Etappe 5: Fügen – Spieljoch – Gartalm – Loassattel – Hochfügen

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Aug 122023
 

Donnerstag, 27. Juli 2023. Der Morgen ruft uns beiden in einer Unterführung ein herzliches „Griaß enk!“ entgegen, „[Ich entbiete meinen] Gruß euch beiden“, denn dieses „enk“ entstammt bekanntlich im Bairischen dem alten Pronomen personale dualis, also dem altehrwürdigen Dativ-Dual der frühen germanischen Sprachen, der im heutigen Hochdeutschen völlig verloren gegangen ist (vgl. gotisch „igquis“ = euch beiden).

An der Bushaltestelle besteigen wir um 08.18 Uhr den Bus, der uns auf langen gewundenen Serpentinen hinunter nach Jenbach bringt. Dort besteigen wir die Zillertalbahn nach Mayerhofen, die schon wartend am Bahnsteig steht. Ich nutze die Wartezeit um zu bestaunen, wie am Nebengleis die Dampflokomotive der Zillertalbahn befeuert wird. Zentnerweise lädt ein Heizer Kohle in die Ladeluke des Dampfrosses.

Bräunlich-rußige Schwaden dringen aus dem vorderen Schlot. Hinten steigt weißer Dampf aus den erhitzten Wasserkesseln. Diese Männer verrichten die gleichen Arbeiten, wie sie schon vor 130 Jahren verrichtet wurden! Was wäre unsere Welt ohne den tiefgreifenden, flächendeckenden Einsatz der fossilen Brennstoffe Kohle, Erdöl, Erdgas – und des Stickstoffdüngers! Der heutige Wohlstand, die Freiheit von Armut und Hunger, die früher unvorstellbar hohe Lebenserwartung, die in unseren europäischen Gesellschaften alle, wirklich alle genießen, wäre überhaupt nicht denkbar. Diese Gedanken schießen mir durch den Sinn.

Vom Bahnhof Fügen-Hart, wo wir aussteigen, gehen wir durch den Ort zur Talstation der Spieljochbahn. Die Seilbahngondel teilen wir uns mit einer Berliner Familie, die uns aufklärt, dass die vor wenigen Tagen in Berlin-Zehlendorf gesichtete Löwin kein Wildschwein, sondern eben doch eine Löwin gewesen sei. Ha! Dies habe sich erst am Vortag (also am 26. Juli) endgültig bewahrheitet, doch werde diese Wahrheit bewusst in einer medialen Verschwörung von Polizei, Presse und Politik unter der Decke gehalten, um einen bekannten, in Neukölln beheimateten Clan zu decken. Da wir das Internet derzeit kaum nutzen, können wir den Wahrheitsgehalt dieser Aussage nicht überprüfen. Haben die redseligen Berliner uns etwa erneut einen Bären aufgebunden? In der Bergluft sind die Gedanken ja so frei, für einen guten Witz ist immer Zeit!

Mit dieser Seilbahn erreichen wir die Bergstation (1885 m). Im Süden weit drüben grüßen uns gut sichtbar die erhabenen Dreitausender des Alpenhauptkamms, der Hohen Tauern, darunter auch der vergletscherte Großvenediger.

Vom Spieljoch wandern wir zur Gartalm (1849 m). Dort verweilen wir nachdenklich an authentischem Ort vor dem Denkmal für Bruno, den am 30. Mai 2006 hinterhältig geschossenen, den räuberischen „Problembären der Herzen“.

„Fort, fort von hier zum Loassattel!“ Über liebreizende Almhänge, die von Kühen beweidet werden, geht es sanft bergab durch den Nadelwald, an dessen Ende eine idyllisch gelegene Bank an einem Bohlensteg und einer Viehtränke uns zur Pause verlockt.

Und tiefer, immer tiefer führt uns der Abstieg ab dem Loassattel; wir erreichen schließlich den Fahrweg, der uns in den zur Sommerzeit eher verlassenen Wintersportort Hochfügen (1480 m) führt. So rücksichtslos man auch die Skipisten rings um Hochfügen freigerodet hat, scheint der Hunger des Menschen nach immer neuen Natureingriffen, nach Kahlschlagrodungen immer noch nicht gestillt, denn geraume Zeit begleiten uns weitere, erst vor kurzem mit Stumpf und Stiel von Wald und Baum befreite Flächen. Warum ist das so, endet denn nie des Menschen Raubwerk an Wald und Forst, an Baum und Blatt?

Des Rätsels Lösung erfahre ich im Ort selbst von Bewohnern: Hier wird im Zuge eines ökologischen Vorzeigeprojektes die Wärmeversorgung dezentral von individuellem Hausbrand auf Ortswärme umgestellt. Und dazu ist eine großflächige Abholzung bestehenden Waldes, das Aufreißen kilometerlanger Straßen und Gräben, das unterirdische Verlegen von neuen Rohren unerlässlich. Ja, das weitere planvolle, gewiss auch räuberische Zerstören und Umformen, Umgestalten der Natur durch das „Problemtier der Herzen“, den Menschen, wird auch während und nach der ach so hoch gerühmten Energiewende ungemindert weitergehen! Das gilt im Kleinen wie im Großen, in Hochfügen ebenso wie jenseits der Landesgrenzen, in Deutschland. Es wäre eine gefährliche Illusion zu glauben, das Wirken des Menschen könne gegenüber der Natur oder dem Klima je neutral werden. Das war es in der Weltgeschichte nie und wird es auch nie sein – wie man an diesem ökologischen Vorzeigeprojekt in Tirol sehen kann.

Dessen ungeachtet nehmen wir ruhigen Gewissens in Dankbarkeit das vegetarische Abendessen in unserem Nachtquartier ein. Es gibt Tiroler Gröstl und Bergsteigersalat mit frischem Blattwerk und Sprossen, dazu alkoholfreies Weizen und Johannisbeerschorle. [Zusatz vom 13.08.2023: Reiseleitung korrigiert: Das Abendessen war nicht vegetarisch, da das Tiroler Gröstl mit Speck gereicht wurde!] Köstlich, unsere Energiespeicher werden aufgefüllt!

Und mitten in der Nacht werden wir unvermutet wach, treten wir hinaus auf den Balkon und erblicken das größte Wunder des heutigen Tages: den gestirnten Himmel über den Bergen, hoch oberhalb des Lichtsmogs der räuberischen Städte im Flachland: die Milchstraße schimmert und funkelt Millionen von Lichtjahren entfernt auf uns herab.

Sind durch die Nächte die Lichter gewunden,
Reiht sich heilig Stern an Stern;
Alles ist ewig im Innern verbunden
Grüßt von nah und grüßt von fern.

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Ist das „richtiges Deutsch“? – Was ist das eigentlich – „richtiges Deutsch“?

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Feb 072022
 

Brandenburgs ehemaliger Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hat einem Medienbericht zufolge in Hohen Neuendorf an einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen teilgenommen. Das bestätigte Schröter am Sonntag dem «Nordkurier». Er tue das, weil er überzeugt sei, dass die 2G-Regelungen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind, sagte Schröter der Zeitung.

Demonstrationen: Medienbericht: Ehemaliger Innenminister bei Corona-Demo | ZEIT ONLINE

Soweit eine hier unverändert wiedergegebene dpa-Meldung vom gestrigen Tage – hier in der durch die renommierte Wochenzeitung DIE ZEIT veröffentlichten Fassung.

Unabhängig vom Inhalt der Meldung, über deren Wahrheitsgehalt wir uns jeder Wertung enthalten, stellen wir die Frage: Ist dies „richtiges Deutsch“? Was ist überhaupt „richtiges Deutsch“? Näherhin betrachtet, werfen wir die Frage auf: Wie steht es um die Gesundheit der indirekten Rede im deutschen Sprachraum, insbesondere bei der in Tages- und Wochenzeitungen schreibenden Zunft? Lebt die indirekte Rede noch, oder stirbt sie gerade eines schleichenden Todes? Eine keineswegs nebensächliche Frage! Verändert sie doch Wahrheitsgehalt und Wertung von Aussagen dritter Personen in einem fundamentalen Sinne!

Betrachten wir etwa den Unterschied in folgenden, frei konstruierten Sätzen:

a) Max Ballauf nahm gestern eigenen Angaben zufolge am Kölner Tatort die Ermittlungen wieder auf, weil er überzeugt sei, dass der vor vier Jahren Verurteilte nicht der Mörder ist.

b) Max Ballauf nahm gestern eigenen Angaben zufolge am Kölner Tatort die Ermittlungen wieder auf, weil er überzeugt sei, dass der vor vier Jahren Verurteilte nicht der Mörder sei.

c) Max Ballauf nahm gestern eigenen Angaben zufolge am Kölner Tatort die Ermittlungen wieder auf, weil er überzeugt war, dass der vor vier Jahren Verurteilte nicht der Mörder war.

Überlegt: Was ist der Unterschied zwischen diesen Aussagen?

Antwort: Schwierig, schwierig! Lasst nicht locker!

Spielt nun dasselbe Spiel mit folgenden Aussagen, – wobei nur die erste Fassung tatsächlich so durch die dpa herausgegeben worden ist, während die anderen beiden zur Untersuchung des grammatisch-semantischen Problems der indirekten Rede umkonstruiert worden sind:

a) Brandenburgs ehemaliger Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hat einem Medienbericht zufolge in Hohen Neuendorf an einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen teilgenommen. Das bestätigte Schröter am Sonntag dem «Nordkurier». Er tue das, weil er überzeugt sei, dass die 2G-Regelungen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind, sagte Schröter der Zeitung.

b) Brandenburgs ehemaliger Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hat einem Medienbericht zufolge in Hohen Neuendorf an einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen teilgenommen. Das bestätigte Schröter am Sonntag dem «Nordkurier». Er tat das, weil er überzeugt war, dass die 2G-Regelungen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind, sagte Schröter der Zeitung.

c) Brandenburgs ehemaliger Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hat einem Medienbericht zufolge in Hohen Neuendorf an einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen teilgenommen. Das bestätigte Schröter am Sonntag dem «Nordkurier». Er tue das, weil er überzeugt sei, dass die 2G-Regelungen „nicht mit dem Grundgesetz vereinbar“ seien, sagte Schröter der Zeitung.

Worin liegt der Unterschied? Findet ihr es heraus? Welche der Fassungen empfindet ihr als „richtiges Deutsch“? Wie gut kennt ihr euch mit der indirekten Rede aus?

Schwierig, schwierig!

Meine vorläufige Diagnose zur Gesundheit der indirekten Rede: Die schreibende und sprechende Zunft im deutschen Sprachraum einschließlich der dpa-Autoren steht zunehmend auf Kriegsfuß mit der indirekten Rede. Sie – die indirekte Rede, nicht die schreibende Zunft! – scheint tatsächlich eines schleichenden Todes zu sterben!

Das sollte man als wachsamer Leser wissen. Zahllose Missverständnisse können nämlich aus dem zunehmenden Verfall der indirekten Rede erwachsen, wie etwa dasjenige, das darin läge anzunehmen, die dpa und die ZEIT teilten die Meinung des SPD-Politikers Schröter, dass die 2G-Regelungen „mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“ seien.

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Bevorzugt das Deutsche die Frau?

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Feb 022021
 

Gibt es in der deutschen Sprache eine deutliche Bevorzugung des weiblichen Geschlechts?

Vieles deutet darauf hin, nicht zuletzt die Tatsache, dass unter allen Substantiven der deutschen Sprache, die bekanntlich über drei grammatische Geschlechter verfügt, fast die Hälfte zu den Feminina, aber nur ein Drittel zu den Maskulina gehören, während etwa 20% als Neutra zu gelten haben.

Der Rechtschreibduden führt in seiner 27. Auflage diese Verteilung an: 46% aller Substantive sind Feminina, 34% Maskulina, 20% sind Neutra.

Das kann kein reiner Zufall sein. Wir dürfen die Vermutung äußern: Für die deutsche Sprache ist alles, was substanziell ist, was Bestand hat, alles, was der Welt der Erfahrung zugrunde liegt, was substanzhaft-dinghaft verstanden ist, mit Vorliebe weiblich. Zuerst war gewissermaßen für die deutsche Sprache die Frau, das Weibliche in der Welt, dann kam der Mann als Störenfried dazu.

Aber auch semantisch weist Deutsch der Frau, dem Weiblichen eher die Habenseite, die Sonnenseite des Lebens zu. Bei den Grundwörtern des Fühlens und Denkens, bei den Leitwerten unserer sittlichen Ordnung sind die entsprechenden Hauptwörter mit überwältigender Mehrheit weiblichen Geschlechts, während das Gegenteil, das Dunkle, Böse eher männlich oder als Neutrum gefasst wird.

Wir betrachten folgende Beispiele:

DIE Liebe – DER Hass
DIE Gnade, die Güte, die Fürsorge – DER Trotz, der Groll, der Ekel, der Neid
DIE Vernunft – DER Wahnsinn, der Wahn
DIE Einsicht – DER Starrsinn
DIE Erkenntnis – DER Irrtum
DIE Treue – DER Verrat
DIE Wahrheit – DER Irrtum
DIE Tugend, die Sonne, die Gerechtigkeit, die Vollendung, die Sympathie
DER Stolz, der Geiz, der Eigensinn, der Egoismus, der Dünkel
DIE Geburt – DER Tod
DIE Welt – DER Teufel (wobei die Welt als grundsätzlich gut gesehen wird)
DIE Versöhnung – DER Krieg
DIE Rettung – DER Mord
DIE Sättigung – DER Hunger, der Durst
DIE Höhe – DER Abgrund

Dies sind nur einige, nicht zufällig gewählte Beispiele, die aber, so könnte man vermuten, eine unbewusste Prägung mitschwingen lassen. Das Weibliche ist – ebenso wie das Substanzielle, Beständige – möglicherweise in den Tiefenschichten unserer Kultur eher dem Guten zugeneigt, das Männliche eher dem Bösen.

So sind ja auch die überwiegende Mehrzahl aller Straftäter Männer, nur eine Minderzahl der Verbrecher sind Frauen. Weniger als 10% der Insassen von Gefängnissen sind – in allen Ländern – Frauen.

Wie ist das zu erklären?

Sind Frauen grundsätzlich die besseren, die substanzielleren Menschen?

Zieht uns Männer, uns Söhne des Abgrunds, erst das Weibliche hinan zum Guten, zum Wahren, zum Schönen, zur Güte, zur Wahrheit, zur Schönheit? Führt die Frau und nur die Frau den Mann zur Mäßigung, zur Sitte, zur Moral?

Beleg:
„Die Verteilung der Artikel (Genusangabe) im Rechtschreibduden“, in: DUDEN. Die deutsche Rechtschreibung. 27. Auflage, Dudenverlag Berlin, 2017, S. 158

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Iam satis terris nivis misit pater … Gespräch mit dem Cherusker (2)

 Antike, Cheruskerpark, Deutschstunde, Latein, Mären, Natur-Park Schöneberger Südgelände  Kommentare deaktiviert für Iam satis terris nivis misit pater … Gespräch mit dem Cherusker (2)
Feb 012021
 

Vor wenigen Tagen hatte ich während eines Spazierganges in der Cheruskerstraße doch tatsächlich einen Cherusker kennengelernt, wie sich nach und nach herausstellte. Wie das? Nun, da er mich lateinisch mit den Worten „Quid agis?“ angesprochen hatte, erwiderte ich ihm in derselben Sprache.

Doch merkten wir beide bald, dass wir das Lateinische nicht ganz frei von Akzentbeifärbungen sprachen. Bis gestern waren wir immer noch nicht im Bilde, woher wir stammten und was unsere Muttersprachen wären. So probierten wir es mit verschiedenen Varianten europäischer Sprachen, indem wir Sprichwörter und Zitate aus der gemeineuropäischen Literatur wie Tischtennisbälle hin und her flippen ließen.

„Iam satis terris nivis atque dirae…“ begrüßte ich ihn gestern. Denn in der Tat war sein sehnsüchtiger Wunsch nach einem richtigen Winter endlich erfüllt worden!

„… grandinis misit Pater et rubente
dextera sacras iaculatus arces
terruit urbem …“ ergänzte der Wandergefährte. Das war Horaz! Ich war entzückt! Endlich also hatte ich jemanden gefunden, der meine Liebe zu Horaz teilte!

„Broahut volli hut…“ schlug er auf,

„all moanada gnug“, ergänzte ich treffsicher.

Gemeint ist mit diesem uralten alemannischen Sprichwort, das mir aus dem von Walsern besiedelten Flecken Issime bekannt ist, wenn es im Brachmonat Juni genug Schnee in den Hut schneie, dann habe man in allen Monaten genug davon!

Von der Cheruskerstraße, der via Cheruscorum, führte unser Weg uns in den nahegelegenen Hortulus Naturae apud stationem Crucem Meridionis positus. Und bald stellte sich heraus, dass mein neuer Bekannter das alte Germanische in verschiedenen Dialekten beherrschte, ja sogar bei den legendär zerstrittenen germanischen Stämmen, den Cheruskern, den Brukterern, Sueben, Tenkterern, Usipeten, Chatten usw., die sich in den Auseinandersetzungen mit den Römern zu verkämpfen drohten, so manche wertvolle Hilfe als Sprachmittler und vor allem als Menschenmittler hatte leisten können.

Seine Kindheit und Jugend hatte er, aus vornehmer Familie stammend, als den Römern gestellte Geisel in Rom verbracht, und so erklärte sich auch seine hervorragende Kenntnis des Lateinischen.

Wir hatten, in unsere Gespräche vertieft, den höchsten Berg der Gegend, den Mons insularum erreicht. Wir hielten inne und vertieften das angeschnittene Thema der verschiedenen Formen verschiedener europäischer Sprachen. Da traf es sich vortrefflich, dass wir beide erst wenige Tage zuvor die Netflix-Serie „Barbaren“ gesehen hatten, und während wir mit der Darstellung der Römer völlig einverstanden waren, ja sogar begeisterte Ausrufe des Entzückens über das sehr gepflegte, sehr achtsam gesetzte Latein in dieser Fernseh-Serie ausgestoßen hatten, konnte uns das in den aufwändigen Streifen gesprochene Deutsch oder besser das „Schwundgermanische“ nicht überzeugen.

Entsprach es doch allzu sehr jenem gängigen Vorurteil der Römer oder „Lateiner“ bis in unsere Zeit, wonach das Germanische in allen seinen Varietäten roh, unbehauen, ungebärdig, fehlerhaft, dem Grunzen von Schweinen ähnlicher sei als dem feinziselierten Idiom der gesitteten Welt von südlich der Alpen.

(sermo continuabitur)

Quellennachweise:
Q. Horati Flacci opera ed. Wickham, cur. H.W. Garrod, Oxonii 1975, carminum liber primus, carmen II, vv. 1-4

GABRIELE IANNÀCCARO: Broahut volli a hut, all moanada gnug. Proverbi meteorologici nelle comunità walser a sud delle Alpi. Gefunden unter folgendem Link: (99+) (PDF) Barcellona Paper: Broahut volli a hut, all moanada gnug. Proverbi meteorologici nelle comunità walser | Gabriele Iannaccaro – Academia.edu

Netflix.com : Barbaren. Regie: Barbara Eder, Steve St. Leger

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Verkündende Öffnung!

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Okt 032020
 

[…] und um die grauen

Gewölke streifen röthliche Flammen dort,
Verkündende, sie wallen geräuschlos auf;
Wie Fluthen am Gestade, woogen
Höher und höher die Wandelbaren.

[…]

„Verkündende!“ Eine gehobene festliche Stimmung ergreift mich, als wir heute früh am Sitz des Bundestages vorbeiradeln. Hölderlins Verse aus seinem Gesang „Des Morgens“ kommen mir in den Sinn, ich deklamiere sie laut, sehr zum Erstaunen der kleinen Reisegruppe, mit der ich unterwegs nach Linum bin.

Was ich unter festlich meine, ist aber genau dies: eine unbestimmte, morgendliche Ahnung, die Öffnung des Zukünftigen, etwas, was sich begrifflich nicht fassen lässt, sehr wohl aber im Gesang, in der metrisch gebundenen, in der leuchtenden Sprache aufscheint, etwa in den Oden Friedrich Hölderlins, die nur im lauten Vortrag ihren eigentlichen Sinnkern enthüllen.

Öffnung des Morgens aus der Nacht heraus, Öffnung des Morgen aus dem Heute heraus, Öffnung der kommenden 30 Jahre aus dem, was vor 30 Jahren geschah!

Zuversicht, Schaffensfreude, Vorfreude auf Zukünftiges, das ist es, was ich mit dem heutigen Tag verbinde.

Und so – kam ich unter die Deutschen, unter die Deutschen von heute, die Deutschen des 3. Oktober 2020!

Bild:
Das Reichstagsgebäude, Sitz des Deutschen Bundestages, eines Verfassungsorgans der Bundesrepublik Deutschland. Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Ansicht vom 3. Oktober 2020, 08.03 Uhr

Nachweis des Hölderlin-Zitats:
Des Morgens. In: Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke, Briefe und Dokumente in zeitlicher Folge, herausgegeben von D.E. Sattler. Bremer Ausgabe. Band VII: 1799. Homburg. Empedokles I/II. Aufsätze zur Iduna. Emilie vor ihrem Brauttag. Ovid. Pindar-Übertragung. Luchterhand Literaturverlag, München 2004, S. 195

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„… in den Wolken da liegt man nicht eng…“ Celans leidenschaftliche Vortragskunst

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Mai 222020
 
Ein Blick in den Himmel über dem neuen Flughafen Berlin Brandenburg International Willy Brandt. Aufnahme von Christi Himmelfahrt 2020, 21.05.2020

Ich kenne das Gedicht, ich glaube es schon zu kennen, schon seit meiner Schulzeit lange zu kennen. Er trägt es vor, als hätte ich es nicht schon tausendmal gelesen, tausendmal gehört, beiseitegelegt.

Vor zwei Tagen hörte ich in dem Mitschnitt einer Abendveranstaltung des Literaturhauses Berlin Paul Celan, wie er sein Gedicht „Todesfuge“ vorträgt. Er war der Gastgeber des Abends, ihm galt das Programm:

Ein Abend zu Paul Celan
Mit Hans-Peter Kunisch und Thomas Sparr. Moderation: Eveline Goodman-Thau

Ich wiederhole: Ich kenne das Gedicht, ich glaube es schon zu kennen, schon seit meiner Schulzeit lange zu kennen. Kannte ich es wirklich? Nein! Es war überdeckt, übermalt, verätzt durch zu viele Kommentare, zu viele Widerlegungen, zu viele Überlegungen.

Celan trägt das Gedicht langsam vor, behutsam ansetzend, dann sich in einen Rhythmus hineinsteigernd, in seinen, ihm eigenen Rhythmus fallend, er schwebt zwischen dem Sprechen, dem Vorlesen und dem Singen, es ist ein getragenes Schwingen und Singen, in dem jeder Laut, jeder Ton sich abhebt vom vorhergehenden, sich anschmiegt, sich stößt, reibt, schürft.

Der Dichter trägt uns sein Gedicht vor, als hätten wir das Gedicht nicht schon tausendmal gelesen, tausendmal gehört, beiseitegelegt.

Das Gedicht rührt mich im Vortrag des Dichters zu Tränen. Nur dieses eine Mal ist mir das mit der berühmten Todesfuge geschehen – vor zwei Tagen. Atemloses Schweigen fällt in der Veranstaltung ein. Dann erhebt die Moderatorin Eveline Goodman-Thau das Wort. Nach einigen Worten der Begrüßung an die anderen Gäste sagt sie etwas wie: „Mir treibt es Tränen in die Augen…“ Und genau diese Empfindung hatte ich auch! Und so mag es wohl den anderen Gästen auch gegangen sein.

Und so meine ich sagen zu können, was den gelungenen Vortrag dieses Gedichtes und wohl jedes Gedichtes ausmacht, eine Kunst, die heute in Deutschland fast völlig verlorengegangen ist wie so vieles andere auch:

Es ist ein Schweben, ein intensiviertes Sprechen, nahe dem Singen, in dem jedes Wort, jeder Laut sich einfügt, eingefugt wird in eine Fülle des Lautens, ein Leiden der Laute aneinander, ein Mitleiden, das zum gemeinsamen Erleiden wird, zur Leidenschaft, zur leidenschaftlichen Erregung eines Gefühls, das mehrere Zuhörer erfasst und in eine Gemeinschaft hinüberführt. Das griechische Wort für diese leidenschaftliche Erregung, die eine Gefühlsgemeinschaft stiftet, die sich auch körperlich ausdrückt – im Tränenfluss, im Ringen nach Worten, im Innehalten, in aus dem Inneren aufsteigenden Bewegungen — lautet Pathos.

Diese Leidenschaft im Vortrag, diesen Mut, dieses Pathos, Gefühle in der Stimme auszuleben, das hat Paul Celan zeitenumspannend vorgeführt. Dafür, für diese Offenbarung, empfinde ich eine tiefe Dankbarkeit.

https://www.literaturhaus-berlin.de/programm/ein-abend-zu-paul-celan

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„Und so etwas soll ich singen? So etwas muten Sie mir zu?“

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Dez 092018
 


Herrlicher, herzerwärmender Gastauftritt von Marlene Dietrich in einer der ersten Folgen von „Babylon Berlin!“ Allein schon wegen dieses trotzigen Aufbegehrens der großen deutschen Diseuse lohnt sich das Ansehen dieser prachtvollen Serie unbedingt! „Ja, damals!“ Damals hatten die deutschen Sängerinnen Mumm in den Knochen. Dietrichs Diktion war vorbildlich. Diese große deutsche Diseuse traf die Töne rein und klar und unverzerrt, auch ohne elektronische Implantate und Korrekturen, wie sie sich heute breitgemacht haben. Sie formte die Wörter der deutschen Sprache verständlich bis in die feinste Faser hinein. Ja, sie KONNTE noch GUTES DEUTSCH singen. Sie bot den Produzenten die Stirn. Sie widerstand!

Wie einigen anderen deutschen Sängern und Sängerinnen der leichten Muse heute auch noch (etwa der ebenfalls sehr sauber singenden Helene Fischer) schlug und schlägt ihr aus Teilen des Feuilletons dumpfe Ablehnung, stumpfe Ignoranz, ja roher Neid entgegen. Die Bilder mit der Aufschrift „Marlene go home“, zu sehen bei ihrer Rückkehr nach Berlin im Jahre 1960, sind ein beredtes Zeugnis dessen. Dennoch stammt sie von hier, sie gehört auch hierher nach Schöneberg!

Unser Bild zeigt einen Blick auf den Himmel über der heutigen Leberstraße, genau an der Stelle, wo Marlene Dietrich am 27.12.1901 das Licht der Welt erblickte! 280m entfernt von der Stelle, wo dieses hier jetzt niedergeschrieben wird.

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Der Schatten des Körpers des Bloggers

 Anbiederung, Deutschstunde, Eigene Gedichte, Ey Alter, Hagar, Leidmotive  Kommentare deaktiviert für Der Schatten des Körpers des Bloggers
Nov 022018
 

Wie der Zeiger einer Sonnenuhr fiel der Schatten des Körpers des Bloggers auf die Fläche der Plane. Die auf Widerruf gestundete Zeit wurde sichtbar am Horizont. Noch mochte er sich täuschen über das Dahinrinnen der Stunden, Tage, Jahre. Doch sank die Sonne schneller als früher. Vater und Mutter waren lange tot, es kannt‘ ihn hier keiner mehr. Die großen Geschichten, mit denen er seine guten, erhebenden Stunden füllte, galten als veraltet. Hagar, oder Haddschar, wie man auf Arabisch sagte, dieser Name war außerhalb der Fachkreise unbekannt. Auf den Kulturplakaten fiel ihn die platteste Anbiederung an die Kita-Sprache an. Sprachverlotterung. Nicht einmal die indirekte Rede beherrschten die Meinungsmacher in Funk und Fernsehen mehr. So etwas! It sucks!
Die Altersgruppe, in die er sich einzurücken anschickte, war unwiderruflich Gegenstand des Volksbelustigungs-Vorabendprogramms in den öffentlichen Anstalten geworden. Ihn verdross dies. Es stimmte ihn traurig. Er ging weiter, grummelnd, summend. Die Sonne sank.

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Alt ist nicht immer schlecht, neu ist nicht immer gut. Warum Kinder kein Standarddeutsch mehr lernen

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Sep 282018
 


Der deutsche Politiker Cem Özdemir erzählte uns bereits 2008 in seinem Türkei-Buch, dass die Kinder in der türkischen Grundschule das Lesen und Schreiben besser und schneller lernten als in Deutschland.

Woran mag das liegen? Ich vermute, es liegt an den verheerenden Experimenten, denen ganze Generationen von deutschen Grundschulkindern ausgesetzt worden sind und weiter ausgesetzt werden, darunter auch meine eigenen!

Sie lernen jedenfalls in Berliner Grundschulen kein ausreichendes Standarddeutsch (Hochdeutsch) mehr, weder in Wort noch in Schrift. In Bundesländern wie Berlin sind Maßstäbe für gutes Lernen und Lehren im Deutschunterricht offenbar weitgehend verlorengegangen.

Stattdessen beschäftigt der Staat Heerscharen von Didaktikern, Integrationsforschern, Evaluatoren usw. usw. Und die kriegen es nicht gebacken, dass die Mehrheit der Berliner Schulkinder vernünftiges, berufstaugliches Standarddeutsch lernte. Bei den Bewerberprüfungen der Berliner Polizei scheitern die meisten an mangelnden Deutschkenntnissen! Irre. Bankrotterklärung.

Lesenswerter Artikel von Heike Schmoll zu diesem Thema heute in der FAZ auf S. 4. Die klassische Lesefibel hat sich als in allen Belangen dem neumodischen Krampf der Didaktiker überlegen erwiesen.

www.faz.net/aktuell/politik/inland/lernmethoden-studie-bestaetigt-ueberlegenheit-der-fibelmethode-15810231.html

Nachweis: Cem Özdemir, Die Türkei, Weinheim 2008, S. 187

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Sollte man in der deutschen Rechtschreibung weiterhin alles schleifenlassen – oder doch besser alles schleifen lassen?

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Sep 182018
 

Sollte man in der Rechtschreibung weiterhin alles schleifenlassen oder doch besser alles auf neu schleifen lassen, damit Berlins Polizei wieder auf volle Mannstärke gebracht werden kann? Bekanntlich scheitern ja die meisten Bewerber beim Ansturm auf einen der begehrten Ausbildungsplätze der Polizei an fehlenden Deutschkenntnissen: Die Hälfte der Prüflinge schloss laut Presseberichten das Diktat mit der Note 6 ab.

Oder nehmen wir etwa irgendeinen Satz aus dem aktuellen SPIEGEL online, soeben entnommen der Fassung von heute, 10.22 Uhr. Thema des Interviews sind die mangelhaften Rechtschreibkenntnisse unserer Jugend. Wie sind die unbestreitbar schlechteren Schreibfertigkeiten der jüngeren Generation zu erklären, obwohl doch heute sehr viel mehr Geld in Bildungsforschung, sehr viel mehr Geld in wissenschaftliche Didaktik, sehr viel mehr Geld in Bildungsreformen und Evaluation von Bildungsreformen gesteckt wird als früher?

Das Schmankerl in diesem Interview mit einer Bildungsexpertin ist: Es enthält in der verschrifteten Fassung mindestens einen dicken Rechtschreibfehler. Doch wer findet ihn? Der wird mit Handkuss bei der Berliner Polizei genommen!

Findest du, liebe Leserin, und selbstverständlich auch du, lieber Leser, diesen Rechtschreibfehler? Dann bewirb dich bei der Berliner Polizei!

„Wir haben unsere Ergebnisse der nordrhein-westfälischen Bildungsministerin das erste Mal vor zwei Monaten zukommen lassen aber bisher noch keine Antwort oder Einladung erhalten. Wir wurden nur aufgefordert, die Ergebnisse allgemeinverständlich in einem Aufsatz für eine Zeitschrift zusammenzufassen, die das Ministerium herausgibt. Mehr nicht.“

Nachweise:

www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/rechtschreibung-lernen-expertin-beklagt-viel-leid-in-den-familien-a-1228573.html, Fassung vom 18.09.2018, 10.22 Uhr

https://www.morgenpost.de/berlin/article213281665/Berliner-Polizei-findet-nicht-genug-geeignete-Bewerber.html

Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung §72 E2; § 34 (2)

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Vorsichtiges Staubwischen erlaubt: im Haberlandstraßenland

 Deutschstunde, Einstein, Latein, Naturwissenschaften, Philosophie, Schöneberg, Sprachenvielfalt  Kommentare deaktiviert für Vorsichtiges Staubwischen erlaubt: im Haberlandstraßenland
Jun 152018
 


Kurzes Innehalten auf dem Fahrrad heute beim Befahren der Bamberger Straße, beim Nachsummen einiger Wortgleichungen verschiedener Sprachen. Nachsinnen über einige Probleme der sprachanalytischen Philosophie.

Alfred Tarski sagt: „If the domain A is infinite, then a sentence S of the language L is correct in A if and only if S is deducible from T and the sentences saying that the number of elements of A is not any finite number.“ Tarskis Wahrheitsbegriff scheint also axiomatisch von einer Mehrheit von Sprachen auszugehen. Wir könnten nur dann von Wahrheit begrifflich sprechen, wenn wir von einer Mehrheit an Sprachen ausgingen? Und ohne Übersetzbarkeit bliebe jede Aussage über etwas Nichtsprachliches sinnlos?

Hmmm. Du hältst dein Fahrrädle an. Wolltest du hier in Schöneberg nicht noch jemandem einen Besuch abstatten, der nicht mehr hier wohnt? Wer war dies doch, hier um die Ecke in der Haberlandstraße 5, der heutigen Haberlandstraße 8? Was würde der ehemalige Bewohner wohl zu dem Wahrheitsbegriff Alfred Tarskis sagen?

Von September 1917 bis Dezember 1932 wohnte er hier. Vor hundert Jahren wäret ihr Bezirksnachbarn gewesen.

Eines ist sicher: Sein Deutsch ist eine der besten deutschen Sprachen, die du letzthin gelesen hast. Seine persönlichen Briefe, die du gerade liest, bersten von Heiterkeit, funkeln vor Ironie, bisweilen unflätig wie Mozarts Bäslebriefe, sie sind durchtränkt von unvordenklicher, unauslotbarer Schwermut. Sein wissenschaftliches Deutsch hingegen ist streng und trocken, dabei in Satzbau und Genauigkeit des Wortschatzes durchaus ebenbürtig dem Lateinischen eines Titus Livius, eines Marcus Tullius Cicero. Professorendeutsch im besten Sinne! Sowohl in seinen Briefen wie in seinen wissenschaftlichen Schriften ist der Vf. auch heute noch durchaus empfehlenswert. Lesenswert und hinreißend!

Ja, hier war es, und du kannst es dir vorstellen. Über das Turmzimmer in der Haberlandstraße kannst du lesen:

„Regale voller Bücher, Zeitschriften und Seperatdrucken, ein wenig erhöht auf einem Podest vor einem der beiden kleinen Fenster ein Schreibtisch und ein Stuhl, und an den Wänden Drucke von Isaac Newton und Michael Faraday. Dies war sein war sein Reich, wo nicht aufgeräumt werden durfte, sondern nur vorsichtiges Staubwischen erlaubt war. Hier hat er gearbeitet, die ihm genehmen Gäste empfangen, und hier residierte auch das Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik.“

Videoaufnahme: heute, Klock 12, Haberlandstraße 8, Schöneberg

Zitate:
zu Tarski:
https://plato.stanford.edu/entries/tarski-truth/

zur Haberlandstraße:
Albrecht Fölsing: Albert Einstein. Eine Biographie. Suhrkamp, 7. Auflage, Frankfurt 2017, S. 481

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Brauchen wir eine DIN Platz?

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Apr 132018
 


Die berühmte DIN-Norm 5008 legt Schreib- und Gestaltungsregeln für die Textverarbeitung fest. Man könnte sie auch knapp die „DIN Textverarbeitung“ oder auch die „Textverarbeitungs-DIN“ nennen.

Rechtschreibnormen sind Schreib- und Gestaltungsregeln für die deutsche Sprache, wie sie im amtlichen Gebrauch sowie im Schulunterricht anzuwenden sind.

Für zusammengesetzte Eigennamen, Bezeichnungen von Plätzen und öffentliche Einrichtungen schreiben die amtlichen Rechtschreibregeln stets den Bindestrich oder die Zusammenschreibung vor, nicht jedoch die Getrenntschreibung ohne Bindestrich.

Orthographisch richtig sind gemäß den in dieser Hinsicht ununterbrochen seit 1900 geltenden amtlichen Regeln folgende Schreibweisen:
Schiller-Theater
Schillertheater
Konrad-Adenauer-Platz
Willy-Brandt-Haus
Julius-Leber-Brücke
Humboldt-Forum
der DIN-Platz
Pergamon-Museum
Pergamonmuseum
Maxim-Gorki-Theater
Goethe-Institut
Textverarbeitungs-DIN
Fräsmaschinen-DIN

Richtig sind auch folgende Kurzbezeichnungen, die im hier betrachteten orthographischen Sinn keine Zusammenfügung sind:
die DIN Textverarbeitung
DIN Platz (dies wäre eine DIN-Norm für Platzgestaltung)
die DIN Fräsmaschinen
der Bundesminister Verteidigung

Eindeutig falsch sind bzw. wären hingegen gemäß den amtlichen Regeln der deutschen Rechtschreibung:
Konrad Adenauer Stiftung
Willy Brandt Haus
Annedore Leber Gedenkort
Humboldt Forum
der DIN Platz (richtig wäre: der DIN-Platz)
Pergamon Museum
Goethe Institut
die Fräsmaschinen DIN
die Platz DIN
die Textverarbeitungs DIN
der Verteidigungs Minister

Als echte Unsitte wertet der hier Schreibende die um sich greifende Manie, alle möglichen neuen, irgendwie denglisch klingenden, inhaltlich unklaren, aber orthographisch falschen Titel einzuführen, so etwa beim höchst amtlich so benamseten „Humboldt Forum“ oder auch beim „DIN Platz“. Das schafft bei unseren Kindern nur Verwirrung. Wenn nicht einmal die Behörden und die staatlichen Stellen sich an die Rechtschreibregeln halten, warum sollten unsere Kinder es tun? Ist doch eh alles egal?

Bild:
DIN Platz. Straßenschild am DIN-Platz in Berlin, dem Sitz des DIN-Instituts, also des Deutschen Instituts für Normung. Aufnahme vom 12.04.2018 (gestern)

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„Auffi gehts! Schaugst waida! Gehts aussi!“

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Sep 192017
 

23. Mai 2017, Kreuth am Tegernsee, abends.

Gutes, lauschendes, tief einsaugendes Lauschen auf die Landleute beim Viehtrieb in Kreuth! Das ist ja genau die Sprache, die mir in die früheste Kindheit hineinschallte, meiner Mutter Sprache – Bairisch, ein Idiom, dessen ich mich bei meinen gelegentlichen Aufenthalten in meinem Herkunftsland gern auch selbst befleißige.

Vergessen wir nicht, wir sind hier am Tegernsee auf ältestem deutschem Kulturboden. Der älteste erhaltene deutsche Roman überhaupt, der berühmte Ruodlieb – ein lateinisch verfasstes Versepos – stammt aus dem Kloster Tegernsee! Er wurde gut 9 Jahrhunderte vor Thomas Manns Doktor Faustus verfasst, diesem Schicksalsroman, dessen letzte, dramatisch zugespitzte Szenen ebenfalls im oberbayrischen Voralpenland spielen.  Ja, die in Pfeiffering ausgemalten Schlussbilder, der gutmütige Dr. phil. Serenus Zeitblom  hätte sie auch hier ansiedeln können.

Bild: eine Kreuther Ziegenherde am 23. Mai 2017, wenige Momente nach dem Austrieb aus dem Stall. Unsicher taumelnd  tollen die Ziegen umher. Nach der Sicherheit des Stalls, wo ihnen Tag um Tag das Futter gereicht wurde, löst die Freiheit des Graslandes einen rauschartigen Tanz aus. Die Herde bleibt sicherheitshalber vorerst zusammen. Die Herde bietet Schutz angesichts des Neuen, das da kommen mag.

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