Ať žije Česká republika!

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Okt 292021
 
„Es lebe das Königreich Böhmen“. Kundgebung tschechischer Monarchisten auf dem Wenzelsplatz am 28. Oktober 2021

Neugierig wanderte ich gestern, am tschechischen „Tag der Republik“, einem landesweit begangenen Feiertag, auf dem Wenzelsplatz umher. Ich wollte Fühlung aufnehmen mit der festlichen Stimmung auf Straßen und Plätzen, mitten im Volk mich treiben lassen. Doch was geschieht da …? Erst traute ich meinen Augen nicht… War dies ein weiterer Beweis für den tschechischen Humor? Ist es eine Komödie, ist es eine Tragödie, eine Farce? Ist es eine Kunstaktion des heißgeliebten Nestbeschmutzers David Černý? – Vor dem Wenzelsdenkmal werde ich Zeuge einer Versammlung tschechischer und österreichischer Monarchisten, die die Wiedereinführung des Königtums in den Ländern fordern, die einst zur österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie gehörten. Ich las: „Dost bylo Republik!“ („Republiken gab es schon genug!“) Kaum zu glauben – ist das die Stimmung im Lande? Ist es buffonesk? Ist es gespenstisch?

Gespräche mit einigen Tschechen bringen mich weiter: Der gewählte Staatspräsident Zeman liegt schwerkrank auf der Intensivstation und ist nicht imstande, die Amtsgeschäfte fortzuführen. Erste Bemühungen, ihn für amtsunfähig zu erklären, sind auf den Weg gebracht. Zu feiern besteht also in diesem Jahr kein Anlass. Schwere Vorwürfe gegen den Präsidenten und gegen den noch amtierenden Premierminister Babiš stehen unübersehbar im Raum. Die letzten Wahlen haben die Mehrheitsverhältnissse im Parlament grundlegend verändert. Doch noch steht es in den Sternen, ob und wann der Wahlsieger Petr Fiala die Regierung übernehmen kann. Bis 8. November muss eine Entscheidung getroffen werden.

Auffällig war für mich, dass der Demonstration der Monarchisten keinerlei Ablehnung, keinerlei Protest entgegenschlug, sondern eher vorsichtige Zustimmung bei den Umstehenden. Auch österreichische Vertreter – hier in Gestalt von Nicole Fara – durften sich äußern – wenn auch nur in englischer Sprache.

Die Kundgebung auf dem Wenzelsplatz, direkt zu Füßen des verehrten Gründerkönigs der böhmischen Monarchie abgehalten, bin ich geneigt als Ausdruck verbreiteten Unbehagens an der Politik zu deuten; die Tschechen wünschen sich offenbar etwas anderes als sie bisher erlebt haben.

Zugleich auch drückt sich darin wohl der Wunsch aus, eine überparteiliche, unbestechliche Instanz jenseits des Zanks und Haders der Parteien zu finden, wie man sie in verklärender Rückschau wohl in den böhmischen Königen zu erblicken meint.

Welchen Schluss ziehe ich daraus, fragt ihr? Den folgenden:
Ich wünsche den Tschechen einen guten Weg aus dieser verworrenen Lage – selbstverständlich im Rahmen der Republik.

Ať žije Česká republika! Es lebe die tschechische Republik!

 Posted by at 19:12
Feb 072011
 
Der arme Kreuzberger Blogger spricht sich hiermit gegen eine übertriebene Personalisierung politischer Systemfragen (etwa: „System L.“) aus. Ich meine: Das Hauptproblem in Berlin mit seiner Staatsquote von 60% (!) war und ist, dass zu viel staatliches erborgtes Geld ohne echte parlamentarische Kontrolle im Umlauf ist und dass der Staat weiterhin viel zu stark als Akteur auf dem Immobilienmarkt und im Bankwesen auftritt. Hau weg!

Ansonsten aber: gutes Interview mit Jochen Esser.

„Ein Abenteuer für sechs bis sieben Milliarden Euro“ – Berliner Zeitung

 Posted by at 12:29

„Du Papa, was heißt das eigentlich: die Systemfrage stellen?“

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Mai 192008
 

Was heißt eigentlich: „Die Systemfrage stellen„? Keine leichte Frage! Doch ich hatte gestern Glück- zufällig belauschte ich auf einer Modelleisenbahnausstellung einen Vater, der mit seinem etwa zwölfjährigen Sohn das folgende Gespräch führte:

„Du Papa, was heißt das eigentlich: die Systemfrage stellen?“

„Weißt du, lieber Sohn, ein System, das ist alles zusammen – z.B. Deine Modelleisenbahn, also Gleise, Loks, Wagen und Trafo, das alles zusammen ist ein System. Eine Lok kann kaputtgehen, dann müssen wir sie reparieren oder ersetzen. Die Lok kann veralten, dann muss eben eine neuere her. Wir ersetzen oder reparieren dann einen Teil des Systems, aber wir stellen nicht die Systemfrage. Wenn wir aber sagen: unser System, so wie es da ist, passt nicht mehr richtig, wir müssen zu einem anderen System, z.B. von HO zu NO, von Roco zu Märklin, oder von analog zu digital, dann stellen wir die Systemfrage.“

„Nein, Papa, das will ich nicht, ich will nur zwei oder drei Loks mehr, aber die alten behalten.“

„Gut, lieber Sohn, du stellst also die Systemfrage nicht, sondern willst im bestehenden System bleiben und dieses System wachsen lassen.“

„Ja, Papa! Aber wer stellt in der Politik die Systemfrage?“

„Einige! In jeder der großen Parteien gibt es einige, die sagen: wenn wir so weitermachen, geht das System kaputt. Dann fliegt uns der ganze Laden um die Ohren, wie das Kanzlerin Merkel kürzlich gesagt hat, weil einige Manager zuviel Geld in ihre Taschen gestopft haben. Daraus ziehen einige den Schluss: Wir müssen das System wechseln oder ändern. Die Finanzmärkte sind so ein System. Zum Beispiel hat unser Bundespräsident gesagt: Die Finanzmärkte, so wie sie sind, haben sich zu einem Monster entwickelt. Er meint: Wir müssen das System ändern. Der Bundespräsident Horst Köhler von der CDU ist also einer, der die Systemfrage stellt. Oder nimm Dieter Althaus aus Thüringen! Er sagt: Im Alter haben wir bald nicht genug Geld. Deshalb müssen wir das gesamte Rentensystem ändern. Der Ministerpräsident Althaus aus Thüringen von der CDU verlangt mit aller Entschiedenheit den Systemwechsel. Er stellt also nicht nur die Systemfrage, sondern er geht sogar noch einen Schritt weiter: Er verlangt den Systemwechsel. Friedrich Merz von der CDU hat ebenso die Systemfrage gestellt und auf seine Art beantwortet: er hat einen radikalen Wechsel im Steuersystem gefordert.“

„Das ist ja spannend, Papa! Gibt es denn in der CDU nur Politiker, die die Systemfrage stellen?“

„Nein, lieber Sohn, viele, auch in der CDU, sagen: Ein echter Systemwechsel – auch wenn er bei einigen Systemen sinnvoll wäre – ist derzeit nicht zu stemmen. Wir können nur Auswüchse bekämpfen, sozusagen einige Schienen neu verlegen, hier ein Tröpfchen Öl, da eine kleine Gleisausbesserung, damit das insgesamt gute System bestehen bleibt und weiter wachsen kann. Nur in der neuen Partei DIE LINKE gibt es ebenso viele oder vielleicht sogar mehr Menschen als in der CDU, die die Systemfrage stellen. Diese Menschen bei DER LINKEN und bei der CDU sagen: Vieles stimmt nicht in unserem Staat. Wir wollen einiges ändern. Hört mal zu, wir haben da einige Ideen! Bitte schreit nicht so wild durcheinander! Bitte lasst uns ausreden, und vielleicht gefällt euch ja der eine oder andere von unseren Vorschlägen!“

„Dann darf also jede und jeder die Systemfrage stellen?“

„So ist es, lieber Sohn. Die einzige Voraussetzung ist: Man muss die Gesetze einhalten und man darf einige Grundsätze unserer Verfassung nicht antasten. Zum Beispiel: Nur der Staat darf körperliche Gewalt anwenden. Niemand darf einen anderen Bürger hauen oder eine Bombe schmeißen, weil er anderer Meinung ist. Aber wenn man etwas Böses macht und die Gesetze bricht, dann kann man vor Gericht kommen und kriegt dort eine Strafe. Zum Beispiel gab es früher in Deutschland Terroristen. Die haben gar nicht die Systemfrage gestellt, ja, sie haben überhaupt keine Fragen gestellt, sondern einfach Menschen gefangengenommen und getötet, sie haben Bomben geschmissen. Das war sehr böse und sie kamen ins Gefängnis.“

„Aber die Systemfrage stellen, das ist doch nicht böse, Papa, oder?“

„Nein, es ist nicht böse, solange man sich an das Grundgesetz und an die Gesetze hält, wie die CDU und die LINKE das ja allesamt tun. Der Bundespräsident Köhler, der Ministerpräsident Althaus, der frühere Steuerexperte Merz, das sind alles gute Menschen. Niemand wird sie vor Gericht bringen oder durch den Geheimdienst überwachen lassen, nur weil sie die Systemfrage stellen und weil sie grundlegende Änderungen an unserem System verlangen, ebenso wie Teile der Partei DIE LINKE.“

„Dann bin ich ja beruhigt. Kaufst du mir jetzt eine neue Lok? Das ist doch billiger als ein kompletter Systemwechsel!“

„O Sohn, Deine Logik ist mal wieder unwiderstehlich. Also gut, – aber nur weil Sonntag ist. Bitte komm mir bloß nicht mit einem Systemwechsel!“

Ich fand dieses Gespräch sehr aufschlussreich. Schade, dass ich die beiden nicht mehr ansprechen konnte, denn sie waren sehr bald im Gedränge verschwunden. Ich hätte sie gerne darauf hingewiesen, dass dieses Blog unter dem Datum vom 25.11.2007 einen Bericht über Dieter Althaus enthält, der einen radikalen Systemwechsel fordert, aber dennoch nicht vom Verfassungsschutz überwacht wird.

Lesehinwies:

CDU vergleicht Linke mit der RAF. Der Tagesspiegel, 18.05.2008

 Posted by at 12:53
Nov 252007
 

Wolfgang Wehrl, der den Kleinen Parteitag der Berliner CDU am Samstag leitete, brachte es gleich zu Beginn auf den Punkt: Solidarisch – Bürger – Geld, das sind alles positiv besetzte Begriffe, denn Solidarität ist uns lieber als Egoismus, Bürger sind alle, Geld sehen wir lieber als Schulden. Vorsprung durch Kommunikation! Was aber ist das Solidarische Bürgergeld? Das Solidarische Bürgergeld ist ein bedingungsloses Grundeinkommen von 800 Euro pro Monat für alle Erwachsenen. Das Bürgergeld sinkt mit wachsenden eigenen Einkünften. Bis zu einem Bruttoeinkommen von 1.600 Euro im Monat fällt keine Einkommensteuer an.

Der Thüringer Ministerpräsident Dieter Althaus hatte überdies in den Medien alles bestens vorbereitet. Von seiner Homepage kann man sogar eine faktenreiche Power-Point-Präsentation herunterladen. Vorteil Althaus!

Was wollen für unsere soziale Sicherheit? Systemwechsel oder Systemumbau? Althaus warb leidenschaftlich für die erste Lösung. Im Publikum saßen Gegner und Befürworter eines solchen Befreiungsschlages und verschafften sich auch in der anschließenden Debatte Gehör. Beide Seiten brachten starke Argumente. Das Match endete unentschieden und geht in die nächste Runde.
Ich nehme für mich mit: Althaus hat sich seine Sache gut überlegt, er hat Rat von allen Seiten eingeholt, er ist mutig und lässt sich durch ein klein bisschen Gegenwind nicht umpusten. Mein Herz hat er als redlicher Anwalt seiner Sache gewonnen. Im Kopf bin ich von seinem Modell – noch? – nicht überzeugt. Ich werde vorerst weiter nach allen Richtungen zuhören. Seine Partei hat sich noch nicht abschließend festgelegt, sondern führt einen intensiven Diskussionsprozess. Gut so, ich kenne keine andere Partei, in der eine solche Bandbreite an Positionen vertreten ist wie die CDU. Es ist eben die wahrhaft bürgerliche Partei – und Bürger dieser Republik sind wir alle: Punks, Studienräte, Assis, Aktien- und Einkommensmillionäre, Hartz-IV-Empfänger, verarmte Adelige, Alkoholiker, Neureiche und Diplomaten, Skinheads und Porschefahrer.

 Posted by at 19:00