Bioturbation: das immerwährende Sich-Umschaffen der Natur

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Sep. 162023
 

Wasserbüffel beweiden die Pfaueninsel in der Havel im Südwesten Berlins. Aufnahme des Verfassers vom 3. Juli 2019.

Schaut hier hin: Großtiere wie diese Weidetiere schufen und schaffen durch Betreten, Äsen, Scharren, Wühlen, Absondern von Dung eine Vielzahl an kleinräumigen Habitaten für eine Unzahl an Lebewesen, von den humusbildenden Mikroben, den Asseln, Würmern, Insekten, den Kleinsäugern wie Mäusen, Hamstern bis hin zu den Beutegreifern wie Fuchs, Wolf, Habicht und Fischadler. Auch die vielgerühmte Schwarzerde der Ukraine, der Kornkammer der Welt, wie wir sie nennen dürfen, ist so entstanden!

Über diesen einst die Landschaften Europas und aller Kontinente prägenden Wirkzusammenhang schrieb Jan Haft im Jahr 2023:

„Unterirdisch lebende Tiere wie Regenwürmer, Käferlarven, Maulwürfe, Hamster, Ziesel und andere verfrachten den Humus beim Wühlen in immer tiefere Erdschichten. Dabei bringen sie Gesteinsbrocken und damit Mineralien an die Oberfläche und machen sie für die Pflanzen verfügbar. Hierfür gibt es sogar einen eigenen Fachbegriff: „Bioturbation“. Auf diese Weise sind überall auf der Welt mehrere Meter tiefe Braun- und Schwarzerdeböden entstanden, voller Humus und voller Kohlenstoff. Die Existenz dieser Böden beweist ihrerseits, dass es die offenen, von Großtieren dominierten Savannen gab. Sei es in der amerikanischen Prärie und Pampa oder den Steppen in Afrika, Asien, Australien und Europa.

Die wichtigsten Getreideanbaugebiete befinden sich heute im Bereich dieser Schwarzerden, von denen ein Drittel in der Ukraine liegt. So könnte man sagen dass die Menschheit ihre Nahrung zu einem beträchtlichen Teil den von ihr ausgerotteten Weidetieren zu verdanken hat.“

Zitatnachweis:
Jan Haft: Wildnis. Unser Traum von unberührter Natur. Penguinverlag, München 2023, Seite 66

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„Bauen ist männlich, Erziehung und Pflege sind weiblich“

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Juni 072013
 

„Bauen und Einreißen ist männlich, Pflege und Hege ist weiblich“ – mit dieser seltsamen Einsicht wagt sich der norwegische Komiker Eia an die Öffentlichkeit:

http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/gender-debatte-tv-bericht-biologen-widersprechen-gender-theorie/8309672.html

Das sei letztlich biologisch begründet. Schon von Geburt an, ja bereits vor der Geburt seien männliche und weibliche Menschen unterschiedlich. Ist dies so? Fast alle Menschen-Mütter bis auf eine (die erklärte Gender-Theory-Anhängerin ist), mit denen ich sprach, sehen dies ebenso. So nannte der Leipziger Zoo sein Nashornbaby zu Recht Naima, die Glückliche, weil das Nashornbaby das Wichtigste und Schönste um sich hat, das jedes Junge jeder Säugetierart (einschließlich des Menschen) in dem schweren ersten Lebensabschnitt braucht: die eigene Mutter.

Spannend ist auch folgendes: Die neue Bürgermeisterin Friedrichshain-Kreuzbergs, Monika Herrmann, soll, wie ich in der Presse las, den Bereich „Bauen und Stadtplanung“, den ihr männlicher Vorgänger mit betreute,  abgeben an einen Mann. Das Thema Kinder und Jugend war seit jeher das Thema, das ihr am meisten am Herzen lag. Warum? Zufall – oder weil sie eine Frau ist? Ist Bauen und Stadtplanung männlich, Erziehung und Soziales, familiärer und gesellschaftlicher Zusammenhalt eher weiblich?

Ich denke, es ist kein Zufall: In der Politik wie im privaten Leben neigen Frauen völlig unabhängig von ihrer persönlichen Überzeugung oder gar von parteipolitischen Affiliationen dazu, den Zusammenhalt der Gruppe, das Zusammenbleiben der Familie oder Gemeinschaft über das Bauen und Einreißen, über das Raffen und Schaffen zu stellen. Das Raffen und Schaffen, das Einreißen und Bauen kommt eher den Männern zu.

Ein paar Beispiele! Wer würde deiner Meinung eher folgende Sätze sagen – ein Mann oder eine Frau? Überlege!

a) „Am wichtigsten ist es doch, dass wir alle zusammenbleiben! Wir müssen um jeden Preis verhindern, dass der Laden auseinanderfliegt!“

b) „Der Knüppel bleibt im Sack. Strafen bewirken nichts. Jeder Mensch hat seine Eigenart.“

c) „Wir müssen alle mehr miteinander reden statt aneinander vorbeizuhandeln.“

d) „Es geht nicht, dass so und so viele nichts für die Gemeinschaft tun und es sich in der sozialen Hängematte bequem machen.“

e) „Jeder muss seine Pflicht tun!“

f) „Wir müssen die Bürger mehr fordern! Irgendwann muss man auch klare Linien ziehen!“

g) „Es ist wichtiger, dass es den Kindern gut geht, als dass die Kasse stimmt.“

h) „Die armen Kinder!“

i) „Die armen Volkswirtschaften!“

Mach den Test! Vergleiche die Sätze mit aktuellen Fragestellungen – etwa der tiefen Krise der Europäischen Union, der tiefen Krise der Kindererziehung in Deutschland, vergleiche in dieser Hinsicht europäische  Politikerinnen jeder Couleur mit europäischen Politikern!

Mein Urteil: 5 der Sätze halte ich für stark weiblich geprägt, 4 halte ich für stark männlich bestimmt.

 

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Ist es gerecht, dass Ingas Baby die Mutter nur kurz am Abend bewusst erlebt?

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Mai 282013
 

2013-05-23 15.42.29

„Ist es gerecht, dass Inga schlechtere Karrierechancen hat, weil sie Mutter ist? Nein“

So die nachdenklich stimmende Mahnung der INS – Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft -, die mich vor drei Tagen im Berliner Hauptbahnhof zum Innehalten aufforderte.

„Von dem Kind in Ingas Kinderwagen sprechen wir nicht?“, frug ich fragenden Blicks eine zufällige Passantin, die ebenfalls staunend stehenblieb.

Wir fragen tiefer: Ist es gerecht, dass Frauen Mütter werden? Ist es gerecht, dass Frauen schlechtere Karrierechancen haben, weil sie Mütter werden bzw. bis zum Alter von etwa 45 Jahren stets die Gefahr droht, dass sie Mütter werden könnten?

Es gibt höchst erfolgreiche weibliche Politiker, allerdings weniger als  männliche. Wir haben in der paganen Antike Cleopatra, in der Bibel die Königin von Saba, in der Neuzeit Margret Thatcher und Indira Gandhi gehabt.

Frauen sind in der Politik und in der Machtausübung und auch in Straßennamen sogar in Friedrichshain-Kreuzberg (und weltweit) deutlich unterrepräsentiert. Woran liegt das? Ich meine, es liegt daran, dass Frauen in allen Kulturen und allen Gesellschaften, auch in der unsrigen, eben doch anders sind als wir Männer. Vor allem liegt es am unleugbaren naturgegebenen Grundbestand des Mensch-Seins: Wir werden alle von Müttern geboren, nur Frauen – nicht Männer – können Mütter werden, mit all den unleugbaren und unvermeidbaren Einschränkungen, die das für Karriere und Beruf mit sich bringt.

Die allermeisten Frauen streben folglich auch nicht so sehr nach Glanz und Gloria, nach Scheinen und Gelten wie wir Männer. Für die meisten Frauen ist es eben doch das Schönste, Leben, Glück und Freude zu verspüren dadurch, dass sie Leben, Glück und Freude weitergeben, etwa als Mütter. Für die meisten Frauen ist von Anfang an – im Gegensatz zu den meisten Männern – eindeutig ein glückliches Familienleben wichtiger als eine Karriere.

Wenn hingegen den Frauen das Mutterwerden und überhaupt Mütterlichkeit als eine Art Unfall, als schreiende Ungerechtigkeit auf dem Weg zum vollkommenen Glück, also zur völligen hälftigen Machtteilung und Gleichheit mit den Männern ausgemalt wird, dann löst sich eine Gesellschaft auf und verspielt die eigene Zukunft. In genau dieser Gefahr stehen wir in Deutschland.

Wir Männer hingegen streben von unserer biologischen Natur aus und durch kulturell verankerte  Tiefenprägungen eher hinaus ins feindliche Leben, wir raffen und schaffen, wie es Friedrich Schiller in seinem Lied von der Glocke völlig zutreffend erkannt hat.

Schauen wir uns doch uns Männer an: Macht, Machtsicherung und Machterweiterung im Außenbereich sind wichtige Themen im Leben fast jedes Mannes, und zwar auf andere Art als für die Frauen.  Unsere vornehmste Aufgabe als Männer ist es meiner Überzeugung nach grundsätzlich, den Frauen und Kindern einen gesicherten Raum zu schaffen, in dem sie friedlich blühen und gedeihen können.  Der gesicherte Raum ist grundsätzlich die Familie. Für den Staatsmann ist es die Gesellschaft als ganze.

Das ist weltweit zu allen Zeiten in allen erfolgreichen Gesellschaften so, nur in Teilen Westeuropas und insbesondere Deutschlands versucht man zur Zeit davor die Augen zu verschließen, etwa indem man Frauen den Wahn einredet, sie müssten unbedingt ebenso erfolgreich im Beruf, ebenso mächtig in der Politik werden, ebenso viele Straßennamen erhalten wie wir Männer.  Alles andere sei doch furchtbar ungerecht. Ein verhängnisvoller Irrtum, der zur Aushöhlung der Familie beiträgt und einer der Auslöser für den demographischen Niedergang unserer Gesellschaften  ist. Bereits heute haben wir viel zu wenige Familien mit Kindern, in denen die Kinder gehegt und in denen die Alten und Kranken gepflegt werden.  Der Pflegenotstand, also der akute Mangel an Pflegepersonal in allen Altenheimen und in der Altenbetreuung ist in Deutschland bereits heute Realität. Zu glauben, dass man mit aus dem Ausland geholten professionellen Pflegekräften oder durch die Versendung der Alten von Europa nach Indonesien dem Mangel an Pflegekräften Abhilfe schaffen könnte, geht völlig an den Wünschen und Bedürfnissen unserer Alten vorbei.

Zu glauben, dass der Staat oder das staatliche Sozialsystem das Mutterwerden, die Kindererziehung, die Krankenfürsorge und die Altenpflege nach und nach immer stärker oder gar vollständig direkt in eine eigene Regie übernehmen können, ist ein törichter Wahn, dem bereits die antike Kriegergesellschaft Spartas und der Philosoph Platon im 4. Jahrhundert vor Chr. erlegen ist.

Kindererziehung, Pflege der Kranken und Pflege der Alten war immer und wird immer in allen erfolgreichen Gesellschaften eine vorrangige Aufgabe der Familien bleiben. Gelingendes Muttersein ist und bleibt eine Aufgabe der Frauen, Vaterwerden und Vatersein eine lebenslang zu erlernende Aufgabe der Männer.

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W Rzeczpospolitej Ptasiej/In der Vogelrepublik, oder: Das Leben kommt aus dem Wasser/Życie pochodzi z wody

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Mai 152013
 

2013-05-10 11.52.59

So schön ist es jetzt in der Neumark – das Warthetal, das wir vier Tage lang mit dem Rad erkundeten, ist ein überwältigend artenreicher Lebensraum für seltene Amphibien, für seltene Vögel, für Störche und Blindschleichen! Ein uraltes, kilometerbreit sich erstreckendes Urstromtal! Hier befahren wir gerade den Damm in der Nähe von Sonnenburg/Słońsk. Auf der linken Seite (siehe Foto) wird nunmehr erneut der periodischen Überschwemmung Raum gewährt, eine zeitweilig eintretende Versumpfung und Überflutung ist gewollt.

Auf der rechten Seite des Dammes erkannten wir das von vielen Menschengenerationen mühselig trockengelegte Bruch. Hier, in der Nähe des ab dem 13. Jahrhundert bezeugten alten Sonnenburg  wurde über Jahrhunderte, insbesondere unter Brandenburg-Preussens Friedrich II. systematisch Entwässerung, Landgewinnung, Urbarmachung betrieben. Der Mensch rang der Natur seinen Platz zum Arbeiten, Wohnen, Siedeln ab!

Störche sind in der „Vogelrepublik Warthemündung“ ein häufiger Anblick. Das Quaken der Frösche und auch der geliebte rauschende Regen  begleiteten uns kilometerlang! Überall Singen, überall Wasser, überall Schleichen, Flattern, Huschen! Überall regt sich’s und strebt empor! Der Tisch ist gedeckt.

Du hörst, siehst, staunst und erkennst: Das Leben kommt aus dem Wasser.

Oder wie meine schlesische Urgroßmutter gesagt hätte: Życie pochodzi z wody.

2013-05-10 09.54.35

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Kriegsgründe erkennen – Kriegsgründe benennen: des Rätsels Lösung

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Apr. 112013
 

Vor drei Tagen fragten wir nach einem unbekannten deutschsprachigen Autor, der durch eine Äußerung hervorgetreten war, die wir nicht umhin kamen rassistisch zu nennen. Wir vermuten: Träte dieser Autor heute etwa in der Humboldt-Universität auf, begäbe er sich heutigentags etwa zum lockeren Plausch in das berühmte Gasthaus Hasir bei uns in der Adalbertstraße, würde er sich etwa in eine der beliebten Talkshows wagen, er würde keine 2 Minuten auf seinem Platz bleiben dürfen. Er würde sofort niedergebrüllt oder rausgeworfen, und zwar unter anderem wegen folgenden Satzes:

„Schon heute vermehren sich unkultivierte Rassen und zurückgebliebene Schichten der Bevölkerung stärker als hochkultivierte.“

Der Name des leibhaftigen Gottseibeiuns: Sigmund Freud.

Sigmund Freud, der bekanntlich vor den Nazis aus Wien floh, würde heute in London nicht mehr aufgenommen.

Zitat:

Sigmund Freud: Warum Krieg?, in: Sigmund Freud: Werkausgabe in zwei Bänden. Band 2: Anwendungen der Psychoanalyse. Herausgegeben und mit Kommentaren versehen von Anna Freud und Ilse Grubrich-Simitis. S. Fischer Verlag, Frankfurt 1978, S. 483-493, hier S. 492

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Nov. 262012
 

Gutes, vorbildliches Mutterverhalten beobachteten wir gestern im Zoo Leipzig! Das Nashorn-Mädchen Naima („die Glückliche, die Sorglose“ auf Suaheli) weiß seit der Geburt die Mutter stets um sich. Die Mutter kümmerte sich hingebungsvoll, säugte und stillte die Kleine, die bei der Geburt am 10.12.2011 immerhin 37 kg wog, aber jetzt schon das Kleinkindalter hinter sich gelassen hat. Die Mutter erdrückt die Tochter nicht mit Fürsorge, sie lässt ihr nunmehr Freiraum, eigene Wege zu gehen!

Beide Tiere zeigten Wachheit und Interesse an der Umwelt, bewegten sich im Raum, wussten um die Nähe der anderen. Dies gab mir Anlass, über die Wichtigkeit der Mutter-Kind-Bindung bei den Säugetieren nachzudenken.

Etwas weniger als 6000 Säugetierarten (Mammalia) sind weltweit bekannt. Auch unsere eigene Art, der Mensch – homo sapiens sapiens – , gehört zu dieser Klasse. Wir sind in allen biologischen Eigenschaften nichts anderes als eine Art der Säugetiere und teilen mit allen anderen Säugetierarten einige Merkmale, darunter die namengebende Aufzucht der Kinder, eben das „Säugen“. Bei allen Säugern übernehmen die Mütter bald nach der Geburt die Ernährung der Kinder.

Während einige Jahrzehnte lang die Wissenschaft glaubte, die Muttermilch beim Menschen durch eine wissenschaftlich abgesicherte Formel gleichwertig ersetzen zu können, raten heute alle namhaften Ärzte- und Gesundheitsorganisationen nahezu ohne Ausnahmen zum Stillen mit Muttermilch.

Alle Säuger entwickeln durch das Säugen, durch Hegen und Pflegen eine besonders innige Mutter-Kind-Beziehung, nur sehr wenige Säugetierarten ersetzen gelegentlich die leibliche Mutter durch eine Ersatzmutter, die „Amme“. Bei allen Säugern gibt es eine deutlich unterschiedene Profilierung des männlichen und des weiblichen Verhaltens in der Paarung und gegenüber den Jungen – im Gegensatz etwa zu den brütenden Vögeln, bei denen Männchen und Weibchen oft gleiche Aufgaben übernehmen, etwa das Abwechseln beim Brüten, die gemeinsame Futterbeschaffung bei den Geiern.

Im Sozialverhalten gibt es außer der engen Mutter-Kind-Bindung in der ersten Lebensphase des Neugeborenen sonst keine Gemeinsamkeiten unter allen 5000-6000 Arten Säugern! Das Säugen und Stillen, das Hegen und Pflegen des Nachwuchses durch die Mutter sind ein ganz entscheidender Grundzug des natürlichen So-seins aller Säugetierarten. Bei allen Säugern halten sich die Kinder in der ersten Lebenszeit „von Natur aus“ ausschließlich im Umfeld der Mutter auf, während der Vater teils anwesend ist, teils als leiblicher Vater überhaupt nicht in den Horizont der Kinder gelangt.

Danach ist nichts mehr so, wie es war. Die Gemeinsamkeiten unter allen Säugerarten verschwimmen und verschwinden. Eine riesige Fülle an Verhaltensweisen stehen etwa nach der frühesten Kindheit den Primaten zu Gebote: Fürsorge, Aggression, Kriege, Gruppenbildung, Versöhnung, Diskrimination und „Rassismus“ gegenüber anderen Affenhorden, soziales Lernen, erste Ansätze einer spezifischen Gruppenkultur, einer spezifischen Gruppensprache  – diese vielfachen Ausfächerungen des sozialen Verhaltens von Primaten werden am Primatenzentrum des Zoos Leipzig erforscht.

Entscheidend aber wurde mir die folgende Einsicht gestern überdeutlich klar: Die enge, die nahezu überlebensnotwendige  Mutter-Kind-Bindung ist das entscheidende Merkmal im anfänglichen Erziehungsverhalten aller, wirklich aller Säugetiere.

Wenn behauptet wird, dass in der Erziehung des Säuglings oder des Menschen-Kleinstkindes alles oder fast alles durch kulturelle „Gender“-Konstruktionen bedingt sei, so widerspricht dies allen Befunden, die jeder ökologisch bewusste Naturfreund in Feld und Flur, in Steppe und Busch – aber auch in Zoos gewinnen kann. Dies würde ich gerne einmal im Leipziger Zoo mit Judith Butler besprechen, die kürzlich unter rauschendem Beifall der geistigen Führungsschicht Deutschlands den Adorno-Preis gewonnen hat – und die seit ihrem Buch Gender Trouble genau dies zu unterstellen scheint: Es gibt keine naturgegebenen Geschlechterrollen, alles ist Kultur, alles ist soziale Konstruktion. Judith Butler stellt die Frage nach Mutterschaft nicht. Sie spart diesen entscheidenden Grundtatbestand des Lebenszyklus – das Mutterwerden – höchst vorsorglich aus.

Eine Leugnung des naturhaften Unterschiedes der beiden Geschlechter, wie Judith Butler sie ins Werk setzt, kommt einer Leugnung der Naturgebundenheit des Menschen überhaupt gleich. Es ist eine gewaltige Überhebung, eine Selbstüberschätzung des Menschen, wenn er dies behauptet.

Bild: Vorne Tochter Naima, hinten Mutter Sarafine. Zoo Leipzig, aufgenommen gestern.

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Nov. 202012
 

Naturschutz, Umweltschutz, Klimaschutz – diese Werte liegen heute wie ein fein verstäubter Nebel im öffentlichen Diskursraum. Eine bekannte deutsche Partei verdankt ihren Erfolg zum Teil der Berufung auf das unvorgreifliche Erste, auf die Natur.

„Geht es der Natur gut, so geht es dem Menschen gut. Der Mensch muss sich der Natur einordnen. Er ist letztlich nur Teil der Natur. Die Natur ist das erste, ihr folgte der Mensch. Er stört also die Natur. Sein erstes und oberstes Gebot ist also, dass er die NATUR nicht so sehr stören oder zerstören darf.“

Der gute Mensch ist der Mensch, welcher sich der Mutter Natur oder Mutter Erde überantwortet und sich in den Dienst der Natur stellt. „Der Mensch mache sich der Natur untertan! Er gebe sich der Natur zu eigen. Wer die Natur rettet, rettet den Menschen.“

Knapp und bündig fasste Hermann Claudius diesen Glauben an die Natur als oberste Richtschnur so zusammen:

Birkengrün und Saatengrün:
Wie mit bittender Gebärde
hält die alte Mutter Erde,
daß der Mensch ihr eigen werde,
ihm die vollen Hände hin;
ihm die vollen Hände hin.

Alles, was den Vorrang der absolut gesetzten Natur sehr stört oder zerstört, wird in dieser Denkungsart verworfen. Der ungeborene Juchtenkäfer hat mehr Daseinsrecht als eine projektierte ICE-Trasse! Uralte, kippgefährdete Bäume sind wertvoller als Wege, Plätze und Häuser für den Menschen, den großen Störfaktor der Natur.

Umgekehrt wird in dieser Hypostasierung der verehrten Natur alles begrüßt, was das Naturhafte im Menschen fördert und pflegt. Im Menschen selbst als einem Teil der Natur quillt der Urquell der Wahrheit. Befreiung des Menschen bedeutet demnach, alle von der Geschichte auferlegten Gesellschaftsverhältnisse, ja den eigenrechtsetzenden  Staat insgesamt  abzuwerfen und die Natur zu sich selbst kommen zu lassen.

Mittel zu dieser Selbstbefreiung ist in den Jahren 1797-1815 neben der Stärkung des Naturgedankens vor allem die Stärkung des Naturhaften im Menschen, die Pflege der naturähnlich gesehenen Herkunft, also des Nationalen. Von daher die überragende Bedeutung der Muttersprache im Naturdenken der Romantik. Stärkung der Natur, Stärkung der Nation, Stärkung der Muttersprache! Das ist der Dreiklang, mit dem Deutschland und andere europäische Völker das Napoleonische Joch der welschen Fremdherrschaft abschütteln.

Der Nationalismus der verschiedenen europäischen und außereuropäischen Völker speist sich zweifellos aus der Gleichsetzung von Volk, Nation und Natur. Nationalismus ist eine Spielart des Denkens der Natur als eines unhintergehbaren Ersten.

Fichtes Reden an die deutsche Nation begründen für die nachfolgenden zwei Jahrhunderte mit unübertroffener Klarheit diesen innig verschränkten Zusammenhang von Naturanrufung und Selbstbefreiung des Menschen durch Abwerfen des widernatürlichen Jochs der Herrschaft des Fremden:

So wie die Gegenstände sich in den Sinnenwerkzeugen des Einzelnen mit dieser bestimmten Figur, Farbe u.s.w. abbilden, so bilden sie sich im Werkzeuge des gesellschaftlichen Menschen, in der Sprache, mit diesem bestimmten Laute ab. Nicht eigentlich redet der Mensch, sondern in ihm redet die[315] menschliche Natur, und verkündiget sich anderen seines Gleichen.

So schrieb Johann Gottlieb Fichte im Jahr 1809 – mit für ihn unabsehbaren Folgen.

Quellen:
“Wann wir schreiten Seit’ an Seit’” Text: Hermann Claudius. Musik: Michael Englert. In: Volksliederbuch. Herausgegeben von Andreas Kettel. Bilder von Sabine Wilharm. rororo rotfuchs. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 1984, S. 228-229

Johann Gottlieb Fichte: Reden an die deutsche Nation

http://www.zeno.org/Philosophie/M/Fichte,+Johann+Gottlieb/Reden+an+die+deutsche+Nation/4.+Hauptverschiedenheit+zwischen+den+Deutschen+und+den+%C3%BCbrigen+V%C3%B6lkern+germanischer+Abkunft

 Posted by at 12:42
Okt. 252011
 

Orientalische Mythen drehten sich schon vor Jahrtausenden, als etwa 5 Millionen Menschen die gesamte Erde bewohnten, um das Problem der Übervölkerung der Erde durch die Menschen. „Nur die Vernichtung der Menschen scheint einigen Göttern als Ausweg in Frage zu kommen. Übrigens klagen sie auch darüber, dass deren Lärm ihnen den Schlaf raube.

So berichtet es der Historiker Christian Meier. Lärmbelastung, Umweltverschmutzung, Raubbau an den natürlichen Schätzen, ja, das können die Menschen, und das werfen ihnen die Götter der alten Welt wieder und wieder vor.

Als Ausweg aus der Resourcenknappheit und der Überbevölkerung empfahlen die alten Götter einander, sie sollten der Menschheit Kriege, Zank, Tadel, Uneinigkeit, ewiges Streiten senden, ferner periodische Vernichtung von großen Teilen der Menschheit durch Pest, Dürre und Sintflut bewirken.

Nun, die Erde hat es bisher ausgehalten, auch mit mehr als 5 Millionen Menschen. Die alten Götter haben es ausgehalten. Sie schlafen oft – und fest. Niemand kennt mehr Enlil, den obersten der altorientalischen Götter.

Nur wir Menschen zanken und streiten weiter. Aber wir sind mehr als 5 Millionen. Mindestens 1200 Mal so viele. Und die Erde kann uns alle ernähren, wenn wir es wollen.

Quelle: Christian Meier: Kultur, um der Freiheit willen. Griechische Anfänge – Anfang Europas? Siedler Verlag, 2. Aufl., München 2009, S. 88

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Nov. 302007
 

29112007.jpg Unser erster Familienausflug nach der deutsch-russischen Wiedervereinigung führte uns bei nasskaltem Wetter in den Britzer Park. Die Parkeisenbahn fährt nicht mehr, aber die Schafe, mittlerweile im zottigen Wollkleid, ziehen weiterhin gemächlich ihre Runden in den eingezirkten Gehegen. Emsige Mitarbeiter bohrten Pflanzlöcher für Hyzinthen, rechten Laub, mähten die Langgraswiesen. Zwei Ziegenböcke lieferten ein Schauspiel der Rauflust, als sie wieder und wieder ihre hornbewehrten Schädel aufeinanderprallen ließen. Ich rief ihnen zu: „Ihr müsst mehr miteinander reden, immer mit dem Kopf durch die Wand, das bringt nichts!“ Die Tiere hörten nicht auf mich, aber Wanja und ein paar Spaziergänger lachten. Ich mag den Britzer Garten, weil er eine Art Utopie darstellt: den friedlichen Einklang von Mensch, Tier und Pflanze in einer geschützten Umwelt. Obwohl künstlich geschaffen, gibt es nur wenige Stellen in Berlin, an denen Natur so vielfältig erfahrbar ist. Das Bild hat Wanja nach eigenem Ermessen aufgenommen. Es zeigt seine Eltern – nicht übermächtig im Zentrum des Bildes, sondern eingebettet in eine Landschaft des Friedens. So sieht er uns also.

 Posted by at 11:08