Der einsame Höhepunkt der morgen anstehenden Enthüllung der Gedenktafel in der Augsburger Straße dürfte wohl die Vertonung eines muslimischen Gebetes an Allah sein, die Ferruccio Busoni in sein monumentales Klavierkonzert C-dur eingebaut hat. Entnommen ist das majestätische Gedicht dem Drama Aladdin und die Wunderlampe, das der dänische Dichter Adam Oehlenschläger auf den uns Heutigen wohlbekannten Stoff unter dem Titel Aladdin eller den forunderlige lampe 1805 auf Dänisch und dann 1820 in seiner eigenen Übersetzung auch auf Deutsch veröffentlichte.
Busoni hatte begonnen, das Drama Oehlenschlägers zu einer Oper auszugestalten, gab das Vorhaben aber auf und verknüpfte stattdessen den orientalischen Märchenstoff mit seinem durchweg faustisch angelegten, monumentalen Klavierkonzert, in dem ein großer Geist danach strebt, „Musik über alles“ zu erschaffen – freilich in witzig-ironischer Brechung durch den in 1001 Farben irisierenden Märchenstoff!
Und gegen Ende des kolossalen Werkes finden wir uns in der gewaltigen Höhle wieder, aus der Aladdin ursprünglich die Lampe der Erkenntnis zuteil ward. Hört, lest selbst, wie da scheu tastend Aladdin und die zauberhafte Gulnare in das mystische Halbdunkel der Höhle eindringen:
Aladdin:
Wie ehrenfest und bieder.
Gulnare:
Hier wird es dunkler! Breite, schwarze Schatten werfen die Pfeiler. Wie geheimnisvoll!
Aladdin:
Die braunen Blöcke seh‘n uns an wie Krieger=Gesichter, von der Sonne schwarz gebrannt, wie tiefen Narben alter Heldentaten.
Gulnare:
Als Sterne blinket das Gestein im Dunkeln.
(Die Felsensäulen fangen an tief und leise zu ertönen.)
Ein ferner Chor singt:
Hebt zu der ewigen
Kraft eure Herzen;
Fühlet euch Allah nah ,
Schaut seine That!
Wechseln im Erdenlicht
Freuden und Schmerzen;
Ruhig hier stehen die
Pfeiler der Welt.
Tausend und tausend, und
Abermals tausende
Jahre, so ruhig wie
Jetzt in der Kraft,
Blitzen gediegen mit
Glanz und mit Festigkeit ,
Die Unverwüstlichkeit
Stellen sie dar.
Aus: Adam Oehlenschläger: Aladdin und die Wunderlampe, Amsterdam 1820, S. 254
Bild: C.D. Friedrich: Gebirgslandschaft mit Regenbogen. Öl auf Leinwand 1809/1810
EINLADUNG:
Enthüllung der Gedenktafel für Ferruccio Busoni an seinem Wohnhaus
Augsburger Str. 33 (ehemals 55), 10789 Berlin
am Di. den 4. Juni 2024 um 11:00
in Anwesenheit des Pianisten Igor Levit.
Catering von Salut, ein Kammerchor singt Busoni-bezogene Chorwerke.
Von 1902 bis 1908 lebte hier
der italienische Komponist
FERRUCCIO BUSONI
(Empoli 1866 – Berlin 1924)
und komponierte u.a. das Klavierkonzert op. 39,
die Turandot-Suite und die Elegien 1–6