„… und wen würdest Du wählen, mein liebes Kind?“

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Sep 222017
 

Der rheinhessische Hausfreund erzählt:

Einige fröhliche Bürgerinnen und Bürger saßen einmal in ausgelassener Heiterkeit am Vorabend von Goethes Geburtstag zusammen in einem Weingarten und pichelten so manchen süffigen Tropfen.  Natürlich wurden auch die anstehenden Bundestagswahlen erörtert. Wen sollte man wählen? Die Auswahl war so riesig! Die Qual der Wahl, das war der richtige Ausdruck dafür!

Der eine Zecher, einer der älteren Herren, brach eine Lanze für Sahra Wagenknecht: „Wagenknecht! Die hat einen Stein bei mir im Brett, denn sie schätzt und verehrt Goethe. Sie hat Kant, Marx und den Faust II gelesen und beherzigt; sie wendet die Erkenntnisse Goethes in ihrer politischen Praxis an. Sie kennt und schätzt Begriff und Wesen des Ordoliberalismus der Freiburger Schule. Sie kennt Rüstow und Röpke sogar! Hab ich doch einmal einen Artikel aus ihrer Feder in der FAZ über die betrügerische Papiergeldwirtschaft im Faust II gelesen, die sie mit der EZB-Politik vergleicht!“

Gelächter, Staunen! Stimmte das wirklich? Ging es da mit rechten Dingen zu? Was tischte der Zecher da auf? Und schon rezitierte der alte Zecher aus dem Gedächtnis in leicht singendem Tonfall:

Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt,
Ist so bequem, man weiß doch, was man hat;
Man braucht nicht erst zu markten noch zu tauschen,
Kann sich nach Lust in Lieb und Wein berauschen.
Will man Metall: ein Wechsler ist bereit,
Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit.
Pokal und Kette wird verauktioniert,
Und das Papier, sogleich amortisiert,
Beschämt den Zweifler, der uns frech verhöhnt.
Man will nicht anders, ist daran gewöhnt.
So bleibt von nun an allen Kaiserlanden
An Kleinod, Gold, Papier genug vorhanden.

Gelächter, Applaus, Schulterklopfen!

So ging es weiter, jede Zecherin und jeder Zecher durfte sein oder ihr Loblied auf eine der zahlreichen guten Kandidatinnen oder Parteien anstimmen.

Schließlich fragten sie den einzigen komplett Nüchternen am Tisch, ein neunjähriges Kind: „… und wen würdest du wählen, liebes Kind?“

Wie aus der Pistole geschossen kam die Antwort des Jungen: „Die SPD natürlich! Die schenkt mir Schokolade und manchmal sogar einen roten Luftballon!“

Das lobt der hessische Hausfreund, beweist es doch die alte Weisheit: Das Hemd ist näher als der Rock. Schokolade macht Kinder froh, und ein Geschenk zur rechten Zeit bewirkt mehr als tausend gute Worte.

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Bitte einen echten Fünfkampf!

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Sep 042017
 

Kanzlerduell! Gestern sahen wir dieses harmonische Duett (nicht Duell) auf vier Fernsehkanälen. Es war eine von großem Einvernehmen geprägte Begegnung bekannter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.

Nun steht heute Abend gleich ein richtiger Fünfkampf auf dem Programm!  Möge es kein harmonisches Quintett werden, sondern ein echter Fünfkampf … gewissermaßen ein Quintell! Sahra Wagenknecht, Cem Özdemir, Joachim Herrmann, Christian Lindner und Alice Weidel werden sich hoffentlich nichts schenken!

ARD, 20.15 Uhr!

Ein paar Fragen zum Thema Europa für den heutigen Wahlabend der fünf hätten wir da, diesmal aus dem Bereich Wirtschaft und Währungspolitik:

Sachstand:
a) Wie schon seit vielen Jahren weist die Eurozone (Euro-19) auch derzeit weiterhin konstant eine viel höhere Arbeitslosigkeit als der Größe nach vergleichbare Wirtschaftsräume (USA, China) auf.
b) Der Wirtschafts- und Währungsraum der 19 Euro-Länder (Eurozone) weist ein deutlich niedrigeres Wachstum und eine deutlich höhere Arbeitslosigkeit als die EU außerhalb der Eurozone (z.B. Schweden, Polen) auf.

Frage an die Kandidaten der  Linken, Grüne/B’90, CSU, FDP, AfD:
Was bedeutet diese außerordentliche Schwäche des Euro-Raumes für die EU,  für die Euro-Zone insgesamt und für Deutschland im besonderen?

Wie erklären Sie das?

Wollen Sie, dass die Eurozone weiterhin deutlich schwächer bleibt als andere vergleichbare Wirtschaftsräume und dem Rest der Welt hinterherhinkt?

Sie sind doch überzeugte Europäer, oder etwa nicht? Wollen Sie diesen beschriebenen Zustand ändern, wenn  Sie in den Bundestag kommen? Falls ja, wie?

Belegzahlen:

USA:
Arbeitslosenquote (Juli 2017) 4,3%
Wachstumsrate BIP (Q2 2017) +2,1

China:
Arbeitslosenquote (2. Quartal 2017) 4,0%
Wachstumsrate BIP (Q2 2017) + 6,9

Eurozone:
Arbeitslosenquote (Juni 2017) 9,1%
Wachstumsrate BIP (Q2 2017) + 2,2

Tschechien (als ein Nicht-Euro-Land zum Vergleich):
Arbeitslosenquote (Juni 2017) 2,9%
Wachstumsrate BIP (Q1 2017) + 4,0

Quelle:
„Economic and financial indicators“, in: The Economist, August 26th-September 1st 2017, p. 76

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SENSATION: Glucke führt ihr Völklein aus! Bächlein rauschen in dem Sand! Unverdroßne Bienenschar fleucht! Weizen wächst mit Gewalt!

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Jul 082017
 

Morgen am Sonntag, dem 9. Juli,  findet um 18.00 Uhr ein kleines sommerliches Konzert in der Kreuzberger Kirche St. Bonifatius, Yorckstraße 88, statt. Es eignet sich besonders auch für Kinder, die allmählich an die Musik herangeführt werden sollen. Ich spiele und singe selbst dabei mit. Auch ihr Lesende seid mir alle willkommen. Besonders freue ich mich auf das Singen des Liedes „Geh aus / mein hertz / und suche freud Jn dieser lieben sommerzeit“. Es hat 15 Strophen!

Mit Gewalt setzte heute der Sommer ein! Der erste Tag, an dem der pralle Sommer zu Mittag in uns alle fährt. Im Hans-Baluschek-Park mache ich Halt und nehme die Blumenwiese auf. Zuhause suche ich die älteste gedruckte Fassung des Evergreens von Paul Gerhardt heraus. Sie lautet so:
1
Geh aus / mein hertz / und suche freud
Jn dieser lieben sommerzeit
An deines Gottes gaben:
Schau an der schönen gärten zier
Vnd siehe / wie sie mir und dir
Sich außgeschmücket haben.

2
Die bäume stehen voller laub /
Das erdreich decket seinen staub
Mit einem grünen kleide
Narcissus und die Tulipan
Die ziehen sich viel schöner an /
Als Salomonis seyde.

3
Die lerche schwingt sich in die luft /
Das täublein fleugt aus seiner kluft /
Und macht sich in die wälder.
Die hochbegabte nachtigal
Ergötzt und füllt mit jhrem schall
Berg / hügel / thal und felder.

4
Die glucke führt ihr völcklein aus /
Der storch baut und bewohnt sein haus /
Das schwälblein speist die jungen /
Der schnelle hirsch / das leichte reh
Ist froh und kömmt aus seiner höh
Ins tiefe graß gesprungen.

5
Die bächlein rauschen in dem sand
Vnd mahlen sich und ihren rand
Mit schattenreichen myrthen:
Die wiesen ligen hart dabey
Und klingen gantz vom lustgeschrey
Der schaf und jhrer hirten.

6
Die unverdroßne bienenschaar
Fleucht hin und her / sucht hie und dar
Jhr edle honigspeise.
Des süssen weinstocks starcker saft
Bringt täglich neue stärck und kraft
Jn seinem schwachen reise.

7
Der weitzen wächset mit gewalt
Darüber jauchzet jung und alt /
Und rühmt die grosse güte
Des / der so überflüssig labt /
Und mit so manchem gut begabt
Das menschliche gemüthe.

8
Ich selbsten kan und mag nicht ruhn:
Des grossen Gottes grosses thun
Erweckt mir alle sinnen /
Jch singe mit / wenn alles singt /
Und lasse was dem Höchsten klingt
Aus meinem hertzen rinnen.

9
Ach denck ich / bist du hier so schön /
Und läßst dus uns so lieblich gehn
Auf dieser armen erden /
Was wil doch wol nach dieser welt
Dort in dem vesten himmelszelt
Vnd güldnem schlosse werden?

10
Welch hohe lust / welch heller schein
Wird wol in Christi garten seyn /
Wie muß es da wol klingen /
Da so viel tausent Seraphim /
Mit unverdroßnem mund und stimm
Jhr Alleluja singen.

11
O wär ich da! o stünd ich schon /
Ach süsser Gott / für deinem thron
Und trüge meine palmen:
So wolt ich nach der Engel weis
Erhöhen deines Namens preis
Mit tausent schönen psalmen.

12
Doch wil ich gleichwol / weil ich noch
Hier trage dieses leibes joch /
Auch nicht gar stille schweigen /
Mein hertze sol sich fort und fort /
An diesem und an allem ort
Zu deinem lobe neigen.

13
Hilf mir und segne meinen Geist
Mit segen / der vom himmel fleußt /
Daß ich dir stetig blühe:
Gib / daß der sommer deiner gnad
In meiner seelen früh und spat
Viel glaubensfrücht erziehe.

14
Mach in mir deinem Geiste raum /
Daß ich dir werd ein guter baum /
Und laß mich wol bekleiben /
Verleihe / daß zu deinem ruhm
Jch deines gartens schöne blum
Vnd pflantze möge bleiben.

15
Erwehle mich zum Paradeis
Vnd laß mich bis zur letzten reis
An leib und seele grünen:
So wil ich dir und deiner Ehr
Allein / und sonsten keinem mehr /
Hier und dort ewig dienen.

Gedruckte Erstfassung hier zitiert nach:
1653. Paul Gerhardt: Sommergesang. Mel. Den Herren meine seel erhebt. In: Gedichte 1600-1700. Nach den Erstdrucken in zeitlicher Folge herausgegeben von Christian Wagenknecht. [=Epochen der deutschen Lyrik in 10 Bänden. Herausgegeben von Walther Killy. Band 4], 2., verbesserte Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1976, S. 207-209

 Posted by at 18:03
Aug 282015
 

„Es zeigt sich einfach, dass der Euro nicht funktioniert, sondern immer größere wirtschaftliche Ungleichgewichte erzeugt, und am dramatischsten zeigt sich das eben in Griechenland“, wurde am Wochenende eine Bundestagsabgeordnete in der WELT und der FAZ zitiert. Krass. Eine steile, ja geradezu eine krude These! Die Bundestagsabgeordnete NN bemängelt am Euro-System, dass es die Handlungsmöglichkeiten der Regierungen zu stark einenge.

Das ganze Euro-Wesen – so dürfen wir zusammenfassen – sei also gewissermaßen das Ende der Freiheit. Ich denke, die krude These dieser Bundestagsabgeordneten NN verdient eine vorurteilslose Diskussion.  Aus diesem Grund sei ihr Name hier nicht genannt. Wie sie heißt und welcher Partei sie angehört, spielt hier keine Rolle; der Wahrheitsgehallt einer Aussage bemisst sich schließlich nicht danach, wer sie äußert. Entscheidend ist stets: Trifft diese Aussage zu? Ist sie wahr, teilweise wahr – oder ist sie falsch, teilweise falsch?

Zweifellos stützt sich die zitierte krude These nicht nur auf softe Gefühle, sondern auch auf harte Zahlen. Die Schere zwischen wohlhabenderen und ärmeren Volkswirtschaften ist seit 1996 innerhalb der Eurozone deutlicher als außerhalb der Eurozone auseinandergegangen. Das verblüfft, beruhte der Euro doch auf der Grundannahme der Konvergenz. Die Konvergenz der Euro-Volkswirtschaften hat jedoch abgenommen, die Divergenz hat hingegen dramatisch zugenommen. Und nunmehr hat ausgerechnet im Reiche des Euro sogar Frankreich den Status als wichtigster Handelspartner der Bundesrepublik Deutschland an die USA abgeben müssen; Handelspartner Nummer 1 sind jetzt die USA, nicht mehr wie jahrzehntelang Frankreich. Das heißt, das Handelsvolumen Deutschlands mit den USA hat während der Herrschaft des Euro stärker zugelegt als das mit Frankreich. Der außenwirtschaftliche Trend zeigt also abwärts für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone.

Noch krasser ist aber der Befund in der drittwichtigsten Euro-Volkswirtschaft, in Italien. Hier haben wir aktuell eine Jugendarbeitslosigkeit von 43%, Italiens Volkswirtschaft  ist seit 1996 – als der Jubel über den Euro-Beitritt  unüberhörbar erscholl –  fast nicht mehr gewachsen.  Darüber hinaus hat sich sogar innerhalb Italiens die Divergenz zwischen ärmeren und reicheren Gegenden vergrößert. Der Süden Italiens – dem ich mich übrigens durch langjährige Erfahrungen mit jeder Faser meines Herzens verbunden fühle –  leidet an einem langanhaltenden wirtschaftlichen Niedergang. Quasi quasi mi si strazia il cuore! Adriano Giannola, 71, emeritierter Professor für Finanzwirtschaft, Präsident der Vereinigung für die Entwicklung des italienischen Südens (SVIMEZ) sagte es am 24.08.2015 in der Süddeutschen Zeitung (S. 18) so: „Der Euro hat die innere Spaltung des Landes in einen mangelhaft kapitalisierten Süden und in einen halbwegs leistungsfähigen Norden eher befördert als vermindert.“

Und immer wieder spreche ich persönlich auf Kreuzbergs und Schönebergs Hinterhöfen mit gut ausgebildeten Akademikerinnen und Akademikern aus Portugal und Spanien, die deutsche Plätze fegen, deutsches Unkraut jäten, deutsche Treppenhäuser putzen. Man fragt sich mit Horaz: Hoc erat in votis monetae unicae dedicatis? Ward dies dem Euro an der Wiege gesungen?

Dabei soll aber nicht alle Schuld ausschließlich dem Euro gegeben werden! Das tut ja auch niemand. Fest scheint aber zu stehen, dass der Euro nicht nur wegen politischer Versäumnisse und Fehler, sondern auch aus strukturellen, aus systemischen Gründen im vergangenen unrühmlichen Ventennio der Eurozone insgesamt mehr Schaden als Nutzen beschert hat.

Insofern ist – egal was die LINKE-Mehrheit, die CDU/CSU-Mehrheit, die SPD-Mehrheit und die FDP-Mehrheit nicht müde werden zu behaupten und endlos weiter vertreten  – der Bundestagabgeordneten Sahra Wagenknecht und dem Finanzwirtschaftler Adriano Giannola vorsichtig zuzustimmen. Beide haben eine vorurteilslose Erörterung ihrer kruden Thesen verdient.

Sahra Wagenknecht und Adriano Giannola gehören zweifellos zu den Minderheitlern, den Menschewiki im Chor der politischen Stimmen, wie sie auf Russisch zu Beginn des 20. Jahrhunderts genannt wurden.  Aber sie haben gerade deswegen eine vorurteilslose Erörterung ihrer kruden Thesen verdient. Man sollte sie nicht als Rechtspopulisten oder Europafeinde abkanzeln.

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/montagsinterview-italien-ist-nie-eine-geeinte-nation-gewesen-1.2617855?reduced=true

http://www.welt.de/politik/deutschland/article145454656/Sahra-Wagenknecht-stellt-den-Euro-infrage.html

http://www.svimez.info/index.php?lang=en

 Posted by at 12:21

„Ja, willst du denn den Euro nicht als das großartigste Symbol der europäischen Einigung anerkennen …?“

 Entkernung, Europäische Union, Freiheit, Geld, Heiligkeit, Philosophie, Wagenknecht  Kommentare deaktiviert für „Ja, willst du denn den Euro nicht als das großartigste Symbol der europäischen Einigung anerkennen …?“
Mai 082013
 

2013-04-25 07.35.07

So fragen mich immer wieder politische Wandergefährten. Darauf sage ich: „In der Tat, nein, der Euro ist nicht das großartigste Symbol der europäischen Einigung und noch weniger das Symbol der Europäischen Union. Das große, das eigentliche Symbol der Europäischen Union wie überhaupt jedes Staates ist – wie es G.W.F. Hegel dargelegt hat –  das leerste, abstrakteste Symbol überhaupt, nämlich die Flagge, näherhin bestimmt (wie es Hegel so gern in seinen Grundlinien der Philosophie des Rechts sagt) – also die Europa-Flagge mit den 12 gelben Sternen auf blauem Grund.“ Das oben zu sehende Bauschild aus dem ehemaligen Zisterzienserkloster Haydau zeigt dieses Sinnbild der Europäischen Union sehr sinnfällig und sehr wohltätig!

Die EWG, die EU, der Schengenraum, der Binnenmarkt, die EFRE-Hilfen für strukturschwache Gebiete und vieles mehr waren vor der Einführung des Euro unbestreitbar eine Erfolgsgeschichte, die es fortzuschreiben gilt! Es ist schon fast tragisch zu nennen, dass der Euro so Goldenes-Kalb-artig überfrachtet wird. Man möchte mit Beethovens 9. Symphonie ausrufen: Freunde, nicht diese Töne, nicht dieses Gezänke! Seht es doch mal lockerer! Über die Jahrtausende hin haben Staaten Währungen sehr oft eingeführt und sehr oft abgeschafft.  In manchen Staaten waren mehrere Währungen gleichzeitig im Umlauf (so etwa jahrzehntelang in den USA nach ihrer Gründung), andere Staaten schlossen sich zu losen Währungsverbünden zusammen, ohne dass eine politische Union auch nur ansatzweise beabsichtigt gewesen wäre – etwa in der „Lateinischen Münzunion“ -, kurz, man muss ausnahmsweise gegen Goethe, gegen Goethes Gretchen ausrufen:

Am Euro hängt,
Zum Euro drängt
Nicht alles!
Ach wir Armen!

Das große entscheidende Symbol aller staatlichen und staatsähnlichen Gebilde ist seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden stets ein abstraktes Symbol: das Bild des Kaisers, das Wappen des Herrschers, die Fahne des Staates, die Hymne der Nation usw.

Der Eid der deutschen Soldaten, den ich übrigens selbst damals als 19-jähriger Wehrpflichtiger ebenfalls in voller Überzeugung abgelegt habe, gilt nicht dem Wohlstand, den Konvergenzkriterien von Maastricht und der politischen Zentralgewalt, nicht dem Geld und nicht der Währung der Bundesregierung, sondern „dem Recht und der Freiheit“ des Volkes. Das Recht und die Freiheit jedes einzelnen Menschen, jeder staatlich verfassten Gesellschaft sind für mich die entscheidenden Werte politischen Handelns, während die „Währung“ in der Tat – wie der Name verkündet –  nur „während“ ihres Geltungszeitraumes gilt. Währungen sind – im Gegensatz zur Idee des Rechts und der Freiheit –  nichts Ewiges. Währungen kommen und gehen nach dem Willen des Souveräns. Viele römische Kaiser, die Souveräne der Antike, prägten ihre eigenen Währungen, die „Asse“, „Sesterzen“ und „Dinare“, teils ließen sie die Vorgängerwährungen gelten, teils schafften sie sie ab.

Die Währung ist nicht das entscheidende Band der Europäischen Union. Das entscheidende Band der Europäischen Union sind Freiheit und Recht der europäischen Völker. Einige der wenigen, die bereits jetzt so denken (während viele andere in den nächsten Monaten und Jahren folgen werden), scheinen Sahra Wagenknecht, Nigel Lawson (der Finanzminister Margret Thatchers), Bernd Lucke, Oskar Lafontaine, Hans-Werner Sinn, Wolfgang Bosbach und vermutlich auch bereits Bundesbankpräsident Jens Weidmann zu sein. Die genannten europäischen Persönlichkeiten verankern ihr Sinnen und Trachten nicht im Zahlungsmittel als dem Grund allen wirtschaftlichen Handelns, sondern im Bewusstsein dessen, dass die Freiheit, also die Handlungsfähigkeit und Wahlmöglichkeit der Völker und Regierungen wichtiger sind als die Einhaltung eines Währungs-Zwangsverbandes.

Der Souverän der heutigen, demokratischen Zeiten ist in Europa – das Volk. Den europäischen Völkern steht es frei, Währungen einzuführen und Währungen abzuschaffen.

 

 Posted by at 17:41
Nov 102012
 

Da lacht doch das Herz des Kreuzberger Bloggers! Katrin Göring-Eckardt als Spitzenkandidatin der Grünen nebst dem Ex-Kommunisten Jürgen Trittin! Das wirft die Frage auf: Kehrt urplötzlich das Religiös-Demokratische nach Deutschland zurück? Cooler Move!

Ich höre aus der Urwahl folgende Message ans Wahlvolk heraus: „Wenn ihr in der CDU zu wenig Christdemokratisches findet, wenn die CDU euch zu links, zu staatsdirigistisch, zu staatsgläubig ist, dann wählt halt die Partei der Chrismon-Autorin Göring-Eckardt!“ Katrin Göring-Eckardt, deren Gedanken über die „Kultur des Weniger“, über Philipp Melanchthon mich damals – ich las sie in in der Meister-Eckart-Stadt Erfurt – sehr beeindruckt haben!

Nach Gauck, nach Kretschmann, nach Fritz Kuhn, nach Cem Özdemir ist dies der nächste Coup der jungen wilden Neuen Konservativen, die die Linkspartei der Bündnisgrünen systematisch unterwandert haben oder aus der CDU-Familie abgewandert sind, – bzw. der CDU verlorengegangen sind! Gauck, Göring-Eckardt, Özdemir, Kuhn, Kretschmann, Rezzo Schlauch, Matthias Filbinger, der Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten Filbinger, hätten eigentlich in der CDU Platz finden oder wiederfinden müssen, hätten von der CDU demütig bittend ab- und angeworben werden müssen. Das sind doch alles astreine Wertkonservative! Die könnten Bände erzählen, warum sie nicht zur CDU gegangen sind. Die CDU sollte die genannten Persönlichkeiten – nebst Sarah Wagenkecht – zur Beratung bitten, die wäre goldwert! Allerdings kann man die Politik-Beratung auch kostenlos haben, wenn man die öffentlichen Äußerungen dieser Männer und dieser Frauen sorgfältig liest, fleißig bespricht und kundig-demütig deutet. Teure, aufgebrezelte  Kommunikationsagenturen sind voll überflüssig.

Wie bitte? Jawohl. Sarah Wagenknecht von der Linkspartei, die sich neuerdings ebenfalls zum Ideal der Nächstenliebe bekennt, die Goethes Faust II zustimmend liest und neu deutet, die ausdrücklich mehr Marktwirtschaft im Geiste Ludwig Erhards einfordert!

Es passt ins Bild, dass neuerdings der Charlottenburger, direkt gewählte grüne Bundestagsabgeordnete von Friedrichshain-Kreuzberg redlich dazu steht, bereits 1967 nach römisch-katholischem Ritus in der Kathedrale Unsere Liebe Frau zu Paris vor Gott und den Menschen den Bund der Ehe geschlossen zu haben, was Ehe auf ewig bindet. Dies ist zu verstehen als ein öffentliches Bekenntnis zum religiösen Ritual, ein verbindliches Eintreten für die geistliche Dimension der Politik und des Privatlebens, ein klares öffentliches Bekenntnis zum europäischen Christentum, das der säkulare Christ (ich würde ihn so nennen) Hans-Christian Ströbele damit vollzieht.

Was den Charlottenburger direkt gewählten grünen Bundestagsabgeordneten allerdings nicht daran hinderte, den Saal des Bundestages zu verlassen, als „unser Heiliger Vater“, wie er sagte, zu reden anhub, denn „unser Heilger Vater“ hatte sich nicht beim grünen Bundestagsabgeordneten entschuldigt für all das, was im Namen der Kirche den Armen und Elenden dieser Welt angetan worden war.  Es passt ins Bild, dass er sich redlich zu seinem schönen richtig großen Family-Van Volkswagen Touran bekennt.   Auch im grün regierten Friedrichshain-Kreuzberg ist genug Platz für Family-Vans. Kein grüner oder roter oder schwarzer VW Touran muss hier bei uns an den Bezirksgrenzen abgestellt werden. Platz genug für Autos, Autos, Autos, Platz genug für das heilige Blechle der Deutschen ist überall.

Ganz ähnlich bekennt sich der säkulare deutsche Grünen-Politiker Cem Özdemir öffentlich zum uralten, abrahamitisch-jüdisch-muslimischen schmerzensreichen religiösen Ritus der Knabenbeschneidung, dem er selbst unterworfen wurde und den er als Kirve – Kirve bedeutet Gevatter – auch weiterhin mitträgt und an die nachwachsende Generation weitergibt.

Somit dürfen wir ausrufen: 2013 wird sehr spannend für die CDU und ihre drei direkten Konkurrenzparteien (Grüne, FDP, Linke), die ihr neuerdings versuchen, das christlich-demokratische Wasser abzugraben –  und sehr eng für die SPD!

Ich empfinde es als einen Segen, wenn sich die Linkspartei und die Grünen mit der CDU um die Erbschaft der Gründungs-CDU (aus dem sehr fernen Jahr 1946) streiten, wenn sie gemeinsam um die rechte Auslegung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland aus dem furchtbar fernen Jahr 1949, gemeinsam um Maß und Mitte im Leben des Menschen ringen!

Es lebe die deregulierte, liberalisierte Marktwirtschaft des freien Wortes! Konkurrenz um das Christlich-Demokratische, bzw. das Religiös-Demokratische, um das Wertkonservative belebt das Geschäft, macht müde Männer munter!


Weiterführendes Schrifttum:
http://www.taz.de/Ergebnis-Gruenen-Urwahl/!105276/
„Ich bin nicht müde“. DER SPIEGEL 38/2012, S. 42-44
Cem Özdemir: „Ein schmerzhaftes Ritual“. In: ders.: Die Türkei. Politik, Religion, Kultur. Weinheim 2008, S. 237-239

 Posted by at 13:46
Mai 052012
 

Unbedingt lesenswert – der folgende Beitrag in der FAZ:

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/gastbeitrag-vom-tod-europaeischer-werte-11732949.html

Ihn verantwortet die Autorin, die – sehr zu meiner innigen Freude – angesichts der Finanzkrise den Schneid in der FAZ damals aufbrachte, aus Goethes FAUST II zu zitieren, Szene im Kronsaal, wo ein tattriger Kaiser (Maximilian?) von einem gerissenen Einbläser hinters Licht geführt wird … ! Die Assignatenwirtschaft wurde ins Leben gerufen, man schrieb staatliche Schuldverschreibungen aus … Wertpapiere, die auf noch zu findende Bodenschätze ausgestellt wurden.

Mindestens DAS haben Sie schon großartig gemacht und geschrieben, Frau Wagenknecht.

Und die Soziale Marktwirtschaft eines Ludwig Erhard war in der Tat als Gegenentwurf zu einem schrankenlosen Manchester-Kapitalismus genauso wie als Gegenentwurf zu den auf Gewalt und Massenmord gestützten kommunistischen und nationalsozialistischen Diktaturen, etwa des faschistischen Italien, der kommunistischen UDSSR und des nationalsozialistischen Deutschen Reiches gedacht.

Und die soziale Marktwirtschaft eines Ludwig Erhard hat funktioniert und wird auch weiter funktionieren. Wir müssen sie nur verteidigen, pflegen und hegen!

 Posted by at 08:24
Feb 132009
 

Teilnehmer:

Wulf Bernotat, Vorstandsvorsitzender E.ON AG

Volker Kauder, deutscher Politiker, MdB

Sahra Wagenknecht, deutsche Politikerin, MdEP

Prof. Dr. Stefan Homburg, Finanzwissenschaftler

Björn Böhning, deutscher Politiker, Direktkandidat Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost

Volker Schlöndorff, Regisseur, ehemals Student der Volkswirtschaftslehre in Paris

Zwischenrufe des schreibenden Bloggers werden hier in diesem Kurzprotokoll kursiv gesetzt.

Kauder tischt gleich zu Beginn erneut den Begriff „systemrelevante Bank“ auf. Durch den Zusammenbruch von Lehman Brothers sei die Krise ausgelöst worden. Ausgelöst ja – aber doch nicht verursacht! „Wir dürfen solche Banken nicht in den Konkurs treiben!“ Aber es waren nicht wir, die die Banken in den Konkurs getrieben haben! Nicht überzeugend, Herr Kauder.

Sahrah Wagenknecht hat leichtes Spiel. Sie steht besser da mit ihren Argumenten.

Böhning befürwortet Verstaatlichung, führt den Crash auf einen Mangel an Mitbestimmung zurück.  Mehr Mitbestimmung würde zur Crashverhinderung geführt haben. Glaub ich nicht.

Stefan Homburg weist die Eingriffe des Staates zurück.Teilt die Einschätzung aller möglichen Geldhäuser als „relevante Bank“ nicht! „Die Welt ist nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers nicht untergegangen.“ Sehr gut, in Insolvenz gehen lassen. Dicker Punkt für Homburg!

Schlöndorff warnt vor Panik. Wirbt für Augenmaß – sehr gut! Politik kann weniger als die Politiker denken! Just do it! Machen, anschauen, rangehen, „amerikanische Tugenden“! Big Point für Schlöndorff!

„Madame No“ hatte recht zu zaudern – ja warum treibt ihr sie dann zu solchen unbedachten Maßnahmen, Herr Kauder?

Wagenknecht redet mal wieder das Chaos herbei, verbreitet Weltuntergangsstimmung. Das Übliche.

„Sozialismus kommt nicht wieder.“ Kauder

„Keiner will die DDR wiederhaben“. Wagenknecht

Bernotat: „Es ist eine unternehmerische Aufgabe.“ Gut!

Böhning: Will Zugriff auf Unternehmen, die beim Staat unterkriechen.

„Wir sind Feuerwehr“ – sagt Kauder, – aber das Haus brennt schon lichterloh!

Verfassungsrechtler Prof. Dr. Ulrich Battis redet Klartext: Art. 15 GG erlaubt die Sozialisierung. Politisch derzeit nicht durchsetzbar. 1949 erfolgte im GG keine Festlegung auf eine Wirtschaftsordnung. Unüberbrückbarer Gegensatz. Ahlener Programm der CDU 1946 wollte christlichen Sozialismus. Guter Punkt! Staaten können Eigentümer von Unternehmen sein. „Bürge nie!“ lernt der Jurastudent im ersten Semester.

Bernotat: „Soziale Marktwirtschaft hat Wohlstand erarbeitet, jetzt sind wir in einer temporären Krise.“

Wagenknecht fordert Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums ein. Fährt schweres Geschütz gegen die „Abzocke“ von E.On auf.

Homburg  hält bessere Bankenregulierung für illusorisch. Lange Geschichte der Misserfolge der Bankenregulierung. Er fordert: Persönliches Fehlverhalten muss persönlich bestraft werden.

Homburg nickt zustimmend, als Böhning vor den Übernahmephantasien der Unternehmen warnt.

Riesige Mehrheit der Bundesbürger wünscht laut Stern-Umfrage Staatshilfen oder Verstaatlichung der Energie- und Versorgungswirtschaft.  Absurd, der Glaube an den Obrigkeitsstaat.

Volker Schlöndorff weist auf Sicherheitsbedürfnis hin. Die meisten erwarten vom Staat, er solle für sie die Rundum-Sorglos-Existenz sichern. Guter Punkt.

Böhning: Überhitzung der Finanzmärkte machen die Finanzprodukte völlig undurchschaubar. Fordert mehr Demokratie auf den Finanzmärkten.

„Wird mein Arbeitsplatz erhalten?“Ich sage: Dies kann kein Staat versprechen!

Homburg: „Der Albtraum geht jeden Morgen weiter.“ Die Bundesregierung leistet dem Vorschub. „Ich würde die Familie Schaeffler nachhause schicken – auch die Banken.“ „Man braucht nicht die Banken zu schützen, nur die Sparer.“

Wagenknecht sahnt mit wohlfeilen Sprüchen ab: „Die Frau Schaeffler kriegte den Hals nicht voll genug.“

Kauder: „Treten Sie mal vor die Arbeiter und sagen Ihr Arbeitsplatz geht verloren. Können Sie so herzlos sein?“ Ja, Herr Kauder, das ist wieder die Selbstüberschätzung der Politik. Die Politik kann nicht Arbeitsplätze retten. Papa Staat soll Arbeitsplätze für 6 oder 12 Monate erhalten?

Homburg: KfW LBB … alles staatliche Banken, die in Schieflage sind.

Böhning fordert konjunkturelle Maßnahmen. Staatliche Organisation der Grundversorgung.

Bernotat: Man braucht mehr Kompetenz, mehr Fachwissen in den Aufsichtsräten.

Schlöndorff plädiert für ideologiefreie Mischformen der Wirtschaft.

Schlöndorff: „Auf den einzelnen kommt es an.

Homburg: Eine Insolvenz ist nicht so schlimm, wie es klingt.

Mein Fazit NACH der Sendung:

Die Politiker Kauder, Böhning und Wagenknecht konnten mich quer durch die Parteien alle nicht überzeugen.

Den Fachleuten aus Wirtschaft (Bernotat) und Wissenschaft (Prof. Dr. Homburg, Prof. Dr.  Battis) und auch Herrn Volker Schlöndorff musste ich hingegen fast immer zustimmen. Sie haben ja weitgehend das ausgesprochen, was ich vor der Sendung hier niedergeschrieben habe.

Meine Meinung von VOR der Sendung muss ich insofern korrigieren,  als ich jetzt sage: Der Staat stand nicht in der Verpflichtung, einzelne Banken vor dem selbstverschuldeten Untergang zu bewahren. Ich nehme dieses Argument zurück, wonach die Politik, der Staat es versäumt habe, die Banken durch zusätzliche Regulierung vor dem Zusammenbruch zu schützen.

Die Geldhäuser haben in großem Umfang Fehler gemacht – dafür sollten sie jetzt geradestehen. Die staatlichen Rettungs- und Allmachtsphantasien sollten abgeschüttelt werden.

 Posted by at 00:23