Dez 132016
 

Ein bemerkenswertes Zwiegespräch entfaltete sich vergangenen Sonnabend zwischen den zwei wohl berühmtesten Schriftstellern unserer Zeit. Lassen wir sie doch am Frauenplan im Hause des Geheimen Rathes zusammentreffen. Als Gesprächspartner wählen wir den Kanzler Müller; Berichterstatter sei in diesem kleinen Phantasiestück Johann Peter Eckermann.

Und so lesen wir gleich hinein in die nachträglich angefertigten Notizen des getreuen Eckermann, wobei wir noch vorausschicken, dass der soeben behandelte Gegenstand nichts anderes als die Ode auf den 5. Mai von Alessandro Manzoni gewesen war.

[…] »Euer Exzellenz«, sagte ich, »sprechen große Dinge aus, und ich bin glücklich, Ihnen zuzuhören.« – »Manzoni«, sagte Goethe, »hilft uns zu guten Gedanken.« Er wollte in Äußerung seiner Betrachtungen fortfahren, als der Kanzler an der Pforte von Goethes Hausgarten uns entgegentrat und so das Gespräch unterbrochen wurde. Er gesellte sich als ein Willkommener zu uns, der freilich nicht allein kam, sondern zwei Schriftsteller mitbrachte, die soeben aus dem herzoglichen Theater nachhause kehrten und sich ganz offenkundig in einem angeregten Gespräch über die soeben gesehene Vorstellung befunden hatten.

„Seien Sie uns willkommen in unserer bescheidenen Oberbühne“, grüßte Goethe, der selbst weniger und weniger ins Theater ging. Die drei Männer kamen über das Büstenzimmer in den länglichen Saal, wo die Rouleaus niedergelassen waren und auf dem Tische am Fenster zwei Lichter brannten. Der Kanzler stellte beide in knappen Worten vor: der erste war der aus St. Peter-Ording stammende Autor Michael Hohlbeck, eine angenehme, fast jugendliche Erscheinung von wohl 58 oder 60 Jahren, gepflegt locker mit offenem Hemdkragen erscheinend, aber nicht abgerissen gekleidet, wie es in den Berliner Salons seit Jahren üblich geworden; der andre, Bodo Cimetière, soeben erst aus Reggio Calabria zurückgekehrt, wo er einige Nachforschungen zu seinem jüngsten Roman angestellt, trug noch einen Panama Jenkins, der ihm leider doch etwas Stutzerhaftes verlieh; auf unglückliche Weise verstärkt wurde dieser Eindruck dadurch, dass die Herstellermarke STETSON deutlich an einer geckenhaft flatternden Banderole abzulesen war.

Wir setzten uns um den Tisch, der Hausherr schenkte in die bereitstehenden Gläser reichlich aus der bereits geöffneten Flasche „Würzburger Stein“ ein und fragte Hohlbeck: „Sie kommen aus dem Theater? Wurde da heute nicht Ihre „Unterwerfung“ gegeben? Ich habe Ihren Roman mit Gewinn gelesen, und möchte wohl wissen, wie unser Schauspieldirektor Ihre vielfach verwinkelte, tolldreiste Geschichte in ein Theaterstück umgemodelt hat?“

„Nun, ich war selbst äußerst gespannt, habe den Theatermachern aber völlig freie Hand gelassen“, wich Hohlbeck aus, indem er sich eine Zigarette ansteckte und an seinem Weinglas nippte. Einen kurzen Moment herrschte Schweigen. Goethe zeigte eine Regung von Ungeduld und forderte uns auf, mehr zu erzählen.

„Die ganze Handlung des Romans wird in ein Lazarett verlegt“, schaltete sich unvermittelt der Kanzler ein, „ein genialer Schachzug, wie er eigentlich nur einem so bedeutenden Theatermann wie unserem guten ***** einfallen konnte. Der Held des Romans erlebt die gesamte Handlung wie in einem Fieberwahn. Ihn plagt eine hartnäckige Fußpilzerkrankung, und während um ihn herum in ganz Frankreich ein islamischer Präsident das Leben grundhaft umgestaltet, erfährt unser Held im Krankensaal jede nur erdenkliche Zuwendung durch seine Pflegerin und einen Kollegen von der Académie!“

Goethe setzte, als hätte ihn ein bislang versteckter Groll ergriffen, sein Glas ruckhaft heftig auf und begann also mit sich allmählich steigerndem Unmut: „Die heutigen Schriftsteller schreiben alle, als wären sie krank und die ganze Welt ein Lazarett. Alle sprechen sie von dem Leiden und dem Jammer der Erde und von den Freuden der Zukunft, und unzufrieden, wie schon alle sind, hetzt einer den andern in noch größere Unzufriedenheit hinein. Das ist ein wahrer Mißbrauch der dramatischen Kunst, die uns doch eigentlich dazu gegeben ist, um die kleinen Verhältnisse des Lebens kraftvoll zu steigern und den Menschen mit der Welt bekannter zu machen, ja ihn letztlich zu ermutigen, die Welt, wie sie nun einmal ist, kräftig wirkend und strebend zu verändern.  Aber die jetzige Generation fürchtet sich vor aller echten Kraft, und nur bei der Schwäche ist es ihr gemütlich und poetisch zu Sinne; echte Dramen, wie sie uns Schiller mit seinem Wallenstein geschenkt, werden schon lange nicht mehr geschrieben.“

Hohlbeck, Cimetière, der Kanzler und ich wussten darauf vorderhand nichts darauf zu erwidern. Wir saßen stumm da und sagten nichts.  »Euer Exzellenz«, sagte ich endlich, um das betretene Schweigen zu brechen, »sprechen etwas Wahres aus, und wir sind glücklich, Ihnen zuzuhören.«

»Ich habe ein gutes Wort gefunden,« fuhr Goethe fort, »um diese Herren zu ärgern. Ich will ihre Schauspiele die ›Lazarett-Dramatik‹ nennen; dagegen die echt ›tyrtäische‹ diejenige, die nicht bloß Schlachtlieder auf offener Bühne singt, sondern auch den Menschen mit Mut ausrüstet, die Kämpfe des Lebens zu bestehen.«

Goethes Worte erhielten meine ganze Zustimmung. Cimetière, der Kanzler und Hohlbeck hingegen erkannten wohl, dass mit dem Alten heute Abend kein einvernehmlicher Diskurs mehr zu führen war.

Wir tranken, nachdem wir uns mit stummen Blicken ausgetauscht, unseren Würzburger Stein aus, wussten das Gespräch auf unbedeutende Zeitung zu lenken, etwa das Verbot der Pferdedroschken, das die neue Berliner Stadtregierung am Pariser Platz einzuführen gedachte, sowie auch den Literaturpreis, den Cimetière von der Leipziger Buchmesse soeben erhalten hatte. So konnte nicht der Eindruck entstehen, der Abend habe mit einem Mißklang geendet.

Wir verabschiedeten uns artig mit einigen französischen Wendungen, verließen den länglichen Saal, gingen die Stiege hinab und nahmen die am Frauenplan bereitstehende Pferdedroschke, um jedes möglichst rasch nachhause zu gelangen, während Goethe oben noch seinem Würzburger Stein beim Schein der beiden am Fenster herabbrennenden Kerzen zusprechen mochte.

Hinweis:
Das vorstehende frei erfundene  „Phantasiestück“ verwendet freizügig unterschiedlichste Stoffe aus folgenden Quellen:

Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Mit erläuterndem Register besorgt von Hans Jürgen Meinerts. Im Bertelsmann Lesering 1960,  S. 190-192 (=Einträge vom 23. Juli 1827 / 24. September 1827)

Unterwerfung. Nach dem Roman von Michel Houellebecq. Regie: Stephan Kimmig. Deutsches Theater, Berlin, Aufführung gesehen im Dezember 2016

Michel Houellebecq:  Soumission, Flammarion, Paris 2015

Bodo Kirchhoff: Widerfahrnis. Eine Novelle, Frankfurt 2016, hier insbesondere S. 174

Foto:

Ein Blick aus dem Saal im Wohnhaus Goethes auf den Garten, Weimar, Radtour vom 19.07.2015

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Befreit von Eifersucht und Zank: die Geschichte des zweibeweibten Grafen von Gleichen

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Sep 042015
 

Freudenthal 20150718_144042

Gleich hinter Mühlberg erreichten wir in sengender Mittagshitze auf sanfter Anhöhe liegend das Gasthaus Freudenthal. Hier, bei der Autobahn A 4 war’s, dass um 1240 der Graf von Gleichen diesen Ansitz errichtete, nachdem er aus der Gefangenschaft des Sultans wiedergekehrt war. Ihn hatte die Liebe der schönen Sultanstocher Melachsala gerettet; sie hatte sich für den gefangenen Sklaven, den Grafen Ernst III. von Gleichen eingesetzt und floh heimlich mit ihm aus den Gärten des Sultans nach Rom. Dort ließ sie sich taufen, erhielt nach längeren Verhandlungen vom Papst ausnahmsweise die Zustimmung zur Heirat mit dem bereits verheirateten Grafen. Bei der Heimkehr nach Thüringen an genau diesen Ort, der hier oben im Foto zu sehen ist, begrüßte Ernsts Ehefrau die Retterin ihres Gemahls mit großer Freude. Und fortan lebte der Graf bis zu seinem Tode mit Melachsala und Ottilia glücklich zusammen; im Erfurter Dom ist zu Urkund dessen der Grabstein des zweibeweibten Grafen bis zum heutigen Tage zu sehen, Franz Schubert komponierte eine Oper zu diesem Stoff, die allerdings unvollendet geblieben ist; Goethe zollt der Geschichte in der Erstfassung seines Schauspiels Stella Hochachtung, Moritz von Schwind hat das Ereignis als Gemälde festgehalten, das Gasthaus Freudenthal bezeugt die Wahrheit dieses Triumphs des Humanum, dieser Versöhnung zwischen Islam und Christentum, ebenso wie die Bushaltestelle Freudenthal, die hier im Bild zu sehen ist.

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Tuckernde Trecker zu Pfifferlingen in Mühlberg

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Sep 042015
 

Lanz 20150718_125940

In Mühlberg, das wir am 18. Juli nach 8 km gemächlicher Fahrt von Wechmar her erreichten, stießen wir auf eine Bulldogparade. Begeisterte, stolze Treckerfans hatten sich mit ihren uralten Traktoren auf dem Marktplatz versammelt; ein besonders schönes Exemplar stellte dieser tuckernde LANZ BULLDOG aus den 50er Jahren dar. Acht solche Prachtstücke reihten sich hintereinander und zogen unüberhörbar einmal die Hauptstraße hinauf und dann wieder zurück. Wir ließen uns im Schatten der uralten Dorflinde nieder, lauschten den Klängen der sich entfernenden und wieder herannahenden Bulldogs und genehmigten uns ein zünftiges Mittagessen mit Pfifferlingen vor der historischen Kulisse des Ratskellers.

Ratskeller 20150718_130941

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Im Schatten ihrer Flügel – am Stammhaus der Bachs

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Aug 122015
 

Wanja Wechmar

Den andern Tag – also am 18. Juli – erreichten wir schon nach kurzer Fahrt von Gotha herkommend den kleinen Flecken Wechmar. Hier hielten wir am Stammhaus der Familie Bach an. Als Ahnherr der Linie mit den vielen Musikern gilt heute der Bäcker Veit Bach. Veit Bach war – so erzählt Albert Schweitzer – aus Thüringen nach Ungarn ausgewandert und kehrte dann dorthin zurück, „als die Leiden der Gegenreformation über die Deutschen daselbst niederbrachen. Er ließ sich in Wechmar, nahe bei Gotha, nieder. Wenn er in die Mühle ging, um Getreide mahlen zu lassen, nahm er die Zither mit und musizierte derweilen, ohne sich um das Getöse und Geklapper zu kümmern.“

Nun, war es so? Kümmerte er sich wirklich nicht um das Getöse und Geklapper? Die gesamte Genealogie der Bach-Familie vor Johann Sebastian Bach (geb. am 21.03.1685 in Eisenach) ist weiterhin Gegenstand von Forschungen! Gesichert dürfte sein, dass die Vorfahren J.S.Bachs meist begabte Musikanten oder auch nebenamtliche Musiker waren; ohnehin dürfte der Unterschied zwischen Musikant und Musiker damals unerheblich gewesen sein.

Wie auch immer! Als wir um die Mittagsstunde am Bach-Stammhaus ankamen, war es  geschlossen. Wir schossen ein paar Fotos und schwangen uns aufs Rad Richtung Mühlberg. Das Getöse und Geklapper der Mühle vernahmen wir nicht, aber in mir tönt ohnehin immerfort die Musik Johann Sebastian Bachs.

Bild: ein junger Musikant sitzt einfach so vor dem Stammhaus der Bachs in Wichmar.

Zitatnachweis:
Albert Schweitzer: „Von Eisenach bis Leipzig“, in: ders., J.S. Bach. Vorrede von Charles Marie Widor. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1976, S. 84-97, hier S. 84

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Auf! Zu Boxbergs stäubender Rennbahn!

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Aug 112015
 

Laucha

Durch sanft geschwungene Wiesen, vorbei am murmelnden Laufe der Hörsel, umsummt vom Sirren der Mücken führte der Weg in der zweiten Etappe uns hin. Bei der Wuthaer Verwerfung hielten wir an. Wellenkalkschichten sind hier im Laufe von 250 Millionen Jahren aufeinander getürmt worden. Mechterstädt, Laucha, Fröttstädt waren wie kleinere Murmeln an einer wellig ausgelegten Kordel aneinandergereiht. Jetzt rückte die Sonne in den Zenith. Es wurde heißer und heißer, und die Sonne versendete glühenden Brand, und von der unendlichen Mühe ermattet sanken die Knie! Und horch, da bimmelt es silberhell, ganz nahe wie Kreischen naht‘ es sich schnell. Wir hielten stille zu lauschen und zu hoffen. Da war sie! Die Thüringer Waldbahn!

Wie ließen es uns nicht nehmen, von Leina nach Boxberg eine Station mit der Thüringer Waldbahn zu fahren, wobei wir die Räder mit aufluden. Herrlich, mit einer solchen außerstädtischen Straßenbahn durch die im Sonneglast daliegende Landschaft zu gondeln!

Schließlich erreichten wir Boxberg. Dort tranken und aßen und tranken wir im Schutze mächtig aufgespannter Sonnenschirme.

Galopprennbahn BoxbergDas mondäne Leben des Kaiserreiches konnte man noch in der 1878 gegründeten Galopprennbahn Boxberg nachempfinden. Wieviele Rennen mochten hier wohl stattgefunden haben?

 

Beim Blick auf die staubige Rennbahn kamen mir einige Verse von Andreas Gryphius und Friedrich Schiller in den Sinn, die ja immer wieder das Leben als eine Rennebahn beschrieben haben.

 

Rennebahn

Schau nun hier diese Rennebahn an und genieße die Verse Schillers:

 

 

 

Trotzig schauet und kühn aus finstern Wimpern der Jüngling,
Und gehärtet zum Kampf, spannet die Sehne sich an.
Fern in der Speere Gewühl und auf die stäubende Rennbahn
Ruft ihn der lockende Ruhm, reißt ihn der brausende Muth.

 

Dann ließen wir unsere „Pferdchen“ laufen.  Was für ein Glück, das Schlußstück der Etappe führte im rasenden Hui hinab nach Gotha. Doch dort ging es wieder bergauf, ehe wir unser Quartier am Stadtrand erreicht hatten. Dieses letzte Stück verlangte uns bei hochsommerlich aufgeheizten Hitzegraden alles ab! Lockender Ruhm? Pah! Uns kam es nur noch auf das Ankommen, das Überstehen an!

Doch wir schafften es, müde, staubig, durstig, nach Schatten, Wasser und Ruhe lechzend – und sehr sehr erschöpft!

 

 

 

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Nieselregen: im Bann des Hörselbergs

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Aug 072015
 

Hörselberg
Hinter ragt uns die Wartburg, hinter uns ruht die Automobile Welt Eisenach! Der zweite Tag der Radtour beginnt in leichtem Nieselregen. Wir nehmen die Bahnhofstraße und folgen zunächst stur dem Straßenverlauf, bis wir merken, dass wir wegen zunehmenden Regens die Regenkleidung auspacken müssen. Wir halten in einer sanft geschwungenen Bushaltbucht an und kleiden uns mit dem Regenzeug theatermäßig um. Recht bald hört der Regen auf.

Wir fahren am Güterbahnhof entlang und biegen dann links in eine leicht holprige Sackgasse ab. Diese führt uns auf einen pappelgesäumten Radweg, welcher dem Laufe der Hörsel erst auf der einen, dann auf der anderen Seite folgt. Wir trauen der gut sichtbaren Beschilderung, überqueren die B7, und fahren unterm schnurrenden surrenden Klang der Fahrräder am Steinacker entlang, und dann immer rechts Richtung Kahlenberg. Hier halten wir an.

Da! Vor unseren Augen liegen endlich die sagenumwobenen Hörselberge. Das Foto oben zeigt sie.
Sie beschrieb Richard Wagner zu Beginn seines Tannhäusers mit folgenden Worten:

Die Bühne stellt das Innere des Venusberges Hörselberges bei Eisenach dar. Weite Grotte, welche sich im Hintergrunde durch eine Biegung nach rechts wie unabsehbar dahin zieht. Aus einer zerklüfteten Öffnung, durch welche mattes Tageslicht hereinscheint, stürzt sich die Höhe der Grotte entlang ein grünlicher Wasserfall herab, wild über Gestein schäumend; aus dem Becken, welches das Wasser auffängt, fliesst nach dem ferneren Hintergrunde der Bach hin, welcher dort sich zu einem See sammelt, in welchem man die Gestalten badender Najaden, und an dessen Ufern gelagerte Sirenen gewahrt. Zu beiden Seiten der Grotte Felsenvorsprünge von unregelmässiger Form, mit wunderbaren, korallenartigen tropischen Gewächsen bewachsen.

http://www.opera-guide.ch/opera.php?uilang=de&id=410#libretto

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Tugend, Liebe, Eintracht – Schlüsselwörter der Nationenbildung

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Aug 062015
 

schwarzrotgold20150716_135753
Hier im Festsaal der Wartburg erhalten heute die Eisenacher Abiturienten jedes Jahr ihr Abiturzeugnis überreicht. Ein besonderer, ein erhebender Augenblick, wie uns unsere Burgerzählerin aus eigner Erfahrung versicherte!

Die Flagge links an der Wand geht auf die Burschenschaften vom Wartburgfest des Jahres 1817 zurück. Hier in Eisenach wurden 1817 erstmals die Farben Schwarz-Rot-Gold als Bekenntnis zum erstrebten deutschen Nationalstaat verwendet. Die Flagge der heutigen Bundesrepublik Deutschland und der früheren Deutschen Demokratischen Republik findet hier, in der Flagge der deutschen Burschenschaften ihren Ursprung. Die Studenten von 1817 wünschten sich einen einheitlichen, alle Deutschen im Geist der Freiheit und Gleichheit umfassenden Staat, der auf dem Gedanken des Volkswillens und des gleichen Rechts für alle aufruhte.

In ihrer Einladung zum Wartburgfest schrieb die Jenaer Urburschenschaft 1815 folgende Sätze:
„Der Himmel segne unser gemeinsames Streben Ein Volk zu werden, das voll der Tugenden der Väter und Brüder durch Liebe und Eintracht die Schwächen und Fehler beider beseitigt.“

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Luthers Splitter

 31. Oktober 1517, Thüringer Städtekette  Kommentare deaktiviert für Luthers Splitter
Aug 062015
 

Walknochen Luthers 2014-05-01 10.35.50
Dieser Wirbel eines Wales ist das einzige originale Exponat aus der Wartburg-Schreibstube Martin Luthers, das heute noch erhalten ist. Der Schreibtisch, auf dem er im Winter 1521/1522 das Neue Testament in sein geliebtes Deutsch übersetzte, wanderte in tausende feine Splitter zerlegt in den Händen und Taschen der Luther-Anhänger hinaus in die Weite!
WetzelsLuther20150716_141630

Dieses Bild stammt von Christoph Wetzel. Entstanden 1999. Es hängt im Museum der Wartburg. Gedankenverloren, sinnend, steht „Luther unter dem Kreuz“. Der intellektuelle, religiöse Superstar des frühen 16. Jahrhunderts scheint von Zweifeln geplagt. Was bleibt ihm – der Verweis auf einen, der ihn im Leiden um Kreuzeshöhe überragt? Das eine Auge wirkt trübe, so als könnte dieser Luther die ganze Tragweite seines Handelns nicht überblicken. Sein Blick scheint mir zu sagen:

„Ach! War das nötig? Musste das sein? War es ein Missverständnis? Werdet ihr – die Menschen des 21. Jahrhunderts – mich und IHN heute besser verstehen als ich mich und IHN damals verstand? Hätte es auch ganz anders ausgehen können? War es eine Tragödie? Habe ich das so gewollt? Hätte er, der HErr, das so gewollt?“ Und Luther sprach und schrieb doch ein so klares, verständliches, frisches Latein, dass ich ihm die folgenden Worte in den Mund legte: „Equidem puto totam nostram vitam poenitentiam ad Jesum Christum esse. At poenitentia, id est conversio sempiterna, id est recursus animae ad Deum.“

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Elisabeth, Venus, Klingsor – wofür stehen sie alle?

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Aug 062015
 

Blick aus dem Palas20150716_132456
Immer noch stehen wir in Eisenach am 16. Juli. Dies hier ist ein Blick aus dem Palas, dem ältesten noch erhaltenen Bauteil der Burg, hinaus auf die Touristen. Und so ging es weiter: Endlich um 13.00 Uhr begann die Führung durch die Wartburg. Eine junge Eisenacherin in eleganten Schuhen führte uns. Immer wieder hob sie hervor „Willkommen bei UNS“, „WIR haben hier einen der schönsten Säle UNSERER Burg vor uns“, „Diese Legende gefällt MIR am besten“. Ein Kind der Stadt, zu Füßen der Wartburg groß geworden, führte uns also munter und witzig in einen Teil ihrer Regionalgeschichte ein. So muss es laufen! Ansonsten bleibt uns die deutsche Geschichte ein leblos-papierenes Bildungsgut. Die junge Frau stand erkennbar auf Du und Du sowohl mit Elisabeth von Thüringen als auch mit der Venus im Hörselberg, die Richard Wagners Tannhäuser verführt hat!
Sängerkrieg20150716_134747
So stellte sich Moritz von Schwind den Sängerkrieg auf der Wartburg vor: Heinrich von Ofterdingen hatte dem ausrichtenden Landgrafen (rechts) die Schmach angetan, ihn nicht über den grünen Klee zu preisen, dafür verlor er den Sängerkrieg und sollte wie in der Auslobung festgelegt sterben. Doch mithilfe des fernöstlichen Zauberers Klingsor (links im Bild) gelang es ihm, unter der aufschiebenden Wirkung eines Quizduells die Hinrichtung zur Bewährung aussetzen zu lassen.

Die Inschrift des Malers ungefähr aus dem Jahre 1855 lautet:
IN DIESEM SAALE WURDE DER SÆNGER= / STREIT GEHALTEN DEN 7ten JULI 1207 / DEM GEBURTSTAG DER HEIL. ELISABETH.

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Eisenach, das Tor zur Thüringer Städtekette

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Aug 052015
 

Residenzhaus 20150716_111809
Eisenach, 16. Juli 2015. Nach der Ankunft in Eisenach kauften wir gleich einen Radwanderführer zur Thüringer Städtekette, denn allzu leicht lässt man die Perlen seitab des Weges liegen und schaut nicht links noch rechts. Eine sorgenfreie Navigation ist wirklich sinnvoll, wenn man große Ziele vor der Nase hat, denn dann kann man sich ausgiebig dem Betrachten und Genießen von all dem Herrlichen widmen, das einen erwartet.

Unser erster Weg vom Bahnhof Eisenach führte uns gleich zu unserem „Residenzhaus“ für eine Nacht, das in einem alten Gebäude am Marktplatz eingerichtet ist und strategisch sehr günstig als Basislager für die Besteigung des Burgberges liegt (siehe Bild oben). Dort legten wir erst einmal unsere Packtaschen ab und begannen die Erkundung der Stadt.

Der erste Anstieg unserer Radtour führte uns gleich im strahlenden Sonnenschein den Burgberg zur Wartburg hoch. Das dichte Laubgeflecht der herrlichen alten Buchen schirmte uns vor den Sonnenstrahlen ab, aber die Steigung war uns doch zu beschwerlich, als dass wir sie mit Pedalkraft hätten bewältigen können. So schoben wir unsere Räder den größeren Teil des Anstiegs zur Wartburg hoch und parkten sie am Fuße der Burg auf dem Parkplatz vor der Bude mit den Thüringer Bratwürsten.

Thüringer Wald20150716_123410

Dort oben belohnte uns im Hof ein großartiger Rundblick weit in den Thüringer Wald hinein.

Wir kauften uns Eintrittskarten für die nächste Führung, die um 13 Uhr beginnen sollte. Treffpunkt war am Brunnen vor dem Eingang zum Palas der Wartburg. Bis dahin bestiegen wir erst einmal den Südturm und blickten ringsum hinein in die grüne sonnenbeschienene Landschaft.
Auch war Zeit genug, um sich ein paar Grunddaten der Wartburg einzuprägen! Gegründet wurde die Wartburg der Sage nach 1067 vom Grafen Ludwig dem Springer. Die vier wichtigsten Ereignisse, für die diese Anlage als Schauplatz genannt wird, sind:
Der sagenhafte „Sängerkrieg auf der Wartburg“, ein Motiv, das wohl in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts aufblühte
Das Leben und Wirken der Elisabeth von Ungarn oder auch Elisabeth von Thüringen (1207 Pressburg (?) – 1231 Marburg), die sich durch tätige Nächstenliebe vor allem in Eisenach und Marburg für Arme, Kranke und Bedrängte einsetzte
Das politische Asyl vor der Verfolgung durch Kaiser und Reich, das Martin Luther 1521/22 hier genoß und das er zur Übersetzung des Neuen Testaments aus dem Griechischen ins Deutsche nutzte
Das erste „Wartburgfest“ deutscher Studenten und einiger Professoren am 18.10.1817, bei dem erstmals die schwarz-rot-goldene Flagge als Zeichen der nationalen Einheit gezeigt wurde.

Löwe20150716_125137

Oben auf dem Palas thronend bewachte uns aufmerksam ein mächtiger steinerner Löwe, das Wappentier der Landgrafen von Thüringen.

Hinweis zum Radwanderführer:
Gabi Weisheit: Der Thüringer Städtekette-Radwanderführer. Von Eisenach nach Altenburg. Verlag grünes Herz, 3. Aufl.. Ilmenau 2012

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Aufbruch und Befreiung: von Berlin über Torgau nach Eisenach

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Jul 302015
 

Torgau 20150716_081319
Dieses Jahr hatten wir uns die Thüringer Städtekette, einen gut ausgebauten Radfernweg, als Urlaubsroute gewählt. Sehr früh brachen wir am 16. Juli auf. Die Bahn sollte uns beide – meinen Sohn Ivan und mich – mit zweimaligem Umsteigen nach Eisenach bringen.
AUFBRUCH in aller Frühe! Den Schlaf wischen wir schon vor dem Läuten des Weckers aus den Augen. Am Bahnhof Südkreuz sagen wir Berlin für 5 Tage Adieu. Die Stationen ziehen gemächlich vorbei. Wir blinzeln hinaus. Das Wetter ist frisch, sonnig, einladend. In Falkenberg steigen wir um. Der zweite Halt hinter Falkenberg erzählt eine Geschichte: Hier im nordsächsischen Torgau reichten sich am 25. April 1945 sowjetische und US-amerikanische Truppen am Ufer der Elbe die Hände. Es war genau dieses Bild vom Händedruck der Amerikaner und der Russen, von dem für mich als kleines Kind stets die tröstliche Gewissheit ausging, dass der schlimme Krieg und die böse Hitlerzeit vorbei war. Im Grundschulalter wurde also für mich ausgerechnet TORGAU die Stadt des Feiertages, die Stadt der Befreiung! Es gibt wohl nur wenige, denen die Kreisstadt Torgau als die entscheidende Stadt für die Wende zum Besseren im Gedächtnis steht. Ich hatte, vielleicht zufällig, vielleicht unter Anleitung der Eltern, dieses Bild in dem bayerischen Geschichtsbuch „Wir erleben die Geschichte“, das ich als 8-jähriger las, so wahrgenommen.

Bild: ein zufälliger Blick auf Torgau aus dem wartenden Zug heraus. 16. Juli 2015. Im Vordergrund sichtbar: die beiden Fahrräder der Reisenden, hier mit dem deutlich erkennbaren Lenkeraufbau zum Einstecken der äußerst hilfreichen Lenkertasche

Zur Reisevorbereitung und zur Einstimmung hatten wir übrigens folgendes Radtourenbuch genutzt:
Thüringer Städtektte. Die schönsten Städte in Thüringen. Ein original bikeline-Radtourenbuch. Verlag Esterbauer, Rodingersdorf 2012

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Vom Vertrauen in das Wort

 Gemeinschaft im Wort, Goethe, Thüringer Städtekette  Kommentare deaktiviert für Vom Vertrauen in das Wort
Jul 172015
 

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Täler grünen, Hügel schwellen,
buschen sich zu Schattenruh,
und in schwanken Silberwellen
wogt die Saat der Ernte zu.
Wunsch um Wünsche zu erlangen,
schaue nach dem Glanze dort!
Leise bist du nur umfangen,
Schlaf ist Schale, wirf sie fort.

In diese Verse, die sich mir heute unwillkürlich beim Abfahren der Thüringer Städtekette zwischen Mechterstädt und Laucha aufdrängten, mag wohl vieles von dieser arkadischen Landschaft an den Ufern der Hörsel eingeflossen sein, die Goethe so oft durchritt, durchwanderte, durchfuhr. Jedenfalls bildete ich mir das ein. Ich glaubte daran! Und dieser Glaube daran, dass ein anderer eben diese Landschaft mit ähnlichen Gefühlen gesehen haben mag, der Glaube, dass wir beim Hindurchradeln im Grunde dasselbe sehen, hören und denken wie ein anderer, wie Goethe oder ein anderer, ist Quelle tiefen Glücks.
Ein Glaube nur, zweifellos, aber ein schöner! Er führt zur Gemeinschaft im Wort.

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Verwerfungen europäischen Denkens

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Jul 172015
 

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Hier an der Wuthaer Verwerfung, einem schrundig aufragenden, wohl an 100 m mächtigen Gefüge aus Wellenkalkschichten, ward mir heute klar, was die personalistische Naturerkenntnis eines Goethe, eines Heisenberg, eines Plato ausmacht. Überall erkannten sie das Wirken und Walten mächtiger Triebkräfte und Wirkprinzipien. In der Natur und in der Seele des Menschen erblickten sie das Abbild des anderen. Sie deuteten das Naturgeschehen im Spiegel des Seelischen. Und das Seelische erfuhren sie als Zwiesprache mit der Natur. So mag man etwa von den „Tiefenschichten des psychischen Geschehens“ sprechen wie von „magmatischen Prozessen des Symbolischen“. Ich selbst spreche gerne von „historischen Tiefenprägungen“ des politischen Geschehens. Das sind Bilder, Sprachbilder, wie sie auch die Geologen verwenden! Giordano Bruno und der mittlere Sigmund Freud gehören ebenfalls zu dieser einen Hälfte des Doppelchores europäischen Naturerkennens. Descartes, Aristoteles, Locke, Galilei hingegen sind Vorsänger der anderen Chorhälfte. Sie blicken skeptisch hinter den Spiegel. Natur als Analogon des Seelischen? Niemals. Sie misstrauen der Spiegelschrift. Naturerkenntnis soll sich stattdessen aufs Messen und Rechnen stützen. Das Bild trog.

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