Jan. 072025
 

„Von oben sah Deutschland aus, als hätte jemand einen Mülleimer ausgekippt.“ Mit dieser Schilderung eröffnen die beiden großartigen Autoren Andrea Paluch und Robert Habeck in dem Buch Der Schrei der Hyänen ihren freischwebenden Adlerblick von oben auf das heutige Deutschland, dessen Bundestag wir von ganz drunten (mit dem demütigen Maulwurfsblick der einfachen Bürger) am 23. Februar wählen werden.

Nun: Gleicht Deutschland wirklich – von nahem, von unten betrachtet – einer Müllkippe, wie es das famose Autorenduo Paluch/Habeck uns einzuflüstern scheint?

Ist denn wirklich, nach dem weidlich durch Gassen und Straßen verkündeten Ampel-Aus, alles so schlimm, wie es im Schrei der Hyänen beschrieben ist? Wir hegen Zweifel. Das hier zitierte, sehr empfehlenswerte Buch verdient genaues, achtsames Lesen, denn es vermittelt einen Eindruck dessen, wie einer der aussichtsreichsten Kanzlerkandidaten und seine Unterstützer auf Deutschland blicken.

Diese Frage: Sieht Deutschland von unten wie eine Müllkippe aus? – verdient weitere Beschäftigung, selbstverständlich mit dem Blick des Maulwurfes, von drunten, ganz von drunten – da, wo wir sind!

Zitatnachweis:
Andrea Paluch, Robert Habeck: Der Schrei der Hyänen. Kapitel 2, S. 32-43, Piper Verlag, München 2005, hier: S. 32

Bild: Rot-Gelb-Grün. Ein Blick von unten auf die Natur im Natur-Park Schöneberger Südgelände. Berlin, Oktober 2024. Eigene Aufnahme

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„Mourir pour Dantzig?“ Frieren für Kyjiw? 5% weniger BIP, nur um die Ukraine zu unterstützen?

 Bundestagswahl 2025, Habeck, Krieg und Frieden, Ökologie, Ukraine  Kommentare deaktiviert für „Mourir pour Dantzig?“ Frieren für Kyjiw? 5% weniger BIP, nur um die Ukraine zu unterstützen?
März 132022
 

„Mourir pour Dantzig?“ – So fragte die Weltpresse, als das Deutsche Reich sich Mitte August 1939 völkerrechtswidrig die Freie Stadt Danzig einverleibte. Die Antwort lautete: nein. Niemand wollte für Danzig sterben.

Man ließ Hitler im August 1939 gewähren und bereitete so dem Deutschen Reich den Weg, ganz Europa in den Abgrund zu treiben. Man wollte den Diktator nicht provozieren, um ihn nicht weiter zu reizen.

Frieren für Kyjiw? Sollen oder wollen wir Deutschen frieren, wenn wir Russland kein Gas, kein Öl mehr abkaufen? Sollen wir dafür sogar 5% Prozent Rückgang unseres Bruttoinlandsproduktes in Kauf nehmen? Unser Bundeswirtschaftsminister Habeck befürchtet die Gefährdung des sozialen Friedens, wenn wir ein Ölembargo gegen Russland einziehen wollten.

https://www.deutschlandfunk.de/habeck-haelt-an-importen-aus-russland-fest-warnt-vor-gefaehrdung-des-sozialen-friedens-in-deutschlan-102.html

Der Minister traut uns einfachen Bürgern offenbar nicht so ganz über den Weg. Er unterschätzt unseren Idealismus, unsere Opferbereitschaft, unseren Menschenverstand.

„Frieren für Kyiw?“ Ich meine: Aber ja doch! Eine Absenkung der Durchschnittstemperaturen um nur 3°C in Innenräumen bringt bereits erhebliche Einsparungen beim Energieeinsatz von ca. 18%! Frieren muss niemand, bei 18°C kann jeder sich wohlfühlen. Dann zieht man halt noch einen zweiten Pullover an. Was ist so schlimm daran? Man bedenke auch den erheblichen Beitrag der Absenkung der Raumtemperatur zur Abmilderung des Klimawandels, denn die Gebäudeheizung verschlingt etwa 30% des Primärenergieverbrauchs in Deutschland.

„Drehen Sie der russischen Führung den Geldhahn zu!“, lautet der klare Appell in einem offenen Brief der Bürgerbewegung Campact, der unter anderem von der Klimaaktivistin Luisa Neubauer, dem Youtuber Rezo und dem Wissenschaftler Eckart von Hirschhausen unterzeichnet wurde.“

Luisa Neubauer, Rezo und andere fordern Importstopp von russischem Öl und Gas (rnd.de)

Natürlich wäre es auch gut, die heimischen Energieträger stärker zu nutzen, statt sich von den diktatorischen Regimes der Gas- und Erdoöllieferländer (z.B. Russland und Iran) abhängig zu machen.

An erster Stelle ist hier die Steinkohle zu nennen, von der Deutschland für etwa 200 Jahre reichlich besitzt. Moderne Steinkohlekraftwerke sind mittlerweile nahezu ebenso emissionsarm wie Gaskraftwerke!

Zweitens gilt es, die bereits errichteten, voll funktionsfähigen Kraftwerke bis zum Ende ihrer Nutzungsdauer laufen zu lassen. Das gilt neben den Atomkraftwerken insbesondere auch für die hochmodernen Braunkohlekraftwerke in der Lausitz. „Bis zum Ende der Nutzungsdauer sind technische Gerätschaften zu nutzen!“ Das war ehedem eisernes Gesetz der Umweltschutzbewegung, die übrigens auch mich geprägt hat! Nur so werden Ressourcen gespart. Das gilt sowohl für Autos wie auch für Kraftwerke. Klimapolitisch ist es vermutlich besser, bestehende Kraftwerke aller Art bis zum Ende der möglichen Nutzung laufen zu lassen. Denn gerade der Neubau von Kraftwerken ist extrem emissionsträchtig. Man denke nur an den hohen CO2-Ausstoß bei der Herstellung von Beton!

Drittens können auch erneuerbare Energien einen gewissen Beitrag zur Senkung der Importabhängigkeit leisten.

Und die Elektromobilität? E-Autos sind derzeit etwas für die Besserverdienenden wie etwa Umweltminister, CEOs von Industrieunternehmen und Professoren. Hübsches Angebergeraffel, Zweitautos, Spielzeug für die Reichen, Gesinnungsausweis! Mit der extrem spendablen Förderung von E-Autos (6000.- pro Stück) vergrößert sich derzeit der PKW-Fuhrpark nur noch. Nie rollten mehr private PKWs über deutsche Straßen als gerade jetzt! Unbegreiflich, dass die Ampel-Bundesregierung das Planziel von 15 Millionen neuen E-Autos in den Koalitionsvertrag geschrieben hat. Das ist staatliche Geldverbrennung und Ressourcenverschwendung. Die Grünen mischen da ganz vorne mit.

Ich meine: Jeder kann etwas tun, um die exorbitant hohen Zahlungen an das Putin-Regime zu vermindern. Ein bisschen Frieren für Kyjiw – das tut niemandem weh. Ein Gas- und Ölembargo gegenüber einem Aggressorstaat wie Russland scheint mir durchaus verkraftbar. Man muss es nur richtig anpacken!

Die Politik sollte umsteuern – hin zu einer Verringerung der Abhängigkeit von importierten fossilen Energieträgern. Heimische Energieträger sollten stärker genutzt werden, insbesondere erneuerbare Energien, Steinkohle, heimische Braunkohle, bestehende Kraftwerke aller Art.

Und die Wirtschaftspolitik sollte die sinnlose Ressourcenverschwendung der planwirtschaftlichen Wirtschaftslenkung eindämmen, Rechenstift und Zahlenwerke zur Hand nehmen. Das geschieht meines Erachtens viel zu wenig.

Mourir pour Dantzig? Das verlangt niemand.

Frieren für Lviv, Kyjiw und Czernowitz? Ja, das ist machbar und sinnvoll.

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Hier baut die Demokratie

 Bundestagswahlen, Currywurst, Frau und Mann, Habeck  Kommentare deaktiviert für Hier baut die Demokratie
Nov. 162008
 

15112008021.jpg Unser Bild zeigt einen Eindruck von unserem heutigen Besuch bei LOXX am Alex. Alles wird dort winzig klein nachgebaut – sogar der Bundestag. Natürlich waren wir Männer unter uns. Frauen erdulden meist nur Modelleisenbahnen, wir genießen sie. Ebenso wie die Currywurst samt Pom-Mes, wie man hierzulande zweisilbig sagt. Das gönnen wir uns, Mütter!

Noch bleibt ein Rest von gestern zu klären.

Oft, so auch gestern, wird von Lagerwahlkampf gesprochen. Was ist das? Nun, in der Demokratie kann man von einem Lagermodell oder von einem Wettbewerbsmodell ausgehen. Meist ordnen sich die Lager nach klaren Zugehörigkeiten. Das eine Lager versucht dem anderen etwas wegzuschnappen, versucht, das andere Lager kleinzureden und wegzudrängen.  Oben gegen unten, links gegen rechts, konservativ gegen progressiv, bürgerlich gegen proletarisch oder gegen adlig usw. Die Lager stehen einander gegenüber, jeder weiß, wo er steht, im Wahlkampf gräbt man sich in Positionen ein, die man gegenüber dem Gegner zu behaupten versucht. Ein klarer Lagerwahlkampf war es, was Roland Koch letztes Mal in Hessen versuchte: „Linksblock stoppen!“

Ganz anders dagegen das, was ich gerne Wettbewerbswahlkampf nenen möchte. Hier ist alles nicht so eindeutig. Zu gewinnen gilt es die Zustimmung einer vielfältigen, in sich mannigfach gegliederten, schwer überschaubaren Bevölkerung. Programmatische Aussagen sind schwierig, da die Wettbewerber selbst in ständiger Weiterentwicklung sind. Wandel herrscht vor. Lagergrenzen zerfasern, es gibt Überläufer zuhauf, Marketender und Marktschreier eilen hin und her, bieten Versatzstücke feil, die sie aus früheren Lagern aufgelesen haben: Eine eher wirtschaftsliberale Kanzlerin plädiert für strenge Marktaufsicht, ein Linker kämpft für ein unternehmerfreundliches Umfeld, eine Grüne möchte mehr Elektro-Autos, ein CDU-Mann setzt sich aufs Fahrrad. Man versucht den Gegner nicht zu schlagen, sondern man versucht die Wähler zu überzeugen, indem man besser dasteht als der Gegner.

Das Wichtigste: In so einem Wettbewerbswahlkampf verändern sich die Parteien selbst. Sie trainieren sozusagen für die Regierungsarbeit. Sie laufen sich warm, denn sie kennen das Volk, dieses unbekannte Wesen, nur unzureichend. Die Wähler schreiben sozusagen ihre Forderungen in das Wahlprogramm hinein. Und dieses Wahlprogramm liegt zu Beginn des Wahlkampfes noch nicht fertig vor. Es ist ein fortlaufendes Beschäftigungsprogramm. Arbeitstherapie für kranke Parteien gewissermaßen.

„Klingt gut, aber gibt es so etwas“, fragt ihr mich?  Ich meine: ja. Obama hat dies im wesentlichen so gemacht. Aber auch Brandt schaffte dies 1972 einigermaßen. Es war der erste Wahlkampf, an den ich noch persönliche Erinnerungen habe.

Welche Form ist besser? Es gibt keine allgemeine Regel! Wenn alles von vorneherein eindeutig ist, wenn gut und böse feststeht, sollte man auf den Lagerwahlkampf setzen.

In Zeiten beschleunigten Wandels, in denen sich das Neue erst abzeichnet, rate ich in jedem Fall zum Wettbewerbswahlkampf. In einem solchen spielen Persönlichkeiten und kommunikative Darstellung eine wichtigere Rolle als die festen Inhalte. Gefragt ist eine gute Beziehung zwischen Wählern und Kandidaten, die Kandidaten müssen es schaffen, als Ansprechpartner und Projektionsfläche für unbestimmte Erwartungen angenommen zu werden.

Der Wähler muss beim Wettbewerbswahlkampf das Gefühl haben: „Na endlich, dieser Kandidatin möchte ich etwas von mir erzählen! Die wird meine Anliegen weitertragen. Klasse, das gefällt mir, der geb ich meine Stimme!“

Im Lagerwahlkampf sollte sich hingegen das Gefühl einstellen: „Na endlich, da ist jemand, der uns endlich erzählt, wo es langgehen soll! Klasse, das gefällt mir, der geb ich meine Stimme.“

Habt ihr noch Zeit? Dann empfehle ich euch Thukydides, Der peloponnesische Krieg. Das unerreichbare Muster und Vorbild zum Studium des Lager- und Blockdenkens. Innerhalb weniger Jahrzehnte schafften es eigentlich verwandte Stadtstaaten, sich durch ein Lagerdenken reinsten Wassers gegenseitig  in den Abgrund zu stürzen, so dass Hellas leichte Beute eines auswärtigen Aggressors werden konnte.

Thukydides schreibt: „Wer immer schimpfte und mit nichts zufrieden war, galt für glaubwürdig, wer aber widersprach, für verdächtig. Wenn einer mit einem hinterhältigen Schachzug Erfolg hatte, wurde er als klug angesehen, und es war ein Zeichen noch größerer Klugheit, einen Angriff rechtzeitig zu durchschauen.“

Lagerwahlkämpfer aller Parteien, lest Thukydides! Das Zitat heute übrigens abgedruckt auf S. 2 der Süddeutschen Zeitung in einem höchst lesenwswerten Artikel von Stefan Rebenich.

 Posted by at 00:19