Jan 092021
 

Schöneberg, den 8. Januar 2021
Wieder einmal führt mich der Weg durch die Wildnis des verlassenen Bahngeländes. Eine undurchdringliche, wattige Nebelschicht lässt mich die Stunde des Tages nicht erkennen. Ich halte inne, ein gestreifter Intercity fährt weiter hinten vorbei, da sehe ich sehr geschmeidig und flink ein katzenartiges Wesen auf mich zukommen. In leichtem Trab kommt es mir entgegen, es scheint mich zu mustern. Ein Kräftemessen steht an! Das Tier weicht mir nicht von meinem Angesicht, vielmehr versperrt es mir den Weg, der vor mir liegt, sodass ich mich fast zur Rückkehr entschließen muss.

Da fallen mir ein paar Verse des Dichters ein, dessen Gedenkjahr wir 2021 begehen.

e non mi si partìa d’innanzi al volto,
anzi impediva tanto il mio cammino,
ch’i‘ fui per ritornar più volte volto.

Vor einer Stunde habe ich die Nachricht erhalten, dass eine Einspielung mit Auswahltexten dieses europäischen Dichters soeben erschienen ist, bei der auch ich das eine oder andere Wörtlein mitzureden hatte. So sehr begleitet mich also dieser Dichter, dass selbst bei alltäglichen Begebenheiten ein Streiflicht von ihm auf die begegnende Realität fällt! Er erhellt seine, unsere dunkle Gegenwart mit einem unvergänglichen Schimmer!

Übrigens entpuppte sich das geschmeidige, flink trabende Tier sehr rasch weder als Panther, noch als Luchs noch auch als Pardelkatze, sondern als Fähe, die einer direkten Begegnung mit mir dann doch aus dem Weg ging. Stattdessen zog sie ihre Spur in einem weiten Bogen links von mir, schnürte dann vor meinen Augen von links zu meiner rechten Seite, witterte, äugte misstrauisch zu mir und setzte, immer wieder niederhockend, ihre Markierungen, um mir eindeutig mitzuteilen: das hier ist mein Revier, du wirst es mir nicht streitig machen!

Gehab dich wohl, Fähe!

Genug! Für mich ist es Anlass, die drei zitierten Verse selbst ins Deutsche zu übersetzen:

und wich mir nicht von meinem Angesicht,
vielmehr versperrt‘ sie mir so sehr den Weg,
dass ich beinah zur Rückkehr mich gericht.

Die Einspielung ausgewählter Textabschnitte des genannten Dichters ist nunmehr in 33 verschiedenen Sprachen unter folgendem Link abrufbar:

https://www.spreaker.com/user/emonsedizioni/de-dante-die-goettliche-komoedie

DE – Dante – Die Göttliche Komödie

From: Dalla selva oscura al Paradiso – From the dark wood to Paradise

Registrazione a cura di: Istituto Italiano di Cultura di Berlino Direttrice: Maria Carolina Foi Lingua: Tedesco Casa editrice: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Ditzingen, 2010 (vol. I), 2011 (vol. II), 2012 (vol. III) Traduttore: Hartmut Köhler Voci: Timo Weisschnur, Eva Maria Jost, Johannes Hampel

Un progetto del Ministero degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale in compartecipazione con il Comune di Ravenna e in collaborazione con il Teatro delle Albe/Ravenna Teatro. Si ringrazia la Civica Biblioteca Guarneriana di San Daniele del Friuli per aver concesso la riproduzione in copertina della miniatura (c.1r) del Manoscritto 200.

Zitat: Dante, La Commedia, I, 34-36


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