Wer sind eigentlich die „Franken“ in Donizettis Dalinda?

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Apr 292023
 

Zufällig habe ich die Ehre, neben einem echten Franken im Chor der Cavalieri Franchi, der „fränkischen Ritter“ zu singen. „Des basst fei scho!“, murmeln wir einander zu. Wir sind doch wacker, frank&frei, frisch – wie eben die Franken ganz allgemein sind – und als Beweis dafür brauche ich nur den Dreggsagg Michl Müller, die Putzfraa Ines Procter oder auch schlicht die Altneihauser Feierwehrkapell’n zu nennen, die wir Jahr um Jahr in Veitshöchsheim bewundern dürfen.

Doch enttäuscht muss ich feststellen, dass wir uns haben in die Irre führen lassen, denn ausgerechnet die italienische Wikipedia klärt uns auf, dass als „Franchi“, oder auch „Franji“ in der Zeit der Kreuzzüge alle Angehörigen des Westens bezeichnet wurden:

„Nel Medio Oriente, in particolare in Terra Santa, ma anche in Grecia, dopo la Prima crociata tutti gli occidentali venivano indicati come „Franchi“ (Franji), indipendentemente dalla nazione d’origine, per via del massiccio numero e dell’importanza dei capi francesi (come Raimondo di TolosaStefano di Blois e Baldovino) che vi parteciparono.“

https://it.wikipedia.org/wiki/Franchi

Als Cavalieri Franchi sind wir also schlicht Kämpfer des lateinischen Westens, Vertreter der zügellos ins Land einfallenden Invasionsheere, die unter den Einheimischen im Nahen und Mittleren Osten Angst und Schrecken verbreiteten; und in genau diese Zeit der ersten Welle der sogenannten Kreuzzüge (von 1096 bis 1291) werden wir durch die Oper Dalinda hineinversetzt! Wir werden unvermutet Teil jener weltgeschichtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Westen und dem Osten, die bis zum heutigen Tag auf der politischen Bühne, in den Köpfen und Herzen der Menschen inszeniert wird.

Hinweis:

14. Mai 2023, 19 Uhr: Welturaufführung: Dalinda. Oper von Gaetano Donizetti. Dramma in tre atti, Napoli 1838 (da Felice Romani, Lucrezia Borgia, melodramma in un prologo e due atti). Kritische RICORDI-Edition von Eleonora Di Cintio. Berliner Operngruppe. Leitung: Felix Krieger. FABBRICA-Opera di Roma: Giulia Randazzo (szenische Einrichtung) / Gaia Tagliabue (Kostüme) / Giulia Belle (Ausstattung)‍. In Kooperation mit Opera Co-Pro. Konzerthaus Berlin, Gendarmenmarkt 2, 10117 Berlin

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Dalinda – die rätselhafte Schwester Lucrezias

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Apr 222023
 

Die Chorproben für den öffentlichen Einzug Dalindas, einer verschollen geglaubten Schwester der Lucrezia, sind in vollem Gange! Mit größter Sorgfalt feilen wir an den erregten Zwischenrufen des Chores, der die aufgepeitschten Volksmassen zur Zeit des dritten Kreuzzuges mit unerbittlicher Schärfe verkörpert. Mal himmelhoch jauchzend, mal hämisch grinsend, mal friedensselig jubilierend, stets ein Spielball der Leidenschaften, – das sind wir — Männer eben! Und doch – ungelöste Rätsel bleiben! Vor allem der riesige Unterschied der Lebenszeiträume – trotz desselben Vaters! Die beiden sind Schwestern, haben denselben Vater, Gaetano Donizetti. Dalinda lebte, wirkte, litt Entsetzliches und starb als Ehefrau des ismaelitischen Herrschers Achmet zur Zeit des dritten Kreuzzuges.

Lucrezia, eine stolze Fürstin aus dem Geschlecht der Borgia, lebte von 1480-1519, tat es den mächtigen Männern nach, übertrumpfte die meisten Männer und starb hochgeehrt als Herzogin von Ferrara. Und beide Schwestern wurden immer wieder post mortem von der Öffentlichkeit ferngehalten – oder hemmungslos mit Lügen der Männer verleumdet.

Was ist Wahrheit bei den beiden Schwestern? Diese bohrende Frage wird hoffentlich am 14. Mai 2023 im Konzerthaus am Gendarmenmarkt einer Antwort nähergebracht.

Hinweis:

14. Mai 2023, 19 Uhr: Welturaufführung: Dalinda. Oper von Gaetano Donizetti. Dramma in tre atti, Napoli 1838 (da Felice Romani, Lucrezia Borgia, melodramma in un prologo e due atti). Kritische RICORDI Edition von Eleonora Di CintioBerliner Operngruppe. Leitung: Felix Krieger. FABBRICA-Opera di Roma: Giulia Randazzo (szenische Einrichtung) / Gaia Tagliabie (Kostüme) / Giulia Belle (Ausstattung)‍. In Kooperation mit Opera Co-Pro. Konzerthaus Berlin, Gendarmenmarkt 2, 10117 Berlin

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In der Morgenröte gewappnet mit glühender Geduld

 Ostern  Kommentare deaktiviert für In der Morgenröte gewappnet mit glühender Geduld
Apr 102023
 

In der Morgenröte gewappnet
mit glühender Geduld
AUFERSTANDEN
werden wir in die strahlenden
Städte einziehen

Mit diesen Versen Pablo Nerudas entließen sie mich, den in der Grabeskälte der ungeheizten Augsburger Moritzkirche bis auf die Knochen Fröstelnden, aus der morgendlichen Ostermette hinaus in die Stadt. Heimschreitend federnden Schritts sah ich schon von weitem an der Haltestelle Pilgerhaus eine kleine Gruppe raufender, kämpfender, schimpfender, fast tänzelnd einander in den Armen liegend ringender Jugendlicher; „siehe da, der alte Adam ist immer noch da, ecce homo, hi-ne Adam!“, dacht es in mir da! Auch am frühesten Ostermorgen brach also sofort wieder Gewalt aus! Ich trat tänzelnden, federnden, kampfbereiten Schrittes näher, gewappnet mit der Bereitschaft mich mit eigenen Armes Kraft zu verteidigen. Da scholl er mir, dem Vorbeischreitenden, schon aus beiden Mündern entgegen, „Servus“, der alte Augsburger Friedens- und Freundesgruß – und ich erwiderte gleichfalls: „Servus – und Frohe Ostern!“ „Auch Frohe Ostern!“, echote es aus beiden Mündern der freundlich lächelnden Männer.

Da erkannte ich meinen Irrtum und schlug mir lachend an die Stirn:

Nicht tänzelnd gerauft, sondern lachend getanzt,
Nicht geschumpfen, nicht gesumpft, nicht gerungen,
sondern gebrummt und gesummt und gesungen,
haben am Pilgerhaus die Augsburger Jungen.


Servus Ostern! Das fängt ja gut an!

Bild: Ein Blick geworfen auf die Fluten des Lechs vom Hochablass flussaufwärts. Aufnahme vom 09.04.2023

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Angelehnt an das Gitter der Zeiten: Bert Brecht

 Augsburg, Bert Brecht, Eigene Gedichte, Planwirtschaft  Kommentare deaktiviert für Angelehnt an das Gitter der Zeiten: Bert Brecht
Apr 082023
 

Meiner Vaterstadt Dichter, wie find ich ihn doch?
Angelehnt ans lebensrettende Gitter
nimmt er die Gestalt eines weiß überstrichenen Tandems an.
Gemütlich lächelnd wacht er vor dem Haus,
das seinen Namen trägt.
Zwischen den Zahnrädern, nein zwischen den Zähnen
höre ich ihn pfeifen –
„Ja macht nur einen Plan, und macht noch einen Plan…“
Dann wendet er sich ab von dem Fremden,
der seine Vaterstadt mit ihm teilt.
Es ist ja Karsamstag. Tag der Grabesruhe.
Das war seine Erklärung zum heutigen Tag.

Fremd geworden, steige ich den altvertrauten Pilgerhausberg hinan.
Es regnet nieselnd, lächelnd im Regen
blickt mir der Dichter hinterher
angelehnt an das ihn haltende Gitter der Zeit.

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Finizio – eine Hütte für Kugelmenschen

 Antike, Eigene Gedichte, Frau und Mann, Mären, Platon, Schöneberg  Kommentare deaktiviert für Finizio – eine Hütte für Kugelmenschen
Apr 042023
 

Eine Hütte für Kugelmenschen entdeckte ich vor zwei Tagen im Cheruskerpark!

Schön aufgeschlichtet aus sauber behauenen Planken
Von hellem Holz erhebt sich nun ein kleines Büdchen
Mit freundlichem Schornstein mitten auf kahlgetret’ner Wiese.
Wer mag darin wohnen, für wen ist das Hüttchen bestimmt?
Ein Blick auf die hell leuchtende Tür gibt Auskunft: die Kugelmenschen
Sind’s, von denen schon Aristophanes in Platons Symposium erzählt.
Denn ursprünglich gab es ja nicht die Unterscheidung in Mann und Frau,
Sondern die ersten Menschen besaßen Kugelform, bewegten sich
In alle Richtungen, rollten umher und gaben sich allerlei Freuden hin.
Drei Gattungen gab es, das männliche und das weibliche und auch das
Gemischtgeschlechtliche. Und so schillerte eine bunte Palette an
Unterschiedlichsten Mengungen. Keiner war eindeutig festzulegen.
Selige Vorzeit, als die schroffe Scheidung in männlich und weiblich
Noch nicht eingeführt war! An diesen Urzustand knüpft der heutige
Geschlechterdiskurs erneut an. Und so mag denn
In diesem Hüttchen zugleich Anfang und Ende der Menschheitsgeschichte
Verkörpert sein. Inizio heißt ja auf italienisch Anfang. Fine dagegen
Heißt Ende, und so ist auf wundersame Weise Anfang und Ende
In diesem kleinen Büdchen symbolisch vereinigt, und der Name des Büdchens
Lautet: Finizio. Trefflich gesagt, zu finden im Cheruskerpark zu Berlin, Schöneberg.


Aufnahme vom 2. April 2023

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Schön ist deiner Erfindung Pracht

 Angst, Apokalypse, Klimawandel, Natur, Natur-Park Schöneberger Südgelände  Kommentare deaktiviert für Schön ist deiner Erfindung Pracht
Apr 022023
 

Sandstrohblume, Habichtskraut, Eberesche, Hartriegel, Rispenflockenblume, Rainfarn, Nachtkerze, Weinrosen – diese Pflanzenarten und noch viele mehr, nämlich über 350 Pflanzenarten sind hier im Schöneberger Südgelände nachgewiesen!

Friedrich Gottlieb Klopstock fasst die staunenswerte Fülle, die die natürliche Umwelt uns bietet, mit folgenden Worten:

Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht,
Auf die Fluhren zerstreut ; schöner ein froh Gesichte,
Das den großen Gedanken
Deiner Schöpfung noch einmahl denkt.

Die Natur – so erlebt der Dichter dies 1750 bei seiner Fahrt auf der Zürcher See – ist eine prachtvolle Erfinderin, deren Einfallsreichtum uns immer wieder in Staunen versetzt. Nicht der Mensch hat die Natur geschaffen, sie ist vor ihm da und wird ihn auch überdauern. Die Natur ist zunächst einmal nicht unser Gegenstand, sondern das uns Ergreifende, uns Entzückende.

Von der schimmernden See weinvollen Ufer her,
Oder, flohest du schon wieder zum Himmel auf,
Komm im röthenden Strale,
Auf den Flügeln der Abendluft ;

Komm, und lehre mein Lied jugendlich heiter seyn,
Süße Freude, wie du ! gleich dem aufwallenden
Vollen Jauchzen des Jüngelings!
Sanft, der fühlenden Sch — inn gleich.

Während für das heutige besorgende, verwaltende Denken und Rechnen die Natur wie auch das Klima im wesentlichen nur noch als Lebensgrundlage des Menschen, als Menschendienliches, als eine Art gewaltige berechenbare Maschine erscheint, die es am Laufen zu halten gilt, gerät der Dichter außer sich, – er denkt über das reine Menschsein hinaus, er denkt – nach. Er weiß, dass er über die Natur (wie auch über das Klima) keine Gewalt hat.

Dies, so meine ich, sollten wir heute ebenfalls beherzigen.

Und wir Menschen – dürfen das mit Herz und Sinn, mit Verstand und Gefühl genießen. Für die durch die Medien maßlos hochgepeitschte, apokalyptische Angst vor dem vielbeschworenen Untergang der Welt, wie wir sie kennen, besteht, so meine ich, kein Anlass, nicht der geringste Anlass!

Der Natur-Park Südgelände ist ein prachtvolles Zeugnis für den Erfindungsreichtum der Natur – hier hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte fast ohne Zutun des Menschen auf einer verlassenen Eisenbahnbrache eine Lebensgemeinschaft herausgebildet, die artenreich, widerständig, lebensstrotzend, klimawandelresistent und wandelbar ist.

Gedruckte Erstfassung hier zitiert nach:
1750. Friedrich Gottlieb Klopstock: Zweyte Ode von der Fahrt auf der Zürcher See. In: Gedichte 1700-1770. Nach den Erstdrucken in zeitlicher Folge herausgegeben von Jürgen Stenzel. [=Epochen der deutschen Lyrik in 10 Bänden. Herausgegeben von Walther Killy. Band 5], 2. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1977, S. 243-245, hier: S. 243

Bild: Ein Blick in den Natur-Park Schöneberger Südgelände am heutigen 2. April 2023

 Posted by at 19:22