Aus der Heimat hinter den Blitzen rot. Ein Totenopfer

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Aug 062024
 

6. August 2024. Zurückgekehrt bin ich aus Dresden, wo wir gestern die so plötzlich verstorbene Natalia Petrowski zur Ruhe der Waldeinsamkeit im Loschwitzer Friedhof betteten. Unser Abschied von einem geliebten Menschen endet nicht vor einem verschlossenen Tor, sondern öffnet neue Zugänge zu Menschen und Welten, die uns ohne ihren Tod wohl nicht offen gestanden hätten. In diesem Sinne bin ich der Abgeschiedenen, der Verstorbenen auch in der Trauer unendlich dankbar.

Hier oben ein Bild von einem meiner letzten Bühnentode, in der Kirche Sanct Jacobi in Perleberg bei einem Konzert der Lotte Lehmann Woche: Menschen kommen aus der Tiefe des Raumes, wo Sand und Wasser sich trennen, Menschen gehen zurück in das scheinbar Vertraute, das sich seither verändert hat und weiter verändern wird. Und so verändern wir uns mit ihnen.

„Und keiner kennt mich mehr hier.“ Ich singe hier gerade „In der Fremde“ von Robert Schumann, den Blick nach oben gerichtet, ins Lichte, ins Weite.

Und in dem all dem steckt Versöhnung. „Keiner kennt mich mehr hier“, so wie auch ich mich nicht mehr kennen muss. „Lass gehen, lass fahren dahin…“

Aufnahme vom 27. Juli 2024. Bühnenregie: Florian Hackspiel. Am Flügel: András Vermesy. Foto: Nico Dalchow

Credits:

Joseph von Eichendorff/Robert Schumann: „In der Fremde“, taken from: Eichendorff Totenopfer/Schumann Liederkreis, op. 39
Recorded live on stage at St. Jacobi Kirche in Perleberg, Prignitz district, Germany, during scenic concert for Lotte Lehmann Woche 2024, 27 July 2024
Johannes R. Hampel, tenor
András Vermesy, piano
Scene director: Florian Hackspiel
Director of photography: Nico Dalchow

Script:
Joseph von Eichendorff: Totenopfer. In der Fremde

Aus der Heimat hinter den Blitzen rot
Da kommen die Wolken her,
Aber Vater und Mutter sind lange tot,
Es kennt mich dort keiner mehr.
Wie bald, wie bald kommt die stille Zeit,
Da ruhe ich auch, und über mir
Rauschet die schöne Waldeinsamkeit
Und keiner mehr kennt mich auch hier.

Quelle: Joseph von Eichendorff: „In der Fremde“. Aus: „Totenopfer“. In: Joseph von Eichendorff: Werke in einem Band. Hg. von Wolfdietrich Rasch. 6. Aufl., Carl Hanser Verlag, München 2007, S. 221-235, hier S. 233

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Berlin leuchtete. Wir waren eine klingende Felsenwand, eine singende Straße, eine strahlende Heimstatt der Musik und des Menschen!

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Jun 052024
 

Freue mich über die wirklich heitere festliche, fröhliche Stunde mit viel Musik und Gesang und lauter netten Leuten, die wir gestern zusammen in der Augsburger Straße erleben durften! Scott Curry fand bewegende Worte zur Enthüllung der Gedenktafel an Busonis ehemaligem Wohnhaus: „Wir feiern hier nicht nur Busonis Musik, wir feiern auch dieses Haus, unsere Straßen und Plätze, die unsere Stadt Berlin zu einer so großartigen Heimstatt der Musik machen!“ Danke Busoni, danke Adam Oehlenschläger, danke Scott, danke Igor, danke an alle Beteiligten dieser heiteren Stunde!

Ich selbst fühlte mich übrigens gemäß der Regieanweisung Busonis als Teil der klingenden Felsenwände, da wir gemeinsam das muslimische Gebet an Allah des dänischen Romantikers Adam Gottlob Oehlenschläger sangen, das Busoni in Töne gesetzt hat.

Hier Medienberichte über die Feierstunde:

Busoni – YouTube

https://slippedisc.com/2024/06/berlin-commemorates-busoni
Igor Levit erinnert an Ferruccio Busoni | rbb (rbb-online.de)

Levit: Busoni hat einfach unfassbar tolle Musik geschrieben (morgenpost.de)

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Wenn Felsen singen: Busonis erhaben-erhebendes Gebet an Allah

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Jun 032024
 

Der einsame Höhepunkt der morgen anstehenden Enthüllung der Gedenktafel in der Augsburger Straße dürfte wohl die Vertonung eines muslimischen Gebetes an Allah sein, die Ferruccio Busoni in sein monumentales Klavierkonzert C-dur eingebaut hat. Entnommen ist das majestätische Gedicht dem Drama Aladdin und die Wunderlampe, das der dänische Dichter Adam Oehlenschläger auf den uns Heutigen wohlbekannten Stoff unter dem Titel  Aladdin eller den forunderlige lampe 1805 auf Dänisch und dann 1820 in seiner eigenen Übersetzung auch auf Deutsch veröffentlichte.

Busoni hatte begonnen, das Drama Oehlenschlägers zu einer Oper auszugestalten, gab das Vorhaben aber auf und verknüpfte stattdessen den orientalischen Märchenstoff mit seinem durchweg faustisch angelegten, monumentalen Klavierkonzert, in dem ein großer Geist danach strebt, „Musik über alles“ zu erschaffen – freilich in witzig-ironischer Brechung durch den in 1001 Farben irisierenden Märchenstoff!

Und gegen Ende des kolossalen Werkes finden wir uns in der gewaltigen Höhle wieder, aus der Aladdin ursprünglich die Lampe der Erkenntnis zuteil ward. Hört, lest selbst, wie da scheu tastend Aladdin und die zauberhafte Gulnare in das mystische Halbdunkel der Höhle eindringen:

Aladdin:
Wie ehrenfest und bieder.

Gulnare:
Hier wird es dunkler! Breite, schwarze Schatten werfen die Pfeiler. Wie geheimnisvoll!

Aladdin:
Die braunen Blöcke seh‘n uns an wie Krieger=Gesichter, von der Sonne schwarz gebrannt, wie tiefen Narben alter Heldentaten.

Gulnare:
Als Sterne blinket das Gestein im Dunkeln.

(Die Felsensäulen fangen an tief und leise zu ertönen.)

Ein ferner Chor singt:

Hebt zu der ewigen
Kraft eure Herzen;
Fühlet euch Allah nah ,
Schaut seine That!

 
Wechseln im Erdenlicht
Freuden und Schmerzen;
Ruhig hier stehen die
Pfeiler der Welt.

Tausend und tausend, und
Abermals tausende
Jahre, so ruhig wie
Jetzt in der Kraft,

Blitzen gediegen mit
Glanz und mit Festigkeit ,
Die Unverwüstlichkeit
Stellen sie dar.

Aus: Adam Oehlenschläger: Aladdin und die Wunderlampe, Amsterdam 1820, S. 254

Bild: C.D. Friedrich: Gebirgslandschaft mit Regenbogen. Öl auf Leinwand 1809/1810

EINLADUNG:
Enthüllung der Gedenktafel für Ferruccio Busoni an seinem Wohnhaus

Augsburger Str. 33 (ehemals 55), 10789 Berlin

am Di. den 4. Juni 2024 um 11:00

in Anwesenheit des Pianisten Igor Levit.

Catering von Salut, ein Kammerchor singt Busoni-bezogene Chorwerke.

Von 1902 bis 1908 lebte hier

der italienische Komponist

FERRUCCIO BUSONI

(Empoli 1866 – Berlin 1924)

und komponierte u.a. das Klavierkonzert op. 39,

die Turandot-Suite und die Elegien 1–6 

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Mond, Meer und Rosen in allen Farben

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Jan 312024
 

O, wie schön leuchtet doch der Mond, ehe der Sänger seinen Gesang anhebt im Blackmore’s! „Der Mond, irgendein Mond?“ – „O nein, der Wonnemond, dem die Winterstürme wichen!“

Aber im Ernst: Aus Wagners Walküre diese „Winterstürme wichen dem Wonnemond“, begleitet vom wunderbar getreuen Begleiter Uwe Streibel, vortragen zu dürfen, war ein wildes, berauschendes, beflügelndes Erlebnis. Zum Ausgleich „Torna a Surriento“ sang ich von Ernesto de Curtis hinterdrein. Da ist lächelndes Einverständnis zu hören, eine Liebe, die allem Abschied voraus ist, weil sie fest an das Wiederkommen glaubt!

Und das Duett „Schenkt man sich Rosen in Tirol“ von Carl Zeller passte zum Auftakt wundersam genug ebenfalls hinein – vorgetragen mit Heike Borchardt.

Stürmische Wogen spielten im milden Mondschein, Rosen in allen Farben leuchteten drein – ein verspieltes konzertantes Geburtstagsfest, ein geselliges Gesamtkunstwerk der Friends of Florence, an das wir gerne und lange zurückdenken!

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„Wenn die Erde geschüttelt wird in ihrem Beben…“ Die „Last Generation“ des 7. Jahrhunderts spricht

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Feb 152023
 
„…Und siehe, dunkler Rauch wird verhüllen die Sonne, verlassen werden verrotten die letzten Gerätschaften der verschwundenen Menschheit.“ Ist dies schon das Weltenende? Aufnahme vom 25.12.2022, Natur-Park Schöneberger Südgelände

„Wenn die Erde geschüttelt wird in ihrem Beben …“ Ich lese summend, klingend, eben rezitierend wie ich auch die Bibel der Juden und die der Christen lese, die Sure 99 im Koran – in der sehr eindrücklichen Übersetzung von Hartmut Bobzin. Diese mekkanischen Suren sind ja „beherrscht von der Thematik des nahenden Weltenendes“, wie dies Bobzin treffend ausdrückt.

Wie leicht schlägt sich da der Verständnisbogen zur heutigen Zeit!

Erdbeben, Wirbelstürme, Überschwemmungen und andere Naturkatastrophen galten damals wie heute als ein Anzeichen des Weltenendes! Ähnlich wie die Zeit Jesu von Nazareth, ähnlich wie die Zeit Martin Luthers war das 7. Jahrhundert ganz offenkundig eine Epoche der „Naherwartung“. So waren bekanntlich auch Martin Luther (gegen Ende seines Lebens) und Jesus von Nazareth selbst – wie die Last Generation unserer Zeit, die sich angsterfüllt an Autobahnen festklebt – zutiefst erfasst und durchzittert von der Erwartung des in Bälde bevorstehenden Untergangs dieser Welt „wie wir sie kennen“.

Ich meine: Die „Letzte Generation“ des 7. Jahrhunderts spricht auch heute noch zu uns. Ähnlich wie die „Last Generation“ unserer Tage waren damals viele Menschen überzeugt, dass es hienieden keine Zukunft mehr geben würde – durch unsere Schuld, durch unsere Schuld, durch unsre übergroße Schuld.

Ich werde am 17. Februar mit großer Freude erneut das Korano-Drama, diesmal den 2. Teil, besuchen. Das Leben hienieden, das Erkennen, das Erfahren, Staunen, Summen und Singen – es geht ja weiter!

Lesehinweis:

Der Koran. Aus dem Arabischen neu übertragen von Hartmut Bobzin unter Mitarbeit von Katharina Bobzin. C. H. Beck Verlag, 4. Aufl., München 2022, Sure 99, sowie auch bsd. S. 602 im Anhang

Veranstaltungshinweis:

Artistic Enactment of Quran. Eine künstlerische Aufarbeitung der Koransure 99 zum Mitmachen und Miterleben. Katholische Akademie in Berlin, Hannoversche Straße 5, 10115 Berlin, 17.02.2023, 14.00-19.00 Uhr

Artistic Enactment of Quran – Katholische Akademie in Berlin e.V. (katholische-akademie-berlin.de)

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Freude, Freiheit, Singen – „Einsingen um 9“

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Dez 302022
 

Einsingen um 9 – tägliches Einsingen um 9 Uhr via Live-Stream (einsingen-um-9.ch)

Schöne bestrahlte Bergwelt Mittenwald

Bereits seit vier Tagen besuche ich jeden Tag das aus der Schweiz in unseren humorärmeren Norden eingestrahlte „Einsingen um 9“, eine gewitzte Initiative einiger professioneller Sänger und Gesangspädagogen, die aus der Not der Corona-Krise eine Tugend des digitalen Zeitalters geschmiedet haben. Jeden Tag reichen sie uns eine neue Folge an Übungen, Liedern, Einsichten zum Einsingen, Mitsingen und Weitersingen dar.

Soweit mir ein Urteil zusteht, meine ich: Besser kann man die Grundlagen technisch sauberen und musikalisch ansprechenden Singens über digitale Medien nicht vermitteln. Natürlich wird damit die persönliche Arbeit mit Gesangspädagogen nicht überflüssig gemacht; diese wird unersetzlich bleiben für alle, die in größerem Rahmen solistisch auftreten wollen.

Aber die Grundlagen des professionellen Gesangsstudiums lassen sich sehr wohl mit dieser Methode mindestens erahnen, erkennen, einüben und festigen.

Jedes Einsingen folgt einem bestimmten Bild, einer vorgebahnten Strecke, einem Thema, flicht in diesen Rahmen kleine Weglein und Umweglein ein: körperliche Vorbereitung, stimmliches Aufwärmen, mentale Durchdringung, Bilder, Rätsel, Reime, Lieder – ein bunter Strauß an Einfällen, der aber stets verlässlich (soweit ich das beurteilen kann) absolut solide Grundlagen für das Singen, das Auftreten, die Darbietung sowohl des klassischen Gesangs wie auch des Popgesangs bietet.

Klasse gemacht! Ragazzi, siete bravissimi!

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Sep 172021
 

La serva padrona – Die Magd als Herrin Tickets, So, 14.11.2021 um 19:00 Uhr | Eventbrite

Zwei große Abende durften wir mit der Aufführung der Serva padrona erleben! Alle wirkten zusammen, die Theateratmosphäre knisterte, wir beflügelten einander im Spielen, im Singen! Glückes genug!

Das Singspielensemble Berlin. V.l.n.r.: Ursula Hillermann (unten, Violine), Johannes Hampel (Uberto), Eva Vo (unten, Violine), Gerardo Colella (Dirigent und Regisseur), Heike Borchardt (Serpina), Jürgen Grunewald (unten, Bratsche), George Stark (Vespone), Andreas Bährle (unten, Cello). Leider nicht auf dem Foto: Daniel Merkel (Kontrabass), Regina Knobel (Cembalo)

Viele versuchten umsonst, das Ernsteste ernsthaft zu sagen,
hier spielt es endlich, hier im Gelächter sich aus!

La serva padrona – Die Magd als Herrin Tickets, So, 14.11.2021 um 19:00 Uhr | Eventbrite

In der Tat, Pergolesi tänzelt und tändelt um die Abgründe der Kleinheit des Herzens, der Ichbezogenheit des Mannes herum. Was ist das doch für ein Typ, den ich da zu singen und zu spielen hatte! Dieser Uberto! Verlangt alles von anderen, nichts von sich selbst!

Mit List, Tücke, Hingabe, Zärtlichkeit erreicht es seine Ziehtochter Serpina, ihn für sich zu gewinnen. Sein Herz öffnet sich, sein Geldbeutel auch. Hä? Was lernen wir daraus? Nichts!

Von r.n.l.: George Stark (Capitan Tempesta/Vespone), Heike Borchardt (Serpina), Johannes Hampel (Uberto)

Und damit kommen wir auch schon zu den Grenzen dieses Stückes. Es belehrt uns nicht. Es führt uns in eine Offenheit der Deutung. Wir in der Truppe waren uns selbst nicht einig, ob es hier um echte Gefühle gehe oder doch nur um List, Täuschung und Eigennutz. Vielleicht ist es eine Mischung aus allem. Vielleicht sollte man das Ganze nicht tierisch ernst nehmen. Jedenfalls war es schön, hinreißend, ich fühlte mich vollkommen hineingetragen, hineingezogen in ein Spiel, das über die Begrenztheit des Ichs hinausgeht.

Wenn Schiller sagt, der Mensch sei nur da Mensch wo er spiele, so wage ich zu sagen: Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er singt und spielt, wo er lacht und weint, wo er scherzt und trauert, wo er sich der Unabgeschlossenheit seines Schicksals stellt, wo er die Unplanbarkeit des Lebens als den Freiraum nutzt und genießt, in dem er zu Entscheidungen hingezogen oder vielmehr hingesogen wird, die er schließlich als seine eigenen empfindet.

Und noch etwas füge ich hinzu: Wir spielten die Dienerin als Magd in einer zweisprachigen Fassung, die wir selbst erstellt hatten, wobei wir Arien und Duette im italienischen Original sangen, die Dialoge der Rezitative hingegen in unserer eigenen Übersetzung, angereichert mit Improvisationen, mit komödiantischen Elementen darboten. Das ganze Stück funktionierte also nur im Zusammenspiel zwischen zwei unterschiedlichen europäischen Sprachen: Italienisch und Deutsch. Im Kleinen gelang es uns also, ein perfektes Zusammenspiel zweier Kulturen zu inszenieren; denn nur im Verständnis des Italienischen konnte sich das Deutsche weiter entfalten. Umgekehrt bedurfte das Italienische vor einem des Italienischen unkundigen Publikum unbedingt der Übersetzung, Verdolmetschung, Verdeutlichung durch Geste, Handlung, Mimik und schließlich auch durch die eingefügten deutschen Dialoge. Man könnte es so sagen:

Viele versuchten umsonst, Europa im Großen zu gründen,
hier gelang es im Kleinen, die Länder Europens zu einen.

Applaus, Applaus, Applaus! Für die Musik, das Theater, den Gesang, die Menschen, Mann und Weib, Witz, Gelächter, Körper, Geld und Geist!

Zitatnachweise (Plagiatejäger – hier wird euch geholfen!):

Schiller, Friedrich: Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen. [2. Teil; 10. bis 16. Brief.] In: Friedrich Schiller (Hrsg.): Die Horen, Band 1, 2. Stück. Tübingen, 1795, S. 88

Hölderlin, Friedrich: „Sophokles.“ In: ders., Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 122
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„Alle schick im Hause Uberto?“ oder: das Trio vor dem Sturm

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Sep 022021
 
Das Trio vor dem Sturm: Heike Borchardt als Serpina, Johannes Hampel als Uberto, George Stark als Vespone

Mich erreichte im Frühling eine Anfrage, bei einer neuen Opernproduktion des Singspielensembles Berlin in der männlichen Hauptrolle mitzuwirken. Und welcher Sänger würde da zögern? Auf dem Spielplan steht:

Giovanni Battista Pergolesi / Gennarantonio Federico: La serva padrona / Die Magd als Herrin

La serva padrona – Die Magd als Herrin Tickets, So, 14.11.2021 um 19:00 Uhr | Eventbrite

Ein herrlicher duftiger Spaß, eine Erkundung der Tiefenschichten der männlichen, der weiblichen – nein: der menschlichen Psyche!

Worum geht es da?

Die Oper spielt in einem vornehmen Haushalt eines Edelmannes in einer italienischen Stadt, um 1730. Der alternde und mittlerweile sehr bequeme Junggeselle Uberto hat vor vielen Jahren die kleine Tochter verarmter Verwandten gnädig bei sich aufgenommen. Als Gegenleistung dient sie, zusammen mit dem Hausknecht Vespone, dem edlen Herrn als Magd.

Serpina ist mittlerweile zu einer reizenden Frau herangewachsen. Im Gegensatz zum armen Vespone, der arg unter ihrem Joch zu leiden hat, ist sie durchaus nicht auf den Mund gefallen. Sie besinnt sich ihrer aristokratischen Vorfahren und strebt nach Höherem. Doch im niederen Stand eines Dienstmädchens muss sie sich dafür etwas ganz Besonderes einfallen lassen…  Wird es ihr gelingen?

Arien und Duette singt das Singspielensemble Berlin in italienischer Originalfassung aus dem Jahr 1733. Die Dialoge spielt es deutsch in einer taufrischen Übersetzung aus dem Jahr 2021.

Es singen und spielen:

Serpina: Heike Borchardt
Uberto: Johannes Hampel
Vespone: George Stark

Streichorchester: Ursula Hillermann, Eva Vo, Andreas Bährle, Jürgen Grunewald, Daniel Merkel
Klavier: Regina Knobel
Neue Prosaübersetzung ins Deutsche und für den Gebrauch als Singspiel eingerichtet: Johannes Hampel

Künstlerische Gesamtleitung: Gerardo Colella

Samstag, 11. September 2021, 19 Uhr

Sonntag, 12. September 2021, 19 Uhr

Zugang nur mit Nachweis über „geimpft oder genesen oder getestet“

Testmöglichkeit vor Ort

Unkostenbeitrag 10 Euro

Restkarten an der Abendkasse/Einlass ab 18 Uhr

Neue Bühne Friedrichshain, Boxhagener Str. 18, 10245 Berlin

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Abhängig? Ja! Na und? Also einfach mal — abhängen!

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Dez 192020
 
Britzer Garten, Berlin-Neukölln, 29. November 2020

Gewisse Dinge können wir nicht ändern. Wir hängen Tag um Tag von vielen anderen Menschen ab. Wir hängen von Naturgesetzen ab, wie etwa der Schwerkraft auf dieser Erde. Uns ist es nicht gegeben, die Bedingungen unseres Hierseins und Soseins vollständig zu steuern. Und gerade deswegen ist es befreiend, im Bewusstsein der Abhängigkeit einfach einmal … abzuhängen. Sich hineinzubegeben in die Schwerkraft dieser Erde, sich langziehen zu lassen, minimale Bewegungs- und Freiheitsspielräume zu erkunden. Denn etwas kann man doch immer machen! Man muss nicht nichts machen! Man kann zum Beispiel diesen Hampelmann in leichte Bewegung bringen. Man kann sich hochziehen und damit etwas zur Stärkung seiner Muskelkräfte unternehmen.

Ich gewann an jenem schönen Sonntag im November 2020 weitere Beweise für meine Zuversicht, dass die Welt mit jedem Tag schöner wird, wenn man sie richtig anschaut. Nach langer Suche hatten wir endlich die Hampelmänner im Britzer Garten gefunden. Andere Spaziergänger trällerten mit ihren Kindern gerade das herrliche Lied:

Jetzt steigt Hampelmann, jetzt steigt Hampelmann
Aus seinem Bett heraus, aus seinem Bett heraus
Oh du mein Hampelmann, mein Hampelmann bist du.

Dieses ermutigende Kinderlied, dass ich noch aus meiner Kindheit kenne, gab mir den Schwung und die innere Zuversicht, in ein Spiel mit Abhängigkeit und Freiheit einzutreten.

Wer hätte gedacht, dass Neukölln so herrliche, so schöne Stellen bietet wie etwa diese herbstdurchsonnten Pfade im Britzer Garten!

Ja, es stimmte auch und gerade im November 2020, was Ludwig Uhland damals über den Frühling sagte und sang:

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag!

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„Gott will Mensch und sterblich werden“

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Nov 212020
 

Gott will Mensch und sterblich werden

3. Advent, Gottesdienst mit Taufe und festlicher Musik | Evangelische Halensee Gemeinde (kirchengemeinde-halensee.de)

Mich erreicht eine Einladung zu einem Gottesdienst unter diesem Motto, der ich mit Freuden singend Folge leisten will. Recht seltsam mutet jedoch der Titel dieser Arie an, die Georg Philipp Telemann in Töne gesetzt hat:

Gott will Mensch und sterblich werden.

3. Advent, Gottesdienst mit Taufe und festlicher Musik
Pfarrer Joachim Krätschell
Sonntag, 13. Dezember 2020, 10:00 – 11:00 Uhr
Ort: Kirche der ev. Kirchengemeinde Halensee, Westfälische Straße 70A, 10709 Berlin

„Gott will Mensch und sterblich werden“ Barocke Arien zum Advent
Musik von Johann Sebastian Bach und Georg Philipp Telemann

Johannes Hampel, Tenor; Franziska Ritter, Flöte; Kathrin Freyburg, Orgel und B.C.

Bild: Bilder der sterblichen Natur, hier: kleine sterbliche Menschlein auf einem Steg, hineingebaut in göttlich geschaffene Natur. Britzer Garten, Berlin-Neukölln, Aufnahme des Verfassers vom 8. November 2020

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ORA ET CANTA! Gut gemacht, Augsburg!

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Nov 212020
 

Jan Brachmann schrieb gestern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:

Der Kulturbetrieb schnappt gerade nach Luft, einmal aus Not, vor allem aber aus Empörung, „dass Stätten der Kultur und Bildung unter dienstleistende Vergnügungs- und Freizeitveranstaltungen eingeordnet und den gleichen Verboten und Vorschriften wie Spielhallen, Wettannahmestellen, Fitness-Studios, Spaßbäder und Bordelle unterworfen werden“, wie es in einer Protestnote der Bayerischen Akademie der schönen Künste heißt. Gerald Fauth, der Rektor der Leipziger Musikhochschule, ließ die Bundeskanzlerin in einem offenen Brief wissen, wie sehr ihn diese „sprachliche Unsensibilität entsetzt hat“. Während Fauth ausruft: „Wo sind wir hingekommen? Wo sind unsere wahren, höchsten Werte?“, macht sich der Bariton Thomas E. Bauer einfach ans Handeln. Konzerte sind zwar verboten, Gottesdienste aber erlaubt, dachte er sich. Wenn man das öffentliche Singen als Gebet verstehen würde, wäre es also weiterhin möglich.

Thomas. E Bauer lässt in Augsburg 24 Stunden Palestrina-Messen singen (faz.net)

Jan Brachmann: Kultur betet. FAZ, 20.11.2020

Bild: Ein Ginko biloba blüht golden unter einem Himmelskreuz auf. Aufnahme des Verfassers. Cheruskerpark, Berlin-Schöneberg, 2. November 2020

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Sahen sich die Dichter Homer und Dante als Schriftsteller?

 Dante, Homer, Italienisches, Mündlichkeit, Schriftlichkeit, Singen  Kommentare deaktiviert für Sahen sich die Dichter Homer und Dante als Schriftsteller?
Sep 102020
 

Così vidi adunar la bella scola
di quel signor signor dell’altissimo canto
che sovra li altri com’aquila vola.

So Dante Alighieri, Commedia, Inferno, Canto IV, 94-96

„Mit Homer beginnt die europäische Literaturgeschichte.“ In jeder Literaturgeschichte wird man etwas in diesem Sinne finden können. „Dante ist der größte Schriftsteller italienischer Sprache.“ Wer wollte gegen diese Feststellungen etwas einwenden?

Nun, zunächst einmal Dante selbst. Bekanntlich bezeichnet er die 100 einzelnen Abschnitte seiner Commedia nicht als „Kapitel“, „Bücher“, „Texte“, „Schriften“, „Akte“, „Briefe“ oder ähnliches, sondern ausschließlich als Lieder, Gesänge, als „canti“. Die drei Großbauteile der gesamten Commedia wiederum nennt er „cantiche“, in etwa wiederzugeben als „Sangeswerke“, „Gesangsgruppen“. Gesang singt und klingt bei Dante allüberall, nicht stummer, zum Lesen geschriebener Text!

Im vierten Gesang des Inferno wiederum bezeichnet Dante Homer als den „signor dell’altissimo canto“, also als den Herrn, den Herrscher des höchsten Gesanges, den Fürsten des Singens.

Und von Homer – so es ihn denn als Person gegeben hat – wissen wir, dass er seine Gesänge nicht aufschrieb, sondern sie mündlich aus dem Gedächtnis vortrug, gesanglich darbot. Homer soll blind und des Schreibens unkundig gewesen sein. Wolfgang Schadewaldt schrieb mit guten Gründen sein Büchlein über „Die Legende von Homer, dem fahrenden Sänger“. Homer war nicht Literat, er war Sänger.

Kurzum: Wir verfehlen das von Homer und von Dante Gemeinte fundamental, wenn wir ihre aufgeschriebenen Texte, die uns ja unter ihrem Namen in der Tat vorliegen, als Endzweck sehen, als Literatur, die der Literaturwissenschaft als Gegenstand dienen sollte.

Nein, es waren – und sind! – zum singenden klingenden Vortrag gedachte, rhythmisch durchgebildete, sich nicht im geschriebenen oder gedruckten Wort erschöpfende Kunstgebilde. Es sind Gesänge.

 Posted by at 19:22

„Ein kleiner Affe oder ein Hund am Fuße der Treppe? Ein Rucksack?“ Rätsel einer Sommernacht im Rottal

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Aug 072020
 
Ein Geiger auf hölzernem Balkon spielt eine Serenade für Kind und Hund, für Groß und Klein, für Himmel und Erde. Massing, Nacht vom 31. Juli auf den 1. August 2020

Nach 4 Wochen wieder in Berlin eingetroffen. Zunächst hatte ich arbeitsreiche Wochen im Schwarzwald. Nur am Wochenende fuhr ich jedes Mal ganz wild mit einem gemieteten Mountainbike in die Kreuz und die Quer. Herrlich, dieser Schwarzwald, so wild, so überraschend und so schön!

In Alpirsbach, wo ich einquartiert war, gibt es eine sehr gute Kirchenmusikszene unter der Organistin/Kantorin Carmen Jauch, die ich zwei Mal im Gottesdienst hörte und auch danach in einem Konzert mit geistlichen Liedern. Hier keimt in kleiner Besetzung nach tonloser Zeit das Neue auf, die Freude, die zur Musik wird. Möge sie weiter und lauter tönen!

Dann verbrachte ich eine Woche Urlaub in Mittelfranken im kleinsten lieben Kreise, wo es mir noch besser gefiel! Das bildkräftig und blütenreich verträumt hergerichtete Römerlager in Ruffenhofen, die konzentrierte Darbietung unseres großen Dichters Wolfram in Wolframs-Eschenbach, der herrlich frische Altmühlsee, der Igelsbachsee – es war eine Perlenkette an guten, erfrischenden, belehrenden heiteren Stunden! Und jeden Abend gab ich ein kleines Konzert mit deutschen und italienischen Liedern und Arien, und rahmte den Gesang stets auch mit der Geige. Ein richtiger Hausmusikant war ich für ein ganz liebes Publikum geworden, das mich immer unterstützte!

Zum Abschluss dann zwei richtige Konzerte im Garten in Massing/Niederbayern für das große Verwandtenfest mit unserer guten Tante Greti, alles mit vorher eingespielter Klavierbegleitung. Ich fühlte mich frei und sicher. Nach Wochen und Monaten des öffentlichen Verstummens endlich aus voller Brust und voller Hingabe zu singen und zu geigen! Im Freien, im Sommer, bei Tag und in der Nacht! Es war, als hätt der Himmel die Erde still geküßt …!

Was Besseres kann einem nicht passieren, die Leute wollten mehr hören, sie klatschten, sie lagen hingeschmolzen flach auf dem Rasen! Also bitte! Bin sehr froh, dass ich das alles erleben durfte!

„Ich wollt als Spielmann ziehen und singen meine Weisen vor jedem Haus…!“

Wie bei Eichendorff! Das ist wirklich Manna, dieser lebendige Kontakt zum Publikum in Fleisch und Blut!
Werde das alles noch nachklingen lassen…!

„Schönes Bild! Aber was ist das am Fuße der Treppe? Ein kleiner Hund, ein Rucksack oder ein kleiner Affe?“, fragt mich eine Zuhausegebliebene. Antwort: Ich weiß es nicht.

 Posted by at 21:33