Klimawandel, Ökologie, SchönebergKommentare deaktiviert für Ultra voluntatem nullus civis germanicus obligetur in rebus oecologicis!
Jan302019
„In der Ökologie werde kein Deutscher über seinen Willen hinaus zu irgend etwas verpflichtet!“ Die Berliner oder auch die Deutschen sind nicht bereit, freiwillig die verhängten Parkverbote einzuhalten und damit einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Die Hauptstraße in Schöneberg, die ich gelegentlich entlangradele, weist über einige Kilometer eine Busspur aus. Es geht darum, die verordnete 30-km/h-Höchstgeschwindigkeit in ihrer Wirkung auf die Luftqualität zu überprüfen und zugleich den Busverkehr als weniger luftbelastende Verkehrsform zu beschleunigen. Denkste, Pustekuchen, trotz ständiger Überwachung ist die Busspur ständig zugeparkt! Dieses Foto zeigt drei Fahrspuren der Schöneberger Hauptstraße: ganz rechts die wie üblich dauernd zugeparkte Busspur, in der Mitte die vorübergehend zugeparkte erste Fahrspur, ganz links die zweite Fahrspur, auf der sich wie so oft ein Stau gebildet hat.
Ich meine, es hat überhaupt keinen Sinn, irgendetwas zum Thema Klimaschutz oder Luftreinhaltung von uns deutschen Bürgern zu erwarten. Beweis: Die Starts und Landungen an deutschen Flughäfen nehmen seit 5 Jahren mit wachsenden Wachstumsraten zu.
Dabei ist nachgewiesen, dass der Flugverkehr unter allen vermeidbaren CO2-Quellen die größte Last an klimabeeinflussenden Abgasen emittiert! Ein einziger Mittelstreckenflug emittiert pro Passagier so viel CO2 wie ein kleiner PKW, der das ganze Jahr über genutzt wird.
Die Deutschen wollen mehrheitlich einfach keinen Klimaschutz, jedenfalls sind sie nicht bereit einen eigenen Beitrag zu leisten.
Freude, Musik, VersöhnungKommentare deaktiviert für Gelenke des Lichtes, Gänge, Treppen, Throne, Räume aus Wesen: Handels Messiah in der Philharmonie
Jan282019
Licht, Gänge und Treppen im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie, gestern, 27.01.2019
Frühe Geglückte, ihr Verwöhnten der Schöpfung, Höhenzüge, morgenrötliche Grate aller Erschaffung, – Pollen der blühenden Gottheit, Gelenke des Lichtes, Gänge, Treppen, Throne, Räume aus Wesen, Schilde aus Wonne, Tumulte stürmisch entzückten Gefühls und plötzlich, einzeln, Spiegel: die die entströmte eigene Schönheit wiederschöpfen zurück in das eigene Antlitz.
Kurzes Verweilen, unschlüssiges Umhergehen vor dem Messiah Händels in den Gängen der Philharmonie. Ein paar Verse aus Rilkes zweiter Duineser Elegie kreuzen mein Gedächtnis. Der Saaldiener waltet seines Amtes und vertröstet uns auf „gleich geht die Tür auf.“ Scharouns Architektur hält uns gefangen, nein, sie führt uns wie Gefangene der Zeit umher in immer neue Licht-Gelenke, Gänge, Treppen, hin zu Klangerfahrungen, Hinlauschen in das, was dann sich gleich vor unseren Ohren abspielen wird. Nie war die Hoffnung auf Musik größer als vor dem Öffnen der Saaltüren, dort oben vor dem unsichtbaren Antlitz der Schönheit der Musik. Und so war es dann auch!
Der Messiah in der Aufführung durch den Berliner Figuralchor unter Gerhard Oppelt beschenkte uns mit einer so von keinem von uns so zuvor gehörten Schönheit, einer Schönheit, die der eines ungeborenen Kindes, eines in der Geburt befindlichen Kindes entspricht: nicht so laut wie gewöhnlich, mit mehr Falten, mit mehr Sichtbarkeit der Füßlein, fragileren Fingerchen, zarteren Klängen, herzzerreißenderem Schluchzen.
Ja, wir mussten schon hinhören, es war eine Schwebung in der Luft, eine ungleichschwebende Leichtigkeit, eine historische Stimmung, die mich an Kandinskys Zeichnung „schwebende Schwere“ erinnerte.
Der Dirgent Gerhard Oppelt war kein Herrscher und Lenker, sondern eher ein väterlicher Hirte, der mit Fingerzeigen lenkte, – feeding the choir, his flock, like a shepard, gathering the lambs, the soloists and players with his arms-. Elina Albach spannte an Cembalo und Orgel umsichtig, sich umsehend, klug sichernd und witternd die Gesangssolisten einerseits – Miriam Feuersinger, Stefan Kahle, Benedikt Kristjánsson, Jörg Gottschick – und das recht beträchtliche Basso-Continuo-Ensemble andererseits zusammen. Albach war in unserer kleinen, bunten, zum Frohsinn aufgelegten Hörergruppe die heimliche Favoritin des Ensembles.
Das Halleluja zu Ende des zweiten Teiles wurde somit überzeugend gedeutet als allmähliches Hineinwachsen in den Jubel, als Erlernen, Erproben, Ertasten der Freude einer Wiederkehr des Lebens, das uns schon vorher geschenkt war, ohne das wir es wussten.
Beeindruckend fand ich auch insbesondere das höchstpersönliche Zwiegespräch „If God be for us who can be against us“ zwischen dem Geiger Santiago de Medina und der Sopranistin Miriam Feuersinger. Hier entspann sich ein endloser Faden des gemeinsamen Werbens und Webens, des Weiterreichens und Zurückgebens, in völliger Gleichberechtigung, auf gemeinsamer Augen- und Ohrenhöhe. Einfach schön! Was soll man sonst noch sagen außer: einfach schön!
Bestrickend schön fand ich über alle Maßen das Amen zum Beschluss des Ganzen. Ein sehr einfacher Text, möchte man meinen. Ja, das ist der einfachste ungeschminkteste Wortlaut zum kompliziertesten, äußerst figurierten Satz des großartig aufgelegten Figuralchores. Und was bedeutet dieses Amen? Vielleicht dies: So sei es für wahr so sei es gewesen so werde es sein so möchte ich das glauben so bekräftigen wir das so beglaubigen wir das denn so war es und so wird es sein. Ja.
Stricke des Todes hielten uns gefangen, doch jetzt brachen auf Blicke des Lebens! Danke, danke, danke!
PS: Hat man diese Grundhaltung des Dankens und des Ja-Sagens in sich aufgesogen, wird sie auch den Alltag erhellen. So geschah es auch mir heute, denn soeben stand ich in nüchterner Montagsstimmung in einer langen Reihe von Käuferinnen beim TK Maxx umme Ecke an, um eine geräumige Sporttasche für verschwitzte Sportklamotten zu kaufen. Vor mir, hinter mir, führten die Käuferinnen Gespräche am Handy – vor mir in Russisch, hinter mir in Türkisch. Und was höre ich da, wieder und wieder? Ich höre zum Beschluss des Handy-Telefonats in türkischer Sprache genau dies:
Zitat: Die zweite Elegie. In: Das dichterische Werk von Rainer Maria Rilke. Haffmanns Verlag bei Zweitausendeins. Leipzig 2015, S. 806-808, hier S. 806
Hörenswertes Interview heute früh im rbb Inforadio mit Christine Herntier, der Bürgermeisterin von Spremberg, die zum für das Jahr 2038 endgültig und unwiderruflich vorgeschlagenen Kohleausstieg befragt wird. Ob sie zufrieden sei mit dem, was die Kohlekommission empfehle? Die Bürgermeisterin gibt eine klare Antwort. Die Lausitz füge sich schicksalsergeben in das, was da kommen möge: „Ob wir zufrieden sein können, das werden wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sehen. Denn das ist nicht davon abhängig, was wir dort wirklich schweißtreibend verhandelt haben. Das ist davon abhängig, wie konsequent die Bundesregierung diese Vorschläge jetzt auch umsetzt. Erst wenn das wirklich Wahrheit wird, wenn es in Gesetze gegossen wird, können die Beteiligten zufrieden sein.“
Wir halten fest: Die Zufriedenheit der Region Lausitz, als deren Interessenvertreterin Herntier in der Kohlekommission der Bundesregierung mitwirkte, liegt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in vollständiger Abhängigkeit von der Bundesregierung. Die Bundesregierung trägt folglich die Verantwortung für die „Wahrheit“, für das Wohlergehen der Region. Die Region selbst wird in eine stärkere Abhängigkeit von der 40 Mrd. Euro verteilenden, „helfenden“, „fördernden“ Politik hineingleiten. Die Region kann ihr Schicksal nicht mehr selbst gestalten. Die Region wird dann – nimmt man die Aussage der Bürgermeisterin ernst – von Gnaden der Bundesregierung leben.
Unser Befund: Einige tausend Arbeitsplätze werden durch die Schließung von Kraftwerken wegfallen; der Region wird also gewissermaßen ein Teil des wirtschaftlichen Skeletts bei lebendigem Leib herausoperiert, ohne dass neue Arbeitsplätze bereitstünden. Sollten neue Arbeitsplätze entstehen, so entstehen diese – soweit bis jetzt erkennbar – nur in Abhängigkeit vom Staat, also etwa durch die Ansiedlung von Behörden. Die Macht des Staates wird also zunehmen. Er verteilt – damit der große Plan erfüllt werde – Subventionen, Kompensationen, Hilfen, Zuschüsse, Wohltaten!
Man darf gespannt sein, ob sich irgendwo Einspruch gegen diesen Triumph der Staatsabhängigkeit, gegen diese Aushebelung der Marktwirtschaft, gegen diese fulminante Renaissance der zentralistischen Planwirtschaft erheben wird, wie sie die Bürgermeisterin von Spremberg für ihre Region vorhersieht.
MusikKommentare deaktiviert für The voice that crieth in the wilderness: Gotteserkenntnis im Fleisch
Jan262019
Prepare ye the way of the Lord: winterliche Landschaft, heute morgen in Schöneberg, als ihr noch schliefet
„… yet in my flesh shall I see God…“ Ich studiere kursorisch mithilfe des Klavierauszuges heute noch einige Arien und Rezitative in Handel’s Messiah ein, ehe ich das Ganze morgen abend im Berliner Kammermusiksaal mit dem Figuralchor miterleben darf.
Yet in my flesh shall I see God. Musikalische Fleischeserkenntnis Gottes! Das ist kühn, das ist erschütternd, das ist die Heiligung des Fleisches im Schreien und Rufen – hier schon, jetzt schon! Händel feiert, er besingt wahrhaftig die Gotteserkenntnis im Fleisch!
Hier treten intimste Empfindungen in aller Öffentlichkeit ans Licht, hier wird das Letzte und das Erste über den Menschen in seiner Welt gesagt und gesungen, hier rafft ein wühlender unruhiger Geist die wehenden Rockschöße der Schöpfung bis in die Naherwartung des Weltenendes. Wer das miterlebt, den ficht das Zittern und Zagen, das Flennen und Klagen der heutigen Weltuntergangspropheten, die in mancherlei Gestalt – heute z.B. als Klima-Apokalyptikerin unter dem Namen Greta – erscheinen, nicht mehr an. Der nahende Weltuntergang wurde schon so oft verkündet und noch öfter abgesagt.
Es ist ja wohl auch kein Zufall, dass Jimi Hendrix und George Frideric Handel Seit an Seit in der Londoner Brook Street 25 wohnten und komponierten bzw. hätten komponieren und wohnen können. Hendrix und Händel, die beiden sind beide Menschen, sind eines Fleisches, unseres Fleisches!
Der Messiah ist großes Theater, mal üppig, mal zähneknirschend verzagt, dann triumphierend, aber immer sehr fleischlich – very very fleshy! Vgl. die Eingangsarie zum dritten Teil des Oratoriums:
I know that my Redeemer liveth, He shall stand at the latter day upon the earth. And tho‘ worms destroy this body, Yet in my flesh shall I see God.
Abschnitt der Inhaltsangabe (fabula) zum Gefesselten Prometheus des Aischylos, unbekannte Entstehungszeit. Enthalten bereits in der ältesten vorhandenen Handschrift, die uns den Gefesselten Prometheus überliefert, dem Codex Mediceus M (Handschrift) aus dem 9./10. Jahrhundert. 2019 durch den hier Schreibenden erneut handschriftlich entnommen der 1972 im englischen Oxford erschienenen Druckausgabe der Tragödien des Aischylos (ed. Denys Page, Oxonii 1972)
Gestern begingen wir den Tag der Handschrift. Anlass, mich ungescheut hier an dich, die Handschrift, zu wenden!
Welche Lust bereitet es mir, nach Jahren des Handschrift-Fastens mit dem Füllfederhalter zu schreiben, die Feder Zeile um Zeile hinwandern zu lassen über das leicht angerauhte Papier meiner Tages-Kladde! Die Mühsal des Kindes nachzuempfinden, das über die harte Schulbank gebeugt mit der Bewegung der Hand sich unauslöschlich einprägt den Schlüssel zum ungeheuren Schatz, den die Menschheit sich mit einer winzigen Anzahl Zeichen geschaffen hat.
Was wären wir ohne dich, o Handschrift! Wir wären unendlich ärmer. Wir stünden vor der Geschichte der letzten 3000 Jahre wie vor den milliardenjahrealten Granitsteinen. Dann gölte, dass –
Gebirgesmasse blieb‘ uns edel-stumm Wir fragten nicht woher und nicht warum.
Wir bissen uns die Zähne am Granitgestein der Vergangenheit aus. Wir hätten keinen Aischylos, keinen Platon, keinen Thukydides, keine Bibel. Keinen Koran, keinen Newton, keine Hildegard von Bingen, keine Sappho, keinen Messiah von Händel mit dem Berliner Figuralchor am kommenden Sonntag um 19.30 Uhr im Kammermusiksaal der Philharmonie! Denn komponiert wurde und wird mit der Handschrift. Händel hat so komponiert, Bach auch, Mozart auch.
Wir hätten die Prometheus-Hymne von Goethe nicht. Denn Goethe schrieb sie eines uns unbekannten Tages im Zeitraum ab Oktober 1773 bis vielleicht 1775 von Hand. Gäbe es die Handschrift nicht, hätte Goethe die Prometheus-Hymne mit Sicherheit ganz anders gedichtet. Wir wären um so vieles ärmer! Wir wären um so vieles stummer!
Handschrift, du holde Kunst, In wievielen trüben Stunden, Hab ich durch dich beglückt mich erst empfunden, Aufgerichtet, gewärmt, geborgen! In dich hinein, da flossen alle Sorgen, Du nahmst sie alle auf, du gabst sie weiter, In dir entstand die Himmelsleiter, Durch dich erst sprach zu uns der Raum, In dir gewann Gestalt der Traum. Handschrift, du ew’ge Kunst, du Schenkerin der Menschheit – ich danke dir.
Der oben handschriftlich wiedergegebene griechische Text lautet übersetzt: „Das Bühnenbild der Handlung liegt im Skythenland am Kaukasischen Gebirg; der Chor wiederum wird durch Okeaniden-Nymphen gebildet. Aisch“[ylos?] (Handschrift bricht unvollendet ab)
WanderungenKommentare deaktiviert für 22000 Schritte in die Zukunft hinein
Jan202019
Blick vom Teufelsberg nach Osten. Heute, 15 Uhr. In der Mitte zu erkennen: der Funkturm, Charlottenburg
Die neue Woche beginnt mit Zuversicht und Erwartungen! Heute führte uns eine mehrstündige Wanderung bei sonnigem Frost von Nikolassee am Ufer des Wannsees entlang durch den Grunewald bis zum „Teufelsberg“, einem Schuttberg, in dem die Trümmer der Vergangenheit liegen. Und von hier aus genossen wir einen weiten Rundblick in die Gegenwart hinein. Der Teufel zeigte sich von seinem hohen Ansitz aus ausgesprochen großzügig, was die Aussicht angeht. Das ist ja seine Art. Die Schrecken der Vergangenheit deckt er einfach zu. 15,7 km legten wir mit 22000 Schritten zurück.
Was mag die Woche bringen? Jede Sekunde bringt uns der Zukunft näher, jede Minute ist Abschied von der Minute der Vergangenheit. Mit dieser Mischung aus Offenheit und Zuversicht beschließe ich diesen Sonntag.
ReligionenKommentare deaktiviert für „Ja, woran muss man denn überhaupt noch glauben?“
Jan192019
In der Tat, es bleibt ja kein Stein auf dem anderen, wenn man wirklich historisch-kritisch, methodisch geschult an die maßgeblichen Texte des Christentums herangeht. Das ist typisch christlich. Jesus hat es vorgemacht. Alles wird geprüft, alles befragt. Der Apostel Paulus fordert ebenfalls zu diesem beharrlichen Befragen und Diskutieren auf:
πάντα δὲ δοκιμάζετε, τὸ καλὸν κατέχετε,
„Prüfet alles, das Schöne behaltet!“ (1 Thess 5,21). Die Texte der biblischen Bücher sind „Konstrukte“, wie dies Michael Theobald nannte, sie sind etwas Gemachtes, sie stehen in vielfältigem kontextuellem und intertextuellem Zusammenhang. Sie sind keine absolute Wahrheit für alle Zeiten.
Tradition als solche hat keine Legitimität! Darin kommen Jesus von Nazareth und Paulus von Tarsos überein, die doch beide aus der Tradition ihres Volkes, des Hauses Israel schöpfen.
Und jetzt noch ein Hinweis auf die Sendung „Versöhnt mit den Wurzeln“ mit der Sängerin Miriam Feuersinger, die am 27.01. hier im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie die Sopransoli in Händels Messias übernehmen wird. Ich finde diese Offenheit und Zuwendung, mit der sie spricht, ganz wunderbar, ich bin begeistert davon, ich empfehle wirklich, in dieses Video mal hineinzuschauen. Hier der Link:https://www.youtube.com/watch?v=czexF6ghCXI
Das Schöne in der Musik, im Gesang, in der Kunst, es bekräftigt, es beglaubigt das, was wir glauben – nicht müssen, sondern glauben dürfen.
WanderungenKommentare deaktiviert für Der Absprung von 1,2 Mrd. Jahren Erdgeschichte – ins neue Jahr
Jan092019
Steinerner Tisch bei den Markgrafensteinen, am ehemaligen Aussichtspunkt in den Rauener Bergen. Alter des Gesteins: ca. 1,2 Mrd. Jahre. Aufnahme vom 30.12.2018Absprung vom steinernen Tisch am ehemaligen Aussichtspunkt bei den Markgrafensteinen in den Rauener Bergen bei Bad Saarow. Die Tischplatte besteht aus 1,2 Mrd. Jahre altem Karlshamn-Granit. Herkunft: Schweden
So beschrieb Fontane genau diese Stelle „Schöne Aussicht“ in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg:
[…] ein sonderbares Granitmobiliar, das mich, auf den ersten Blick wenigstens, an Stonehenge erinnerte, jenen alten Druidenplatz in der Nähe von Salisbury, den man in Kunstatlassen und illustrierten Architekturgeschichten abgebildet findet. Im Quadrat standen vier Steinbänke, dazwischen präsentierte sich ein großer, runder Steintisch, alles aus dem Granitstück gefertigt, das man von dem Stein unten abgesprengt hatte.
Der Wagenplatz, auf dem ich saß, war höher als das Steinmobiliar und gönnte mir einen freieren Umblick. Alles in der Welt aber hat sein Gesetz, und wer auf der »Schönen Aussicht« ist, hat nun mal die Pflicht, sich auf den Steintisch zu stellen, um von ihm aus, und nur von ihm aus, die Landschaft zu mustern. Und so tat ich denn, wie mir geboten, und genoß auch von diesem niedrigeren Standpunkt aus eines immer noch entzückenden Rundblicks, ein weitgespanntes Panorama. Die Dürftigkeiten verschwanden, alles Hübsche drängte sich zusammen, und nach Westen hin traten die Türme Berlins aus einem Nebelschleier hervor.
Gedenktafel und Graffito an der Hauptstraße 155 in Schöneberg, aufgenommen heute
Boah, ist das heute ein unablässig prasselnder, galaktisch sprühender Nebelregen! Nach einem Friseurbesuch pilgere ich passend zu diesem nebelfeuchten spacigen Dunstschwadenwetter einen kurzen Abstecher zur Hauptstraße 155, zu dem Haus, in dem von 1976-78 David Bowie wohnte. Er wurde ja an einem 8. Januar geboren!
Die Immenstädter Autorin Barbara Frey führte mich kürzlich an diese Stelle, als sie auf Forschungsreise in Schöneberg vorbeikam und mich in das Leben und Schaffen Klaus Nomis einführte. Der außerhalb seiner Geburtsstadt sehr bekannte Countertenor Klaus Nomi, der in Immenstadt/Allgäu geboren wurde, in Berlin eine Gesangsausbildung durchlief und oft im Schöneberger Kleist-Casino auftrat, unter anderem mit der berühmten Arie der Dalila aus „Samson et Dalila“, war während seiner New Yorker Jahre (ab 1973) eine wesentliche Anregungsquelle für den 3 Jahre jüngeren David Bowie, der wesentliche Elemente von Nomis Bühnenerscheinung übernahm und produktiv weiterentwickelte. Insbesondere die Bühnenkostüme Nomis dürften maßgeblich die späteren Outfits von Bowie beeinflusst haben, wovon das oben zu sehende Graffito Zeugnis ablegt. Am 24. Januar 2019 veranstaltet das Literaturhaus Allgäu in Immenstadt mit Barbara Frey eine Soirée auf den Spuren Klaus Nomis.
David Bowie – 8.1.1947 London – 10.1.2016 New York City Klaus Nomi – 24.1.1944 Immenstadt – 6.8.1983 New York
Europäische GalerieKommentare deaktiviert für Schwebende Schwere. Jahreszeitenlosigkeit
Jan052019
Wassily Kandinsky: Schweres Schweben. 1924. Gesehen gestern in der Ausstellung Bestandsaufnahme Gurlitt. Gropius Bau Berlin
Lieber Sohn, draußen dunkelt es schon. Der vorübergehende Schneefall war nur ein Zwischenspiel. Nun herrschen wieder 5 bis 6 Grad, wodurch das Gefühl einer merkwürdigen Jahreszeitenlosigkeit entsteht. Weder herrscht Winter noch leben wir im Herbst, denn keine Blätter fallen mehr von den Bäumen. Der Sommer ist nur eine Erinnerung, und bis zum Frühling dauert es noch eine unermesslich lange Weile. Also ist das Wetter eine einzige Langeweile.
Gestern hatte ich einen freien Tag und besuchte gleich zwei Ausstellungen, die beide sehr fesselnd waren: „Bestandsaufnahme Gurlitt“, eine Übersicht über wertvolle Kunstwerke, die während der Nazizeit ihren Besitzern entwendet wurden und die jetzt ihren rechtmäßigen Eigentümer suchen, und die „Bewegten Zeiten“ – eine üppige Tiefenbohrung über die Früh- und Vorgeschichte des Landes, das wir heute Deutschland nennen.
Am meisten beeindruckt hat mich die Zeichnung „Schweres Schweben“ von Wassily Kandinsky, die er 1924 angefertigt hat. War dankbar, dass man in dieser Ausstellung alles fotografieren darf!
Schwebende Schwere! Morgen, Sonntag, werde ich ab 18.45 Uhr als Geiger an einem Webinar mitwirken. Ich bin gespannt, was daraus wird.