Handschrift – du holde Kunst, ich danke dir!

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Jan 242019
 
Abschnitt der Inhaltsangabe (fabula) zum Gefesselten Prometheus des Aischylos, unbekannte Entstehungszeit. Enthalten bereits in der ältesten vorhandenen Handschrift, die uns den Gefesselten Prometheus überliefert, dem Codex Mediceus M (Handschrift) aus dem 9./10. Jahrhundert. 2019 durch den hier Schreibenden erneut handschriftlich entnommen der 1972 im englischen Oxford erschienenen Druckausgabe der Tragödien des Aischylos (ed. Denys Page, Oxonii 1972)

Gestern begingen wir den Tag der Handschrift. Anlass, mich ungescheut hier an dich, die Handschrift, zu wenden!

Welche Lust bereitet es mir, nach Jahren des Handschrift-Fastens mit dem Füllfederhalter zu schreiben, die Feder Zeile um Zeile hinwandern zu lassen über das leicht angerauhte Papier meiner Tages-Kladde! Die Mühsal des Kindes nachzuempfinden, das über die harte Schulbank gebeugt mit der Bewegung der Hand sich unauslöschlich einprägt den Schlüssel zum ungeheuren Schatz, den die Menschheit sich mit einer winzigen Anzahl Zeichen geschaffen hat.

Was wären wir ohne dich, o Handschrift! Wir wären unendlich ärmer. Wir stünden vor der Geschichte der letzten 3000 Jahre wie vor den milliardenjahrealten Granitsteinen. Dann gölte, dass –

Gebirgesmasse blieb‘ uns edel-stumm
Wir fragten nicht woher und nicht warum.

Wir bissen uns die Zähne am Granitgestein der Vergangenheit aus. Wir hätten keinen Aischylos, keinen Platon, keinen Thukydides, keine Bibel. Keinen Koran, keinen Newton, keine Hildegard von Bingen, keine Sappho, keinen Messiah von Händel mit dem Berliner Figuralchor am kommenden Sonntag um 19.30 Uhr im Kammermusiksaal der Philharmonie! Denn komponiert wurde und wird mit der Handschrift. Händel hat so komponiert, Bach auch, Mozart auch.

Wir hätten die Prometheus-Hymne von Goethe nicht. Denn Goethe schrieb sie eines uns unbekannten Tages im Zeitraum ab Oktober 1773 bis vielleicht 1775 von Hand. Gäbe es die Handschrift nicht, hätte Goethe die Prometheus-Hymne mit Sicherheit ganz anders gedichtet. Wir wären um so vieles ärmer! Wir wären um so vieles stummer!

Handschrift, du holde Kunst,
In wievielen trüben Stunden,
Hab ich durch dich beglückt mich erst empfunden,
Aufgerichtet, gewärmt, geborgen!
In dich hinein, da flossen alle Sorgen,
Du nahmst sie alle auf, du gabst sie weiter,
In dir entstand die Himmelsleiter,
Durch dich erst sprach zu uns der Raum,
In dir gewann Gestalt der Traum.
Handschrift, du ew’ge Kunst, du Schenkerin der Menschheit –
ich danke dir.

Der oben handschriftlich wiedergegebene griechische Text lautet übersetzt: „Das Bühnenbild der Handlung liegt im Skythenland am Kaukasischen Gebirg; der Chor wiederum wird durch Okeaniden-Nymphen gebildet. Aisch“[ylos?] (Handschrift bricht unvollendet ab)

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Der karge Staat – Voraussetzung des auf Freiheit gegründeten Gemeinwesens

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Nov 012017
 

Es ist höchst bedauerlich, dass in den heutigen Koalitionsverhandlungen der Grundgedanke der Freiheit eine so verschwindende Rolle spielt! Stattdessen sehen wir allenthalben – vielleicht mit Ausnahme der wenigen freiheitlich gesonnenen Politiker, die in Deutschland noch verblieben sind – eine überbordende Anspruchsphantasie,  die der Staat bei seinen Bürgern entfacht.

Jede Partei schreibt den Wunschzettel für ihre Zöglinge aus und versucht dann, ein Maximum vom Kuchen herauszuholen. Die inhaltliche Auseinandersetzung wird von den Parteien verweigert. Der fette, der üppige Staat teilt Geld in Hülle und Fülle für seine Zwecke aus, was immer er geben kann. Der Staat verwöhnt seine Kinder, er sorgt für alle, er weiß es besser! Bis weit in die Zukunft hinein schafft der Staat Bindungen und Verbindlichkeiten für die künftigen Generationen. Das Mittel dazu: die Planwirtschaft, mit der etwa die Volkswirtschaft oder mindestens doch die Energiewirtschaft umgekrempelt wird; unausgegorene Großprojekte wie etwa die bedingungslose Öffnung der Grenzen und die Aufnahme der jungen, männlichen, voll mobilen Mittelschichten aus anderen Staaten in unser Sozialsystem ersetzen die saure Arbeit am Detail, verdrängen die echte Hilfe für die Bedürftigsten dieser Welt. Kühne Gesellschaftsverbesserungswünsche, hochfliegende Klima- und Weltrettungswünsche treten an die Stelle rationaler Erwägungen. Das alles wird der Gesellschaft von den Politikern, diesen „Wesen höherer Art“, ins Pflichtenheft hineingeschrieben.

Um wieviel anders dachte doch ein Friedrich Schiller! Der Marquis Posa entwirft im Don Carlos gegenüber dem dynastischen, dem zentralistischen Unterwerfungsstaat das Ideal der bürgerlichen, der selbstregierten Gesellschaft, in der die Bürger, nicht die staatliche Politik  das Schicksal in eigene Hände nehmen. Unter unterem unterstützt der Marquis Posa aus genau diesem Grund das Sezessionsrecht der Regionen – in diesem Falls das Recht auf den „Abfall der Niederlande“, also die Sezession der spanisch-habsburgischen Niederlande von der Krone. Geburt des modernen Verfassungsstaates, Vorbild des europäischen Subsidiaritätsdenkens!

Gegenüber dem bevormundenden, ideologiebewaffneten Fürstenstaat eines Königs Philip II. vertritt der Marquis im 10. Aufzug des dritten Aktes die Meinung,

Daß Menschen nur – nicht Wesen höhrer Art –
Die Weltgeschichte schreiben! – Sanftere
Jahrhunderte verdrängen Philipps Zeiten;
Die bringen mildre Weisheit; Bürgerglück
Wird dann versöhnt mit Fürstengröße wandeln,
Der karge Staat mit seinen Kindern geizen,
Und die Nothwendigkeit wird menschlich sein.

Der karge, der geizige Staat – das kann doch nur heißen, dass der Staat sich nicht besinnungslos in unbedachte Transformationsabenteuer stürzt, dass er schonend mit seinen Ressourcen umgeht. Der karge Staat kennt seine Grenzen und überlässt die wesentliche Arbeit der Existenzsicherung seinen Bürgern.

Nur so kann Freiheit gedeihen, nur so gelingt der Zusammenhalt einer wahrhaft freien Gesellschaft. Die Niederlande haben es im 16. Jahrhundert vorgemacht. Es gibt sie heute noch. Das Habsburgerreich dagegen ist untergegangen.

Leseempfehlung:

Friedrich Schiller: Don Carlos. Infant von Spanien. Dritter Akt, zehnter Auftritt. In: Friedrich Schiller, Sämtliche Werke. Auf Grund der Originaldrucke herausgegeben von Gerhard Fricke und Herbert G. Göpfert. Zweiter Band. Dramen II [=Lizenzausgabe des Hanser Verlags], Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1981, S. 118-131, hier besonders S. 124

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ἀγάπη. Achthabe. Eine deutende Verteutschung

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Mai 092016
 

Ἐὰν ταῖς γλώσσαις τῶν ἀνθρώπων λαλῶ καὶ τῶν ἀγγέλων, ἀγάπην δὲ μὴ ἔχω, γέγονα χαλκὸς ἠχῶν ἢ κύμβαλον ἀλαλάζον …

Achtgabe, Achthabe, so meinen wir das Wort ἀγάπη (Agape) im griechisch verfassten Hohenlied der Liebe (1. Kor 13) am lautähnlichsten und am sinnesähnlichsten aus dem Griechischen ins Deutsche verdolmetschen zu dürfen.

Es ist ja eine Habe, denn Paulus verknüpft Agape ausdrücklich und mehrfach mit dem griechischen Wort ἔχω (echo)  – also haben. Sie, die Agape, ist aber auch eine Gabe, denn Paulus spricht in diesem Zusammenhang – sowohl vor wie nach dem 13. Kapitel – von den Gaben, die es einzusetzen gelte. Gaben, die sich nicht erzwingen lassen. Sie, diese Habe, ist gewissermaßen ein Echo der Gabe, die man nicht aus sich selbst hat, sondern von dem Anderen empfängt. Sie ist wie eine stehende Acht, deren Kurven sich ineinander verschlingen. In der Mathematik wiederum ist die ruhende, die liegende Acht das Zeichen der Unendlichkeit.

Aus diesem Grunde sagt Paulus dieser Habe, also dieser Gabe die Unendlichkeit im zeitlichen Verlauf zu. Sie, die Achtgabe und die Achthabe überdauert alles. Sie ist größer als alles andere.

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Arbeitet. Lernt. Tut was.

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Sep 022015
 

Als ich kürzlich mit einem Zug voller Flüchtlinge von Italien nach Deutschland reiste, sprach ich nicht nur mit den Flüchtlingen, sondern auch mit mitreisenden EU-Bürgern. Die Flüchtlinge – den Anweisungen gemäß ohne Papiere unterwegs – waren offensichtlich gut eingestellt und gut vernetzt, sie wissen, was sie in Germany zu sagen und zu erzählen haben. Die EU-Bürger bekannten sich alle hilfsbereit, anständig und respektvoll gegenüber den Flüchtlingen. „Aber das monatelange Rumsitzen schadet ihnen!“, so die einhellige Meinung des gesamten Abteils.

Ein deutscher Mitreisender erzählte von einem riesigen Flüchtlingslager in einem Staat des Nahen Ostens (wohl Libanon), das ein EU-Bürger – ein Bekannter des Reisegefährten – im Auftrag der UNO leite. Dieser Chef des Lagers habe etwas sehr Sinnvolles eingeführt, nämlich: Arbeit für alle, Arbeitspflicht für alle. Alle Bewohner des Lagers müssen oder sollen zumindest einer geregelten Beschäftigung nachgehen, z.B. dem Bau eines Wassergrabens, der Reinigung der Straßen und Plätze, der Müllbeseitigung, dem Garten- und Feldbau. Die Lagerverwaltung zahlt für jede Arbeitsstunde einen geringen Lohn, der dann  in den Läden ausgegeben werden kann.

Die Arbeitspflicht für alle Flüchtlinge hat sich als wohltuend erwiesen. Sie ist der Renner! Die Trübsal des Wartens hat ein Ende, Arbeit und Arbeitslohn schaffen Selbstwertgefühl, „wir können etwas“, dieses Gefühl trägt die Menschen. Die Kriminalität, eine fast unvermeidliche Begleiterscheinung jeder längeren Lagerexistenz, ging sehr deutlich zurück.

Ich bin überzeugt: Die Flüchtlinge in Deutschland sollen und müssten eigentlich auch in Deutschland dazu angehalten werden, von Tag 1 an zu arbeiten, zu lernen, zu ackern und sich zu plagen. Und wenn es nur Deutschlernen ist. Sie sollten von Anfang Pflichten für ihr Wohl und für das Gemeinwohl übernehmen. So kommt auch Struktur in den Alltag rein.

Zur Zeit werden sie wirklich in eine quälende Warteschleife hineingedrängt. Sie wissen zwar, dass praktisch niemand aus Deutschland abgeschoben wird, dass also eigentlich jeder, der hier in Deutschland eingetroffen ist, auch dauerhaft hier bleiben wird. Aber der Wartestatus, bis es endlich so weit ist, hat etwas Zermürbendes. Besser ist es, den erwachsenen Flüchtlingen, all den jungen, meist arbeitsfähigen, meist wohlgenährten Männern, die ja die übergroße Mehrheit der Flüchtlinge stellen, gleich zu sagen: Ihr seid freie Menschen. Hier lebt ihr in Sicherheit. Wir wissen, dass ihr uns irgendwas erzählen werdet. Eure phantasievollen Geschichten interessieren uns nicht allzu sehr. Sucht euch eine Arbeit, verdient euch den Lebensunterhalt selber. Lernt mindestens Deutsch. Arbeitet. Tut was.

 

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„Ich wollte das Haus mit dem Dache zu bauen beginnen“

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Aug 102015
 

Schloss Wusterhausen20150808_173017

Unser denkwürdiger Besuch vorgestern im Jagdschloß Wusterhausen! Die ungelenken Malübungen des Königs, aufgehängt im Festsaal des Schlosses, verfehlten in all ihrer grotesken Übertreibung eine anrührende Wirkung nicht. Man merkt den Bildern an, aus welchen körperlichen und seelischen Schmerzen sie entstanden sein müssen. „Ich wollte das Haus mit dem Dache zu bauen beginnen“, bemerkt der König selbstkritisch einmal. Der König hatte Wassersucht und Gicht, das Malen war seine Ergotherapie. „Nun malte König Friedrich Wilhelm seine Bauern, wie er vordem immer sein Gesinde zu porträtieren pflegte, als sei ein treues Gesicht so rar, daß man es festhalten mußte! Fünf Tage brauchte König Friedrich Wilhelm für ein Bild; und wenn er gar zu große Schmerzen hatte, ließ er sich auch noch die Umrisse vorzeichnen“, schreibt Jochen Klepper in seiner Biographie „Der Vater. Roman eines Königs“.

„Ich muß sagen das ich mich nit Ruinieren kan weitter mein geldt wegzuschmeißen und ich es vor Gott und meine kinder nit verandtworten kan da Preußen mir klug gemachet. graben Bauen viehe kauffen ist aus und werde mit Gottes hülfe kein pfen mer verquaquelen den ich die Risee bin gewehsen von der gantzen Weldt und meine schöne verfassung armée und alles übern hauffen zu gehen sehr sehr nahe gewesen“

So äußerte sich – hier in originaler Schreibung wiedergegeben – König Friedrich Wilhelm I., als ihm eins der kühnsten Infrastrukturprojekte des 18. Jahrhunderts, der Elbe-Havel-Kanal vorgelegt wurde. Die damals nur vorgedachte, durchgehend schiffbare Verbindung zwischen Elbe und Havel wurde erst im 20. Jahrhundert hergestellt.

Man sieht: der Staatsbankrott, die Zahlungsunfähigkeit des Staates waren zu Beginn der Regierung von Friedrich Wilhelm I. nicht nur ein Schreckgespenst, sie waren eine echte Gefahr! Die Mittel gegen den drohenden Staatszerfall, die im Laufe der Jahre 1713-1740 zum Erfolg führten, dürften zum Teil überzeitlich gültig sein: Pflichttreue, Sparsamkeit (beginnend bei der Hofhaltung), drastische Sparmaßnahmen, Landesausbau, Förderung und Ansiedlung der Gewerbe, Ausbildung der Bauern und Bäuerinnen in Haus- und Feldwirtschaft,  Ansiedlungsmaßnahmen in schwachbesiedelten Gebieten – etwa im Oderbruch und im pestverheerten Litauen, gezielte Ansiedlung und Aufnahme von Vertriebenen und Asylanten (15.000 Religionsflüchtlinge aus Salzburg!), Kampf gegen Korruption und Bestechlichkeit, Verwaltungsreformen, Straffung der Administration, Herausbildung einer absolut loyalen Beamtenschaft, Beschneidung der Privilegien der oberen Stände.

Dann aber auch der Haß, das tiefe, unheilbare Zerwürfnis mit dem eigenen Sohn! „- er eigensinniger, böser Kopf, der nicht seinen Vater liebet!“, schreibt der Vater dem Sohn.  Klepper merkt an: „Der einundvierzigjährige Mann und der siebzehnjährige Jüngling saßen, durch wenige Stufen, Wände und Balken getrennt, am Schreibtisch und klagten sich in Briefen an, als gelte es, aller Welt und künftigen Zeit die Dokumente solcher Erbitterung zu überliefern.“

Die Briefe der beiden sind erhalten. Unfassliche Dokumente des abgrundtiefen Grams, die sich mühelos an die Seite der Gemälde des Königs stellen lassen.  Welches Bild des gequälten, verlassenen,  verworfenen Menschen tritt da hervor?

Quellen:
Jochen Klepper: Der Vater. Roman eines Königs. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 5. Aufl. 1986, hier bsd. S. 488-489, S. 613-614, S. 620-621

„Geschichtsmächtiger Sonderfall der territorialstaatlichen Entwicklung: Brandenburg-Preußen“, in: Der große Ploetz. Die Enzyklopädie der Weltgeschichte, 35. Aufl., Freiburg 2008, S. 916-920

Bild: Ansicht des Jagdschlosses in Königs Wusterhausen, Aufnahme vom 08. August 2015

 

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Wofür steht das E?

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Jul 162015
 

Ist dies das Symbol Europas, das E? Das E steht für den Euro. Ist er der Herr Europas, oder steht das E für etwas anderes hier? Elisabeth? Der Weg der Elisabeth ging über die sieben Werke der Barmherzigkeit. Fremde aufnehmen, Kranke pflegen etwa. Elisabeth legte die Krone ab und pflegte die Armen und Kranken in Eisenach. Ist der Elisabethpfad der bessere Weg? Das Foto zeigt die Markierung des Elisabethpfades an der alten Stadtmauer in Eisenach.20150716_190131

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Fleiß und Redlichkeit: ein Poster Slam an der Komischen Oper

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Apr 162015
 

20150411_090020
Recht erstaunt war ich, als ich am vergangenen Samstag meinen Weg zum Hotel Maritim Pro arte in der Friedrichstraße radelte. Hart hinter der Russischen Botschaft zwang mich eine rote Ampel zum Innehalten. Ich erhob meinen Blick:

Überlebensgroß baute sich ein Mahner und Warner vor uns Rotlicht-Wartenden auf. Aus dem Bürogebäude erhob er seine Stimme von einem riesigen Plakat an der Kasse der Komischen Oper! Wollte er uns Radfahrern allen ins Gewissen reden? War dies sein Beitrag zur tagesaktuellen Lage? Schauen wir’s uns an!

Verkündet wurde am vergangenen Samstag:

Das Deutschland-Prinzip. Was uns stark macht.

EIGENVERANTWORTUNG fördern und mehr EIGENLEISTUNG von jedem fordern.“

Ich stutzte: Das sind höchst ungewohnte Töne! Gerade in der heutigen Zeit, gerade bei uns in Berlin, wo wir Bürger immer mehr und mehr von der Politik fordern und wir im Grunde von den meisten Parteien darin trainiert werden, uns als Benachteiligte, als förderbedürftige Objekte der Obrigkeit auszugeben! Wir Bürger wissen es doch: Die Obrigkeit in Deutschland und mehr noch in der Europäischen Union sorgt für uns, sie kümmert sich und schaut auf Stabilität des Geldes, sie sichert Wohlstand und europäische Einigkeit. Sie hält den Laden am Laufen.

Wozu bedarf es also noch persönlicher, individueller Tugenden?

Denken wir darüber nach! Übersetzen wir den Grundsatz der EIGENLEISTUNG ins überzeitliche Deutsch! Gemeint ist offenbar FLEISZ. Eigenleistung bedeutet schließlich nichts anderes als dass jeder sich selber anstrengen soll, statt immer nur die Hand aufzuhalten.

Und Eigenverantwortung lässt sich ins überzeitliche Deutsch zurückübersetzen als REDLICHKEIT. Eigenverantwortung bedeutet schließlich nichts anderes als dass jeder Rede und Antwort stehen kann für all das, was er tut und lässt, sagt und verschweigt.

Die Aufforderung des übergroßen Posters lässt sich in knackigem Markplatz-Deutsch also so wiedergeben:

Üb immer Fleiß und Redlichkeit
bis an dein kühles Grab.

Oder auch:
Verantwortung und Leistung sind von dir gefordert.

Wen oder was mag der Mann meinen? An Fleiß und Redlichkeit mangelt es also laut Aussage des überlebensgroßen Postermannes – nennen wir ihn mit einem deutschen Allerweltsnamen einfach Gerhard Schröder – uns Europäern oder uns Deutschen in der jetzigen Lage.

Wir sollten uns darüber unterhalten. Der Postermann hat vielleicht recht. Er hat einen Dunk versenkt, würde man im Basketball sagen, einen vortrefflichen Poster-Slam Slam-Dunk.

Bild: Aufnahme vom 11.04.2015, Berlin, Unter den Linden, Ecke Glinkastraße

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Politik hat (im Stadtstaat Berlin) goldenen Boden!

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Apr 082014
 

2014-04-06 14.17.03

Immer wieder spreche ich mit den noch verbleibenden Kreuzberger Handwerker*innen, die bis zum heutigen Tag noch ihren kleinen Laden, ihr Geschäft betreiben oder betrieben haben: Schneider*innen, Schuster*, Keramiker*innen. Ja – die gibt es noch! Noch. „Ich werde noch einige Jahre weitermachen, doch meine Söhne werden das Geschäft nicht fortführen. Sie sind nur am schnellen Geld interessiert … !“ Das beharrliche Ackern und Werkeln, das Stein-auf-Stein-Schichten kommt bei der jungen Generation gar nicht gut an. Seit einigen Jahren fehlen Bewerber für Lehrstellen in Handwerksberufen. Man puscht seitens der Politik das Abitur, man redet seitens der Politik das sauere Handwerk schlecht. Der wahrhaft gebildete Mensch beginnt in der heutigen Politik, in Lissabon-Zeiten, erst an der Universität.

Das familiengeführte Bäckergeschäft bei mir um die Ecke ist ein Beispiel. Ich kaufte bei ihnen, kannte die Inhaberfamilie, mehrere Generationen arbeiteten an dieser Stelle. Dann gaben sie die Bäckerei auf. Danach wurde das Geschäft mehrere Monate lang aufwendig saniert, grundlegend rennoviert, nach mehreren Monaten Leerstand ist jetzt das Bürgerbüro zweier Abgeordneter eingezogen. Man sieht: Die Politik hat goldenen Boden! Wo früher Handwerker werkelten, ziehen hier in Kreuzberg nach der Aufwertung durch die Bauwirtschaft und die Immobilienmakler oft Spielhallen, schicke Kneipen für Touristen, aber gern auch öffentlich finanzierte Beratungsstellen für Benachteiligte, etwa für Spielsüchtige oder für Pflegebedürftige ein. Beispiele dafür  kann ich gerne bei einer Kiezführung zeigen!

Die beiden Abgeordneten der Grünen haben jetzt nach mehreren Monaten das aufwändig sanierte, das aufgewertete Geschäft des Bäckermeisters übernommen. Die Politik, der Staat und seine staatlich angefütterten Parteien sind Motoren der Gentrifizierung, die Berliner Politik, der Berliner Landeshaushalt  kann offenbar die steigenden Gewerbemieten im Gentrifizierungsgebiet locker stemmen. Das Handwerk wird verdrängt. Das Geld fließt an die Parteien und deren Klüngel oder es wird im Märkischen Sand versenkt. Siehe Flughafendesaster BER.

Und 70 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges zeigen die Grünen unverdrossen Flagge, sie bekämpfen heldenmütig die Nationalsozialisten – sogar mitten in Kreuzberg! „Berlin wehrt sich – kein Platz für Nazis!“ ist der Slogan, mit dem die beiden Abgeordneten sich dem bass erstaunten Kreuzberger Wahlvolk in ihrem gentrifizierten Kreuzberger Laden andienen.

Sie kommen aus einem anderen Planeten, unsere grünen Gentrifizierer! Aber merke: Antifa geht immer. Antifa hat in Berlin goldenen Boden.

Wo die Grünen mitten in Kreuzberg, das doch fest in der Hand der „Nie-wieder-Deutschland“-Sippschaft ist, ihre unbedingt benötigten oder auch heißersehnten Nazis herzaubern, bleibt ihr Rätsel. Man sollte die Abgeordneten mal in der Bürger*innen-Sprechstunde fragen.

Herzlich willkommen im Hier und Jetzt, Berliner Politiker*innen auf goldenem Kreuzberger Boden! Das Heer der Benachteiligten heißt Euch willkommen.

Bitte aufwachen!

Liebe antifaschistischen, kampfbereiten, gewaltige Grüne! Euer überall gesuchter Hitler ist in Kreuzberg mausetot. Wir wär’s mal mit einem Radstreifen am Halleschen Ufer und in der Skalitzer Straße? Wie wär’s mal mit der Beseitigung der unerträglichen Kreuzberger Buckelpisten – fälschlich Radwege genannt?

 

 

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Freiheit oder Wohlstand – was ist das Wichtigste?

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Dez 082013
 

Brandt Freiheit 2013-12-07 10.39.10

„Die Freiheit ist das Wichtigste“ – ein sehr mutiges Wort, das mich gestern ansprang, als ich die Stresemannstraße entlangschlenderte. Geprägt hat es ein Mann, dessen politisches Denken heute fast völlig vergessen ist – Willy Brandt. In der Tat – Freiheit ist ein zentraler Wertbegriff, der Europas kulturelle Vielfalt seit den Perserkriegen deutlich von benachbarten Machträumen unterscheidet, etwa von den östlichen Großreichen, ob sie nun Persisches Reich, Osmanisches Reich oder Sowjetunion hießen.

Genau genommen – ich war begeistert von Willy Brandt, und auch von der Buchhandlung im Willy-Brandt-Haus. Denn soben hatte ich den Koalitionsvertrag der beiden Parteien CDU/SPD gelesen, in dem die Freiheit nur eine sehr untergeordnete, ja stiefmütterliche Rolle einnimmt. Die Leitwerte der heutigen bundesdeutschen Politik sind – ausweislich des CDU-SPD-Koalitionsvertrages – vor allem die Sicherung und die Mehrung des Wohlstandes, ferner Stärkung der Wirtschaft durch den Staat, bessere Betreuung von Menschen aller Altersstufen durch den Staat, Umbau der Gesellschaft durch den Staat zugunsten von stärkerer Wirtschaftsgerechtigkeit des Menschen, Abbau der traditionellen Rollenverhältnisse durch den Staat, Anpassung von Unterschieden zwischen Müttern und Vätern, zwischen Jungen und Mädchen durch die Politik. In allen Politikfeldern „weiß die Politik es besser“ als das Volk.

Was beispielsweise Kinder wollen und was Kinder brauchen, wird nicht gefragt. Was die Alten wollen und die Alten brauchen, wird nicht gefragt. Was Mütter wollen und  brauchen, wird nicht mehr gefragt. Sie sollen dem Arbeitsmarkt möglichst uneingeschränkt zur Verfügung stehen.

Der Koalitionsvertrag übernimmt das Heft des mütterlichen und väterlichen Handelns. Er legt die Geschicke der Gesellschaft erneut in die Hände einer kleinen, sich weitgehend aus sich selbst rekrutierenden Kaste an Politikerinnen und Politikern. Gegen diese große Koalition ist nicht mehr anzukommen. Jeder, der sich hauptsächlich für Freiheit, für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, also für Selbstbeschränkung der Politik einsetzt, für eine Verschlankung der Politik einsetzt, wird abgebügelt. Er kommt gar nicht mehr in die Positionen oder in die Parlamente hinein.

Freiheit als zentraler Leitwert politischen Handelns ist in Deutschland nicht mehr gefragt. Es gibt nur wenige, die dies erkannt habe, etwa ein Kreuzberger Bundespolitiker, wenn er fordert, seine Partei müsse wieder eine „Partei der Freiheit“ werden. Er scheint erkannt zu haben, dass zentrale zeitüberdauernde, also „wertkonservative“ europäische  Werte – eben Vorrang der Freiheit vor der Versorgung durch den Staat, Vorrang der Familie vor der Politik, Vorrang der persönlichen vor der staatlichen Verantwortung – angesichts der überschäumenden Phantasien der neuen Biopolitik zu unterliegen drohen.

Die Freiheit von staatlicher Umgestaltung der Gesellschaft durch die Politik ist kein Wert mehr.  Nein, die Politik dringt in immer mehr Bereiche der Lebensgestaltung ein.

Für einen Willy Brandt, einen Theodor Heuß oder einen Konrad Adenauer hingegen stand die Freiheit ganz oben. Freiheit von staatlichem Zwang und staatlicher Betreuung. Und für den staatlichen Zwang standen eben nicht nur Hitler und seine Kumpane, sondern auch Wilhelm Pieck und seine Kumpane, Klement Gottwald und seine Kumpane, Stalin und seine Kumpane, Walter Ulbricht, Mátyás Rákosi und alle die anderen Machthaber, die auf Geheiß der Sowjetunion den Bereich staatlichen Bestimmens  tief bis in die Familien und die private Lebensführung hinein erstreckten.

Der Buchhandlung im Willy-Brandt-Haus gebührt Dank und Respekt, dass sie ein so unzeitgemäßes Freiheits-Wort wie das Willy Brandts offen auszustellen wagt. Sie setzt sich dadurch dem Vorwurf des Rechtspopulismus aus. Egal. Dann sei es so. Ich werde meine nächsten Bücher bei der Willy-Brandt-Buchhandlung bestellen.

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Beifall an der Kreuzberger Halfpipe!

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Aug 112013
 

2013-08-11 17.22.22

 

Wagemut, feiner Gleichgewichtssinn, ein Sinn für Maß und Mitte, Selbstvertrauen, aber auch Achtsamkeit auf sich und andere: diese Tugenden sind an der Halfpipe im Kreuzberger Park am Gleisdreieck gefordert. Wir klatschten den Skatern heute Nachmittag offenen Beifall, auch wenn einige Kreuzberger Kids uns ermahnten, dies sei peinlich oder uncool. Egal. Sei’s drum. Dann sind wir Großen peinlich und uncool. Ne ne:  Leistungen verdienen Beifall und Ermutigung!

 Posted by at 22:15