vertraglichen Pflicht zur Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht nicht nachgekommen.

Endlich! Was Recht ist, muß recht bleiben. Wo Rechtsunsicherheit oder Rechtsabwesenheit herrscht, muß Rechtssicherheit einkehren.

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Was blüht uns nach dem Griechenlandpaket III ?

 Donna moderna, Parlament  Kommentare deaktiviert für Was blüht uns nach dem Griechenlandpaket III ?
Aug 182015
 

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Mit größter Eilbedürftigkeit wird der Bundestag morgen aus dem Urlaub zusammengerufen; Rettungspaket Nr. III für Griechenland soll durchgewunken werden. Was verschlägt’s dabei, dass Johannes Singhammer, der Bundestagsvizepräsident, verlangt, dass stets alle EU-Dokumente vor der Abstimmung im Bundestag ins Deutsche übersetzt werden sollen! Johannes Singhammer will offenbar, dass alle Abgeordneten  verstehen, wofür oder wogegen sie stimmen. Ist das ein so unrealistisches Wunschdenken?

Must they understand what they are asked for? Must they realize what they take a vote on? Das ist die Frage! Tja… Ich meine, höchstes Misstrauen ist sicherlich immer dann angebracht, wenn immer wieder besondere „Eilbedürftigkeit“ und besondere „Dringlichkeit“ verkündet wird, wenn keine Zeit für das Verstehen der komplexen, selbst für Muttersprachler kaum verständlichen Dokumente eingeräumt wird, wenn querstehende Kühe im Stall mit der Pike zurechtgerückt werden, um eben mal wieder die Heilige Europäische Währungsunion zu retten.

Erstaunlich querstehend, wenngleich derzeit außerhalb des Stalls weidend: Christian Lindner, der dynamisch-flexible Bundesvorsitzende der FDP: „Ehrlich wäre ein Schuldenschnitt außerhalb des Euro„, sagt er im Tagesspiegel, 16. August 2015, S. 3.

Was blüht uns sonst noch, nach dem Griechenlandrettungspaket Nummer III? Ich meine: Dieses Paket ist als eine Art Generalprobe für weitere Rettungspaketsondereinsätze  anzusehen. Nach und nach spielt sich so eine Rettungsroutine ein, Griechenland mit seinen unerheblichen 2% Anteil am BIP der Eurozone ist eine Art Testlauf für kommende Schwergewichte. Welche anderen Länder stehen auf der Liste?

Was blüht uns sonst noch? Die Prinzessin Leonore von Este, Schwester des Herzogs Alfonso II. von Ferrara, sagt bei Goethe zu Torquato Tasso sinngemäß ungefähr folgendes:

Willst du genau erfahren, was uns blüht,
So frage nur bei klugen Frauen an.
Denn ihnen ist am Meisten dran gelegen,
Daß alles, was uns blüht, bedacht sei.

Richten wir die Frage also an die kluge, moderne europäische Frau von heute, die donna moderna europea, wie der Italiener sagt!

„Dopo la Grecia altri paesi rischiano di fallire?“, fragt ganz unverblümt  die italienische DONNA MODERNA am 28. Juli 2015. „Riskieren nach Griechenland auch andere Länder  den Staatsbankrott?“ Antwort: Ja! An erster Stelle nennt die „Moderne Frau“ Italien, dann der Reihe nach Portugal, Irland, Zypern, Belgien und Spanien. Allerdings nimmt die Donna moderna Belgien und Irland von dem Krisenszenario aus; die Donna moderna meint, Irland und Belgien seien nicht mehr von der Zahlungsunfähigkeit bedroht.

Bleiben derzeit also Italien, Portugal, Zypern und Spanien als mögliche Kandidaten für weitere Rettungspakete. Sie sind nach Einschätzung der DONNA MODERNA weiterhin gefährdet.

Fazit: Griechenlands Rettungspaket III, an dessen Abnicken durch die Parlamente keine Zweifel bestehen, könnte der Auftakt für eine ganze Serie weiterer Rettungspakete werden, in deren Genuss dann neben – erneut – Griechenland auch weitere Länder kommen dürften, an erster Stelle Italien. Nach und nach wird die Rettung zum zeremoniellen Ritus. Es spielt sich ein außervertraglicher Mechanismus ein, auf den sich dann selbstverständlich alle Länder der Eurozone, große wie kleine, berufen dürfen. Warum sollte man Ländern wie Italien, Deutschland, Spanien oder Frankreich das verweigern, was man Griechenland und anderen Ländern bereits mehrfach zugebilligt hat?

Quellenangaben:

Ehrlich wäre ein Schuldenschnitt außerhalb des Euro„. Interview mit FDP-Chef Christian Lindner. In: Der Tagesspiegel. Rerum cognescere causas. 16. August 2015, S. 3

Adriano Lovera: „Dopo la Grecia altri paesi rischiano di fallire?“ In: Donna moderna. Il settimanale che ti facilita la vita. Anno XXVIII, Nr. 31, 28 luglio 2015, S. 46-47

J. W. Goethe: Torquato Tasso. Ein Schauspiel. 2. Aufzug, 1. Auftritt

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Braucht die EU-Kommission Durchgriffsrechte gegenüber den Parlamenten der EU-Staaten?

 Europäische Union, Gouvernance économique, Parlament  Kommentare deaktiviert für Braucht die EU-Kommission Durchgriffsrechte gegenüber den Parlamenten der EU-Staaten?
Mai 032013
 

Steht  uns allen die Selbstaufgabe des Königsrechtes jedes Parlaments gegenüber einer Art europäischer Zentralregierung ins Haus? Die Frage muss erlaubt sein.

Denn die Zeitschrift Focus schreibt am 19.10.2012:

„Deutschland sei dafür, der EU-Kommission bei Verstößen gegen die Haushaltsdisziplin „echte Durchgriffsrechte gegenüber den nationalen Haushalten zu gewähren“, bekannte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede vor dem Bundestag.“

http://www.focus.de/finanzen/news/staatsverschuldung/trauriger-geburtstag-drei-jahre-eurokrise-und-kein-ende-in-sicht_aid_842343.html


Ich meine: Das kann uns alle treffen. Denn vor Verstößen gegen die Haushaltsdisziplin ist niemand gefeit, wie gerade die größten Euro-Teilnehmerländer, etwa Frankreich und Deutschland jahrelang unter Beweis gestellt haben. Die Camera dei deputati, die
Βουλή των Ελλήνων, der Bundestag, das Parlement français usw. usw. sollen also nach dem Willen Deutschlands das Haushaltsrecht, also das berühmte „Königsrecht“ des Parlaments nicht etwa an das übergeordnete, das z.Zt. politisch nahezu macht- und bedeutungslose EU-Parlament, sondern an die im Werden befindliche EU-„Zentralregierung“ mit ihrem benannten (nicht wirklich demokratisch gewählten) neu zu schaffenden „Währungs-Kommissar“, also an die EU-Kommission abgeben?

Hat die deutsche Bundeskanzlerin das 2012 wirklich so im Bundestag gesagt, wie sie der Focus zitiert? Das zu glauben fällt sehr sehr schwer. Man kann und mag das nicht glauben. Nein, es muss sich um ein Fehlzitat, eine arg verkürzende Fehldeutung oder um einen glatten Irrtum halten.

 

 

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Jan 052011
 

Ein Fest politischen Denkens erwartet alle Besucher am kommenden Samstag in Berlins Urania auf der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz: Gesine Lötzsch und Inge Viett auf einem Podium! Gemeinsame Fragestellung: „Wo bitte geht’s zum Kommunismus?“

Zwei Kämpferinnen für den Kommunismus – eine wortgewandte, erfolgreiche, anerkannte, systemimmanent agierende  Parlamentarierin und eine bewaffnete, hervorragend ausgebildete, mannigfach erprobte Kämpferin der Bewegung 2. Juni, beide sichtlich inspiriert durch Rosa Luxemburg! Mit einer unvergänglichen Formulierung Luxemburgs: „Maschinengewehr und Parlamentarismus“ schließen einander auf dem Weg zum Kommunismus nicht aus, sie sollten einander vielmehr fruchtbar ergänzen. Der Wege zum Kommunismus sind viele!

Wer war Rosa Luxemburg? Eine Ikone der revolutionären Realpolitik!

Neben ihren Werken empfiehlt der arme Kreuzberger Blogger das Buch über Rosa Luxemburg von Frigga Haug sowie als ersten Einstieg seine eigene Rezension dieses Bändchens:

Rosa Luxemburg – eine Ikone der revolutionären Realpolitik
Luxemburg arbeitete wie Liebknecht, Lenin und Stalin auf die gewaltsame Errichtung einer Räterepublik hin, deren Entstehung selbstverständlich „nicht mit Rosenwasser getauft sein würde“, wie sie selbst in ihrer blumigen, mit religiösen Wendungen durchtränkten Bildersprache sagt. Wodurch unterscheidet sich Rosa Luxemburg von den anderen kommunistischen Führern, die sie kannte, auf die sie sich bezog, die sie wiederum schätzten, wie etwa Lenin und Stalin?

Mit einem weiteren Bild gibt sie selbst Auskunft. Sie weist nämlich die Alternative „entweder Maschinengewehre oder Parlamentarismus“ als „Vereinfachung“ zurück. Für sie heißt es folglich: Sowohl Maschinengewehr als auch Parlamentarismus. Die von Philipp Scheidemann ausgerufene parlamentarische Republik war nach dem Zusammenbruch der Monarchie Rosa Luxemburgs erklärtes Angriffsziel. Ähnlich wie in Russland die Bolschewiki die nach der Februarrevolution entstehende bürgerliche Demokratie zerstört hatten, sollte auch die Weimarer Republik zerstört werden. Und zwar durch die Doppelstrategie Maschinengewehr und Unterwanderung des parlamentarischen Systems.

Heute, im Jahr 2011, treten viele Zusammenhänge wunderbar fassbar zutage, die damals, in den Jahren 1968-1990, nur zu erahnen waren:

1) Der enge operative Zusammenhang zwischen DDR, RAF, Stasi, Bewegung 2. Juni und arabischen Diktaturen. Nicht zufällig konnte Inge Viett wiederholt Zuflucht und logistische Unterstützung in der DDR finden, ja sich dort sogar eine neue Identität aufbauen. Und nicht zufällig flogen die Entführer des Berliner Politikers Peter Lorenz 1975 ins jemenitische Aden. Nicht zufällig erhielten namhafte Mitglieder der RAF ihre miltärische Ausbildung in Ausbildungslagern der Fatah in Jordanien.

2) Die DDR war offenkundig ab 1968 eine, wenn auch keineswegs die einzige treibende Kraft bei der Aufhetzung der westdeutschen Studenten gegen das Establishment – und umgekehrt bei der Aufhetzung des Establishments gegen die Studentenbewegung! Dass ausgerechnet der Benno-Ohnesorg-Todesschütze Karl-Heinz Kurras im Sold der Stasi stand und SED-Mitglied war, legt den Schluss nahe, dass die DDR und ihre Organe ein starkes Interesse an der Aufpeitschung der inneren Gegensätze in der Bundesrepublik hatten.

3) Das linke bis linksradikale Spektrum war in einem Kontinuum von „Parlamentarismus“ bis „Maschinengewehr“ durchgängig untereinander vernetzt. Soeben lese ich etwa die 1971 geschriebenen einführenden Worte des Herausgebers Jürgen Hentze zu den polnischen Schriften Rosa Luxemburgs:

„Wenn die Widersprüche in unserer Gesellschaft, die heute nur durch radikale Aktionen einiger weniger zum Ausdruck gebracht werden, die breiten Massen aus ihrer Bewußtlosigkeit wecken, wenn die heute verschleierten Gegensätze offen ausbrechen, dann werden die Gedanken Rosa Luxemburgs hier wieder gesellschaftliche Bedeutung bekommen.“

Jeder, der ahnte, wusste bescheid: Die „radikalen Aktionen einiger weniger“, das waren Kaufhausbrände, Entführungen, Terroranschläge. Deren Zweck war die Erweckung der Massen aus ihrer Bewußtlosigkeit. Als unversiegliche Quelle und Rechtfertigung dieser radikalen Aktionen dienten die Klassiker des Marxismus, aber eben auch zeitlose „Abweichlerinnen“ wie etwa Rosa Luxemburg.

Die Urania-Tagung am kommenden Samstag wird sicherlich diese Zusammenhänge noch deutlicher herausarbeiten. Kein politisch hellwacher Zeitgenosse, aber auch kein bisher ahnungsloses Mitglied der bewußtlosen Massen sollte sich diese Fortbildungsmöglichkeit entgehen lassen.

Literaturempfehlungen:

Rosa Luxemburg: Internationalismus und Klassenkampf. Die polnischen Schriften. Herausgegeben und eingeleitet von Jürgen Hentze. Luchterhand Verlag, Neuwied und Berlin 1971, hier Zitat aus der Einleitung, S. 33

Frigga Haug: Rosa Luxemburg und die Kunst der Politik, Argument Verlag, Hamburg 2007

Stefan Aust: Der Baader Meinhof Komplex. Hoffmann und Campe, Hamburg 1985, hier besonders: S. 314-317

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Politik durchlässiger gestalten!

 Bundestagswahlen, Parlament, Parteienwandel, Tugend, Vorbildlichkeit  Kommentare deaktiviert für Politik durchlässiger gestalten!
Mrz 302010
 

In den alten griechischen Demokratien, in der römischen Republik war es üblich, dass Bürger aus ihrem angestammten Beruf zeitlich befristet „vom Ackerpflug weg“  in die Politik wechselten und dann nach Erfüllung ihrer vaterländischen Pflicht wieder ins Privatleben zurückkehrten. Nicht so heute! Wer heute ein politisches Amt erlangt, hat sich in fast allen Fällen über Jahrzehnte hinweg mühsam die Parteikarriere emporgearbeitet. Idealerweise wird man in eine Partei-Familie hineingeboren. Man läuft dann einfach mit. Mit wenigen Ausnahmen gilt: Nur aus einer Parteikarriere heraus gelingt der Einstieg in ein politisches Amt. Die Parteien sind – entgegen den Vorschriften des Grundgesetzes – die eigentlichen Machtzentren in der deutschen Politik. Extra partes – nulla salus! Wer das nicht begreift, wird es nie zu politischer Macht bringen! Er wird vielleicht einmal außer der Reihe „berufen“, aber sein politisches Schicksal wird um so mehr von der Partei abhängen, die ihn „gerufen“ hat.

Um so mehr Hochachtung nötigen mir parteilose Kandidaten wie etwa der Neuköllner Bundestagskandidat Yusuf Bayrak ab. Er hat 1,5% eingefahren – das ist eine große Leistung. Denn er hatte keinen Apparat hinter sich, er trat als Einzelperson an. Das verleiht ihm höchste Glaubwürdigkeit. Davon konnte ich mich erst kürzlich bei einer Veranstaltung persönlich überzeugen, als er sich zu Wort meldete und sagte: „Wissen ist Pflicht.“

Die Berliner Zeitung meldet heute von der Skepsis der Bürger gegenüber den Parteien:

Nußbaum als Vorbild?

Auf die Frage, welchen politischen Hintergrund künftige Berliner Spitzenkandidaten haben sollen, spricht sich eine knappe Mehrheit (52 Prozent) für „eher parteipolitisch ungebundene Personen“ aus. Nur 31 Prozent möchten die Spitzenkandidaten aus dem Fundus des bereits bekannten Parteipersonals rekrutiert sehen.

Kein Bäumchen-wechsle-dich im Parlament – Berliner Zeitung

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Parlamentarier aller Regierungsparteien! Kauft nicht alles von eurer Regierung!

 Parlament, Sezession  Kommentare deaktiviert für Parlamentarier aller Regierungsparteien! Kauft nicht alles von eurer Regierung!
Mai 062009
 

Immer wieder beklage ich, dass die Parlamentarier den durch sie gestützten Regierungen nicht stärker auf die Finger sehen, sondern allzu viel abnicken und passieren lassen. Dies gilt für den Bundestag ebenso wie unser Berliner Abgeordnetenhaus.

Plötzliche Parteiaustritte, Fraktionswechsel und ähnliches halte ich für höchste Alarmsignale. Warum kann man nicht vorher seinen Dissens zu Protokoll geben? Warum macht man nicht vorher den Mund auf? Was steckt dahinter? Sind das Kurzschlusshandlungen? Wie stark muss der berüchtigte Fraktionszwang lasten, dass nur noch der Austritt als Protestsignal bleibt?

Die SPD Friedrichshain-Kreuzberg verlor mit Canan Bayram die Wahlkampfleiterin für unseren Bezirk 084. Die Abgeordnete verließ Knall auf Fall die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und wechselt zu den Grünen.

Schock am Nachmittag – Berliner Zeitung
In der Koalition und in der SPD-Fraktion gibt es Gesprächsbedarf, unter anderem zwischen denen, die Bayram verstehen, wie beispielsweise Evrim Baba von den Linken oder Thomas Kleineidam aus der SPD-Fraktion. Der Abgeordnete kennt Bayram unter anderem aus dem Innenausschuss. Da habe es immer mal Meinungsverschiedenheiten gegeben wie mit anderen Abgeordneten auch. „Aber ich stehe ratlos davor, dass sie ausgetreten ist“, sagt Kleineidam. Vielleicht habe es auch eine Rolle gespielt, dass Bayram bei einer Kandidatur für die Landesliste in Friedrichshain-Kreuzberg nicht zum Zuge gekommen sei, weil man dort Björn Böhning favorisiert, spekuliert er. Man werde aber darüber reden müssen, was in der Kommunikation in der SPD-Fraktion verbessert werden müsse, sagt Kleineidam.

Ich meine: Dass einzelne Abgeordnete ihrem Unmut über das Regierungshandeln Luft machen, ist gut! Selbstverständlich kann auch eine SPD-Abgeordnete ihre Kontrollfunktion dadurch ausüben, dass sie den amtierenden Senat kritisiert. Es ist ihr Recht, es ist ihre Pflicht. Jedoch meine ich, dass Kritik aus den eigenen Reihen wirksamer ist als aus den Reihen der Opposition. Canan Bayrams Stimme, die ja vor ihrem SPD-Austritt keineswegs ungehört verhallte, wird ab sofort weniger Gewicht haben.

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Apr 102009
 

„Die politische Klasse hat unser Wahlsystem in eigener Sache derart pervertiert, dass die Abgeordneten gar nicht mehr vom Volk gewählt werden, wie es das Grundgesetz verlangt. Wen die Parteien auf sichere Plätze setzen – und das ist oft die große Mehrheit der Abgeordneten -, der ist lange vor der Wahl praktisch schon „gewählt“, bloß eben nicht von den Bürgern“ (S. 42).

Mit diesen Worten zitierten wir am 02.07.2008 den Juristen Hans Herbert von Arnim. Bundespräsident Köhler hat in seiner Paulskirchenrede ebenfalls Änderungen im Wahlrecht gefordert. Thomas de Maizière wiederum sprach treffend von der „Feigheit“ der Politiker, nennt unser heutiges föderales System gerne ein System der organisierten Verantwortungslosigkeit. (Dieses Blog berichtete am 31.03.2009). Ihr seht: Die Meinungsfreiheit steht in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur auf dem Papier. Jede und jeder darf seine Kritik öffentlich aussprechen – auch jene, die selbst führend am Funktionieren des Systems beteiligt sind. Das ist schön!

Aber kaum jemand führt eine derart offene Sprache wie Peter Gauweiler: „Wir haben vor Feigheit gestunken„, wird er in Spiegel online zitiert. Mit diesem Diktum fasst er seine Beobachtungen über das Verhalten der Bundestagsabgeordneten, deren einer er selbst ist, zusammen.

Er habe den Eindruck, „dass Abgeordnete, die eigenständig über das eigene Land reden wollen, nicht mehr erwünscht sind“, so der Bundestagsabgeordnete.  „Was mich beunruhigt, ist, dass das Funktionieren im System so kritiklos hingenommen wird. Das gefährdet die Demokratie.“

„Das Funktionieren im System wird kritiklos hingenommen.“ Gauweiler beklagte insbesondere, dass die Fraktionsführung der Union bei wichtigen Themen, etwa der Abstimmung über die Erbschaftsteuerreform, massiv Druck auf Abweichler ausgeübt habe. „Da wurden bis zum Schluss Abgeordnete, die ihr abweichendes Votum bereits angekündigt hatten, in einer Weise geknetet und gedreht, dass es einem schlecht werden konnte.“

Duckmäusertum, Stromlinienförmigkeit, Bequemlichkeit – diese Haltungen seien vorherrschend. Eine Kontrollfunktion übe das Parlament nur unzureichend aus. Er schlägt deshalb – wie dieses Blog am 27.03.2009 – eine Stärkung der Direktkandidaturen vor, ja der bajuwarische Rebell möchte die Listenwahl ganz abschaffen.

Ich meine dazu: Wir brauchen dringend eine Rückbesinnung auf die klassische Gewaltenteilung. Das Parlament als Gesetzgeber, die Regierung als ausführende Gewalt, die Justiz als richtende Gewalt: das sind die „drei Gewalten“, die voneinander weitgehend unabhängig handlungsfähig sein müssen. Der deutsche Bundestag ist jedoch in der Tat über weite Strecken zu einem Akklamationsorgan, zu einer Mehrheitsbeschaffungsmaschine für die Regierung verkommen. Allein die Zahl der Gesetzesinitiativen des Bundestags ist in der laufenden Legislatur im freien Fall begriffen, alle wesentlichen Vorlagen kommen von der Regierung. Die Fraktionen haben fast keine Kraft, eigene Vorstellungen streitig durchzusetzen. Insofern gebe ich Kritikern wie Gauweiler, von Arnim oder de Maizière recht.

Mein Eindruck ist: Die Parteien sind insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland viel zu mächtig geworden. Die verfassungsmäßige Gewalt der Legislative ist mittlerweile insgesamt viel zu schwach, weil sie mit der Regierung über die weit stärkeren Parteien verkoppelt ist.

Woran liegt das? Wie lässt es sich ändern?

Man stelle sich vor, jemand strebte in das Parlament, der genau dies zu seinem Programm erhöbe: Stärkung der drei voneinander unabhängigen Gewalten, Machteindämmung der Parteien, Ertüchtigung der Legislative, stärkere Kontrolle der Regierung durch das Parlament, insbesondere mit dem heiligen Recht jedes Parlaments, nämlich dem Budgetrecht! Würde so ein Kandidat Erfolg haben? Er müsste ja bei einer Partei anklopfen und sagen:

„Bitte stellt mich auf! Denn ich habe etwas Schönes vor: Ich möchte die Vormachtstellung der Parteien auf ihren grundgesetzlich vorgesehenen Mitwirkungscharakter einschränken! Ich möchte, dass die Abgeordneten – wie im Grundgesetz vorgesehen – ausschließlich den Interessen des Volkes und dem eigenen Gewissen verpflichtet sind, und ich werde deshalb in allen wesentlichen Fragen keine Anweisungen von euch  annehmen. Ich will dich, die Partei, und die anderen Parteien, zu guten, also zu schwächeren Parteien machen. Bitte stellt mich auf!“

Wie wird die Partei auf so etwas reagieren? Antwort: Sie wird es vermutlich gar nicht so weit kommen lassen. Ein solcher Kandidat wird es nicht einmal bis zum Anklopfen schaffen. Überall haben in den oberen Führungsgremien der Parteien die loyalen, altgedienten Parteisoldaten das Sagen. Die Hauptfrage lautet für die Parteien zumeist: Wie erringen wir mehr Macht für uns? Auf wen können wir uns dabei verlassen?

Fundamentalkritiker wie Peter Gauweiler, Thomas de Maizière, Horst Köhler oder Hans Herbert von Arnim mögen gut reden – aber stets im Nachhinein. Sie haben eine Fülle von Beobachtungen gesammelt und können es sich aus der errungenen Stellung heraus leisten, auch recht hart mit ihren Standesgenossen ins Gericht zu gehen. Hätten sie Ähnliches bereits zu Beginn ihrer Karriere vom Stapel gelassen, sie wären gar nicht erst so weit gekommen. Schade für das Ganze!

Wird Peter Gauweiler noch je einmal in ein Parlament kommen in diesem Leben? Ich bezweifle es. Würde ich eines Besseren belehrt – dann machte ich einen Luftsprung.

Trotzdem gut, dass es noch tapfere, aufrechte Menschen wie ihn gibt.

Ich selbst habe übrigens in diesem Blog etwas eingeführt, was euch merkwürdig anmuten mag: Ich nenne bei Politikern fast nie die Parteizugehörigkeit. Ist es euch aufgefallen? Denn jeder Politiker muss für das einstehen, was er sagt. Verantwortung ist immer persönlich.

 Posted by at 15:34