Du, was ist dir – neben dem Frieden – der wichtigste Wert?

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Jan 252021
 

Wir wollen heute nicht über den Frieden sprechen, denn im Augenblick bedroht uns unmittelbar kein Krieg. Aber sage mir doch, du, ja, du da, der du dies liest, sage mir doch: Was ist dir, neben dem Frieden, der wichtigste Wert, der dein persönliches Streben, der dein politisches Handeln leiten sollte?

Ist es Sicherheit, ist es Gleichheit aller, ist es die Gerechtigkeit, ist es der Umweltschutz, der Kampf gegen den Klimawandel, ist es das Erreichen niedriger Inzidenzwerte, ist es die größtmögliche Gesundheit möglichst vieler, ist es die Abwehr von schweren lebensbedrohlichen Krankheiten, ist es das Erreichen des höchstmöglichen Lebensalters für möglichst alle?

Ist es das Funktionieren unserer Gesundheitssysteme, ist es der Schutz vor Krankheit, ist es der Schutz vor dem Sterben, ist es der Schutz vor der Angst vor dem Sterben?

Kürzlich holte ich meinen von Moskau anreisenden Sohn vom Flughafen Willy Brandt ab. Wartend, war ich versunken in das Nachdenken über die oberen Leitwerte, welche derzeit unsere politische Debatte bestimmen. Mal wird da Sicherheit vor schwerer Krankheit als oberster Wert ausgegeben, mal das Funktionieren unserer Gesundheitssysteme, mal auch wiederum der Bestand der systemrelevanten Berufszweige, dann wiederum die Vernichtung aller Viren, die dem Menschen je bedrohlich werden könnten, dann die Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten durch die Gesundheitsämter. Dann ein emissionsfreies Wirtschaften. Die Politik will oder soll machen, dass die Menschen keine Angst vor Unglück, vor schwerer Krankheit zu haben brauchen. Das Verfolgen dieser, solcher oder ähnlicher obersten Ziele allen politischen Handelns rechtfertigt tiefe Eingriffe in die verfassungsmäßigen Grundrechte des einzelnen.

Wie fremd, wie merkwürdig, wie zutiefst unzeitgemäß muss hingegen die Antwort Willy Brandts erscheinen, die er für sich ganz persönlich und als öffentliches Bekenntnis an einem entscheidenden Endpunkt seines gesamten politischen Lebens gab, nämlich bei seiner Abschiedsrede als Parteivorsitzender am 14. Juni 1987, beim außerordentlichen Parteitag der SPD in der Bonner Beethovenhalle. Was für eine Zumutung ist dieses Bekenntnis doch! Willy Brandt sagte damals:

Wenn ich sagen soll, was mir neben dem Frieden wichtiger sei als alles andere, dann lautet meine Antwort ohne Wenn und Aber: Freiheit. Die Freiheit für viele, nicht nur für die wenigen. Freiheit des Gewissens und der Meinung.

Bilder: Innenaufnahmen aus dem Willy-Brandt-Flughafen, 26. November 2020

Leseempfehlung:

Rede Willy Brandts in der Bonner Beethovenhalle beim Außerordentlichen Parteitag der SPD, 14. Juni 1987

https://www.willy-brandt-biografie.de/wp-content/uploads/2019/09/WB_Abschiedsrede_1987.pdf

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„Quid agis?“ – „Maxime valeo!“ Gespräch mit einem Cherusker (Anfang)

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Jan 222021
 
Blick auf den Cheruskerpark. Aufnahme vom 21.01.2021


Pulcher mons, a.d. XI Kalendas Februarias MMXXI.- Heri ibam forte via Cheruscorum sicut est mea consuetudo, meditans quaestiones vari generis, totus in illis. Accurrit quidam notus mihi aspectu tantum arreptaque manu ‚quid agis?‘ inquit. ‚Maxime valeo‘, inquam, ‚vigeo et corpore et mente… etiamsi istam nefastam pestem universalem qua afflicti sumus non negligendam esse puto. At tu?‘ ‚Ego quoque valeo. Non oportet me lamentari. Sed ubi est hiems, ubi sunt fulgores nivei qui semper me delectabant iuvenem…?“ (sermo continuabitur)

Der Leserservice fügt eine deutsche Übersetzung an:
Schöneberg, 22. Januar 2021.– Gestern ging ich mehr oder minder zufällig die Cheruskerstraße entlang, wie es meine Gewohnheit ist. Dabei überlegte ich Fragen vielfältiger Art und war ganz in sie versunken. Lief ein Mann auf mich zu, den ich nur vom Sehen her kannte. Nachdem er mich mit der Hand ergriffen hatte, fragte er mich: „Wie geht’s?“ „Mir geht’s super“, sagte ich, „sowohl körperlich wie geistig bin ich auf der Höhe der Kraft… auch wenn ich die unselige Pandemie, von der wir heimgesucht werden, für nicht zu vernachlässigend halte. Und selber?“ „Mir geht’s auch gut. Ich kann nicht klagen. Aber wo ist der Winter, wo ist der schimmernde Schnee, der mich in meiner Jugend immer so froh gemacht hat…?“ (Gespräch wird fortgesetzt)

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„Wir sollten die Angst überwinden“ – der mutige Weckruf der Mazarine Pingeot

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Jan 132021
 

Il faut dépasser la peur – tolles, ermunterndes Gespräch vom 12. Januar 2021 auf TV5 Monde mit Mazarine Pingeot, der Verfasserin des Buches „Et la peur continue“. Patrick Simonin stellt die richtigen Fragen an die Schriftstellerin! Klasse gemacht!

Ihre Botschaft: Angst gehört zwar dazu. Sie ist ein wichtiges Signal vor etwas, was nicht stimmt. Aber wir, wir haben derzeit ein Zuviel an Angst. Angst vor herabfallenden Ziegelsteinen, vor ich weiß nicht was, vor dem Tod, vor dem Sterben, vor dem Leben, und vor allem möglichen sonst auch noch…! So eine Stimme bräuchten wir in Deutschland, bräuchten wir in ganz Europa öfter! Wo sind sie denn, diese mutigen Stimmen in all den Todestabellen, Sterbezahlen, Inzidenzwerten, in dieser unfassbaren, ungeheuerlichen Angstbesessenheit, die in diesen Wochen, diesen Monaten ganze Gesellschaften durchrüttelt…?

Wo bleibt die Freude am Leben?

TV5MONDE – L’invité – Mazarine Pingeot

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E non mi si partìa d’innanzi al volto: Begegnung in der Wildnis

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Jan 092021
 

Schöneberg, den 8. Januar 2021
Wieder einmal führt mich der Weg durch die Wildnis des verlassenen Bahngeländes. Eine undurchdringliche, wattige Nebelschicht lässt mich die Stunde des Tages nicht erkennen. Ich halte inne, ein gestreifter Intercity fährt weiter hinten vorbei, da sehe ich sehr geschmeidig und flink ein katzenartiges Wesen auf mich zukommen. In leichtem Trab kommt es mir entgegen, es scheint mich zu mustern. Ein Kräftemessen steht an! Das Tier weicht mir nicht von meinem Angesicht, vielmehr versperrt es mir den Weg, der vor mir liegt, sodass ich mich fast zur Rückkehr entschließen muss.

Da fallen mir ein paar Verse des Dichters ein, dessen Gedenkjahr wir 2021 begehen.

e non mi si partìa d’innanzi al volto,
anzi impediva tanto il mio cammino,
ch’i‘ fui per ritornar più volte volto.

Vor einer Stunde habe ich die Nachricht erhalten, dass eine Einspielung mit Auswahltexten dieses europäischen Dichters soeben erschienen ist, bei der auch ich das eine oder andere Wörtlein mitzureden hatte. So sehr begleitet mich also dieser Dichter, dass selbst bei alltäglichen Begebenheiten ein Streiflicht von ihm auf die begegnende Realität fällt! Er erhellt seine, unsere dunkle Gegenwart mit einem unvergänglichen Schimmer!

Übrigens entpuppte sich das geschmeidige, flink trabende Tier sehr rasch weder als Panther, noch als Luchs noch auch als Pardelkatze, sondern als Fähe, die einer direkten Begegnung mit mir dann doch aus dem Weg ging. Stattdessen zog sie ihre Spur in einem weiten Bogen links von mir, schnürte dann vor meinen Augen von links zu meiner rechten Seite, witterte, äugte misstrauisch zu mir und setzte, immer wieder niederhockend, ihre Markierungen, um mir eindeutig mitzuteilen: das hier ist mein Revier, du wirst es mir nicht streitig machen!

Gehab dich wohl, Fähe!

Genug! Für mich ist es Anlass, die drei zitierten Verse selbst ins Deutsche zu übersetzen:

und wich mir nicht von meinem Angesicht,
vielmehr versperrt‘ sie mir so sehr den Weg,
dass ich beinah zur Rückkehr mich gericht.

Die Einspielung ausgewählter Textabschnitte des genannten Dichters ist nunmehr in 33 verschiedenen Sprachen unter folgendem Link abrufbar:

https://www.spreaker.com/user/emonsedizioni/de-dante-die-goettliche-komoedie

DE – Dante – Die Göttliche Komödie

From: Dalla selva oscura al Paradiso – From the dark wood to Paradise

Registrazione a cura di: Istituto Italiano di Cultura di Berlino Direttrice: Maria Carolina Foi Lingua: Tedesco Casa editrice: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Ditzingen, 2010 (vol. I), 2011 (vol. II), 2012 (vol. III) Traduttore: Hartmut Köhler Voci: Timo Weisschnur, Eva Maria Jost, Johannes Hampel

Un progetto del Ministero degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale in compartecipazione con il Comune di Ravenna e in collaborazione con il Teatro delle Albe/Ravenna Teatro. Si ringrazia la Civica Biblioteca Guarneriana di San Daniele del Friuli per aver concesso la riproduzione in copertina della miniatura (c.1r) del Manoscritto 200.

Zitat: Dante, La Commedia, I, 34-36


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Das neue Jahr 2021, es regt sich munter, froh und quicklebendig – und hinterlässt erste Spuren!

 Freude, Natur-Park Schöneberger Südgelände  Kommentare deaktiviert für Das neue Jahr 2021, es regt sich munter, froh und quicklebendig – und hinterlässt erste Spuren!
Jan 032021
 

Herrlicher Januar 2021! Seit heute liegt hier auch Schnee! Findet Ihr auf obenstehendem Foto das Eichhörnchen? Es wohnt hier in meiner Nähe in Natur-Park Schöneberger Südgelände.

Was für ein rätselhaftes Wesen mag hier heute im Schöneberger Hans-Baluschek-Park seinen Fußabdruck hinterlassen haben? War es Yeti, der Schneemensch? Wir fanden mehrere dieser Fußabdrücke in weitem Abstand voneinander.
 Posted by at 22:09