Müssen oder sollen katholische Priester ehelos leben?

 Adolf Hampel, Religionen, Ukraine  Kommentare deaktiviert für Müssen oder sollen katholische Priester ehelos leben?
Feb 122020
 
Statue des Hl. Wolodymyr von Kiew, aufgestellt vor dem Moskauer Kreml

Die Kollateralschäden von Benedicts Zölibatsmahnung

Unter diesem Titel erreichte uns vor wenigen Tagen der Zwischenruf des katholischen Theologen Adolf Hampel, der bis zu seiner Emeritierung an der Universität Gießen lehrte – und dem der hier Schreibende das Gnadengeschenk der christlichen Taufe verdankt. Wir geben den Text hier gerne unverändert wieder:

„Die Behauptung einer geradezu notwendigen Verbindung von Ehelosigkeit und Priestertum lässt nicht nur die Kenntnis der Geschichte, sondern auch die Existenz Tausender legal verheirateter katholischer Priester vermissen.

Die Verherrlichung zölibatären Lebens wirkt angesichts der Sexualverbrechen zölibatärer Priester nicht nur peinlich, sondern degradiert die verheirateten Priester zu Priestern zweiter Klasse. Metropolit Wolodymyr Sterniuk (1907 – 1997), der im Untergrund gewählte Bischof der Griechisch-Katholischen Kirche der Ukraine, hat die Degradierung seiner Priester durch einen Brief von Johannes Paul II erfahren. Am Ende dieses päpstlichen Schreibens, das ich einsehen konnte, stand ein Satz, der ihn beleidigte: „Bei aller Treue zum Heiligen Stuhl darf das Ideal des ehelosen Priesters nicht verdunkelt werden.“ Der Vater von Sterniuk war ein in der ganzen Gegend geachteter Priester.

Die verheirateten Priester der von Stalin 1946 verbotenen griechisch-katholischen Kirche haben ihre Treue zum Stuhle Petri in Gefängnissen und Zwangsarbeitslagern in Sibirien bewiesen. Nachdem sie 1989 durch Gorbatschow die Freiheit erlangten, erfahren sie von Wojtyla und Ratzinger, dass sie Priester 2. Klasse sind. Die von ihnen gestaltete religiös-kirchliche Wiedergeburt ihrer Kirche kann heute auf einen festen Bestand blicken: 4 500 000 Gläubige, 50 Bischöfe, 3000 meist verheiratete Diözesanpriester, 400 Ordenspriester, 1500 Ordensschwestern.

Dem Synodalen Weg ist zu empfehlen, der griechisch-katholischen Kirche der Ukraine Aufmerksamkeit zu schenken.“

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Natur und Technik, sie haben sich, eh du’s gedacht, gefunden

 Natur-Park Schöneberger Südgelände  Kommentare deaktiviert für Natur und Technik, sie haben sich, eh du’s gedacht, gefunden
Feb 102020
 
Ein Blick in den Natur-Park Schöneberger Südgelände

Natur und Kunst sie scheinen sich zu fliehen
Und haben sich, eh’ man es denkt, gefunden
;

Eine Zusammenfügung des Widerstrebenden, also des Naturhaft Gewachsenen und des technisch Gefertigten, ist der Künstlergruppe ODIOUS im Natur-Park Schöneberger Südgelände gelungen!

Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.

Felix Müller schrieb gestern in seinem schönen Beitrag für die Berliner Morgenpost über dieses Gelände:

„Auf 18 Hektar Fläche, früher teils Rangierbahnhof Tempelhof, teils Trasse der Anhalter und Dresdener Bahn, kann man hier ein Wunderwäldchen erkunden, eine fast magische Mischung aus überwucherten Eisenbahnanlagen, Kunstobjekten, bemalten Wänden und seltenen Pflanzen.“

Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!
Und wenn wir erst in abgemess’nen Stunden
Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,
Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.

Felix Müller erkennt sehr treffend, was den unglaublichen Reiz dieser sich selbst überlassenen Insel der Natur mit den sicher gebaueten Stegen ausmacht, nämlich „…dass es hier nicht nur darum geht, den Besuchern trockene Füße zu sichern. Es geht um Naturschutz: Unter dem Gitter können sich die Tiere besser bewegen, und man läuft nicht irgendwohin und stört brütende Vögel.“ Eine Freude! Natur und Technik, sie scheinen sich zu fliehen, und haben sich, eh man es denkt, gefunden!

So ist’s mit aller Bildung auch beschaffen:
Vergebens werden ungebundne Geister
Nach der Vollendung reiner Höhe streben.

Dabei sollten wir nicht vergessen: Zu Goethes Zeit verstand man unter Kunst auch die Kunstfertigkeit im weitesten Sinne, alles Menschengemachte, also das, was das alte griechische Wort für Kunst einschloss, nämlich τέχνη, techne, d.i. alles, was seinen Ursprung nicht aus sich selber hat, – im Gegensatz zu dem, was seinen Ursprung in sich selber trägt, die „Natur“, griechisch φύσις genannt.

Wer Großes will muß sich zusammenraffen;
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.

Ich bin sicher: Auch Goethe würde hier in diesem Wunderwäldchen täglich Erquickung suchen und finden!

Quellenverzeichnis:
Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen„, in: Johann Wolfgang Goethe. Gedichte 1800-1832. Hg. von K. Eibl, Frankfurt 1998, S. 838-839

Felix Müller: Ein Leben für die Kunst. Berliner Spaziergang. Berliner Morgenpost, Sonntag 09. Februar 2020, S. 3

https://www.morgenpost.de/berlin/article228370067/Ein-Leben-fuer-die-Kunst.html?utm_source=Facebook&utm_medium=Social&utm_campaign=share&__pwh=eFohFRpVTOmiiGMEgB13UA%3D%3D&fbclid=IwAR3-SrZVJZ3JwWTgw-kVcNKmQk2pXYd8ymLr_BIj2atm-lm_DLHVi36v-eY

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Platos Katze im Kerameikos

 Antike, Katzen, Platon, Unverhoffte Begegnung  Kommentare deaktiviert für Platos Katze im Kerameikos
Feb 032020
 
Katze im Kerameikos, dem antiken Friedhof Athens, 29.12.2019

Zu den erstaunlichsten Geschöpfen auf unserer Reise gehörte diese Katze im Kerameikos, dem antiken Friedhof Athens. In trübem winterlichem Wetter wollten wir den Weg abschreiten, der einst längs dem Friedhof der Stadt hinaus zum Hain des Akademos führte, wo Plato seine Akademie leitete.

Dieses in sattem Grün triefende Tal hatte einst der Fluss Eridanos geprägt. Hier fand diese Katze sicher alles, was zu einem gelungenen Leben im Frieden mit den Toten und den Lebenden gehörte. Sie schien mit ihrem Leben sehr zufrieden zu sein, hörte auf unser Locken und Schnalzen …

… und doch wehte der Geist Platos herüber, denn das Tier war nicht zufrieden mit der Welt der sinnlichen Erfahrung! Vergleichbar den Gefangenen in Platos Höhlengleichnis dämmerte es ihr, dass es noch etwa anderes geben musste als nur die Welt der sinnlichen Erscheinungen. Sie strebte nach Höherem!

Sie reckte und streckte sich, mühte sich ab, kletterte, strebte empor an der alten verfallenen Mauer! Es war, als wollte sie uns eine Botschaft übermitteln – „Hinauf, hinauf strebt’s, es schweben die Wolken abwärts, das Höhere neigt sich mir entgegen, mir, mir… O nehmt mich auf und achtet mich nicht zu gering, ihr höheren Wesen!“ Vergebens! Sie schaffte es nicht, diese Mauer zu erklettern.

Es war nur ein kurzer Augenblick im Kerameikos, eine Illumination, die sich mir gleichwohl unvergesslich einprägte!

 Posted by at 20:51