Von Bismarck über Stresemann zu Adenauer …

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Dez 262010
 

Wir begingen (begingen?) heute fröhlich radelnd den zweiten Weihnachtstag. Das Fahrrad fährt seine Überlegenheit gegenüber dem Auto gerade bei Schnee und Eis noch deutlicher aus, was man an diesem Foto sieht: auf schön geräumtem Radweg sind meine Lieben schon davongehuscht, ehe ich meine Handy-Kamera in Anschlag gebracht habe. Wir kommen gerade von der Plamannschen Erziehungsanstalt her, an der Bismarck seine Grundschulzeit verleben musste (musste?): Stresemannstraße 30. Das Foto zeigt die Stresemannstraße, die ehemalige Königgrätzer Straße, weiter oben, Richtung Deutschlandhaus, neben dem ALDI, der immer so gute Sonderangebote an Xenion-Computern bereithält.

In guter Stimmung ließ ich mich bei Madame Toussaud zusammen mit dem eisernen Kanzler ablichten, den ich wegen seiner mitunter knorrig-unsympathischen, dennoch diplomatisch-verbindlichen  Art schätze. Wie öfters schon angedeutet, hege ich eine gewisse Vorliebe für unsympathische Politiker. Ein knorriger Charakter kann Ausweis lauterer Gesinnung sein!

Noch höher in meiner Achtung als Fürst Bismarck stehen Gustav Stresemann und  vor allem Konrad Adenauer. Hans-Peter Schwarz hat sicherlich eines der Erfolgsgeheimnisse Adenauers erfasst, wenn er über ihn sagt:

„Deutschland, so hämmert er der Öffentlichkeit ein, versteht sich nicht mehr als autonomer Akteur, sondern nur noch als Teil eines größeren Ganzen – Europas, der freien Welt  westlicher Demokratien, der atlantischen Staatengemeinschaft! Die Akzente mögen wechseln, an der Grundorientierung selbst ist kein Zweifel erlaubt.“

Zitat: Hans-Peter Schwarz: Adenauer. Der Staatsmann: 1952 – 1967. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1991, S. 526

Adenauer war ein Meister der Kunst, zerrissene oder scheinbar zerrissene Tischtücher wieder zusammenzunähen. Wie er etwa die widerborstigen Saarländer durch geduldiges Hinhalten, durch Abwarten wieder hereinholte, das ist wahrhaft vorbildlich gewesen!

„Meine Herren, nun wollen wir aber nicht das Tischtuch mit den Saarländern zerreißen … wir müssen uns wieder zusammenraufen … “ So oder so ähnlich begann einer seiner meist kürzeren Wortbeiträge im CDU-Bundesvorstand, als man wieder einmal über eine notorisch zerstrittene Parteigliederung verhandelte. Adenauer wusste: Parteienstreit gehört zum Wesen der Demokratie dazu, und er wusste, dass Streit auch innerhalb der Parteien zum täglichen Brot gehören kann, aber nicht gehören muss.

 

 Posted by at 23:13
Jun 172009
 

Ich gerate auf dem Weg zur Arbeit in die Demonstration der Berliner Schüler und Studenten für bessere Bildung. Ich zückte mein Handy und nahm ein Video auf, das ihr sehen könnt, indem ihr hier drauf klickt. Zahlreiche Organisationen haben zum Schulstreik aufgerufen. Na, das kenne ich. Ich war als Schülersprecher damals ebenfalls an der einen oder anderen Aktion beteiligt. Wir forderten die Drittelparität in der Schulkonferenz. Wir wollten die volle Demokratie in der Schule. Ich selber war meistens bei solchen Umtrieben mit dabei. Mein Vater stand leider auf der Gegenseite: Er unterrichtete Grundschulpädagogik, galt als Marionette des Kultusministers, der die böse ASchO, die Allgemeine Schulordnung, erlassen hatte – frecherweise, ohne uns Schüler vorher um Erlaubnis zu bitten. Dass ich meinen Vater als Hampelmann des bayerischen Kultusministers Hans Maier in einer Karikatur entdecken musste, gab mir aber doch einen einen Stich mitten ins Herz.

Heute empfand ich das ganze eher als Getöse, als nicht ganz ernstzunehmen. Es war ein Happening.  Zwar halte ich es immer für gut, wenn man gute Bildung fördert und fordert. Aber dann sollte man bei sich selbst anfangen. Niemand hindert die Schüler am Lernen. Ich sehe keine Schüler und Schülerinnen, die wirklich hart, fleißig und zielgerichtet mit dem selbstbestimmten Lernen beschäftigt sind. Ich sehe die Jugendlichen trommeln, in Bars herumhängen, mit Handys telefonieren, kiffen, rauchen und trinken. Ich weiß: Nicht alle sind so. Aber sie haben viel Geld, viel Zeit und Eltern, die kaum etwas von ihnen zu erwarten scheinen. Die Schüler sind in der Schule weitgehend unterfordert.

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Ich lasse mir ein Flugblatt geben. Die Sozialistische Jugend Die Falken SJD schreibt:

Der Kapitalismus frisst den ganzen Bildungskuchen und alle Studienplätzchen alleine.

WIR FORDERN: GEBÄCK FÜR ALLE.

Wir brauchen den Kapitalismus nicht.

Nur gemeinsam können wir das System überwinden.

Aha. Also doch. Die Demo wird instrumentalisiert, um gezielt den Überdruss am Kapitalismus zu schüren. Intelligenz ist also eine Art Keks, den der Staat an uns alle verteilen soll. Kostenlos.

An meiner heutigen Arbeitsstätte angekommen, lese ich das Handelsblatt von gestern. Kanzlerin Merkel rechtfertigt erneut die umfassenden staatlichen Hilfen für einzelne Wirtschaftszweige. Ich lese:

Merkel wie Steinmeier bekannten sich zum Modell des Exportlandes Deutschland. Zwar sei die exportabhängige deutsche Wirtschaft momentan von der Krise besonders stark betroffen. „Es gibt aber keine Alternative dazu, dass wir eine exportstarke Nation sind“, hob Merkel hervor, „ansonsten ist unser Wohlstand in Gefahr.“ Damit setzt die Bundesregierung ihren Kurs der staatlichen Rettungspolitik fort und schlägt Warnungen der Wirtschaftsforscher in den Wind, dem Export zu sehr zu vertrauen.

Auch BDI-Präsident Hans-Peter Keitel sieht keine Alternative zu einem „starken Industrieland Deutschland“. Der frühere Hoch-Tief-Chef warnte die Wirtschaft jedoch davor, sich in der Krise zu stark auf Staatshilfen zu verlassen. Außerdem mahnte er eine wirkliche Reform der Steuer- und Sozialsysteme an. Sonst erreiche man das Ziel nicht, gestärkt aus der Krise hervorzugehen.

Ist unser Wohlstand in Gefahr, wenn die Exporte dauerhaft und massiv einbrechen? Ja! Ist die Sicherung des Wohlstands ein vorrangiges Ziel der Politik? Offensichtlich ja.

Kann der Staat für seine Bürger den Wohlstand sichern? Hierauf lautet meine Antwort: Nein. Es kann nicht Ziel des Staates sein, den Wohlstand der Bürger durch exorbitante Verschuldung für eine Legislaturperiode zu sichern. Die Bürger müssen sich den Wohlstand erarbeiten. Durch Fleiß, durch kluges Handeln, durch Beharrlichkeit und Redlichkeit. Der Staat kann allenfalls Rahmenbedingungen setzen. Er ist nicht dafür zuständig, den Wohlstand der jetzt Lebenden durch Verschuldung der künftigen Generationen zu sichern.

Es gibt Werte, die weit wichtiger sind als der Wohlstand: Das ist das Recht, das ist die Freiheit. Durch die jetzige Politik der Hochverschuldung wird die Freiheit der nach uns Kommenden beschnitten. Und auch das Recht wird beeinträchtigt, etwa durch die törichterweise im Grundgesetz verankerte „Schuldenbremse“. Es ist nicht schlimm, wenn unser Lebensstandard erheblich zurückgeht. Es ist schlimm, wenn Freiheitsrechte der Menschen durch immer neue Eingriffe des Staates in die Wirtschaft und durch immer einseitigere Ansprüche der Bürger an den Staat beschnitten werden.

Es wird der trügerische Wahn erzeugt, staatliches Handeln könne maßgeblich Wohlstand sichern. Ich sage: Das Handeln des Staates kann den Wohlstand ebensowenig sichern wie zusätzliche Bildungsmilliarden das gute Lernen der Schüler garantieren. Man fragt immer erneut beim Staat an. „Mach uns glücklich durch Glückskekse, Vater Staat! Mach uns klug durch Klugheitsgebäck, Mutti Bundesrepublik! Mach uns reich, oh Konjunkturprogramm II!“

Dieser selbstherrliche Anspruch des Staates, wie ihn Kanzlerin Merkel wieder und wieder formuliert, nämlich das Glück und den Wohlstand der Bürger zu sichern, führt in die Irre. Das ist die neueste Fassung eines polemischen alten Wortes, das der gute Bismarck prägte, als er seine Sozialversicherungen einführte: Staatssozialismus.

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Apr 172009
 

Ich bin natürlich ein Produkt meiner Zeit und der westlichen Moderne, ich bin ein Stiefkind der Aufklärung. Der dekadente Punkt ist, dass mich in der Auseinandersetzung mit dem Religiösen vor allem interessiert, daraus Kunst zu machen.“ So äußert sich Feridun Zaimoglu in einem Interview im neuesten Magazin tip Berlin 09/2009, S. 50, unter dem Titel: „Wo gärt das Böse?“ Allein schon deswegen musste ich mir Karten für morgen abend bestellen. Dann wird Zaimoglus neues Theaterstück „Nathan Messias“ unter der Regie von Neco Celik im Ballhaus Naunystraße aufgeführt. Ich bin selbst dort schon mehrfach mit der Geige aufgetreten – wie mag es sich seither verändert haben? Ich werde euch von der Aufführung berichten! Mir gefällt, dass endlich einmal jemand persönlich angeben kann, was ihn an den orientalischen Religionen Islam, Christentum und Judentum fasziniert! Pro-Reli-Unterstützer  – bitte hinschauen, gucken!

Das Foto oben zeigt die Knabenschule Bismarcks, die Plamannsche Anstalt, aufgenommen heute in der Stresemannstraße.

Als normales Produkt unseres staatlichen Unterrichts verließ ich 1832  die Schule als Pantheist, und wenn nicht als Republikaner, doch mit der Überzeugung, daß die Republik die vernünftigste Staatsform sei, und mit Nachdenken über die Ursachen, welche Millionen von Menschen bestimmen könnten, einem dauernd zu gehorchen, während ich von Erwachsenen manche bittre oder geringschätzige Kritik über die Herrscher hören konnte.“

An diesem Anfang der „Gedanken und Erinnerungen“ Otto von Bismarcks gefällt mir, wie nüchtern er seine Bedingtheit einschätzt. Er sagt: Als junger Mann teilte ich die wesentlichen Überzeugungen, die man im Laufe der Jugend einfach so erwirbt. Und so erwarb Bismarck auch sein Nationalgefühl und wurde vorübergehend Anhänger der deutschnationalen, demokratischen Burschenschaften. Sein knochentrockenes Verdikt: „Ich hatte den Eindruck einer Verbindung von Utopie und Mangel an Bildung.“ Großartig, dieser Schriftsteller! Seine kleinen Boshaftigkeiten beweisen, dass er weitergedacht hat, dass er – nicht anders als Zaimoglu – die Fähigkeit und Ehrlichkeit aufbrachte, über die Determiniertheit, die sich der Erziehung schuldet, hinauszugehen.

Wir sind – einerseits – schlicht ein Produkt unserer Erziehung und unserer Zeit. Das wird niemand leugnen können. Aber andererseits besitzen wir die Freiheit, zu neuen Ufern aufzubrechen. Zaimoglu und Bismarck haben dies getan. Und dadurch wird die Sache so spannend.

Heute nahm ich an einer Führung der CDU durch Kreuzberg West teil. Der Herr Sielaff, durchtränkt mit Wissen über seinen alten Bezirk, zeigte uns das Haus, in dem einst die Plamannsche Anstalt untergebracht war. Dort ward Bismarck vom sechsten bis zum zwölften Jahre erzogen und genoß auch die turnerische Vorschule mit Jahnschen Traditionen. Mir fiel gleich der Anfang der Bismarckschen Autobiographie ein, und ich rezitierte ihn, wo nicht wort-, so doch sinngetreu. Und ich schloss keck an: „Auch wenn ich Demokrat und Republikaner bin: Die erste Seite von Bismarcks Lebenserinnerungen sollte jeder Politiker lesen!““Aber dafür haben die Politiker keine Zeit“, scholl es mir entgegen.

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Wie auch immer –  unser Viertel birgt so mancherlei kostbare Spuren – unter anderem auch das Wohnhaus von Konrad Zuse, in welchem der Erfinder des ersten funktionsfähigen Computers wohnte. War er auch nur ein Produkt Kreuzbergs? Oder hatte er die Kraft, der Welt mehr zu zeigen als das Produkt der Umstände, die ihn gemacht hatten?

 Posted by at 23:26
Mrz 132009
 

Mehrfach hatten wir in diesem Blog auf Bismarck als einen wesentlichen Schöpfer unseres heutigen Sozialstaates hingewiesen, so etwa am 20. und 21.02.2009.  Und am 09.03.2009 zitierten wir einen unglücklichen Bordellbetreiber, der dem guten deutschen Sozialstaat die Schuld an seiner kriminellen Karriere gab: „Wenn es den Sozialstaat nicht gäbe, wären wir nicht hier.“ Ist der Sozialstaat an allem schuld?

Ist also Bismarck für alles in Haft zu nehmen? Der Bericht im aktuellen SPIEGEL, Nr. 11/2009 „Geschlossene Gesellschaft“ ist da recht unerbittlich. Michael Sauga analysiert das Auseinanderfallen von „ganz arm“ und „ganz reich“. Es ist eine unleugbare Tatsache, dass das reale Nettoeinkommen bei den reichsten 10% der Bevölkerung seit 1992 um 31 Prozent zugenommen, bei den ärmsten 10% dagegen um 10% abgenommen hat. Die Oberschicht reproduziert sich weitgehend selbst, unabhängig von Leistung und Verdienst. An keiner Stelle wurde versucht, die bismarckschen Grundpflöcke des obrigkeitlich verordneten Sozialstaates zu versetzen. Es hat seit 1888 nie mehr eine durchgreifende Sozialreform in Deutschland gegeben! Sauka schreibt:

„Doch wann immer im Nachkriegsdeutschland eine wichtige sozialpolitische Weichenstellung anstand, setzten sich die Bismarck-Jünger durch. Von der Rente bis zur Pflege wurden die wichtigsten Zweige des Wohlfahrtsstaates als Versicherungskasse organisiert, zum Nutzen der bessergestellten Stände und nicht zuletzt der politischen Klasse. Sie merkte bald, welch geeignetes Instrument ihnen das deutsche Sozialstaatsmodell in die Hände gab, sich als Wohltäter des kleinen Mannes zu inszenieren.“

Der Spiegel 11/2009, S. 64

Damit trifft er den Nagel auf Kopf. Kaum irgendwo wird das deutlicher als im Bundesland Berlin, wo die Parteien, allen voran die SPD und die CDU, über Jahrzehnte hinweg ein sattes Klienteldenken gepflegt und gehätschelt haben. Durch großzügig ausgereichte Wohltaten sicherten sich die Mehrheitsparteien die Zustimmung beim gemeinen Volk. Wer besser und glaubwürdiger versprach, der gewann die Wahlen.

Das ging gut, solange die Wirtschaft insgesamt sowohl nominal als auch real wuchs. Und jetzt geht es eben nicht mehr gut. Wir haben es nicht nur mit schrumpfenden Städten, sondern auch mit schrumpfenden Wirtschaften zu tun. Die eherne Voraussetzung, auf die Ludwig Erhard sein Modell der sozialen Marktwirtschaft gegründet hatte, nämlich das beständig steigende Einkommen in allen Schichten des Volkes, bricht unter den Füßen weg.

Das Umdenken fällt sehr, sehr schwer! Finanzsenator Sarrazin, ein aufrechter Einzelkämpfer, konnte sich zeit seines Amtes nicht an die Berliner Denke anpassen und machte seinem Ingrimm durch allerlei spöttisch-kantige Sprüche Luft. Er wusste sich keinen anderen Ausweg mehr. Doch Berlin hat ihn nicht so recht verstanden. Sarrazin erkaufte sich keine breite Zustimmung durch die Massen, er wurde zum Risiko für seine Partei und deren Regierungsmacht.

Dabei böte die Krise die Chance zu echten Reformen. Allerdings müsste der Staat sich dazu auf seine Kernaufgaben besinnen: Herstellung der Chancengleichheit für alle, Verhinderung von ungehemmter Ausbeutung der Machtpositionen durch die „Geschlossene Gesellschaft“ der Mächtigen, Schutz aller vor Hunger, Obdachlosigkeit und schwerer Verelendung, Durchsetzung des Gewaltmonopols, Durchsetzung des Rechtsstaates. Von der Vorstellung, dass jeder und jede möglichst viel vom großen Kuchen heraushacken soll, gilt es sich zu verabschieden.

Dieses Ausbeutungsdenken gegenüber dem von vielen erwirtschafteten Reichtum zeigt sich erneut in den üppig ausgezahlten Boni und Abfindungen der Banken und Versicherungen: Trotz Verlusten in Rekordhöhe zahlen Banken und Versicherungen ihren Führungskräften Boni in Millionenhöhe aus. Ein Beispiel von vielen, das die Berliner Zeitung heute berichtet:

Die Gesamtbezüge der Allianz-Vorstände gaben im Jahresvergleich um fast ein Drittel auf 26,3 Millionen Euro nach. Top-Verdiener war Allianz-Chef Michael Diekmann, der allerdings mit 3,8 Millionen Euro rund 27 Prozent weniger erhielt als vor einem Jahr. Der Anfang des Jahres aus dem Vorstand ausgeschiedene frühere Dresdner-Bank-Chef Herbert Walter blieb 2008 mit 1,06 Millionen Euro und fast um zwei Drittel unter dem Vorjahresbezügen. Er erhält allerdings – wie bereits bekannt – zudem für die vorzeitige Auflösung seines Arbeitsvertrags eine Abfindung von knapp 3,6 Millionen Euro. Die Dresdner Bank war tief in den Strudel der Finanzkrise geraten und hatte ihre einstige Konzernmutter Allianz im vergangenen Jahr mit einem Minus von 6,4 Milliarden Euro schwer belastet.

Die athenische Demokratie, häufig genug als Modell der Demokratie schlechthin gepriesen, hatte ein sehr ausgeprägtes System der Verhinderung von Übermacht: wer zu reich oder zu mächtig wurde, dessen Einfluss wurde per Volksentscheid eingedämmt, bis hin zur Verbannung. Ein drastisches Mittel, das heute mit dem Rechtsstaaat kollidieren würde!  Aber Machtbegrenzungsmechanismen braucht jede funktionierende Demokratie. Die unsrigen sind nicht zielgenau genug. Das ganze System lädt zur fröhlichen Selbstbedienung auf Kosten des Gemeinwohls ein, und zwar quer durch alle Einkommensklassen.

Nachdenken tut not. Der Fall Opel zeigt uns noch einmal eine hypertrophe Blüte des obrigkeitlichen Denkens: der Staat soll Retter spielen, er soll sich das Wohlwollen der Untertanen erkaufen, indem er ihnen den Arbeitsplatz rettet.  Die Dankbarkeit der Untertanen gegenüber dem Retter wird grenzenlos sein – mindestens bis zur nächsten Bundestagswahl.

Und Bismarck? Der kann doch nichts dafür! Er tat das, was er damals für das Richtige hielt. Dass seine Nachfahren so mutlos sein würden, konnte er nicht ahnen. Dafür ist ihm kein Vorwurf zu machen.

 Posted by at 20:34

Bismarck lässt grüßen!

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Feb 212009
 

Aus Spiegel online vomTage ein paar Bemerkungen, die das im vorigen Eintrag Behauptete stützen können (Fettdruck von diesem Blogger).

Umweltflüchtlinge: „Irgendwann kommen nicht nur ein paar Boote, sondern Millionen“ – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Wissenschaft
Frage: Ist unsere Demokratie mittlerweile nicht gefestigt genug?

Welzer: Unsere Gesellschaft ist in der Demokratie angekommen, aber sie hat noch keinen Schlechtwettertest bestanden. Es gibt die begründete Hypothese, dass die Loyalität der Bürger schwindet, sobald das System ihre Versorgungserwartungen nicht mehr erfüllt. Bereits jetzt erodiert die Zustimmung zur Demokratie in Bevölkerungsgruppen, die wirtschaftlich weniger Erfolg haben. Die Finanzkrise wird das Vertrauen in unser System nicht stärken. Da bröckelt so einiges.

Frage: Sollten Demokratien nicht per se leistungsfähiger sein als andere Systeme?

Welzer: Der Erfolg der chinesischen Gesellschaft beruht nicht auf Demokratie. Obwohl die dortige Regierung autoritär ist, nimmt sie die Bedürfnisse der Bevölkerung wahr und reagiert auch darauf. Außerdem hat sie den Vorteil, dass sie einfach planen und exekutieren kann. Wir sehen am Horizont erfolgreiche politische Systeme, die zugleich autokratisch und kapitalistisch sind.

Frage: Nach der klassischen liberalen Gesellschaftstheorie sollten sich Markt und Freiheit gegenseitig bedingen.

Welzer: Das ist ja das Problem, dass die zuständigen Wissenschaften solche Entwicklungen in den letzten Jahren völlig verpennt haben. Die beschäftigen sich mit Diskursen und Metaproblemen, mit hochkomplexen Foucaultschen Theorien oder mit der Kulturgeschichte des Fahrstuhls. Sie bekommen aber nicht mit, wenn eine ganze Hemisphäre unterzugehen beginnt, so wie 1989 der Ostblock. Damals ist die Gesellschaftstheorie praktisch zum Erliegen gekommen.

Frage: Passiert beim Klimawandel derzeit das Gleiche?

Welzer: Ich denke schon. Man muss die Gesellschaftswissenschaftler regelrecht darauf stoßen, dass die globale Erwärmung auch soziale Folgen haben wird.

 Posted by at 23:30

„Der Staatssozialismus paukt sich durch“, oder: Würde Bismarck DIE LINKE wählen?

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Feb 202009
 

Das Bundessozialgericht hat gestern erkannt, dass ein Hartz-IV-Empfänger keinen Anspruch auf Kabel-TV hat, wenn sonst eine Grundversorgung mit Fernsehprogrammen gesichert ist (Az.: B 4 AS 48/08 R).  Ferner: Ein Hartz-IV-Empfänger hat Anspruch auf einen Privat-PKW bis zum Wert von 7500 Euro, so die Rechtslage.-

Heute kaufte ich zum ersten Mal selbst auf dem Türkenmarkt am Maybachufer ein – siehe obiges Foto – und sparte dabei gegenüber ALDI sicherlich mehr als monatliche Kabelgebühren ein.- Der Präsident der Deutschen Kinderhilfe e.V. Ehrmann beklagte heute, dass ein großer Teil der Hartz-IV-empfangenden Eltern nikotin- oder alkoholabhängig sei und dass deshalb eine Hartz-IV-Erhöhung nicht bei den Kindern ankommen würde.

Grund genug für ein paar allgemeinere Überlegungen! Jeder Bürger – sowohl deutsche Staatsbürger wie auch dauerhaft hier lebende ausländische Bürger – hat in der Bundesrepublik nach der Sozialgesetzgebung Anspruch auf eine Grundversorgung durch den Staat – bis hin zu einem Auto, zu Fernsehen u. dgl. mehr. Er muss nicht betteln und flehen – dies ist der große Unterschied zur Armenfürsorge.

Woher kommt dieser Anspruch? Letztlich aus der Sozialversicherung. Diese wurde unter Reichskanzler Bismarck eingeführt: Arbeitnehmer-Krankenversicherung 1883 – Unfallversicherung 1884 – Alters- und Invalidenversicherung 1889. Sie sind letztlich bis heute die Säulen des Sozialstaates geblieben und entfalten weiter eine ungeheure Binde- und Anziehungskraft, weit in andere Staaten wie Russland oder die Türkei hinein. Ist das gerecht? Ist es gerecht, dass eine Familie in Kreuzberg ohne erkennbare Anstrengung drei- oder viermal soviel Geld erhält wie eine ebenso große Familie in Incekum, in der Vater und Mutter arbeiten?

Der deutsche Staat garantiert jedenfalls seit 1889 umfassende Versorgungsverpflichtungen und sichert so eine Zustimmung der breiten Massen zur eigenen Herrschaft. Bismarck selbst hat dies am 26. Juni 1881 gegenüber dem Schriftsteller Moritz Busch so formuliert:

„Es ist möglich, dass unsere Politik einmal zugrunde geht, wenn ich tot bin. Aber der Staatssozialismus paukt sich durch. Jeder, der diesen Gedanken wieder aufnimmt, wird ans Ruder kommen.“

War Bismarck Sozialist? In gewissem Sinne – ja! Denn er kalkulierte, dass der Staat nur durch eine weitreichende Absicherung aller wesentlichen Daseinsrisiken dauerhaft die Zustimmung seiner Bürger behalten könne. In diesem Sinne setzte er sein Vertrauen in die verpflichtende Einbeziehung aller in ein System der Versicherung auf Wechselseitigkeit. Damit grub er den erklärten Sozialisten das Wasser ab.

Wenn heute DIE LINKE erneut keine Gelegenheit auslässt, um die staatlichen Versorgungs- und Absicherungspflichten hervorzuheben, und mit großem Nachdruck eine Erhöhung der „entwürdigend niedrigen“ Regelsätze fordert, kann sie sich auf einen selbsterklärten Staatssozialisten und Wegbereiter berufen, der ihr viel näher steht, als ihr bewusst ist: den Reichskanzler Otto von Bismarck.

Wird sie ans Ruder kommen, wie Bismarck es voraussah? Es wäre sein letzter Triumph!

Nachweis des Bismarck-Zitates vom 26.06.1881: Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen, Band 1, Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik, 4. Auflage, München 2002, S. 250

 Posted by at 23:26