Sind „Stadtteile mit Makel“ und „von Rentern bewohnte Betonbunker“ für unsere arme identitätssuchende Klientel unzumutbar?

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Jul 092013
 

2013-05-20 13.50.23

Na, herrlich, diese Leserbriefspalten auf S. 8 im aktuellen gedruckten Spiegel! Eine Frankfurterin, ein Münchner und ein Berliner (genauer gesagt: ein armer Kreuzberger Blogger) treten in ein virtuelles Zwiegespräch über ein geisterhaftes Thema: die Wohnungsnot in den Städten. Die Frankfurterin unterscheidet zwischen „Stadtteilen mit hoher Lebensqualität“ und solchen „mit Makel“. Der Münchner führt beredt Klage darüber, dass kein identitätssuchender Student nachts aus den Bars der Szeneviertel stundenlang mit schlechten Bussen in seinen von Rentnern bewohnten Betonbunker fahren wolle.

Der Berliner singt das Hohelied der kleinen Städte und der Dörfer, die man nicht zugrunde gehen lassen dürfe, indem man sehr viel Geld für die armen identitätssuchenden Studenten, die sich zu fein für Stadtteile mit Makel und die zu faul für nächtliche Fußmärsche sind, ausgebe.

Wer hat nun recht? Die Frankfurterin, der Münchner oder der Berliner? Es liegt an euch liebe Dessauerinnen, liebe Frankfurterinnen an der Oder, liebe Simbacherinnen und Bebraerinnen! Liebe Rentnerinnen und Rentner, seid versichert: ich glaube nicht, dass es für identitätssuchende Studierende unzumutbar ist, mit euch in einem „Betonbunker“ zu wohnen. Ich bin für die Mischung!

Danke an den SPIEGEL, dass er einem Kreuzberger meist treuen Leser mit einem sehr netten Begleitschreiben ein Belegexemplar zusendet! Wir tranken ein Gläschen Johannisbeerensaft im Familienkreise, wobei ein flotter Trinkspruch nicht fehlen durfte.

„Stundenlang im Bus“, in: Der SPIEGEL, 28/2013, S. 8

Bild: die Bergmannstraße in Müncheberg

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Braucht die Bergmannstraße das Friedrichshain-Kreuzberger bezirkliche Mietwohnungszweckentfremdungsverbot?

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Jun 272013
 

2013-05-20 13.50.23

Unser heutiges Bild zeigt leerstehende Mietwohnungen in der berühmten und gesuchten Bergmannstraße. Der Blogger lacht mal wieder laut auf über die grandiosen Kapriolen unserer bundesweit berühmten grünroten Bezirkspolitik in Friedrichshain-Kreuzberg! Irre und zum Lachen ist das schon: ein bezirkliches Mietwohnungenzweckentfremdungsverbot und Milieuschutzverordnungen, unter anderem  für die Kreuzberger Bergmannstraße haben sie sich ausgedacht. Ohne jede statistische Begründung, wider jede politische Vernunft, siehe heute Berliner Zeitung Seite 18. Der Geographie-Student Tilman Versch hat nachgerechnet: Nicht mehr als acht bis zwölf Mehrfamilienhäuser wären – statistisch hochgerechnet – alle Ferienwohnungen im Bezirk. Eine völlig unerhebliche Zahl! Das Signal der Touristenfeindlichkeit hat die linke Bezirkspolitik zuverlässig gesetzt – übrigens gegen den Willen von einigen Bezirksbürgern. Ich meine: Wem die vielen Touristen rings um den Touristenmagnet der Topographie des Terrors in Kreuzberg nicht passen, der kann ja nach Lichtenberg ziehen. Wem die Bergmannstraße in Kreuzberg zu teuer ist, der ziehe in die Stresemannstraße in Kreuzberg. Dort sind Wohnungen frei. Der besichtige die Bergmannstraße! Auch dort sind Wohnungen frei (siehe Bild oben).

Verbote, Verhinderungen, Missgunst, Heizpilzverbote.  Das ist es, was sie schaffen in unserer Bezirkspolitik.  Aber Radstreifen in der lauten, lebensgefährlichen Skalitzer Straße kriegen sie nicht gebacken.

 

Hey guys, wait a moment! Es wird wider alle Vernunft so getan, als stünden wir in ganz Berlin und im Berliner Umland, in ganz Deutschland vor Wohnungsnot und Mietpreisexplosion. Liebe Leute: Bei statistisch sinkender Bevölkerungszahl und real steigender Wohnfläche in Berlin und ganz Deutschland kann man von derartiger Bedrohung im Ernst nicht sprechen.   Es ist nur einmal mehr ein Eingehen der bekannten kuschelsanften Wählerverwöhnungspolitik auf eine  gefühlte Bedrohungslage. Die Bundespolitik, die Senatspolitik und ebenso die Bezirkspolitik feiern wieder einmal den beliebten Wählerschaft-Kindergeburtstagsbeglückungsreigen. Ja, so sehe ich das: Das Friedrichshain-Kreuzberger bezirkliche Mietwohnungszweckentfremdungsverbot ist nichts anderes als ein Ritornell im sattsam bekannten Wählerschaft-Kindergeburtstagsbeglückungsreigen – eine verheerende Fehlentwicklung, wie ich meine, der es entgegenzusteuern gilt.

Ich meine: Die Forderungen nach Mietendeckelungen, Mietpreisbremsen, Mietwohnungenzweckentfremdungsverbote usw. usw.  sind staatliche Planwirtschaft, für die nicht der geringste Anlass besteht. „Plafonner les loyers ne fonctionne pas – Mietendeckelung funktioniert nicht.“ So hat es der frühere Bezirks-Baustadtrat und spätere Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Bündnis 90/Grüne) in der Sprache der Diplomatie, auf Französisch also, zu Protokoll gegeben. Schulz hat recht.

Zahlen, Fakten und Daten zuhauf zum Beleg dieser Behauptung gehen etwa aus dem aktuellen SPIEGEL-Artikel „Lage, Lage, Lage“ zur Mietenentwicklung  zweifelsfrei hervor.

Ich bin immer wieder traurig, wenn ich sehe, dass unsere herrlichen Kleinstädte wie etwa Müncheberg, Neuruppin, Simbach, Dessau, Luckenwalde oder Bebra veröden und verarmen, weil die Menschen wegziehen. „Bei uns in Bebra gehen von 10 Uhr abends bis 6 Uhr früh buchstäblich die Lichter auf den Straßen aus!“, erzählte mir nicht ohne Wehmut eine Köchin aus dem hessischen Bebra bei einer meiner Wanderungen vor wenigen Wochen. „Meine Kinder ziehen alle aus Bebra weg, nach Berlin oder Hamburg. Dort, in der Hauptstadt der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger, amüsieren sie sich Tag und Nacht, während ich mir als Köchin im hessischen Hügelland den Rücken krumm mache. Hier ist nichts mehr los.“

In der Fläche liegt das Potenzial! Wir dürfen die kleinen Städte, die Dörfer und die Randlagen in Deutschland nicht zugrundegehen lassen, indem wir sinnfrei und besinnungslos das ganze freie (obleich schuldenfinanzierte) Geld durch Mietbeihilfen und Mietpreisbremsen in die gefragten Großstadtlagen umschütten.

Politisch sinnvoll wäre es, durch gezielte Anreize die verödenden Lagen der weniger gefragten Stadtviertel und Kleinstädte oder auch die Dörfer zu fördern, etwa durch bessere Anbindung im ÖPNV, durch bessere Verkehrs-Infrastruktur, durch Ansiedlung von Behörden und Schulen und beruflichen Bildungsstätten, durch niedrigere Gewerbesteuer-Hebesätze, durch Blumenbeete und Parks, durch Verringerung der Geldumverteilungswirtschaft im Länderfinanzausgleich. Wieso sollte ein fleißiger Handwerksmeister im hochwassergeschädigten bayerischen Simbach/Inn die Freibäder-Warmwasser-Beheizungsanlagen und Mietwohnungs-Wärmepumpen im behaglichen, hochwassergeschützten Friedrichshain-Kreuzberg bezahlen?

Lasst 1000 Blumen in Bebra blühen! Beleben wir die Bergmannstraßen unseres Landes!

Quellenverzeichnis:

Guido Kleinhubbert: „Lage, Lage, Lage“. Der SPIEGEL, Nr. 26 / 24.06.2013, S. 46-47

Andrea Hahn: „Die Debatte wurde mit Schätzungen geführt“. Interview mit Tilman Versch. Berliner Zeitung, 27. Juni 2013, S. 18

http://www.berliner-zeitung.de/berlin/abgeordnetenhaus-diskutiert-gesetz-gegen-mehr-ferienwohnungen,10809148,23304082.html

 

Bild: Leerstehende Mietwohnungen in der Bergmannstraße, Müncheberg/Mark Brandenburg. Aufnahme von einer Radtour am 20. Mai 2013

 

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Die elterngetragene Grundschule, oder: Brauchen wir eine neolithische Wende an Kreuzbergs Schulen?

 Bergmannstraße, Friedrichshain-Kreuzberg, Gute Grundschulen  Kommentare deaktiviert für Die elterngetragene Grundschule, oder: Brauchen wir eine neolithische Wende an Kreuzbergs Schulen?
Jul 292011
 

east-side-gallery-21062008001.jpg „Jetzt machen wir unsere Schule selbst.“ So das Motto der vom Staate maßlos enttäuschten Kreuzberger Eltern, die sich vor Jahren zusammenfanden, um eine evangelische elterngetragene Schule zu gründen. Sie griffen damit das Motto einer Berliner Parteineugründung einer bunten Schar vom Staate maßlos enttäuschter Kreuzberger Menschen aus dem Jahre 1978 auf: „Jetzt wählen wir uns selbst“.

Aus diesem staatskritischen Grundimpuls der Töchter und Söhne aus gutem Hause: „Wir machen Politik selber – die da droben können es nicht“ entstand vor 33 Jahren in Kreuzberg die Alternative Liste (AL), die erfolgreiche Partei-Neugründung der Bundesrepublik.

Aus demselben staatskritischen Grundimpuls der jungen Väter und Mütter „Wir machen Grundschule selbst – die da droben können es nicht“ entstanden exakt 30 Jahre später in Kreuzberg und anderswo Elterninitiativen zur elterngetragenen Grundschule.

Es gab Riesenzoff, Riesenärger! Seine hocherfahrene grüne Politmajestät in und zu Kreuzberg war getreu dem damaligen Motto selbstverständlich auch für die Kreuzberger Privatschule. Die linksgrüne Bezirksobrigkeit in Friedrichshain-Kreuzberg hingegen stand in aller Öffentlichkeit wie so oft als verbietend-kontrollierende Verhinderungsinstanz da.

Niederschmetternd: Beide Seiten – die staatsskeptischen Selbermacher von unten und die linksgrüne staatstragende Obrigkeit von oben – sprachen ab einem gewissen Punkt erkennbar nicht mehr miteinander. Die Bildungspolitiker des Bezirks wurden von verbitterten Eltern zu unerwünschten Personen erklärt und nicht mehr eingeladen – etwas, was sich kürzlich im Kreuzberger Hasir wiederholt hat. „Politiker unerwünscht!“ So las ich es selbst auf einem Aufruf eines Vaters, eines früheren taz-Redakteurs übrigens. Diesem Aufruf folgten die Eltern zu Hunderten.

Ich selbst war stets ein Verfechter der staatlichen Grundschule als einer Einheitsschule. Ich bin überzeugt: Mindestens 4 Jahre sollen alle Grundschüler gemeinsam lernen! Davon entfernt sich Berlin, insbesondere aber Kreuzberg jedes Jahr mehr und mehr. Die von mir so oft beklagte soziale Entmischung der Schüler schreitet atemberaubend schnell voran, wohl auch deswegen, weil konstruktive Konzepte in der Kommunalpolitik dünn gesät sind.  Linke Senatspolitik und linksgrüne Bezirkspolitik sind – trotz anzuerkennender bester Absichten – gleichermaßen heillos überfordert.  Es herrscht allzu oft Hoffnungslosigkeit, Chaos, Verzweiflung an der staatlichen Grundschule.

Heute, wo die Schülerschaften gerade in Bezirken wie Kreuzberg oder Neukölln nach ethnischen, sozialen und nicht zuletzt religiösen Kriterien zutiefst auseinandergefallen sind und noch weiter auseinanderfallen, meine ich – weiterschreitend von meinem früheren Standpunkt:

Die böse, arge Zauselei zwischen den geschworenen Verfechtern der staatlichen Regelgrundschule wie etwa mir selbst und den privaten Initiativen zur Gründung dieser oder jener elterngetragenen Schule hat sich überholt. Das alte Lagerdenken gilt nicht mehr. Tatsache ist: Die bildungsbeflissenen Eltern aus den Ländern Polen, Palästina, Baden, Italien, Württemberg, Türkei, Russland, Frankreich  usw. verlassen – wie ich sehe –  weiterhin in großen Zahlen die staatlich hochsubventionierten Auffangbiotope für Erwachsene, genannt Kreuzberg, Neukölln, Wedding usw.

Es wäre für Kreuzberg ein Segen, wenn sich die eine oder andere alternative Privatschule in dem Bezirk niederließe, wenn die Privatschulen nach und nach die polnischen, italienischen, russischen, deutschen oder türkischen Familien zurückholten, die jetzt eine nach der anderen sang- und klanglos Kreuzberg verlassen oder längst verlassen haben. Ich denke da vor allem an islamische bzw. kirchliche private Grundschulen sowie an binationale elterngetragene Grundschulen. Zuziehende Familien mit Schulkindern sollten sich hier dauerhaft ansiedeln, sollten Kinderscharen zeugen, sozial benachteiligte Kinder unter ihre Fittiche nehmen, Kinder hier in Kreuzberg großziehen. Sie wüssten: Ich finde für unsere Kinder eine gute Zukunft an der besten möglichen Schule im schönsten aller Berliner Bezirke, in Friedrichshain-Kreuzberg vor!

Ich gestalte die Zukunft mit! WIR MACHEN UNSERE ZUKUNFT SELBER!

Es wäre die epochale Wende zur Sesshaftigkeit in Friedrichshain-Kreuzberg, die neolithische Wende in der Berliner Schulpolitik!

Wichtig: Die elternbestimmten Schulen sollten sich von Anfang als Teil des Umfeldes betrachten, sollten sich einbringen, sich öffnen zu den staatsbestimmten Grundschulen hin. Jedes Kind sollte angemeldet werden können. Warum nicht einen Tag zusammen Unterricht machen, gemeinsam Sportstätten nutzen, gemeinsame Konzerte abhalten? Gute Schüler der oft hervorragend ausgestatteten staatsgetragenen Grundschule könnten jüngeren schlechteren Schülern der elterngetragenen Grundschule Nachhilfe geben! Wettbewerb belebt die Kreativität, den Mut ud die Tatkraft der Schüler.

Gemeinsam&gelassen läuft’s besser. Kooperation ist angesagt.

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Diaologorientiertes Verfahren für die Bergmannstraße

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Jun 292011
 

Nahm gestern an der guten, offenen Podiumsdiskussion zur Bergmannstraße mit Bezirks-Baustadtrat Panhoff, Tiefbauamtsleiter Schulz-Herrmann, Verkehrsplaner Rafael Steiner und vielen engagierten Anwohnern aus dem Bergmann- und Chamissokiez teil. Kundig moderierte Henning Zimmermann. Die einzige, große, großartige Lösung, die alle glücklich macht, scheint es nicht zu geben. Das ist ja auch sehr selten im Leben der Fall. Im Grunde beruhigend. Konsens schien gestern jedenfalls zu sein, dass der PKW-Verkehr in der Bergmannstraße verringert werden sollte. Besonders beeindruckt hat mich die sorgfältig vorgetragene, mit Karten und Tabellen untermauerte Analyse des im Chamissokiez wohnenden Verkehrsplaners Rafael Steiner, die auch im Internet abrufbar ist. 

So muss es laufen: kooperative Grundhaltung auch bei streitig diskutierten Themen! Gute Sache, Fortsetzung erwünscht!

Am Abend genossen wir noch den herrlichen Sommer im Restaurant Brachvogel. Über uns rauschten zwei Mal die Habichte des Prinzenbades vorbei, der bestirnte Himmel zeigte sich unbewölkt. Schön!

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Was wird aus dem shared space Bergmannstraße | die bergmannstrasse

 Bergmannstraße  Kommentare deaktiviert für Was wird aus dem shared space Bergmannstraße | die bergmannstrasse
Jun 242011
 

24062011772.jpgHeute verteilte ich, während andere eifrig Buden und Tische aufbauten, in der Bergmannstraße Einladungen für die Veranstaltung am 28.06. Ich fragte systematisch in den Geschäften der Bergmannstraße ab: Was braucht ihr? Was wollt ihr? Spät abends finde ich noch diesen Blog-Eintrag:

Was wird aus dem shared space Bergmannstraße | die bergmannstrasse
Ich frage mich, was ist aus der Shared Space-Initiative geworden, die alle paar Monate mal durch unsere Zeitungen geistern, ohne dass wirklich etwas passiert? Warum wird nicht auch hier eine Parkraumbewirtschaftung und eine Verknappung des Durchflusses erreicht – im Sinner der Anwohner, der Durchfahrenden, der Touristen?

Weil es dem Bezirk ganz egal ist – sind ja nur Altkiezler und Nervensägen, die nichts von Politik verstehen?

Ich gehe jede Wette ein, wenn zwanzig Wohnungs-Wirtschafts-Investoren das alles auch sagen, dass die Landespolitik ganz plötzlich, ganz aktionistisch handelt?

 Posted by at 22:35

„Straßen, redet ein Wort!“ Hä? Können Straßen reden?

 Bergmannstraße, Goethe  Kommentare deaktiviert für „Straßen, redet ein Wort!“ Hä? Können Straßen reden?
Jun 242011
 

„Saget, Steine, mir an, o sprecht, ihr hohen Paläste!
Straßen, redet ein Wort! Genius, regst du dich nicht?“

So schrieb einmal ein Dichter aus Italien nach Deutschland. Welcher? Das tut hier nichts zur Sache. Uns kommt es auf das Bild an: „Straßen, redet ein Wort!“

Die Bergmannstraße redet noch keine deutlich vernehmbare Sprache. So unser Befund vom 22.06. Schau das Bild hier oben an oder schlendere die Bergmannstraße entlang! Dich umgibt eine verwirrende Fülle an einzelnen gebauten und beweglichen stummen Dingen: Autos, Häuser, fahrende Autos, Bordsteine, Lieferfahrzeuge, Schilder, parkende Autos, Fassaden, Fahrradbügel, Tischchen und Stühlchen, Aufgänge, Radler, parkende LKW, Pflastersteine, usw. usw.  Zersplitterte Aufmerksamkeit!

Ich habe vor wenigen Tagen mit dem Fahrrad die gesamte Bergmannstraße abgefahren, habe ein Video gedreht, einige Eindrücke aufgesprochen und das Ganze auf Youtube gepostet. Ihr werdet sehen: Ruckelnde Bilder, zersplitterte Aufmerksamkeit, Störungen, Interferenzen, Gefahr der Kollision allenthalben!

Anders klingt es bei den Fußgängern! „Wenn man in der Bergmannstraße wohnt, braucht man nicht in die Toskana zu fahren“, sagt Olaf Dähmlow vom Verein „Kiez und Kultur“ laut Tagesspiegel heute (S. 14). Wozu nach Italien fahren? Nein, nein, man setzt sich einfach ins Parlamento degli Angeli und hört ringsum die bunteste Mischung! Der Antiquitätenhändler neben dem Parlamento degli Angeli spricht mindestens Deutsch und Arabisch, verkaufte uns aber gleich danach die gesammelten Lieder Franz Schuberts auf 7 CD im Schuber für 15 Euro! Wir versuchten ihn auf 10 Euro runterzufeilschen – es gelang nicht. „Es sind 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 CDs, also muss es  15 Euros kosten!“ Das sahen wir ein. Denn so kostet jede CD nur 2,1428571 Euro. Das scheint also der Fixpreis für CDs zu sein.

Können Straßen reden? Die meisten sicher nicht. Aber seit Jahrtausenden haben es die Menschen immer wieder versucht, Straßen so umzugestalten, dass ein gemeinsamer Menschenwille darin sichtbar wird. Beginnend von der löwengeschmückten Prozessionsstraße aus dem Hügel von El-Kasr, die zum Ischtar-Tor führte, über die Via sacra des antiken Rom bis hin zur Allee „Unter den Linden“: Städte brauchen Plätze und Straßen, in denen Bürgerwille ein einigendes Band findet!

Solche besonderen herausgehobenen Straßen und Plätze sind Aufmerksamkeitssammler: Prismen, in denen sich der atomisierte Gemeinsinn bündelt und reflektiert:  The shared space of „joint attention„, wie wir es wohl mit dem Evolutionsbiologen Michael Tomasello sagen dürfen, der am Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Antropologie lehrt und forscht.

In solchen umfassend städtebaulich gestalteten Stadt-Räumen und Stadt-Straßen fängt und bildet sich die unablässig wandelbare Identität einer Stadtgemeinde.

Ich meine: Die Bergmannstraße verlangt geradezu nach einer solchen gemeinsamen städtebaulichen Sprache, in denen diese Gemeinde zu ihrer Sprache findet.

Ja, Goethe hat recht: Straßen können reden! Wenn man es will, wenn man sie zum Sprechen bringt.

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Jun 222011
 

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Kurzer Besuch in der Bergmannstraße! Wir sitzen im „Parlament der Engel“ und nehmen ein leichtes Mittagsmahl zu uns. Dann fahren wir die Straße entlang. Ansätze städtebaulicher Gestaltung sind erkennbar.

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Aber die Straße spricht noch nicht. Es fehlen noch echte Zeichen des gestalteten Raumes. Typisch dafür: Wenn man mit dem Fahrrad entlangfährt, wird der Raum völlig durch die beherrschende Klobigkeit der PKW dominiert.

Alle Fotos der Bergmannstraße in diesem Eintrag sind am 22.06.2011 in der Zeit von 12 bis 14 Uhr entstanden.

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Sep 132010
 

Na, was die Statistiker alles so herausfinden! Je höher gebildet, desto weniger nutzen die Menschen das Auto als bevorzugtes Verkehrsmittel. Sie, die Akademiker, Freiberufler und Beamten der oberen Besoldungsstufen, steigen aufs Fahrrad um. Man kucke sich doch mal in der Kreuzberger Bergmannstraße um!

Die Proletarier und Hartzler fahren weiterhin ihr eigenes Auto, um Zigaretten und Sixpack vom ALDI zu holen. Sie dokumentieren somit, dass sie keine Unterschichtler sind. Denn wer ein eigenes Auto hat, ist nie und nimmer Proletarier, denn der Proletarier hat ja per definitionem nur einen Besitz – eigene Kinder, proles eben, wie der Lateiner sagt.

HAB ich’s doch geahnt!

Das Image der angeblichen Kreuzberger Unterschichtler, die leidenschaftlich gern Rad fahren, erleidet tiefe Kratzer. Wer zwei Fahrräder sein eigen nennt, kann per definitionem kein Underschichtler sein, auch wenn er sein eigen Kind jahrelang zu den muslimischen Migrantenmehrheiten geschickt hat.

Arbeiter fahren lieber Auto statt Bus oder Bahn Umfrage: Wer nutzt welche Verkehrsmittel? – Mobil – Welt – Tagesspiegel

Die Nutzungsdauer eines Autos hängt von Faktoren ab wie zum Beispiel Alter, Beruf und Bildungsabschluss. Bei Menschen ab 60 Jahren nutzen nur noch drei von fünf Befragten ein Auto, in der Altersklasse zwischen 30 und 39 Jahren sind es noch 78,5 Prozent. Arbeiter sind tendenziell häufiger hinter dem Lenkrad, während bei den Beamten nur jeder Zweite mit dem Fahrzeug fährt. Auch Akademiker wählen öfters öffentliche Verkehrsalternativen. Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss beschränken sich dagegen auf das Auto als mobilen Untersatz.

 Posted by at 11:28

Stadtraum umverteilen!

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Jan 222010
 

22012010.jpg In winzigen Schritten nähern wir uns dem Ziel des menschengerechten Bezirks! Dazu gehört auch, dass die zu Fuß laufenden Menschen, die radfahrenden Menschen weniger an den Rand gedrängt werden. Dass insgesamt die laufenden Menschen, die nicht motorisierten Menschen mehr Platz bekommen. Ein kleiner winziger Sieg: Neue Fahrradabstellbügel auf der Fahrbahn der Bergmannstraße, da wo bisher Autos 23 Stunden am Tag herumstanden. Das sind die berühmten „Kreuzberger Bügel“!

Im Vordergrund: das meine mit Helm. Eine Rückfrage beim Händler ergab: Es ist nahezu baugleich mit dem taz-Rad, das ich auf dem Kongress „30 Jahre taz“ im Haus der Kulturen der Welt anfasste und bewunderte, aber nicht kaufte. Das meine hatte vorgestern den ersten Defekt. Heimradelnd von der ADFC-Bezirksratssitzung, zog ich ein Splittkörnchen zwischen Decke und Schlauch. Ich staunte über die Verwundbarkeit des neuen Rades, ich war platt. Das ist andererseits unvermeidlich, dass so etwas passiert.

Ich steigerte heute mit € 18,70 für Schlauch und Montage das Bruttoinlandsprodukt und die Wirtschaftskraft des Bergmannkiezes. Ihr werdet denken: „Was … das machst du nicht selber?“ Antwort: Ja, mach ich nicht selbst. Bin jetzt Oberschichtler. Ich lasse machen. Das taz-Rad beweist es! Ihr wisst doch, wieviel das taz-Rad kostet? taz-Leser zahlen mehr fürs gleiche, wissen mehr. taz-Leser sind heute Oberklasse.

Meins war übrigens einen winzigen Deut billiger als das taz-Rad. Denn es hat kein Logo „taz-Rad“ drauf. Aber Oberschichtler bin ich doch! Das geht ja schon aus dem neuen Sozialatlas des Soziologen Häussermann hervor. Denn der Bergmannkiez ist neben dem Kiez Viktoriapark/Kreuzbergstraße das einzige Gebiet in Kreuzberg, das nicht als entwicklungsschwach gilt. Und wer dort, im blauen Kiez, ein taz-rad-baugleiches Rad kauft, der hat es geschafft.

Selbst wenn sein Kind in den entwicklungsnegativsten aller Kieze, in den tiefroten Kiez Nr. 1 Anhalter Bahnhof/Stresemannstraße geht.

Steht alles nachzulesen im gedruckten Tagesspiegel heute auf Seite 10.

Und genau dort, wo die neuen Kreuzberger Bügel stehn, ist auch der Eingang zum Ort für die morgige Veranstaltung der Chamisso Akademie: „Der Einfall der Transzendenz“. Morgen, 16 Uhr. In Weilands Wellfood. Da geh ich hin. Man sieht sich! Unterschicht, Mittelschicht und Oberschicht willkommen.

 Posted by at 17:21