„Lo Stato contro la società“ – der Staat gegen die Gesellschaft. Die souveräne Allgemeinverfügung des ranghöchsten deutschen Politikers

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Jan 302022
 

Der ranghöchste deutsche Politiker im machtausübenden Tagesgeschäft, – der heißt wie? Scholz oder Steinmeier? Nun? — Er heißt weder Scholz noch Steinmeier, sondern der ranghöchste deutsche Politiker ist derzeit Bärbel Bas. Sie ist Präsidentin des Bundestages und steht protokollarisch auf Nummer zwei, also dem verfassungsrechtlichen Rang nach vor und über dem Bundeskanzler.

Am 11. Januar 2022 hat also der ranghöchste, laut Verfassung im Tagesgeschäft mächtigste deutsche Politiker kraft Allgemeinverfügung bestimmt, dass ab 12. Januar die Mitglieder des Deutschen Bundestages ihren Genesenenstatus 6 Monate behalten, während alle anderen Bürger diesen Status nur drei Monate genießen dürfen.

Eine Unterscheidung tut sich auf: Einerseits – die Politiker, andererseits – die Bürger. Zweierlei Kategorien, eingeteilt durch die überragende Machtfülle des derzeit mächtigsten aktiven Politikers der Bundesrepublik Deutschland.

Diese sich im Lauf der Coronakrise herausbildende Entgegensetzung von Staat und Bürgerschaft, von Politik und Gesellschaft, diese Konstellation fasst der italienische, in Frankreich lehrende Philosoph und Soziologe Maurizio Lazzarato in folgende Formel:

Lo stato contro la società

Er meint damit, dass der Staat sich im Zuge fortschreitender Selbstermächtigung, im Zuge der Krise, zunehmend Eingriffs- und Durchgriffsrechte gegenüber den Bürgern und der Gesellschaft herausnimmt oder besser: Stück um Stück erzwingt. Neben der Verfügung über schier unermessliche finanzielle Ressourcen – denn der Staat ist mit großem Abstand der mächtigste Akteur in unserer Volkswirtschaft -, neben dem potenziell unbegrenzten Vorrecht des Staates, Schulden zulasten künftiger Generationen aufzunehmen, schält sich seit Beginn des Pandemiegeschehens das rein biologische Dasein, die körperliche Grundverfasstheit der Bürger also, ja sogar die Unterscheidung zwischen krank und gesund als Verfügungsobjekt des Staates heraus. Aufgrund der Unterscheidung in kranke – also abzusondernde – und gesunde – also mit Bewegungsfreiheit versehene – Bürger kann der Staat – hier etwa verkörpert in der überragenden Machtfülle der alleinverfügenden Bundestagspräsidentin – entscheiden, wer sich wann wo zu welchen Bedingungen aufhalten darf.

Der Staat, oder Bärbel Bas in diesem Falle, wird also – um eine treffende Formulierung von Jean Bodin zu verwenden – zum Träger der summa in cives ac subditos legibusque soluta potestas, d.h. zum Träger der obersten Verfügungsgewalt über Bürger und Untertanen, der selbst nicht mehr an die bestehende Rechtsordnung gebunden ist, sondern schrittweise diese transformiert.

Die Krise schafft also Bedingungen, in denen der Staat seine Souveränität „einzig und allein auf die Bevölkerung ausübt“, indem er „auf massive, invasive und autoritäre Weise in das Leben der Bevölkerung interveniert und dabei beabsichtigt, jede Verhaltensweise zu regieren“ (Lazzarato). Dabei bleiben die Freiheiten der Eigentümer von Kapitalgesellschaften und Finanzpapieren weitgehend unangetastet, woraus sich erklären mag, dass die großen internationalen Kapital- und Distributionsgesellschaften in der Krise prachtvolle Gewinne eingefahren haben (Apple, Amazon, Microsoft, Facebook), während auf den Schultern der Bürger der Staaten neue Schuldenlasten aufgehäuft werden.

Nachweise:

Maurizio Lazzarato: Der Staat gegen die Gesellschaft. In: Italian Theory. Herausgegeben von Antonio Lucci, Esther Schomacher und Jan Söffner. Aus dem Italienischen von Daniel Creutz, Andreas Gipper und Federica Romanini. Merve Verlag, Leipzig 2020, S. 198-237, hier bsd. S. 236-237

Peter Cornelius Mayer-Tasch: Zum Verständnis des Werkes. In: Thomas Hobbes: Leviathan oder Wesen, Form und Gewalt des kirchlichen und bürgerlichen Staates. In der Übersetzung von Dorothee Tidow. Rowohlt Verlag, o.O., 1965, S. 289-302, hier bsd. S. 294

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Freiheit oder Sicherheit?

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Feb 282021
 

„Im Zweifel für die Freiheit“, „das Wichtigste neben dem Frieden ist die Freiheit“, diese beiden für Willy Brandt gut bezeugten Wertaussagen können möglicherweise etwas Licht in die verworrene gegenwärtige Lage werfen. Denn selbstverständlich sind andere Wertsetzungen denkbar.

Nehmen wir etwa die gegenwärtige Pandemie! Die tiefgreifenden Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürger, so etwa in das Recht der Freizügigkeit im gesamten Gebiet der EU, die Freiheit der Berufsausübung, die Freiheit der Versammlung, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit durch Bildung, Sport, Kultur werden regelmäßig mit einem anderen Schutzgut gerechtfertigt, nämlich mit dem Schutz der Allgemeinheit und des einzelnen vor einem erhöhten Ansteckungsrisiko. Covid 19 bedroht zweifellos Gesundheit und Wohlergehen der Infizierten, es bedroht möglicherweise die Sicherheit und Funktionsfähigkeit der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen dienen also einer erhöhten Sicherheit des Einzelnen und der Gesellschaft vor einer erhöhten Gemeingefahr, vergleichbar der Gefahr durch Überschwemmungen, bewaffnete Angriffe von außen, der Gefahr durch Naturkatastrophen und ähnliches mehr.

Die staatlichen Maßnahmen werden mit dem Versprechen abgegeben, die Sicherheit der Allgemeinheit vor einer Gemeingefahr zu erhöhen. Freilich ist dieses Versprechen nur relativ zu sehen, denn niemand kann ernsthaft die absolute Sicherheit vor jeder Infektion oder vor jeder schweren Erkrankung versprechen. Der Gewinn an relativer Sicherheit ist also ins Verhältnis zu setzen zu dem relativen Verlust an Freiheit. Und hier tritt nun eine Abwägung auf den Plan: Sollte man im Zweifel für weniger Freiheit oder für weniger Sicherheit eintreten? Sollte man die Bürger eher das individuelle Risiko einer Erkrankung auf sich nehmen lassen und es mehr ihrer Verantwortung überlassen, diesem Risiko ins Auge zu sehen oder ihm auszuweichen? Oder sollte der vorsorgende, behütende, schützende Staat sich selbst mehr Verantwortung zuordnen als dies bisher der Fall war?

Ich meine, dass hier unversehens eine nur teilweise bewusste, jedenfalls aber erklärungsbedürftige Entscheidung getroffen wird. Entweder im Sinne eines Willy Brandt, der die Entscheidung „im Zweifel für die Freiheit“ verlangte, oder im Sinne eines Thomas Hobbes, der dem Staat, diesem „wohlwollenden Leviathan“ die fundamentale, nicht durch individuelle Freiheitsrechte beschränkte Aufgabe des Schutzes vor Gemeingefahr zuschrieb.

Freiheit oder Sicherheit? Ein Mehr an Freiheit führt zu einem höheren Gefährdungspotenzial. Ein Mehr an Sicherheit wird wiederum um den Preis einer Einschränkung der Freiheit erkauft. Beide Pole, Freiheit wie Sicherheit, sind dabei nicht absolut zu setzen. Aber wir sollten uns darüber im klaren sein, dass jede Freiheitsbeschränkung auch zu einer größeren Abhängigkeit der freien Bürger von dem freiheitsbeschränkenden Staat führt.

Denn wenn der Staat höhere Schutzgarantien für die Sicherheit ausspricht, begibt er sich auch in die Haftung, den entsprechenden Verlust an Freiheitsräumen für die Bürger materiell auszugleichen und schlimmstenfalls bei nicht eingelöstem Sicherheitsversprechen das Wohlwollen der Bürger durch unterschiedliche Gratifikationen oder Wohltaten zu erkaufen.

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„Eine unsichtbare Gefahr bedrohte alles, woran wir glaubten“ – so strickt man Verschwörungstheorien, so schürt man Angst

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Nov 162020
 

Der hochgerühmte Propagandaspot der Bundesregierung verdient wirklich breiteste Aufmerksamkeit. Insbesondere führt die Bundesregierung den Kernsatz jedes Verschwörungsmythos an:

„Eine unsichtbare Gefahr bedrohte alles, woran wir glaubten.“

Diese diffuse Angst vor dem Virus, die durch die Bundesregierung hier kräftig befördert wird, ist das genaue Gegenteil dessen, was rationale Wissenschaft auszeichnet: Ursachenforschung, Zählen, Messen, Abwägen, das schwierige Geschäft des Rechnens, Vergleichens, das zum Handeln befähigt.

Mir scheint: Die einfache holzschnittartige Sicht des Propagandaspots der Bundesregierung bringt uns nicht weiter. Sie lähmt.

Quelle: La geniale campagna del governo tedesco contro il Covid 19 – la Repubblica

https://www.youtube.com/watch?v=krJfMyW87vU

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Où va l’État? Der kühne Zwischenruf Pierre Birnbaums

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Jun 292018
 

Paris, 22.15 Uhr, im Hotelzimmer

Gutes, kluges Gespräch mit dem französischen Soziologen Pierre Birnbaum, das da gerade jetzt im französischen Senatssender „Public Senat“ läuft! Die Sendung heißt „Livres & vous“. Nachdenken über Aufgaben und Bestimmung des Staates, das ist es, was er vehement einfordert in seinem neuen Buch „Où va l’État?“

Den Staat sieht Birnbaum als festes Institutionengefüge, das mehr als nur eine Schutz- oder Vermittlungsfunktion habe. Vielmehr schreibt er dem Staat, hier dem französischen Staat, eine hohe Würde zu. Der Staat solle und müsse sich als Hüter und Mehrer der Werte des Universalismus verstehen. Er sei in Frankreich – anders als in Spanien oder Italien – der Kulturträger par excellence. Er dürfe sich nicht in Geiselhaft einer gesellschaftlichen Gruppe begeben, wie er dies während der perversen faschistischen Zeit Frankreichs in den Jahren 1940-45 gemacht habe. Er sei aber auch nicht bloßer Überbau über dem gesellschaftlichen Gegeneinander der Interessen, der eine Art Schiedsrichterrolle spiele. Die Feindseligkeit gegenüber dem Staat, wie sie die 68-er-Bewegung manifestiert habe, sei deshalb im Grunde ebenso verkehrt wie die mythische, ja totalitäre Verschmelzung des Staates mit dem Volk, wie sie in Frankreich von 1940 bis 1945 geherrscht habe.

In Frankreich, insbesondere in der französischen Soziologie fehle es seit Durkheim fast völlig an einer deontologischen Bestimmung der Staatlichkeit! Kaum ein Soziologe habe sich ernsthaft an die Soziologie des Staates oder die Politiksoziologie herangetraut.

Äußerst reizvoll wäre es, das Nachdenken Pierre Birnbaums über die „Bestimmung des Staates“ einmal auf Deutschland zu übertragen!

Wir erleben ja derzeit, so meine ich, ebenfalls eine tiefe Krise der Staatlichkeit in Deutschland. Die Bundesrepublik Deutschland läuft – dies meine These – tatsächlich Gefahr, in Geiselhaft von platitüdenschwingenden Funktionseliten zu geraten – und damit meine ich nicht die Populisten, sondern ein ziemlich bräsiges, ziemlich selbstzufriedenes, sattes Geflecht an Massenmedien, Politikern, Fußballfunktionären, Wirtschaftsführern, die beharrlich der Frage ausweichen: „Was soll der Staat?“ Oder, um es mit Karl Jaspers zu sagen: „Wohin treibt die Bundesrepublik?“

www.seuil.com/ouvrage/ou-va-l-etat-pierre-birnbaum/9782021377576
https://www.publicsenat.fr/emission/livres-vous/ou-va-l-etat-avec-pierre-birnbaum-et-etat-des-lieux-avec-claire-chazal-84480

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Nov 012017
 

Es ist höchst bedauerlich, dass in den heutigen Koalitionsverhandlungen der Grundgedanke der Freiheit eine so verschwindende Rolle spielt! Stattdessen sehen wir allenthalben – vielleicht mit Ausnahme der wenigen freiheitlich gesonnenen Politiker, die in Deutschland noch verblieben sind – eine überbordende Anspruchsphantasie, die der Staat bei seinen Bürgern entfacht.

Jede Partei schreibt den Wunschzettel für ihre Zöglinge aus und versucht dann, ein Maximum vom Kuchen herauszuholen. Die inhaltliche Auseinandersetzung wird von den Parteien verweigert. Der fette, der üppige Staat teilt Geld in Hülle und Fülle für seine Zwecke aus, was immer er geben kann. Der Staat verwöhnt seine Kinder, er sorgt für alle, er weiß es besser! Bis weit in die Zukunft hinein schafft der Staat Bindungen und Verbindlichkeiten für die künftigen Generationen. Das Mittel dazu: die Planwirtschaft, mit der etwa die Volkswirtschaft oder mindestens doch die Energiewirtschaft umgekrempelt wird; unausgegorene Großprojekte wie etwa die bedingungslose Öffnung der Grenzen und die Aufnahme der jungen, männlichen, voll mobilen Mittelschichten aus anderen Staaten in unser Sozialsystem ersetzen die saure Arbeit am Detail, verdrängen die echte Hilfe für die Bedürftigsten dieser Welt. Kühne Gesellschaftsverbesserungswünsche, hochfliegende Klima- und Weltrettungs-Wünsche treten an die Stelle rationaler Erwägungen. Das alles wird der Gesellschaft von den Politikern, diesen „Wesen höherer Art“, ins Pflichtenheft hineingeschrieben.

Um wieviel anders dachte doch ein Friedrich Schiller! Der Marquis Posa entwirft im Don Carlos gegenüber dem dynastischen, dem zentralistischen Unterwerfungsstaat das Ideal der bürgerlichen, der selbstregierten Gesellschaft, in der die Bürger, nicht die staatliche Politik das Schicksal in eigene Hände nehmen. Unter unterem unterstützt der Marquis Posa aus genau diesem Grund das Sezessionsrecht der Regionen – in diesem Fall das Recht auf den „Abfall der Niederlande“, also die Sezession der spanisch-habsburgischen Niederlande von der Krone. Geburt des modernen Verfassungsstaates, Vorbild des europäischen Subsidiaritätsdenkens!

Gegenüber dem bevormundenden, ideologiebewaffneten Fürstenstaat eines Königs Philip II. vertritt der Marquis im 10. Aufzug des dritten Aktes die Meinung,

Daß Menschen nur – nicht Wesen höhrer Art –
Die Weltgeschichte schreiben! – Sanftere
Jahrhunderte verdrängen Philipps Zeiten;
Die bringen mildre Weisheit; Bürgerglück
Wird dann versöhnt mit Fürstengröße wandeln,
Der karge Staat mit seinen Kindern geizen,
Und die Nothwendigkeit wird menschlich sein.

Der karge, der geizige Staat – das kann doch nur heißen, dass der Staat sich nicht besinnungslos in unbedachte Transformationsabenteuer stürzt, dass er schonend mit seinen Ressourcen umgeht. Der karge Staat kennt seine Grenzen und überlässt die wesentliche Arbeit der Existenzsicherung seinen Bürgern.

Nur so kann Freiheit gedeihen, nur so gelingt der Zusammenhalt einer wahrhaft freien Gesellschaft. Die Niederlande haben es im 16. Jahrhundert vorgemacht. Es gibt sie heute noch. Das Habsburgerreich dagegen ist untergegangen.

Leseempfehlung:

Friedrich Schiller: Don Carlos. Infant von Spanien. Dritter Akt, zehnter Auftritt. In: Friedrich Schiller, Sämtliche Werke. Auf Grund der Originaldrucke herausgegeben von Gerhard Fricke und Herbert G. Göpfert. Zweiter Band. Dramen II [=Lizenzausgabe des Hanser Verlags], Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1981, S. 118-131, hier besonders S. 124

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Der demokratische Verfassungsstaat als vorläufig letzte Vollendungsform des europäischen Freiheitsdenkens

 Europäische Union, Homer, Leitkulturen, Platon, Staatlichkeit, Verfassungsrecht, Was ist europäisch?  Kommentare deaktiviert für Der demokratische Verfassungsstaat als vorläufig letzte Vollendungsform des europäischen Freiheitsdenkens
Mai 172017
 

Athen, Jerusalem, Rom – das sind die drei symbolisch hochaufgeladenen Städte  und hochaufladenden Stätten, ohne die Europa, so wie wir es heute verstehen, nicht denkbar wäre. Athen verstanden hier – ganz im Gegensatz zu den östlichen, den asiatischen Herrschaftskulturen – als Brennpunkt griechischer Selbstbestimmung in einer Gemeinschaft ohne König, in einer enthusiastisch erregten Freiheitskultur, ohne theologische Letztbegründung irdischer Herrschaft; Geburtsstätte des herrschaftsfreien Redens über Letztes und Vorletztes, Wirkungsort des Areopags, des Sokrates, des Platon, des Aristoteles. In Griechenland sehen wir den Ursprung der Demokratie.

Jerusalem tritt hinzu als wichtigste Pflanzstätte des Eingottglaubens, Zielort und Quellort der drei großen Ein-Gott-Religionen, die als einzige Religionen der Antike bis in unsere Tage hinein wirkmächtig geblieben sind, die das gesamte Antlitz aller europäischen Länder nachhaltig in die Tiefe hinein umgeprägt haben. Ausnahmslos alle europäischen Länder sind mindestens seit 1000 Jahren und über mindestens 10 Jahrhunderte hinweg grundlegend durch das Judentum, das Christentum, den Islam umgewälzt und umgestaltet worden.

Erst in Rom schließlich fand der Gedanke der Staatlichkeit, der in dauerhaft ausgestalteten Institutionen ausgeübten, territorial verankerten Herrschaft eine weithin ausstrahlende Kraft. Den griechischen Stadtstaaten war dieser Gedanke einer personenunabhängigen, durch dauerhafte, kodifizierte Rechtsnormen eingehegten Staatsmacht noch fremd.

Alle staatlichen Gebilde, alle europäischen Kulturen beziehen sich seither mehr oder minder ausgesprochen auf Athen, Jerusalem, Rom.

Athen, Jerusalem, Rom! Alle unsere heutigen europäischen Nationalkulturen, alle unsere modernen Verfassungsstaaaten sind Übersetzungs- und Nachfolgekulturen dieser antiken Grundprägungen, dieser wenigen, klar benennbaren Grundmerkmale der europäischen, tief in der europäischen Geschichte verankerten Leitgestalten. Das eint sehr unterschiedliche Länder, alle 49 Staaten Europas wie etwa Ukraine und Belgien, Portugal, Russland und Dänemark, Bulgarien und Schottland, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Frankreich.

Die Länder des riesigen Länderbogens vom Maghreb bis nach Indonesien und Pakistan begreifen sich hingegen nicht als durch Athen, Jerusalem und Rom geprägt. Länder wie Marokko, Irak, Iran, Pakistan, Usbekistan, Pakistan sind in diesem kulturellen Sinne keine europäischen Länder; jedoch die Staaten Nordamerikas etwa, also Mexiko, die USA, Kanada  sind typologisch gesehen durchaus „europäische“ Länder.

Vgl. zu diesen Themen auch den lesenswerten, weiterführenden Aufsatz von Jens Halfwassen in der FAZ vom heutigen 17. Mai 2017! Er schreibt unter der Fragestellung „Was ist Nationalkultur?“

„Unter der europäischen Kultur verstehe ich nicht das sogenannte christliche Abendland, sondern den Gesamtzusammenhang der europäischen Kulturentwicklung seit den homerischen Epen, also die dreitausend Jahre europäischer Kultur, die wir aufgrund der erhaltenen Texte dieser Kultur überblicken können.“

Nationalkulturen oder gar die berühmten oder rätselhaften „Leitkulturen“ begreift er als unterschiedliche Ausprägungen desselben Grundtyps von kulturell getragener Staatlichkeit, der nach allem, was wir heute wissen, seit dem Scheitern der athenischen Demokratie vor 22 Jahrhunderten im demokratischen Verfassungsstaat seine vorerst letzte Ausgestaltung gefunden habe.

Er, der demokratische Verfassungsstaat, existiere in der europäischen Geschichte nur als Nationalstaat, nicht als kontinentales Reich oder gar globales Imperium.

Die Frage, ob die 49 europäischen Nationalstaaten, die sich als moderne Verfassungsstaaten begreifen, auf ein Jenseits des Verfassungsstaates zugehen sollen, also etwa Teile ihrer Souveränität an Staatenverbünde, etwa die EU, oder Verbände wie etwa Vertragsgemeinschaften abtreten sollten, wirft Halfwassen nicht auf.

Mit guten Gründen erklärt er die demokratischen Verfassungsstaaten zu der derzeit erkennbaren stabilen politischen Gestalt der Freiheit schlechthin.

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Aug 292016
 

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Nehmen wir drei Begriffe, drei Grundgestimmtheiten: Glaube, Hoffnung, Liebe.

Welche ist die größte unter den dreien? Paulus von Tarsus antwortet darauf in seinem ersten Brief an die Korinther: die Liebe. Die letzte der drei Grundgestimmtheiten ist also die größte. Sie ist der Grund-Tonus.

Oder nehmen wir Einigkeit, Recht, Freiheit.

Einigkeit, Recht, Freiheit. Welcher Ton ist dann der Grundton? Was würde Heinrich Hoffmann von Fallersleben darauf geantwortet haben?

Die Frage ist müßig. Denn der Dichter des „Liedes der Deutschen“ hat in dem „Lied von der Freiheit“ seine Antwort darauf selbst gegeben:

[…]

Die Welt mit ihren Freuden
Ist ohne Freiheit nichts.
Die Freiheit ist die Quelle
Der Tugend und des Lichts.

Es kann, was lebt und webet,
In Freiheit nur gedeihn.
Das Ebenbild des Schöpfers
Kann nur der Freie sein.

[…]

Alles spricht und klingt in meinen Ohren dafür, dass im Lied der Deutschen die Freiheit der Grundton ist, dass sie der höchste Wert ist, ohne den die beiden anderen keinen Bestand haben.

Staatliche Einheit konnte für Hoffmann nur Ausdruck eines gemeinsamen Wollens sein; sie war ihm nicht Selbstzweck, keine „immer engere Union aller Deutschen“ als Endstufe schwebt ihm vor. Er wollte nichts anderes als eine staatliche Ordnung, die jedem einzelnen Menschen wirkliche Freiheit ermöglichen sollte.

Recht ohne Freiheit ist ihm nicht lebenswert; Einheit ohne Freiheit der Zustimmung und Ablehnung, d.h. ohne Einigkeit, ist ihm ein großes Übel!

So mag das heute unter veränderten Vorzeichen auch für die EU gelten: Die immer engere Einheit, „the ever closer Union“, wie es im Lissaboner Vertrag heißt, darf und soll kein Selbstzweck sein. Europäische Einheit ohne Freiheit der Europäer zum Ja und zum Nein, europäische Union ohne europäische Einigkeit zerstört sich selbst. Dies hat Margret Thatcher bereits am 20. September 1988 in Brügge unvergleichlich klar erkannt, als sie mit Bezug auf die damalige Europäische Gemeinschaft sagte:

Britain does not dream of some cosy, isolated existence on the fringes of the European Community. Our destiny is in Europe, as part of the Community. That is not to say that our future lies only in Europe, but nor does that of France or Spain or, indeed, of any other member. The Community is not an end in itself. Nor is it an institutional device to be constantly modified according to the dictates of some abstract intellectual concept.

Geniale, prophetische Sätze von 1988, die man heute beherzigen sollte!

Zurück zu Hoffmann von Fallersleben, dessen erste Handschrift des Liedes der Deutschen vom 26. August 1841 wir am vergangenen Freitag in der Staatsbibliothek an der Potsdamer Straße bestaunen konnten! Seine Forderungen nach Freiheit, Recht und Einigkeit gingen der preußischen Obrigkeit zu weit. Im Januar 1843 wurde er als ordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Breslau ohne Anspruch auf Ruhestandsbezüge entlassen. Ein Schlag ins Kontor! Seine wertvolle Privatbibliothek verkauft 1850 Hoffmann aus finanzieller Not heraus an die Königliche Bibliothek in Berlin, wo sie heute zu den Juwelen des „Preußischen Kulturbesitzes“ gehört und stolz dargeboten wird.

Hoffmann rechnete da mit dieser Möglichkeit, Freiheit in einem rechtlich gesicherten Rahmen zu erleben, freilich nicht mehr. Am 9. Oktober 1849 schrieb er sein „Auswanderungslied“, eine schonungslose, zutiefst resignierte Abrechnung mit den deutschen Zuständen.

[…]

Deutsche Freiheit lebet nur im Liede,
Deutsches Recht es ist ein Märchen nur.
Deutschlands Wohlfahrt ist ein langer Friede –
Voll von lauter Willkür und Zensur.

Darum ziehn wir aus dem Vaterlande,
Kehren nun und nimmermehr zurück,
suchen Freiheit uns am fremden Strande –
Freiheit ist nur Leben, ist nur Glück.

Bild:

Die originale Handschrift des „Liedes der Deutschen“, photographiert am vergangenen Freitag in der Staatsbibliothek zu Berlin

Hierzu:
Das Lied der Deutschen. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Berliner Faksimile 11. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz 2016 (Beiheft zur Ausstellung am 26./27.08.2016)

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben:
Das Lied der Deutschen. Helgoland, 26. August 1841
Das Lied von der Freiheit
Auswanderungslied. 9. Oktober 1846

in: Deutsche Gedichte, hg. von H.-J. Simm, 3. Aufl., Frankfurt 2013, S. 723-725

Die Rede Margaret Thatchers vom 20. September 1988:

http://www.margaretthatcher.org/document/107332

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Jun 012016
 

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Droht der EU eine „Verschweizerung“ oder schlimmer noch ein „Rückfall in nationalstaatliches Denken„? Immer wieder werden in Deutschland raunende Warnungen vor der „Schweizer Kleinstaaterei“ oder gar dem „Rückfall in die Krankheit des Nationalstaatsgedankens“ laut. Was ist dran?

Bei wiederholten Gesprächen mit Staatsbürgern der Schweiz – der ich seit Jahrzehnten durch Verwandtschaft und Freundschaft verbunden bin – gelingt es uns immer wieder, die echte Vorbildrolle der Eidgenossenschaft für die Europäische Union und nebenbei auch das Bundesland Berlin herauszuarbeiten. Warum? Hierfür seien am heutigen 1. Juni 2016 ein paar  wichtige Gründe grob zusammengefasst:

  1. Die Schweiz beruht auf dem Bundes-, auf dem Konföderationsgedanken, nicht auf dem zentralistischen Unionsgedanken. Aus dem ersten Schutz- und Trutzbündnis, dem gegen die Übergriffe der zentralen Reichsgewalt gerichteten „Ewigen Bund“ von 1291 wuchs nach zahllosen Wechselfällen im Laufe von etwa 6 Jahrhunderten über das Bündnis der kleinstaatlichen Kantone ein echter Bundesstaat  heran. Der Endpunkt dieser Entwicklung, die bundesstaatliche Verfassung vom 12.09.1848, hat in den Grundzügen heute noch Geltung. Die Schweiz ist damit der älteste und bei weitem erfolgreichste demokratische Nationalstaat und Verfassungsstaat Europas; kein einziges Mitglied der EU kann auch nur annähernd auf eine derart lange ununterbrochen demokratische Verfassung zurückblicken. Vorbildlich!
  2. Die seit 1848 ohne Unterbrechung bundesstaatlich verfasste Schweiz ist im Gegensatz zu Staaten wie Frankreich, Russland, Italien, Deutschland und… und… und… nie der Versuchung der Diktatur und des Terrors, des Kommunismus, des Bolschewismus, des Faschismus und des Nationalsozialismus erlegen. Sie hat keinen blutigen Staatsstreich erlebt, der Schweizer Nationalstaat hat  keine Terrorherrschaft aus dem Inneren heraus erlitten. Die Schweizer Nation hat keine blutige Kolonialherrschaft in Afrika errichtet. Der Schweizer Nationalstaat hat niemals derartig großangelegte Staatsverbrechen begangen wie sie die kleinen und großen Territorial- und Reichsstaaten der heutigen EU, aber auch die Sowjetunion auf dem historischen Konto stehen haben. Der Nationalstaat Schweiz hat keinen Nachbarn überfallen, keinen Angriffskrieg geführt, keine KZ betrieben, keinen Genozid begangen. Das hätte ab 1848  vorbildlich wirken können, aber die europäischen Großmächte wollten es in all ihrem Herrschaftsbestreben anders haben.
  3. „Das Bündnis der Eidgenossen hat uns bisher gut getan, also wollen wir es auch fortführen!“ So könnte man das Motto der Schweizer Geschichte seit 1291 wiedergeben.  Im Gegensatz zur Schweiz, die gleichsam organisch gewachsen ist, verdankt sich die EU einer voluntaristischen Setzung. „Jamais plus – Nie wieder…!“ steht gewissermaßen in den Gründungsurkunden der EU. Die Schweizer Kantone dagegen hatten 6 Jahrhunderte Zeit, sich aneinander zu gewöhnen und sorgfältig zu prüfen, ob man wirklich einen Bundesstaat bilden wollte, wie es dann 1848 geschah. Jeder Kanton hätte auch ausscheiden können. Jeder Kanton durfte und darf auch weiterhin seine Eigenart, also insbesondere die Landessprachen, die Sitten und Gebräuche beibehalten. No EU-Globalesisch oder Förderantrags-Chinesisch! Vorbildlich!
  4. Starke plebiszitäre Elemente der Schweizer Staatsverfassung sichern die Zustimmung der Bürger zu den Kantonen, der Kantone zum Bund. Demokratie nach Schweizer Vorbild ist beileibe kein Ponyhof und kein Kindergeburtstag, wo die Politik Wohltaten auf ihre eifrig angefütterten Klientelgruppen herabregnen lässt; Demokratie nach Schweizer Vorbild ist mühsam, ist ein ständiges Operieren im Krisenmodus; unbequeme, teure und umstrittene Entscheidungen werden oftmals dem Volk zur Abstimmung vorgelegt, sodass nachher sich niemand herausreden kann: „Das haben wir nicht gewollt, das haben wir nicht gewusst!“ Und es funktioniert im Großen und Ganzen hervorragend! Die Schweizer sind aufgeklärte Zeitgenossen, das Schweizer Volk verfügt über eine sehr gute Bildung, die Schweizer setzen ihren Wohlstand bedachtsam ein und mehren ihn mit Augenmaß. Vorbildlich für die EU!
  5. Der heute gefeierte Gotthard-Basistunnel ist als Teil der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) ein sinnfälliger Beleg für die Vorbildlichkeit des Schweizer Verfassungsstaates. In einem langwierigen Konsultationsprozess der staatlichen Organe, der durch zwei große Volksabstimmungen 1992 und 1998 abgesichert und bestätigt wurde, hat die Schweiz das bedeutendste europäische Verkehrs-Infrastrukturprojekt vorfristig mit nur geringer Budgetüberschreitung geschafft und geschaffen. Kein einziges EU-Verkehrsprojekt kann sich auch nur annähernd mit dieser Schweizer Großtat messen. Allenfalls der völlig verkorkste Berliner Flughafen BER (keine EU-Großtat, eher eine deutsche bzw. typisch Berliner Großtat!) lässt sich als negatives Gegenbild des Scheiterns an die Seite des Gotthard-Basistunnels stellen. Pepsch Gottscheber unterstreicht heute mit spitzer Zeichenfeder auf Seite 4 der Süddeutschen Zeitung den Kontrast recht hübsch. Der Berliner sagt stolz: „Wir haben die längste Bauzeit der Welt!“ Der Schweizer erwidert selbstbewusst: „Wir haben jetzt den längsten Tunnel der Welt!“
  6. Danke, Schweiz. Dir gelingt etwas Großes! Du bist ein echtes Vorbild für das Bundesland Berlin und die EU. Bleibe es weiterhin.

Bild:
15. Mai 2016: Weit schweift der Blick vom lombardischen Passo San Marco (1985 m über NN) hinüber nach Nordwesten, über das Veltlin hinweg, wo die Rätischen Alpen mit dem Piz Bernina, dem Maloja, dem Stilfser Joch ihr schneebekröntes Haupt erheben. Da im Nordwesten, da liegt schon die Schweiz! Grenzüberschreitende Aufnahme des Verfassers vom EU-Gebiet aus.

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Der Mensch stehe höher als der Staat!

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Dez 102015
 

„Ewig soll der Mensch, dessen Kräfte der Staat nicht alle binden darf, höher stehen als der Staat; es ist also das schlimmste Zeichen, wenn man den Staat immer höher stellt als den Menschen.“

So schrieb es Ernst Moritz Arndt (1769-1860) in seinem Buch „Germanien und Europa“. Arndt band also den Staat an ein höheres Prinzip, den absoluten Eigenwert des Menschen. Nur ein demokratischer Volksstaat, nicht der Fürstenstaat seiner Zeit, konnte seinen Forderungen genügen. „Einen solchen Staat hat es noch nicht gegeben“, schreibt er an derselben Stelle.

Eine gemeinsame Sprache – in diesem Fall das Deutsche – musste Männern wie Arndt oder den Gebrüdern Grimm als unerlässliche Voraussetzung eines solchen Volksstaates erscheinen. Wie konnte sich in der Demokratie eine Gemeinsamkeit des Wollens bilden, wenn die Bürger einander nicht verstanden?

So ward Arndt ab 1802 etwa zum erbitterten Gegner Napoleons, als dieser die Völker in ganz Europa mit dem Schwert unter der französischen Fuchtel zu knechten versuchte.

Das mutige Eintreten Arndts für den noch nicht existierenden freien Staat freier Bürger kostete ihn sein Amt als Professor; der restaurativen Fürstenherrschaft war es ein Dorn im Auge, dass solch ein Freiheitsanwalt eine Professur für Geschichte in Bonn bekleidete.

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Nov 122015
 

Πᾶσα ψυχὴ ἐξουσίαις ὑπερεχούσαις ὑποτασσέσθω. „Jede Seele soll sich den herrschenden Institutionen einordnen“, so (in eigener Übersetzung) der bekannte Briefeschreiber Paulus von Tarsos im Römerbrief, Kapitel 13. Eine unendlich oft – auch von Luther selbst – kommentierte Stelle! Für die Entstehung der lutherischen Kirchen ab 1517 und vor allem für das Verhältnis zwischen irdischen Gewalten und Christengemeinden bereits ab dem ersten Jahrhundert nach Christus von überragender Bedeutung.

Das gilt auch heute noch, wie ein Blick die WELT vom heutigen Tage lehrt (S.6)!

Humanität und Menschenwürde kennen keine Grenzen„, so Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Nun? Was folgt daraus? Hat denn irgendjemand behauptet, dass Humanität und Menschenwürde nur in Deutschland zu finden seien, und außerhalb Deutschlands (also z.B. in Luxemburg) keine Humanität und Menschenwürde zu leben seien?

„Wir brauchen keine Grenzen“, „No borders!“, „keine Nationalstaaten mehr!“, „wir brauchen mehr Europa“, „wir brauchen mehr WELT, wir leben in EINER Welt, weg mit den Grenzen, weg mit dem Staatsrecht, weg mit dem Rechtsstaat, weg mit den Institutionen!“

Fast schon verzweifelt lehnen sich noch vereinzelte Stimmen wie etwa der ehemalige deutsche Verfassungsrichter Udo di Fabio, der ehemalige Verfassungsrichter Roman Herzog gegen die Begeisterung für grenzenlose Barmherzigkeit, gegen die kühne, handstreichartige Außerkraftsetzung des institutionell verankerten Rechtsrahmens auf.

„Der Nationalstaat liegt als Projekt hinter uns! Wir brauchen mehr Europa!“

„Das neue Deutschland nach 1949 und 1989 hat seine großen Erfolge in der Wirtschaft-, Sozial- und Außenpolitik nicht als klassischer Nationalstaat, sondern als ein demokratisches, weltoffenes und in Europa integriertes Land erzielt.“

So zuletzt – nur als ein Beispiel von vielen – Heiner Geißler von der CDU. Nun, dem vermag ich in aller Bescheidenheit nicht so schnell zu folgen.

Ich selbst meine, dass der auf Recht gestützte Staat, also der „klassische Verfassungsstaat“ noch nicht ganz ausgedient hat. Der klassische Verfassungsstaat (etwa Frankreich, Deutschland, Polen, Ungarn…) hätte erst dann ausgedient, wenn die Souveräne dieser Staaten, also die Völker, sich dazu verständigt hätten, sich als „postklassischer übernationaler Verfassungsstaat“ zusammenzuschließen. Und das haben sie noch nicht getan. Einige Völker der EU, z.B. die Franzosen, haben dies sogar ausdrücklich per Volksabstimmung abgelehnt.

Ich bekenne mich als ein Anhänger des klassischen parlamentarischen Verfassungsstaates mit seiner klassischen Gewaltenteilung; ich bin ein (übrigens auch durch öffentlichen Eid) eingeschworener Anhänger der derzeit bestehenden Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland.

Selbstverständlich bin ich für die Einhaltung aller internationalen Verpflichtungen, die Deutschland eingegangen ist.

Selbstverständlich soll man Menschen vor Not, Elend und Hunger bewahren; aber eine komplette – auch nur vorübergehende – Außerkraftsetzung des geltenden Rechts wäre das berühmt-berüchtigte „Paradies auf Erden“. Ein Schritt ins Verderben.

Die Genfer Flüchtlingskonvention, das Völkerrecht, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, die vertraglichen Verpflichtungen aus den EU-Verträgen, der methodische und rechtliche Vorrang des Bundestages vor der Bundesregierung, das sind die Grenzen, an denen wir nicht rütteln sollten, an denen aber derzeit tatsächlich heftig gerüttelt wird.

Wir brauchen nicht einmal Paulus Rö 13, um an die Einhaltung der geltenden Rechtsordnung zu erinnern.

Nachweise:
Antieuropäische Ressentiments: Nationales Gedankengut wird hoffähig | Geißlers Nachschlag – Berliner Kurier – Lesen Sie mehr auf:
http://www.berliner-kurier.de/geisslers-nachschlag/antieuropaeische-ressentiments-nationales-gedankengut-wird-hoffaehig,11561998,25797542.html#plx1435918713

http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article148748357/Fluechtlingskrise-reisst-eine-Wunde-in-deutsches-Recht.html

Bild:
Ein Blick in Dantes Inferno, vom Rande des Europa-Rechts her gesehen. In: Ausstellungskatalog:
Der Botticelli-Coup. Schätze der Sammlung Hamilton im Kupferstichkabinett. Kupferstichkabinett. Ausstellung. Staatliche Museen zu Berlin, Kulturforum, Matthäikirchplatz, 16.10.2015 bis 24.01.2016, Di-Fr 10-18 Uhr, Sa-So 11-18 Uhr

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Müssen die Staaten eigentlich die Souveränität der anderen Staaten achten?

 Philosophie, Staatlichkeit, Vertreibungen  Kommentare deaktiviert für Müssen die Staaten eigentlich die Souveränität der anderen Staaten achten?
Nov 102015
 

Souveränität nach außen, Legitimität nach innen, Territorialität des Anspruchs auf das Gewaltmonopol – diese drei Kennzeichen glaubten wir vor einigen Tagen im Anschluss an Hobbes, Machiavelli und Pufendorf als unabdingbar für moderne Staaten feststellen zu können. Innerhalb ihres Territoriums behaupten Staaten das Gewaltmonopol, sie verlangen von allen Menschen auf diesem Territorium die Anerkennung der Legitimität dieses Anspruchs, und sie setzen diesen Anspruch nach außen durch.

Grundsätzlich müssen die Staaten diese drei Ansprüche auch bei allen anderen Staaten anerkennen, wollen sie nicht die Bedingungen der Möglichkeit des eigenen Daseinsanspruchs in Frage stellen. Von hierher ergibt sich völkerrechtlich zwingend das für Staaten geltende Verbot, gezielt auf den gewaltsamen Umsturz der Machtverhältnisse in anderen Staaten („regime change“) hinzuarbeiten. Dieses Verbot haben die großen auswärtigen Mächte im Nahen und Mittleren Osten in den vergangenen Jahrzehnten vielfach verletzt.

Insbesondere die vier großen Siegermächte des 2. Weltkrieges (USA, UK, F, UDSSR/RU) sowie auch die regionalen Mittelmächte des Nahen und Mittleren Ostens haben in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt mit Waffengewalt in die inneren Verhältnisse verschiedener Staaten im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika eingegriffen. Die großen Machtkonstellationen vom Ende des 2. Weltkrieges sind paradoxerweise immer noch da. Sie haben das Ende des Kalten Kriegs überdauert. Die vier genannten Mächte waren es vor allem, die ohne hinreichende Legitimation ihr Militär mehrfach für den Sturz unliebsamer Unrechtsregime eingesetzt haben.

Eine nicht enden wollende Serie von Stellvertreterkriegen ist die Folge dieser fortgesetzten Verletzungen des Völkerrechtes durch die militärisch starken Staaten dieser Welt – zu denen, nebenbei bemerkt, auch zwei EU-Mitgliedsstaaten gehören. Flucht und Vertreibung sind zu großen Teilen die Folgen der Intervention ausländischer Staaten in Ländern wie Irak, Libyen, Afghanistan und Syrien und der gezielten Destabilisierung der Machtverhältnisse.

Sinnvoll wäre es, das Nichteingriffsrecht ausländischer Staaten in die inneren Verhältnisse anderer Staaten durch wirksame Bündnisse durchzusetzen.

Und die berüchtigten Unrechts-Regime? Darf man die denn einfach so an der Macht lassen? Hier meine ich: In der Tat, es gibt grundsätzlich keine Berechtigung für Staaten, in anderen Staaten die tatsächlichen oder vermeintlichen Unrechtsregime durch Waffengewalt zu beseitigen oder zu ersetzen. Staaten handeln insoweit „verantwortungslos“ oder „gewissenlos“ gegenüber den Angehörigen der anderen Staaten.

Sehr wohl aber haben Menschen und Staaten das Recht, sich für das Wohlergehen der Bürger in anderen Staaten zu verwenden, etwa durch gute Worte, durch Spenden, durch praktische Hilfe, durch diplomatischen Druck, durch Meinungsäußerungen, durch Handelshemmnisse, durch Waffenembargos, durch Flugverbote, – die Liste der zulässigen Maßnahmen ist lang; selbst Gebete (sofern man dran glaubt) sind ratsam, wenn sonst gar nichts mehr hilft.

Im Anschluss an Salomo könnte man beten: Herr, schenke ihnen (gemeint sind: den ungerechten Machthabern der anderen Staaten) ein hörendes Herz.

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„Was will das Volk?“ Pelasgos‘ Einsicht in das Wesen der Demokratie

 Antike, Flüchtlinge, Griechisches, Migration, Parlament, Samariter, Staatlichkeit  Kommentare deaktiviert für „Was will das Volk?“ Pelasgos‘ Einsicht in das Wesen der Demokratie
Okt 222015
 

ὑμῖν δ᾽ ἂν εἴη δῆμος εὐμενέστερος
τοῖς ἥσσοσιν γὰρ πᾶς τις εὐνοίας φέρει.

„Euch mög das Volk nun zugeneigter sein
Den Schwächren will doch jeder wohl.“
(Hiketides, Vers 488-489, eigene Übersetzung des Vf.)

Ein bis heute ergreifendes Zeugnis echter Humanität und echter Barmherzigkeit bietet der mythische König von Argos, Pelasgos, in Aischylos‘ Tragödie „Flehende“ (Hiketides). „König“ Pelasgos? Nun, Herrscher war Pelasgos zweifellos. Herrscher? Nicht wirklich! Ehe er die schutzlosen 50 jungen Frauen vor den bewaffnet heranstürmenden jungen Männern rettet und ihnen Asyl gewährt, befragt er das Volk (δῆμος). Er ruft eine Volksversammlung ein und lässt per offenem Handzeichen darüber abstimmen, ob die 50 Töchter des Danaos unter den Schutz der heimischen Götter gestellt werden sollen. Und er gewinnt den Volksentscheid triumphal!

Kurz und gut: Pelasgos entscheidet nicht im Alleingang. Er lässt sich nicht erweichen und erpressen, etwa durch den bühnenwirksam angedrohten Suizid der 50 Jungfrauen, obwohl tatsächlich Gefahr im Verzuge ist. Stattdessen fragt er: Was will das Volk?

Ja was ist denn das für ein König, der sein Volk befragt, ehe er die Landesgrenzen öffnet? Ist das dargestellte Geschehen glaubwürdig? Antwort: Aischylos blendet die politische Realität seiner Zeit mit in den mythischen Stoff ein. Ihm ging es nicht darum, nur eine spannende Sage dramatisch auf die Bühne zu bringen, nein, er inszenierte ganz bewusst eine politisch-moralische Streitfrage der Gegenwart in mythischer Einhüllung.

Und die Gegenwart, das war nun einmal die damals (ca. 470-460 v. Chr.) noch junge, noch ungefestigte Demokratie. Athen war zweifellos seit den Reformen des Kleisthenes (509 v. Chr.) im echten Sinne, auch in unserem Sinne eine Demokratie, wahrscheinlich die erste in Europa überhaupt; Entscheidungen über Krieg und Frieden, über Aufnahme oder Abweisung fremder Volksgruppen, über Steuerfragen durften seitdem nicht mehr durch einen obersten Herrscher alleine getroffen werden. Träger der Souveränität, ja der Souverän selbst, war nunmehr das Volk (Demos), das durch Wahl und durch Los Körperschaften zu seiner Vertretung schuf (den „Rat der 500“, die 9 „Archonten“, das „Volksgericht“), aber zugleich noch durch Volksabstimmungen starke Züge der „direkten“, nicht-repräsentativen Demokratie beibehielt.

Die Athener Bürger hatten also bei allen wesentlichen Entscheidungen Mitspracherechte. Gegen und ohne das Volk lief nichts. Es gab keinen Platz für einsame Entscheidungen eines Königs oder einer Großherrscherin mehr.

Was lernen wir für die Bundesrepublik Deutschland daraus? Nun, wir sind auch eine Demokratie. Wir haben heute kaum mehr die direkte, sehr wohl aber die repräsentative Demokratie. Und das bedeutet, das Volk, der Souverän, wird durch gewählte Abgeordnete in Parlamenten vertreten. Träger der staatlichen Souveränität und der Daseinsvorsorge sind zunächst einmal bei uns im Alltag die 16 Bundesländer. Sie sind gefragt, wenn es um die Unterbringung der aus allen Richtungen regellos Zuwandernden geht. Der Bund hat keine Berechtigung, den Bundesländern Aufgaben der Daseinsvorsorge ohne deren Zustimmung zuzuweisen, insbesondere ohne ihnen die nötigen Sach- und Finanzmittel zur Verfügung zu stellen (vgl. Artt. 28 und 30 GG).

Die 16 Landesparlamente und der Bundesrat sollten also – so meine Meinung – auch jetzt Herren des Verfahrens werden. Die 16 Landesparlamente müssen bei so weitreichenden Entscheidungen wie der nunmehr faktisch verkündeten völligen Öffnung der deutschen Grenzen für ausnahmslos alle Zuwandernden vorher gefragt und vorher einbezogen werden. Auch der Bundestag sollte vor allen vorschnellen Entscheidungen intensiv gefragt und einbezogen werden. Die 16 Länderkammern, der Bundesrat und auch der Bundestag müssen nun entscheiden, wohin die Reise geht. Sie – die 16 Länderparlamente, der Bundesrat, der Bundestag müssen das Heft des Entscheidens in die Hand nehmen. Von ihrem Willen hängen die Regierungen der 16 Bundesländer ab. Ein bundesweiter Volksentscheid ist dann unnötig, zumal er sowieso rechtlich nicht zulässig ist.

Denn staatliches Handeln muss auch in Krisenzeiten weiterhin an Recht und Gesetz gebunden bleiben.

Durch intensive gemeinsame Entscheidungsfindung, durch offenes Ringen und Austauschen der Argumente in Rede und Gegenrede wird die repräsentative Demokratie der Bundesrepublik Deutschland ihre Stärke und ihre Humanität beweisen!

Es ist möglich, so glaube ich, eine Lösung der Zuwanderungsfragen und der Flüchtlingskrise zu finden, wenn zu dem humanitären Impuls der sittlich gebotenen Nothilfe für Schwache, Kranke, für schutzlose Frauen, Kinder, Arme und Notleidende eine rechtlich gebotene Besinnung auf das Wesen und die Eigenart der parlamentarischen Demokratie hinzutritt.

Und Wesen der Demokratie ist es nun einmal, dass das Volk Träger der Souveränität ist.

Ich meine: Schwache, Arme, Kranke, Kinder, Witwen und Waisen, schutzlose verfolgte Frauen, Hilflose, die sich bei uns innerhalb unserer Grenzen aufhalten, verdienen unser Mitgefühl. Ob wir die Hunderttausenden voll arbeitsfähiger, voll mobiler junger Männer aus aller Herren Länder weiterhin wie bisher unterschiedslos bei uns aufnehmen wollen, darüber sollten wir uns in Rede und Gegenrede unterhalten.

Letztlich sollte diese Fragen das Volk (der Demos) über die gewählten Parlamente entscheiden.

 Posted by at 14:06

Nicht Einheit, sondern Einigkeit prägt den Staatsgedanken der Bundesrepublik

 Grundgesetz, Staatlichkeit  Kommentare deaktiviert für Nicht Einheit, sondern Einigkeit prägt den Staatsgedanken der Bundesrepublik
Okt 162015
 

Nicolò Machiavelli (1469-1527), Thomas Hobbes (1588-1679), Samuel Pufendorf (1632-1694) – diese drei frühen Staatsrechtrechtslehrer und einige andere haben wohl den Begriff der Souveränität des Staates nach und nach aus der Taufe gehoben. Wir fassen grob zusammen: Staaten in diesem neuzeitlichen Sinn sind durch Ortsfestigkeit eines Territoriums, durch Souveränität nach außen und durch Legitimität nach innen gekennzeichnet.

Als solches sind Staaten in diesem heutigen Sinne keineswegs selbstverständlich. Es gab und gibt nämlich sehr wohl menschliche Gesellschaften ohne Staatlichkeit, z.B. die Sippe oder den Stamm, das Imperium Romanum bis etwa 300 n. Chr. oder die alte griechische Polis. Es gibt kulturell und sprachlich weitgehend einheitliche Völker ohne Staaten, andererseits Staaten ohne einheitliche Sprache, ohne einheitliche Kultur oder einheitliche ethnische Zugehörigkeit.

Staaten in unserem neuzeitlichen Sinne erstrecken sich auf ein bestimmtes, geographisch angebbares Gebiet. Sie sind übergeordnete Träger der Gewalt in ihrem Gebiet und setzen diesen Anspruch gegen den Einzelmenschen durch. Und sie beanspruchen für sich, als rechtssetzende Macht anerkannt werden zu müssen. Sie dulden prinzipiell auf ihrem Gebiet keine Konkurrenz. Sie üben eine „Einlasskontrolle“ aus, denn sie beanspruchen in der Regel, Menschen auch abweisen oder ausweisen zu können – von Fällen offenkundiger Not und offenkundiger Gefahr für Leib und Leben abgesehen. Staaten wollen bestimmen, wer dazu gehört und wer nicht. All das, also die Grundmerkmale neuzeitlicher Staatlichkeit, werden durch die andauernde unkontrollierte Öffnung der gesamten Außengrenzen der Bundesrepublik Deutschland, die wir in diesen Tagen erleben, in Frage gestellt.

Von erheblichem Belang ist auch der zweistufige Aufbau der Staatlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland. Auch die 16 Bundesländer sind mit Staatlichkeit ausgestattet! Die „Bundes“-Republik ist ausweislich des Grundgesetzes ein auf Dauer angelegter Bund freier Staaten. Die Bundesländer sind der Bundesrepublik nicht unter- oder nachgeordnet, vielmehr entsteht die Bundesrepublik Tag um Tag erst durch das Mitwirken und Zusammentreten der Bundesländer. Die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben, insbesondere die Daseinsvorsorge, ist in Deutschland grundsätzlich Sache der Bundesländer. „Der Bund darf nur staatliche Befugnisse übernehmen, Aufgaben erfüllen oder Gesetze erlassen, wenn dies das Grundgesetz ausdrücklich zulässt“ (Reinhard Müller). Die Regierung des Bundes stützt sich somit auf die Länder und auf deren freiwillig erfolgte Abtretung von Teilen der Eigenstaatlichkeit an den Bund. Dies hat vor wenigen Tagen der Berliner Staatsrechtslehrer Michael Kloepfer erneut hervorgehoben.

Die Bundesrepublik ist also durch den Bundesgedanken, nicht durch den Unionsgedanken bestimmt! Nicht EINHEIT, sondern EINIGKEIT ist die Leitidee der Bundesrepublik Deutschland. Nicht eine „immer engere Union“ (wie es etwa emphatisch in den EU-Verträgen heißt) ist Sinn und Zweck der Bundesrepublik, sondern die Wahrung des Rechts und der Freiheit jedes einzelnen Staatsbürgers, der Handlungsfähigkeit und Staatlichkeit jedes einzelnen Bundeslandes. Freiheit, Recht, Einigkeit sind die Grundpfeiler des bundesrepublikanischen Staatsgedankens, nicht Risikovorsorge, Wohlstand, nicht Einheit.

Bezug:
„Den Bund notfalls zwingen“. Von Reinhard Müller. FAZ 14.10.2015, S. 8

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