Nationale Abschottung der Volkswirtschaften – die richtige Antwort an Trump?

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Apr. 152025
 

Premier Tusk ogłasza nową erę w polskiej gospodarce – Dziennik.pl

Ein durchaus beachtenswerter Debattenbeitrag erreicht uns soeben von unserem großen Nachbarn und Bündnispartner, von Polen. Wir erfahren, dass Ministerpräsident Donald Tusk angesichts der neuen Gemengelage auf den Weltmärkten eine umfassende Repolonisierung der polnischen Wirtschaft verkündet. Aber lest selbst, was der meines Erachtens durchaus seriöse Dziennik soeben berichtet:

Polskie firmy nie będą stały na straconej pozycji w konkurencji z międzynarodowymi molochami podkreślił Tusk.

Czas na odbudowę narodowej gospodarki, repolonizację polskiej gospodarki, rynku, kapitału – oświadczył szef rządu.

Tusk ogłasza repolonizację gospodarki

Premier Donald Tusk oświadczył, że nadzór nad rozwojem terminala Sławków będzie w stu procentach polski. Polacy, polskie firmy, polskie państwo będzie na tym zarabiać – powiedział. Podkreślił, że trwają bardzo intensywne prace nad terminalem Sławków. Jego zdaniem bardzo wiele firm „ostrzyło sobie zęby“ na to miejsce.

Donald Tusk, der ehemalige Präsident des Europäischen Rates (2014-2019), uns noch in bester Erinnerung als einer der ganz wenigen in Europa verbliebenen Anhänger des Ordoliberalismus im Sinne Erhards, Euckens, Röpkes, kündigt nunmehr eine Repolonisierung, also eine Renationalisierung der polnischen Wirtschaft an. Während andere maßgebliche Stimmen in Deutschland – siehe etwa den neuen Koalitionsvertrag zwischen CDU, SPD und CSU – ein stärkeres Gewicht für die Europäische Union einfordern, scheint die Stimmung in Polen bereits in die entgegengesetzte Richtung gekippt zu sein.

Die Leitwerte in Polen dürften nunmehr heißen: Weg von offenen Grenzen auf den Weltmärkten, weg von der seit langem geforderten Banken- und Kapitalmarktunion innerhalb der EU, Vorrang des nationalen Gedankens vor dem Europagedanken!

Ich empfehle allen Europafreunden, zu denen ich ja persönlich ebenfalls gehöre, die Entwicklungen in Polen, aber auch in Tschechien, Ungarn, Italien, Spanien und der Slowakei nie aus den Augen zu verlieren. Ich meine: Ohne feste Einbindung Polens, Tschechiens, Italiens, Ungarns und der Slowakei werden die in der EU gerade jetzt dringend nötigen Reformen nicht zu einer vertieften Integration führen können.

Wir rufen den neuen oder eher doch alten nationalen Tönen, den Rufen nach nationaler Abschottung unser kräftiges „Jeszcze Europa nie zginęła“ entgegen.

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Ať žije Česká republika!

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Okt. 292021
 
„Es lebe das Königreich Böhmen“. Kundgebung tschechischer Monarchisten auf dem Wenzelsplatz am 28. Oktober 2021

Neugierig wanderte ich gestern, am tschechischen „Tag der Republik“, einem landesweit begangenen Feiertag, auf dem Wenzelsplatz umher. Ich wollte Fühlung aufnehmen mit der festlichen Stimmung auf Straßen und Plätzen, mitten im Volk mich treiben lassen. Doch was geschieht da …? Erst traute ich meinen Augen nicht… War dies ein weiterer Beweis für den tschechischen Humor? Ist es eine Komödie, ist es eine Tragödie, eine Farce? Ist es eine Kunstaktion des heißgeliebten Nestbeschmutzers David Černý? – Vor dem Wenzelsdenkmal werde ich Zeuge einer Versammlung tschechischer und österreichischer Monarchisten, die die Wiedereinführung des Königtums in den Ländern fordern, die einst zur österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie gehörten. Ich las: „Dost bylo Republik!“ („Republiken gab es schon genug!“) Kaum zu glauben – ist das die Stimmung im Lande? Ist es buffonesk? Ist es gespenstisch?

Gespräche mit einigen Tschechen bringen mich weiter: Der gewählte Staatspräsident Zeman liegt schwerkrank auf der Intensivstation und ist nicht imstande, die Amtsgeschäfte fortzuführen. Erste Bemühungen, ihn für amtsunfähig zu erklären, sind auf den Weg gebracht. Zu feiern besteht also in diesem Jahr kein Anlass. Schwere Vorwürfe gegen den Präsidenten und gegen den noch amtierenden Premierminister Babiš stehen unübersehbar im Raum. Die letzten Wahlen haben die Mehrheitsverhältnissse im Parlament grundlegend verändert. Doch noch steht es in den Sternen, ob und wann der Wahlsieger Petr Fiala die Regierung übernehmen kann. Bis 8. November muss eine Entscheidung getroffen werden.

Auffällig war für mich, dass der Demonstration der Monarchisten keinerlei Ablehnung, keinerlei Protest entgegenschlug, sondern eher vorsichtige Zustimmung bei den Umstehenden. Auch österreichische Vertreter – hier in Gestalt von Nicole Fara – durften sich äußern – wenn auch nur in englischer Sprache.

Die Kundgebung auf dem Wenzelsplatz, direkt zu Füßen des verehrten Gründerkönigs der böhmischen Monarchie abgehalten, bin ich geneigt als Ausdruck verbreiteten Unbehagens an der Politik zu deuten; die Tschechen wünschen sich offenbar etwas anderes als sie bisher erlebt haben.

Zugleich auch drückt sich darin wohl der Wunsch aus, eine überparteiliche, unbestechliche Instanz jenseits des Zanks und Haders der Parteien zu finden, wie man sie in verklärender Rückschau wohl in den böhmischen Königen zu erblicken meint.

Welchen Schluss ziehe ich daraus, fragt ihr? Den folgenden:
Ich wünsche den Tschechen einen guten Weg aus dieser verworrenen Lage – selbstverständlich im Rahmen der Republik.

Ať žije Česká republika! Es lebe die tschechische Republik!

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Was ist europäischer Transformismus? Eine Definition

 Europäische Union, Systemfrage, Trasformismo europeo, Verdummungen, Verfassungsrecht  Kommentare deaktiviert für Was ist europäischer Transformismus? Eine Definition
Sep. 122015
 

Unter europäischem Transformismus verstehen wir das allmähliche Umformen vorhandener institutioneller Regelungen und geltender Vereinbarungen auf EU-Ebene durch die Beförderung, das Zulassen oder das  Erdulden von Entwicklungen, die mit den bestehenden Regelungen unvereinbar sind oder diese nach und nach zu sprengen drohen. Es droht dann stets Anomie, also ein regelloser Zustand, der freilich mehr oder minder über Nacht ohne Einhaltung demokratischer Fristen und häufig ohne Beschreitung rechtsstaatlicher Bahnen unter Verweis auf den enormen Zeitdruck und unabweisbare Handlungszwänge geheilt wird. Es entsteht dann etwas unvermutet Neues, eine Art kontrafaktische Verfassungsnorm. Nicht durch Revolution vollzieht sich das, sondern durch teils schleichenden, teil sprunghaften Wandel.

So führt die faktisch vollständige gegenwärtige Öffnung der EU-Außengrenzen zu einem Zustand, in dem sowohl die vorhandenen Schengen-Verträge als auch die EU-Verordnung (EG) 604/2013 vom 26.06.2013 („Dublin III“) gleichzeitig nicht mehr einzuhalten sind. Die Staaten der EU verlieren in diesen Tagen die Kontrolle über ihr Territorium, ohne dass doch der Staatenverbund, die Europäische Union, imstande wäre, andere, umsetzbare Regelungen zu vereinbaren oder durchzusetzen.

Ähnlich geschah dies bereits mehrfach bei den Euro-Rettungsaktionen, zuletzt vor wenigen Wochen beim Griechenland-III-Rettungspaket.

Der Prozess des europäischen Transformismus ist iterativ, lässt sich also – im Gegensatz zu Revolutionen – beliebig oft wiederholen. Nicht zufällig erscheinen derartige Transformationsprozesse unter Serienfertigungsbezeichnung: Dublin I, II, III, Griechenlandrettung I, II, III – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, ebenso wenig wie dem zweiten Peanoschen Axiom, wonach auf jede natürliche Zahl n stets die Zahl n+1 folgen muss.

Die vermutlich klassische, mindestens zeitenüberdauernde Formulierung dieses europäischen Transformismus verdanken wir übrigens Jean-Claude Juncker, dem heutigen Präsidenten der EU-Kommission. Er hat bereits 1999, also recht früh erkannt, nach welchen Mechanismen der Trasformismo europeo funktioniert, und wir EU-Bürger sollten ihm und auch dem SPIEGEL-Redakteur Dirk Koch dankbar dafür sein, dass es zu dieser prägnanten, geradezu genial zu nennenden Formulierung gekommen ist.

Der SPIEGEL 52/1999 vom 27. Dezember 1999 (S. 136) veröffentlichte in der Tat folgende Äußerung von Jean-Claude Juncker: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Zitat:
Dirk Koch: Die Brüsseler Republik. Der Spiegel, 27.12.1999
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-15317086.html

 

 

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Dez. 102014
 

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Zu den Professoren an der Leukorea in Wittenberg zählte neben Melanchthon auch zeitweilig Giordano Bruno. Von ihm sah ich im Oktober dieses Jahres, hinter dickem Panzerglas ausgestellt, hingerissen seinen handschriftlichen Stammbucheintrag „Nihil sub sole novum“ im Lutherhaus. Ich hege keinen Zweifel, das Original dieses Eintrags gesehen zu haben.

Bruno lehnte den Begriff des radikal Neuen ab. Das, was uns als neu erscheint, erscheint eben nur so. „Von der Sonne aus betrachtet“, „im wesentlichen“, war es immer schon, ist immer, und wird auch wieder sein.

In der Weltgeschichte vermag man mit einigem Suchen mehr und mehr Spuren der Wiederkehr des Immergleichen zu erkennen. So wogt die Debatte über die verschleppte, die verschlafene EU-Reform derzeit um den Begriff des Wirtschafts-„Direktoriums“, des Directoire, wie es ähnlich bereits in den Jahren 1795-1799 in Frankreich installiert wurde.  Sinn des Directoire war es nach dem großen Terreur, durch ein mit 5 „Direktoren“, 8 „Ministern“ und 5 „Kommissaren“ besetztes Kontrollgremium den drohenden Staatsbankrott abzuwenden. Das Vorhaben scheiterte, der Staatsbankrott war so nicht abzuwenden, Napoleon ergriff die Macht; der Versuch der Lenkungswirtschaft führte zu einer Wiederauflage des Kaiser-Gedankens. Nil sub sole novum!, hätte Bruno wohl ausgerufen.

Giscard d’Estaing empfiehlt nun nachdrücklich in seinem neuen Buch „Europa“ eine Neuauflage der Directoire-Verfassung! Und er nennt das oberste Lenkungsgremium sogar ganz ausdrücklich Directoire.

Genau dieses „Directoire“ scheint auch die Keimzelle des Gedankens der „Gouvernance économique“, der „Wirtschaftslenkung“ zu sein, wie sie seit Jahren in der EU-Debatte gefordert wird und wie sie Jean-Claude Juncker offenkundig favorisiert.

In klarem Gegensatz zur Directoire-Verfassung steht der föderative Aufbau der sozialen Markwirtschaft, wie sie die Bundesrepublik Deutschland bis 1999 verkörperte. Dass der Zentralstaat lenkend und regelnd, steuernd und vorschreibend bis in die Löhne und Gehälter, bis in die Zentralbankzinsen hineinregiert, war in der Bundesrepublik früher undenkbar; erst seit wenigen Jahren ist es durch die aus französischem Geist erschaffene EU-Apparatur hoffähig geworden.

Schwenkt also die Bundesrepublik nach dem Zwischenspiel der „Sozialen Marktwirtschaft“ eines Konrad Adenauer oder Ludwig Erhard jetzt auf die wesentlich ältere Linie des Directoire, der Gouvernance économique ein? Bundesweite Mietpreisbremse, gezieltes Ankurbeln der Inflation, Aufkauf von Staatsanleihen, ABS, Quantitative Easing, Hochpuschen der Geldmenge  usw.usw.: es gibt viele Anzeichen für diese rückwärtsgewandte, diese im Wortsinn reaktionäre Wende der Finanz- und Wirtschaftspolitik. Die Keynesianer in den USA erwarten es von uns, die  hochverschuldeten Euro-Partner erwarten es von uns. Das Directoire, also der engere Führungszirkel der EU-Kommission, soll den größten Wirtschafts- und Währungsraum der Erde retten.

Lesehinweise:
„Das Direktorium“, in: dtv Atlas Weltgeschichte, München 2006, S. 299
„Die französische Verfassung von 1795“, in: Putzger Historischer Weltatlas, 103. Auflage, Cornelsen Verlag, Berlin 2001, S. 119
Valéry Giscard d’Estaing: „Le parcours. La structure institutionelle d’Europa et le Directoire“, in: ders., Europa. La dernière chance de l’Europe. Paris 2014, S. 163-174

 

 

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Aug. 062014
 

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Familienpolitik beginnt bereits vor der Geburt eines Kindes. Die Reproduktionsmedizin leistet viel. Aber sie ist teuer. Die Erfüllung des Kinderwunsches darf keine Kostenfrage sein.“ Diese Aussage stammt von Manuela Schwesig, der amtierenden Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zitiert hier nach der Süddeutschen Zeitung, Magazin, Nummer 10, 7. März 2014, S. 40.

Wir dürfen das so verstehen: am Geld darf der Kinderwunsch nicht scheitern. Moderne Familienpolitik erfüllt den Frauen den Kinderwunsch, koste es, was es wolle, denn die moderne Politik wird den Frauen genug Geld geben, damit sie sich ihren Wunsch nach einem Kind erfüllen können.

Ein zentrales Heils- und Glücksversprechen der heutigen Fachpolitiker (hier beispielhaft der Bundesfamilienministerin) ist es, dass jeder Wunsch, auch der sehnlichste Wunsch so manchen Paares – der nach einem Kind – erfüllt werden kann.  Die wohltätige Politik durchdringt von vor der Zeugung an alle Lebensbereiche, der Bürger braucht gewissermaßen nur seine Ansprüche anzumelden und die Hand hinzuhalten. „Ach, wenn wir nur ein Kind hätten“, seufzte die Königin bei den Gebrüdern Grimm noch. Heute dagegen ist dieser Märchenwunsch Wahrheit geworden, denn wir haben ja die Familienpolitik und die Reproduktionsmedizin – und Geld in Hülle und Fülle.

„Sicherheit und ein stabiler Euro. So will ich Europa.“ Mit diesen und verwandten Wahlsprüchen errang die derzeit am erfolgreichsten beworbene Partei, die CDU, einen großartigen Wahlsieg. Betrachte das Bild genau: Du siehst eine junge, selbständige Frau, die voller Tatkraft aus dem Innenraum der Wohnung hinaus ins Berufsleben tritt. Das  Kind hockt wie ein Attribut auf der Hüfte der Frau, hindert sie nicht, erringt aber auch nicht die Aufmerksamkeit der Frau. Die Frau und das Kind wissen sich in Sicherheit. Der stabile Euro sichert den Rahmen. Europa ist sicher, denn der Euro ist stabil. Statt der veralteten Familie früheren Typs, bestehend aus Vater, Mutter, Kindern,  spannt die moderne Politik das zentrale Heils- und Sicherheitsversprechen auf: Europa und der Euro sorgen für euch alle. Der Euro, Europa, die Politik sichern Frieden, Wohlstand, Sorglosigkeit.

Auch hier, bei der äußerst erfolgreichen CDU, trifft die Politik sehr weitreichende, bis ins Privateste hineinreichende Versprechungen. Der Mensch braucht sich kaum mehr anzustrengen, die Politik sichert durch das Geld, durch den Euro, Stabilität und Sicherheit im Leben von Frau und Kind. Das männliche Element der früheren Ikonographie, der Mann, der Familienvater wurde ersetzt durch den Euro. Der Euro ist das Wichtigste, die Währung sichert Einheit und Geborgenheit.

Die Politik – ob nun Familienpolitik oder Finanzpolitik im Zeichen des Euro – hat die interpersonellen Bezüge, das tägliche mühselige Ringen um Einkommen, um Zusammenhalt der Familie, das harte Arbeiten von Weib und Mann für den Lebensunterhalt und die Erziehung der Kinder, wie es jahrtausendelang den Alltag der Familien prägte, ersetzt. Man muss nur das Kreuzchen an der richtigen Stelle machen.

Die Politik und ihre Reklame verspricht die Erfüllung jedes Kinderwunsches, jedes kindlichen Wunsches. Der Euro sichert im Zeichen  des „Ich will es so“ Stabilität, Frieden und Geborgenheit für alle. Ohne Sorge – sei ohne Sorge, wie es in Ingeborg Bachmanns Gedicht „Reklame“ so schön heißt.

Merke auf: Zwei subtile Botschaften, die die Politik Tag um Tag auf uns unmündige Bürger niedergehen lässt. Wir brauchen diesen Botschaften nur zu vertrauen. Ohne Sorge – sei ohne Sorge.

Bild: “Sicherheit und ein stabiler Euro. So will ich Europa.” Wahlplakat in Eisenach am Fuße der Wartburg, aufgenommen am 1. Mai 2014.

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Dez. 132013
 

http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article122892828/Henkel-hat-einen-Fehdehandschuh-geschmissen.html

Bizarre, absurde, geradezu atemberaubende politische Zustände herrschen seit vielen Jahren bei uns in Kreuzberg. Vieles am Verhalten der Kreuzberger grünen Lokalpolitiker erinnert derzeit wie schon so oft  an das streitige Gegeneinander von verschiedenen Duodezfürsten gegen den übergeordneten „Landesfürsten“, wie es aus der Spätphase des Mittelalters geläufig ist. Die Duodezfürsten, das sind die „Zwölftelfürsten“, die ein „Zwölftel“ der Landesherrschaft besitzen.  Kreuzbergs Bügermeisterin gebärdet sich neuerdings wie eine derartige Duodezfürstin, die gegenüber dem Landesherrn (dem Senat von Berlin) ein moralisch höherwertiges Eigenrecht, ein Widerstandsrecht für ein Zwölftel des Bundeslandes Berlin  setzt. Sie probt den Aufstand, sagt sich und den Bezirk erneut symbolisch von der Zugehörigkeit zum Bundesland Berlin, zur Bundesrepublik Deutschland, ja zur Europäischen Union los. Sie leugnet, dass das Recht des demokratischen Staates auch durchgesetzt werden darf, selbst wenn einzelne Menschen die Bestimmungen des Rechtsstaates bzw. der EU-Staatengruppe als ungerecht empfinden.

Denn letztlich wird hier ein Problem der EU-Grenzpolitik verhandelt. Die „Flüchtlinge“, die natürlich keine politisch verfolgten Flüchtlinge, sondern – in unserem Fall – junge schwarzafrikanische Gelegenheitsarbeiter oder auch Gastarbeiter, oder schlicht und ergreifend aus dem Maghreb zugewanderte Drogenhändler, also Migranten sind, werden bewusst als Freischärlertruppe gegen den „unmenschlichen“, „würdelosen“ Machtverbund, eben die EU mit ihrem FRONTEX-Regime in Stellung gebracht.

Henkel hat einen Fehdehandschuh geschmissen, die andere Seite hat ihn aufgenommen„, so die Bezirksbürgermeisterin Herrmann von den Grünen. Schon die wie zu Joschka Fischers besten Zeiten landsknechtshafte Sprache verät, worum es geht: Es geht darum, im Gegeneinander von rechtsstaatlich gebundenem Handeln und rechtsfreiem Handeln der selbsternannten Freischärler am Oranienplatz eine Art „Eigenrecht“, ein „Faustrecht“ zu schaffen. Die Bezirksbürgermeisterin gießt Öl ins Feuer, indem sie ausdrücklich diesen Zustand des Eigenrechts, wie er der mittelalterlichen „Fehde“ zwischen Aufrührern und Territorialfürsten zugrundelag, ausruft. Es erinnert stark an Heinrich von Kleists Michael Kohlhaas. Kohlhaas wähnte sich im Recht, sammelt aufgrund einer zweifellos erlebten objektiven Rechtsverletzung, einer erlittenen persönlichen Kränkung seine eigenen Truppen und fordert die staatliche Macht mit Feuer und Flamme heraus.

Die Bezirksbürgermeisterin wirft also dem Berliner Innensenator ganz öffentlich und ungescheut den Fehdehandschuh hin. Sie geht offenbar von einer Art Waffengleichheit oder Gleichberechtigung zwischen den Rechtsbrechern und dem Innensentor aus. Vorab erteilt sie den auch durch sie selbst herbeigeredeten gewaltsamen Auseinandersetzungen schon ihren Segen. Sie proklamiert für die ziellos umherstrebenden jungen Männer, die Gastarbeiter aus Schwarzafrika, ein Widerstandsrecht gegen eine als zutiefst unmenschlich gedeutete Situation. Kreuzberg fordert also wieder einmal das Rechtsstaatsprinzip heraus, fordert die Bundesrepublik, fordert die gesamte Europäische Union heraus.

Kreuzberg wirft Berlin, der Bundesrepublik und der gesamten Europäischen Union den Fehedehandschuh hin.

Ich halte das für lachhaft. Laugh out LOUD. Es erinnert mich an meine verzweifelten Versuche, als ich über Jahre hinweg den Kreuzberger Radfahrern in liebevollen Gesprächen nahezulegen versuchte, wir Radler müssten uns an die StVO und an die Gebote der Höflichkeit halten. Nichts zu machen! Ich biss und beiße in Kreuzberg als Vertreter des Rechtsstaatsprinzips auch im Verkehrsrecht, auch im Asylrecht auf Granit, auf Grauwacke.  Immer wieder bekam ich zu hören:  „Solange die StVO so eindeutig die Autofahrer bevorzugt, solange ich an jeder roten Ampel 90 Sekunden verliere, die mir eigentlich zustehen, brauche ich als Radfahrer mich nicht an die Verkehrsregeln zu halten. Ich fahre, wann wo und wie es mir passt.

Grandiose Anspruchshaltung das! Die steht hier in Kreuzberg wirklich in prachtvoller Blüte. Man tut sich groß im Fordern, Klagen, Einfordern, Erpressen, Jammern und Steinewerfen. Die Grünen haben sich hier in Kreuzberg nie zum Rechtsstaatsprinzip bekannt.  Sie wollen nicht das RECHT, sondern sie wollen soziale GERECHTIGKEIT, oder was sie dafür halten, allüberall und sofort. Notfalls auch mit Gewalt.  Wie zornige Kinder.  Völlig zurecht haben sie sich mit der Rudi-Dutschke-Straße, mit dem Führer Rudi Dutschke, der ebenfalls den Rechtsstaat ablehnte und die revolutionäre Gewalt befürwortete, ein Denkmal gesetzt.

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Sie nehmen es vom Lebenden!, oder: „Mehr Bürgergeld in Politikerhand!“

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Apr. 292013
 

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„Winfried Kretschmann lobt Steuererhöhungspläne.“ Eine klare Absage an das frühere, ganz von Aristoteles und der griechischen Polis herrührende Mantra des guten christlichen Demokraten Winfried Kretschmann von „Maß und Mitte“, wie er das selber so hübsch sagt.

Lug amol, den eigensinnigen Konservativen, Herrn Kretschmann haben sie aber schön weichgekocht, auf Linie getrimmt und den widerborstigen Boris Palmer aus Hölderlins Tübingen glatt abgebügelt! Und ehrlich sind die Grünen nach eigener Aussage auch: „Wir sagen den Leuten bereits vor der Wahl, dass der Staat mehr Geld für seine Aufgaben benötigt.“

Die Grünen setzen also mit ihren hochfliegenden Steuererhöhungsplänen weiterhin auf den Vorrang der Politik vor der Gesellschaft, auf den Vorrang der hochgebildeten, die taz und den Hölderlin lesenden geistigen Elite vor der unförmigen Menge des einfachen, BILD-lesenden und SAT.1 guckenden Volkes. Ist ja klar: Wer wie die Grünen an den Staat glaubt, wer wie die Grünen der Politik gesellschaftstransformierende Heilkräfte zutraut, auf dass sie dieses „Deutschland rocke“, wie das der Kreuzberger Grüne Cem Özdemir so hübsch sagte, muss auch endlich dafür sorgen, dass der Staat und die Politik mehr Geld im Säckel haben und nicht weiter mit lumpigen ca. 620 Mrd. Euro oder auch 620.000 Millionen Euro (so viel an Steuereinnahmen hat die öffentliche Hand 2013 etwa in Deutschland zur Verfügung) am Bettelstab gehen.

Bestes Beispiel: bei uns dahoam, im Bundesland Berlin! Wir haben in Berlin eine  traumhaft hohe Staatsquote, eine nahezu sozialistische Staatsquote von über 60%, eine traumhafte Förderkulisse, wie das die Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksstadträtin Herrmann (Grüne) einmal so hübsch sagte. Für alles ist eigentlich Geld da, wenn man sich in der Berliner Mittelverwaltung auskennt. Eigentlich müsste in Berlin schon längst das Paradies ausgebrochen sein, denn ein riesiger Anteil vom Kuchen befindet sich bereits seit Jahrzehnten in der Hand der demokratisch gewählten Politikerinnen und Politiker.

Überall hört man bei den Grünen, bei der Linken, der SPD, bei den Piraten und endlich vereinzelt bereits auch aus der CDU den gleichen Singsang heraus: „Bitte, liebe Mutti Politik, lieber Papi Staat, mach, dass wir alle glücklich sind oder werden. Suum cuique, sagt der Lateiner doch, jedem das ihm Zustehende! Liebe Politikerinnen, lieber Politiker, macht, dass es endlich einmal gerecht zugeht in diesem Land: Bitte nimm den Reichen und dem Mittelstand das ganze überflüssige  Geld, und mach, dass wir alle alle endlich eine glückliche Gemeinschaft werden!“

Ach, wie schön klingt das! Alles prima, alles bestens! Wer kann denn dagegen etwas sagen?

Die linke, staatsgläubige Mitte herrsche uneingeschränkt! Na dann rockt mal Deutschland schön!

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruenen-parteitag-winfried-kretschmann-lobt-steuerplaene-a-897011.html

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/steuerkonzept-der-gruenen-trifft-mittelschicht-a-897074.html

http://www.jungewelt.de/2013/04-29/042.php?sstr=kretschmann

 Posted by at 10:11
Juli 262012
 

„Ich kann dich ja nicht leiden,
vergiß das nicht so leicht!“

In Siegfrieds schroffer, lachend gesungenen Rüge an seinen mütterlichen Vater, seine väterliche Mutter Mime steckt das ganze Bündel an Idiosynkrasie, an unbegründbaren Überempfindlichkeiten, welche periodisch aus dem Werk Richard Wagners – Fafners Schwefeldämpfen gleich – hervorzubrechen scheinen. Ich las heute vormittag die 1. Szene des 1. Aufzugs aus seinem Siegfried – was für eine großartige Studie über das Vorrecht des Sohnes, die ganze Elterngeneration ins Unrecht zu setzen!

Und genau dieses schroffe Sich-Absetzen der Söhne von den ungreifbaren, konturlosen Eltern sehe ich wieder und wieder bei Jugendlichen und jungen Männern, die der DDR und der Sowjetunion entschlüpft sind. Sie sind für einige Jahre wie Richard Wagners Jung-Siegfried: gewaltgeneigt bis zur Verrohung, selbstherrlich, undankbar, leidend an der tiefen Wunde der Elterngeneration, die durch den Zusammenbruch der kommunistischen Regime eine tiefe Legitimitätskrise erfahren hat.

In diesem Wagnerschen Lichte ist auch der Skandal um den russischen Bassbariton Evgenij Nikitin zu sehen.  Man könnte ihn auch eine künstliche Aufgeregtheit nennen.

Warum? Das Anbringen von Nazi-Symbolen war bei den Jugendlichen in der Sowjetunion und in der Ex-Sowjetunion ein Akt äußersten, rebellischen Ungehorsams gegenüber dem Sozialismus, wie er in der UdSSR und in vielen anderen europäischen Ländern herrschte – jener angebliche internationale, in Wahrheit nationale Sozialismus, der in der UdSSR ab 1917 bis mindestens 1953 nicht minder verlogen und verbrecherisch war als der Nationalsozialismus ab 1933 in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern.
Nirgendwo gab es vermutlich außerhalb Deutschlands so viele Nazis oder „Hitleristen“ wie in der kommunistischen Sowjetunion und in der Ex-Sowjetunion, dem Bollwerk der „Stalinisten“. Dies ist ein heute weithin verleugneter oder vergessener Tatbestand.

Man sollte dem reumütigen Nikitin heute aus seinen Jung-Siegfried-Streichen keinen Strick drehen, sondern ihn singen lassen, zumal das  Bass-Bariton-Fach in Westeuropa abzusaufen droht. Es gibt darin zu wenig Nachwuchs. Den westeuropäischen Jung-Siegfrieden werden die Flügel, die Flausen und Bosheiten gestutzt und gestochen. Alles, was Sänger werden will, wird auf Höhe getrimmt.Das Böse, das Abgründige, das Bärenhetzerische wird eingehaust und glattgebürstet. Ein Sänger wie Nikitin wird da dringend gebraucht.

Also: Politiker will Nikitin nicht werden, lasst ihn singen.

Ihr müsst ihn ja nicht leiden können, vergesst das nicht so leicht!

Zitat:

Richard Wagner: Siegfried. Klavierauszug mit Text von Felix Mottl. C.F.Peters, Frankfurt a.M., o.J., S. 32

 Posted by at 00:40
März 132012
 

Der eine oder andere gütig geneigte Leser mag sich noch an jene Aufzählung von Pflichten und Verboten erinnern, die das früher einmal christliche Europa als die „Zehn Gebote“ kannte. Man findet sie bei einigem Suchen noch in der Hebräischen Bibel, also auch in dem Alten Testament der Christen. Die zehn Gebote sind noch nicht ganz außer Mode, auch wenn sie jeden Tag hunderttausendfach übertreten werden.

Die zehn Gebote, die teilweise Ergebnisse von Lebensweisheiten sind, richten sich an den einzelnen Menschen. Beispiele, an die manche der älteren Leser dieses Blogs sich noch erinnern mögen, sind: „Ehre deinen Vater und deine Mutter“, „du sollst nicht morden“, „du sollst nicht  stehlen“, „du sollst nicht Falsches gegen deine Nächsten aussagen“, „du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren“  usw. usw.

Biblischer Glaube besagt: Würdest du diese hier aufgezählten wenigen Gebote und Verbote einhalten, dann ginge es dir und den deinen besser. Wer diese Gebote verletzt, schadet anderen und letztlich auch sich selbst. Wenn niemand mordet, lügt und stiehlt, geht es dir und den deinen besser. Wenn du Vater und Mutter pflegst und hegst, geht es dir und den anderen besser.

Biblischer Glaube besagt: Nicht das Eigentum ist böse, sondern das Stehlen des Eigentums. Nicht das menschliche Leben ist böse, sondern die Vernichtung des menschlichen Lebens, der Mord. Nicht das Privateigentum ist böse, sondern der Diebstahl.  Nicht die Sprache ist böse, sondern das Reden in der Absicht, anderen zu schaden, die Lüge.

Eine andere Ethik, man könnte sie Kollektivethik nennen, predigt John Lennon in seinem bekannten Lied IMAGINE.  Das Lied wurde kürzlich im Konzerthaus auf dem Festakt der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt gespielt. Ein klares Bekenntnis Deutschlands zum Gedanken der Kollektivethik?

Lennon stellt sich eine gute Welt vor, eine Welt ohne Staatsgrenzen, ohne Eigentum, ohne Religion, ohne den Himmel der Werte. Dann – so predigt John Lennon – wird alles gut. Nicht der menschliche Wille wählt für  John Lennon das Böse, sondern die Trennung in Länder, die Trennung in Mein und Dein, die Religion. Staatlichkeit, Religion, Besitz sind die Ursachen des Bösen. Durch Abschaffung von Staatlichkeit, Religion und Besitz entfällt der Grund zum Bösen. Das Paradies kann anbrechen. So ähnlich dachte wohl auch John Lennon persönlich.

Man darf weiterdenken: In einer John-Lennon-Welt ohne Eigentum, ohne Religion, ohne Nationalitäten werden die Menschen gut sein. Es wird keinen Mord, keinen Raub und keine Lüge geben.

Durch die Abschaffung von Eigentum, Religion, Nation und Staatlichkeit bricht das Reich des ewigen Friedens an. Es gibt keinen Grund mehr, irgendetwas Böses zu tun. Alles wird gut.

JOHN LENNON lyrics – Imagine
Imagine there’s no heaven
It’s easy if you try
No hell below us
Above us only sky
Imagine all the people
Living for today…

Imagine there’s no countries
It isn’t hard to do
Nothing to kill or die for
And no religion too
Imagine all the people
Living life in peace…

 Posted by at 16:51
Nov. 212011
 

Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Rheinland-Pfalz sind die Bildungssieger, wie der aktuelle SPIEGEL auf S. 71 berichtet. „Bayern und Baden-Württemberg, die Seriensieger in Bildungsvergleichen, schneiden insgesamt hervorragend ab“ (SPIEGEL Nr. 47, 21.11.2011, S. 72).

Woran mag das liegen? Sicher nicht am Geld, auch nicht an der Bildungsinfrastruktur, denn auch mit mehr Geld und besserer Bildungsinfrastruktur schaffen es andere Bundesländer nicht, die beiden Südstaaten einzuholen. Liegt es an der jahrzehntelangen CDU/CSU-Herrschaft in den vier genannten Südstaaten? Oder wählen erfolgreiche Bundesländer CDU/CSU?

Nein, das wäre zu grob vereinfachend. Daran mag aber soviel richtig sein, dass Bildungslandschaften Jahrzehnte und Jahrhunderte brauchen, um einen hohen Stand zu erreichen. Die historisch-geographische Lage ist sicherlich ein Schlüssel für das Verständnis der Süd-Nord-Spaltung der Bildungsrepublik Deutschland.

Denn die genannten vier Bundesländer verbindet, wie ein Blick in jeden Geschichtsatlas lehrt, eines: Sie haben eine jahrhundertelange Tradition der kleinräumigen Eigenständigkeit, sie sind gekennzeichnet durch ein dichtes Netz an konfessionell, kommunal und regional getragenen „Pflanzstätten der Bildung“. Ein typisches Beispiel dafür ist das berühmte Tübinger Stift, aus dem Schelling, Hölderlin und Hegel hervorgingen. Die zahlreichen städtischen Volksschulen Bayerns mit ihrem täglichen gemeinsamen Singen von Schülern und Lehrern sind ebenfalls ein Faktor, der den überragenden Erfolg des bayerischen Schulwesens zu erklären vermag.

Die vier Bildungssieger widersetzten sich stets dem Gedanken eines starken deutschen Zentralstaates. Sie sind die „Abweichler“ vom starken Zentralstaat, die sich übrigens auch dadurch auszeichneten, dass in ihnen vor 1933 die extrem zentralistische NSDAP nie so stark war wie in den nördlichen und östlichen Teilen des Deutschen Reiches.

Die südlichen Königreiche Bayern (mit Rheinkreis) und Württemberg, das Großherzogtum Baden, das Königreich Sachsen bildeten mehr oder minder vollständig jenes eine Drittel des Deutschen Reiches, das vor 1871 nicht zum Königreich Preußen gehört hatte! Die nördlichen Bundesländer hingegen, die zum stark zentralisierten Preußen gehörten, bilden ausweislich des aktuellen SPIEGEL die untere Häfte des Bertelsmann-Bildungsatlanten. Die stark regional, kommunal und kirchlich geprägten südlichen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg, in geringerem Umfang auch Sachsen segeln seit Jahrzehnten mit vollen Segeln den anderen Bundesländern voran.

Die Verantwortung weg vom Zentralstaat auf die jeweils niedrigste Ebene zu verlagern oder auf ihr zu halten, das ist der Kerngedanke der Subsidiarität.

Der druckfrische SPIEGEL feiert einen großartigen Sieg für die Subsidiarität, er liefert ein klares Votum gegen den Zentralismus in der Bildungspolitik.

SPIEGEL ONLINE Forum – Braucht der Bund mehr Kompetenz in der Bildungspolitik?

 Posted by at 10:45
Feb. 072011
 
Der arme Kreuzberger Blogger spricht sich hiermit gegen eine übertriebene Personalisierung politischer Systemfragen (etwa: „System L.“) aus. Ich meine: Das Hauptproblem in Berlin mit seiner Staatsquote von 60% (!) war und ist, dass zu viel staatliches erborgtes Geld ohne echte parlamentarische Kontrolle im Umlauf ist und dass der Staat weiterhin viel zu stark als Akteur auf dem Immobilienmarkt und im Bankwesen auftritt. Hau weg!

Ansonsten aber: gutes Interview mit Jochen Esser.

„Ein Abenteuer für sechs bis sieben Milliarden Euro“ – Berliner Zeitung

 Posted by at 12:29
Juni 062010
 

 Hilfe erzeugt Abhängigkeit. Hilfe macht unmündig. Ringsum sehe ich in Kreuzberg Gebirge der Abhängigkeit aufgetürmt! Die verheerenden Auswirkungen der bedingungslos auf Dauer gewährten Sozialhilfe sind unter den Kennern längst unbestritten: Die einzelnen lernen es nicht, für sich selbst zu sorgen. Es gibt keinen Anlass zu lernen oder einer geregelten Arbeit nachzugehen oder hinterherzuziehen. Familien zerbrechen, da im deutschen Sozialstaat der einzelne eine ganze Latte von Ansprüchen direkt gegen den Staat geltend machen kann. Der Staat wird als Gegenstand der Ausplünderung gesehen. Die Familie als primäres Netz sozialer Sicherheit wird ausgelöchert.

Dauerhafte Hilfe erzeugt Unmündigkeit. Was für den deutschen und mehr noch den ausländischen Sozialhilfeempfänger in Deutschland gilt, das stimmt auch für ganze Staaten und Kontinente.

Das deutsche Sozialhilfesystem muss dringend effizienter gestaltet werden.  Es muss darauf angelegt werden, die Menschen zu aktivieren, statt Unmündigkeit zu erzeugen.

Yinka Shonibare, der nigerianische Künstler, der derzeit in der Friedrichwerderschen Kirche in Berlin ausstellt, sieht dies in einem Interview ganz ähnlich:

Deutschlandradio Kultur – Thema – „Hilfe erzeugt Abhängigkeit“
Was nun Hilfe angeht, so halte ich die Hilfslieferungen für die schlimmste Politik überhaupt, denn Hilfe erzeugt Abhängigkeit.

Hilfe ist eigentlich das Schlimmste, was man den afrikanischen Ländern antun kann. Die Situation hat sich doch durch die Hilfsleistungen nicht wesentlich gebessert, sie hat im Gegenteil die Selbsthilfekräfte der Afrikaner gelähmt, es hat sie daran gehindert, zu Schmieden ihres eigenen Glücks zu werden.

Diese Hilfe ist im Grunde nur ein Vorwand dafür, die Länder weiter auszuplündern. Die Hilfe landet ja nur in den Händen einiger weniger Mächtiger, die die in die eigene Tasche stecken. Die Hilfe versetzt die Afrikaner auch in die Lage von unmündigen Kindern, sie ist wie ein Schnuller, den man den Säuglingen in den Mund steckt, damit sie endlich Ruhe geben. Und so hat also diese Hilfe nichts Gutes bewirkt. Man sollte sie sofort ändern.

Worum es letztlich geht, ist, Infrastruktur zu schaffen, Bildung anzubieten, damit die Afrikaner selbst ihr Schicksal meistern können. Das wäre viel besser, als Hilfe zu bieten.

 Posted by at 20:53
Nov. 222009
 

Ein echter Meister der falschen Fährten, ein brillanter Taktiker des Wahlkampfs und der Parteiarbeit war  – Konrad Adenauer. Mit der Bundesrepublik Deutschland brachte er mit anderen zusammen eins der größten Experimente auf den Weg! Die Verabschiedung des Grundgesetzes, die Saarfrage, die Wiederbewaffnung, die Westbindung – das alles waren gewaltige Vorhaben, die zum Teil gegen bestehende Mehrheiten, gegen den Rat der Fachleute, gegen Widerstände in der eigenen Partei durchgesetzt wurden! Dennoch wurde er 1957 bekannt mit dem treuherzigen Slogan: „Keine Experimente!“ Gemeint war natürlich: „Keine zusätzlichen Experimente mehr!“  Schlau, schlau!

Seine neugegründete Partei, die CDU, erreicht in den ersten Wahlen zum Deutschen Bundestag aus dem Stand heraus fast soviel Stimmen wie die Unionsparteien 2009 einsammeln konnten (1949: 31%, 2009: 33,8%). Die CDU ist DIE große Erfolgsgeschichte in der deutschen Parteienlandschaft. Dabei war sie ausdrücklich als Union gegründet worden, also als Bündnis verschiedener Kräfte, die sich zunächst von den „Altparteien“ absetzen wollten.

Ich lese immer wieder mit großem Gewinn in den Protokollen des CDU-Bundesvorstandes 1950-1953. Mann, was war die CDU doch damals für eine wagemutige, kluge, nach vorne denkende Partei! „Es musste alles neu gemacht werden“, unter dieses Motto stellen die Herausgeber die internen Besprechungsprotokolle. Die meisten wichtigen Themen, die wir heute noch besprechen, wurden dort schon erörtert: z. B. der Parteienüberdruss, die ständige Suche nach Mehrheiten, der Einfluss der neuen Medien auf den Wahlkampf (damals: der Lautsprecherwagen).

Daneben bieten diese zum großen Teil wörtlichen Protokolle eine Methodenlehre der Politik! Greifen wir aus gegebenem Anlass eine Frage heraus: Wie soll sich eine Partei „im Feindesland“ verhalten? Was kann sie tun, wenn sie erkennbar eine Mehrheit der Bevölkerung gegen sich hat? Die junge CDU stand tatsächlich mitunter in dieser Position, und zwar beispielsweise im Saarland! Das Saarland wollte unter seinem beliebten Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann weg von Deutschland, erlangte sogar für 2 Jahre die staatliche Selbständigkeit. Die CDU blieb außen vor, trat vor 1953 gar nicht an. Adenauer sagte am 26. Januar 1953 etwa folgendes: „Die Leute an der Saar wollen uns nicht … Es ist doch tatsächlich so. Die Leute haben ein vergnügtes Leben; sie haben keine Evakuierten, sie haben keinen Lastenausgleich, und es geht ihnen gut.“ Wieso hätten die Saarländer für Deutschland stimmen sollen? „Vaterlandsverräter“ scholl ihnen entgegen!

Was sagt Adenauer dazu? Er hielt solches Geschimpfe für einen schweren Fehler! „Ich komme zu der Auffassung, Herr Kaiser, daß es ein schwerer Fehler von uns gewesen ist – ich weiß, Herr Altmeier wird anderer Aufassung sein -, daß wir von Anfang an die Leute diffamiert haben, die sich losgetrennt und dem Saarregime zugestimmt haben.“ Adenauer fährt fort, damit habe man das Tischtuch zerschnitten. Man habe den Saarländern die Rückkehr nicht erleichtert. „Nun wollen wir nicht das Tischtuch zwischen uns zerschneiden, sondern sehen, wie wir die Sache allmählich wieder in Ordnung bringen. Das wäre höchstwahrscheinlich viel klüger gewesen, als die Leute einfach zu diffamieren, die – und das kann kein Mensch bestreiten – die Mehrheit dort sind.“

Wir halten fest: Adenauer besaß die Größe, eigene Fehler offen einzugestehen und daraus für die Zukunft zu lernen. Er erkannte, dass Mehrheiten nicht mit der Brechstange, nicht mit Schimpfen zu holen sind. Er sah ein, dass das trotzige  Beharren auf dem eigenen Standpunkt – sofern er eine Minderheitenposition darstellt – eher die Wähler noch stärker gegen die Partei aufbringt. Schließlich erkannte er den Zeitfaktor an: „Das Übrige müssen wir der Entwicklung an der Saar überlassen.“

Das genaue Lesen einiger Seiten aus den Protokollen vermag sicherlich dem einen oder anderen Politiker in der Ratlosigkeit des heutigen Politikbetriebes Anregungen zu verschaffen. Die 50er Jahre waren eine Zeit äußerster Wagnisse, nur dank der fundamental richtigen Einsichten und der überlegenen Strategien von Politikern wie etwa Adenauer oder Kurt Schumacher konnte diese großartige Aufbauleistung gelingen.

Quelle: Adenauer: „Es mußte alles neu gemacht werden.“ Die Protokolle des CDU-Bundesvorstandes 1950-1953. Bearbeitet von Günter Buchstab. Klett Cotta Verlag, Stuttgart 1986, hier: S. 412-413

 Posted by at 00:15