Paul&Johann, euch setz ich auf die Playlist des Jahres 2021!

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Dez 302021
 
Die Krippe in der Kirche Heilig Kreuz am 26.12.2021, Hildegardstraße, Berlin-Wilmersdorf, frei zugänglich bis 2. Februar 2022

Luciano & Ezhel: „Benim Hayaller”, The Rolling Stones: „Paint It Black“, The Kid Laroi und Miley Cyrus: „Without you“, Nilüfer Yanya: „Stabilise“ – das sind nur einige der vielen guten Lieder, die möglichen Songs des Jahres 2021, die man am Ende des Jahres auf seine Playlist setzen könnte, um sich immer damit beschallen zu lassen oder vielleicht auch mitzuträllern. Gewählt haben diese Songs ein paar Journalisten einer bekannten, in Frankfurt erscheinenden Tageszeitung.

„Benim hayaller“ heißt „Meine Träume“, und Träume sind es doch, die man inmitten von allumfassender Schwarzmalerei („Paint it black“) angesichts des Verlustes eines geliebten Menschen („Without you“) unbedingt hegen und pflegen sollte, um sich einigermaßen zu stabilisieren („Stabilise“).

Gute, okayische Vorschläge! Ich mach mir trotzdem meine eigene Playlist. Auf Platz 1 setze ich dieses Jahr den Song „Fröhlich soll meine Herze springen“. Lyrics von Paul Gerhardt, Arrangement/Setting by Johann Crüger. Die beiden ergänzen sich klasse, was Rhythm und Harmonics angeht. Der Mood ist vorwärtsdrängend, spicy, guter Counterpart zu der gruftigen Paint-it-black-Atmosphäre, die ansonsten in Europe in diesem Jahr vorherrscht.

Cool auch die Wortwahl – ich hör da ein klares Ja zu Massenveranstaltungen, zum Eingehen von Risiken auch in wahnsinnig schwierigen Zeiten wie den unsrigen heraus. Während unsere Gesellschaft alles daran setzt, die Risiken im Alltag zu minimieren, haben Paul&Johann offenbar was Größeres, was Tolleres erlebt. PAINT IT BLACK, wie es 1964 die Stones sangen, ist das Motto von Paul&Johann fast 60 Jahre später, am Jahresende 2021, nicht. Angst vor Krankheit, vorzeitigem Tod, Angst vor einem unverschuldeten Unglück, Angst vor Irrtum hält sie nicht ab, das zu tun, wozu es sie drängt:

„Ei so kommt und lasst uns laufen,
Stellt euch ein, groß und klein, eilt mit großen Haufen!
Liebt den, der vor Liebe brennet;
Schaut den Stern, der euch gern Licht und Labsal gönnet.“

Licht und Labsal„, „liebt den, der vor Liebe brennet“, das sind fantastische Kombinationen von Wörtern, das drückt den Spirit aus, Überfließendes, hat was Exzessives – gute Sache, dass Paul&Johann sich das heute noch zu sagen und zu singen trauen! Cool, so cool. Paul kennt sich gut aus mit der deutschen Sprache, drechselt Binnenreime, wechselt den Rhythmus innerhalb eines Verses, um das Hüpfen des Herzens auszudrücken. Krasser Typ. Ist offenbar in die Schule der Deutsch-Rapper gegangen. Oder die Deutsch-Rapper könnten auch was von dem Duo Paul&Johann lernen.

Hab grade einen Jahresrückblick im German Free-TV angeschaut. Channel? Egal. Glaubt man dem Free-TV in Germany, dann ist sowieso alles schlimm, alles geht den Bach runter, nicht nur im Ahrtal, sondern auch sonst, wir sind fest im Würgegriff der Seuche, und sofern wir die Pandemie überleben, werden uns die reißenden Fluten des Klimawandels fortreißen. Mausetot. PAINT IT BLACK, das ist der Grundton der deutschen Mainstream-Medienlandschaft, gerade jetzt zum Jahresende.

Gut, das Paul&Johann noch einen anderen Ton finden. Gut, dass es ihnen noch nicht die Beine weggehaut hat. Gut, dass es ihnen noch nicht die Sprache verschlagen hat.

Paul&Johann, euch setz ich 2021 auf die Playlist. Weil alles nicht so schlimm ist. Weil wir noch Träume haben. Weil es ist Mist, alle Zuversicht und Freude zu begraben.

Die Songs des Jahres 2021 der FAZ-Redaktion

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Jun 222016
 

Waldhörner 20160618_161840

 

Mancher Wortklauber hat schon die harte Nuss zu knacken versucht, wie man das neue deutsche Modewort Empowerment älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit älteren deutschen Worten erklären könne, die schon vor dem Jahr 2000 in Gebrauch waren.

Stets geht es bei Empowerment darum, Menschen, die in einer gewissen Lage sich nicht selbst zu helfen wissen oder nicht mehr weiter wissen, zu befähigen, selbständiger zu werden und mehr für sich in eigener Verantwortung zu bewirken.

Empowerment, das bedeutet die Stärkung der Eigenverantwortung, das heißt Stärken stärken, Selbstbewusstsein verleihen, Eigenkräfte fördern, Perspektiven öffnen, schlummernde Kräfte wecken, Selbstlähmung aufsprengen durch das lösende, befreiende, ermunternde Wort. Selbstfesselungen heilen!

„Hey Alter, nimm dein Bett, steh auf und geh!“ Wer mag, der kann dabei, bei diesem Empowerment, an die Heilung des Gelähmten am Sabbat in Jerusalem denken.

Johannes, dessen höchst eigenwilliges, ja eigenmächtiges Evangelium, das sogenannte „Vierte Evangelium“ wahrscheinlich das wichtigste Meister-Narrativ überhaupt, mutmaßlich die wichtigste Großerzählung, den bedeutendsten Grand récit  der gesamten europäischen Literaturgeschichte darstellt, erzählt die Geschichte in seinem Buch in Kap. 5, 1-18.  Der Evangelist Markus wiederum, der Mann mit dem Löwen, der Meister der Kleinerzählung, erzählt die Geschichte so ähnlich in seinem alltagsnäheren Jesus-Narrativ, dem sogenannten Markusevangelium, in deutlich bescheidenerer Form, nicht so gespannt, nicht so hochfliegend wie dies Johannes, der Mann mit dem Adler, später tun wird.

Markus 2,1-12 und Johannes 5,1-18 sind herrlich tönende Weckrufe. Sie erinnern – bildlich gesprochen – an Weckrufe von edlen Waldhörnern in der Halle der schlafenden Lokomotiven: „Auf auf, ihr schlafenden Lokomotiven, bewegt euch! Ihr habt noch was vor!“  Die Erzählungen von Markus und Johannes sind eine gute Erläuterung dessen, was das neue deutsche Wort Empowerment meint. Und diese Geschichte von der Heilung eines Gelähmten wurde schon vor 2000 Jahren erzählt, und sie wird auch noch in 2000 Jahren erzählt werden, wie ich zuversichtlich hoffe und fest glaube.

Bild: Vier Musiker der Staatskapelle Berlin, vier Waldhörner spielen mit fröhlichem Schall in der „Halle der schlafenden Lokomotiven“. Lokhalle, Natur-Park Südgelände, Schöneberg. Festliche Eröffnung des Langen Tages der Stadtnatur. Berlin, Samstag, 18. Juni 2016, 16 Uhr

 

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Esel, Hund und Affe, oder: „Wie alt möchtet ihr werden?“

 Ey Alter, Haß, Mären  Kommentare deaktiviert für Esel, Hund und Affe, oder: „Wie alt möchtet ihr werden?“
Jul 082013
 

2013-04-24 19.37.39 „Alter Mann, alter Mann, du bist ein alter Opa, und wir hassen dich!“ So sprangen einem alten Mann heute in einem Kreuzberger Hinterhof drei Kinder hinterdrein und äfften ihn kläffend mit Fratzen.  Wie sie auf den Spruch kamen, weiß er nicht. Vielleicht weil er bedächtigen Schrittes das Fahrrad schob, statt jugendlichen Schwunges zwischen den Kindern hindurchzubrausen wie alle anderen Radfahrer?

Der alte Mann wandte sich den Kindern zu: „Ja, ich bin alt, sehr alt. Hasst ihr denn alte Männer?“ Er bekam keine Antwort. „Wie alt möchtet ihr denn werden?“ Schweigen im Walde bei den Kindern! Damit konnten sie nicht rechnen.

Da wandte der alte Mann sich den Kindern zu und fing an eine Geschichte zu erzählen,  die er vor einiger Zeit auf freiem Felde unter dem uralten Standbild des  Herkules in Cassel im Vorübergehn gehört hatte. So ging sie:

Als Gott die Tier und Menschen erschaffen hatte, wies er einem jeden seine Lebenszeit zu. Dem Esel gab er 30 Jahre. Da beschwerte sich der Esel: „Ach, der strenge Müller vergilt mir meine Dienste schlecht. Er lässt mich schwere Maltersäcke schleppen, und wenn die krummen Beine nicht mehr mittun, jagt er mich davon. Erlass mir einen Teil!“ Da nahm Gott dem Esel gnädig 18 Jahre weg. Und deshalb werden Esel 12 Jahre alt.

Dem Hund wies er auch 30 Jahre zu, doch der Hund beschwerte sich: „Tag und Nacht soll ich dem Menschen wachen und Räuber verjagen, aber wenn ich nicht mehr bellen kann, wirft er mit Steinen nach mir. Schenke mir einen Teil der Jahre.“ Da erließ Gott dem Hund 12 Jahre,und deswegen sterben Hunde spätestens mit 18.

Dem Affen bot Gott auch dreißig an. Da beschwerte der sich und sagte: „Die Menschen setzen mir grundlos zu. Drück dich gegen eine Gitterstange, schneide ihnen Fratzen ohne Ende, sie werden dir die Ursache der ständigen Demütigungen des Affenvolkes nicht nennen. Es gibt keinen Ausweg. Ich verlange keine Freiheit von dir. Aber ich habe eine Bitte: Erlass mir einen Teil dieser Leidensjahre!“ Da schenkte Gott dem Affen gnädig zehn Jahre.

„Und wie viele Jahre möchtest du leben?“, fragte Gott den Menschen. „Reichen dir 30 Jahre?“ „Bei weitem nicht!“ erwiderte der Mensch. „Mit 30 stehe ich voll im Saft, habe Haus und Hof, Kind und Korn in der Scheuer, dann möchte ich das Leben genießen bis an ein seliges Ende! Gib mir mehr!“

„So sei es“, erwiderte Gott. „Also sollst du nach deinen 30 ersten Jahren, die du in Saus und Braus verleben darfst,  18 weitere Jahre ackern und rackern für Haus und Hof, für Kind und Korn. Danach darfst du die 12 Hundejahre erleben, in denen du mit Zähnen und Klauen verteidigst, was andere dir wegnehmen wollen. Und zum Schluss, wenn deine Geisteskraft nachlässt, wirst du zehn Jahre des Affen erleben, in denen jüngere Menschen und Kinder sich an deinen lächerlichen Ticks, an deinen Aussetzern und Fehlleistungen ergetzen können.“

Und so, liebe Kinder, geschah es, dass dem Menschen 70 Jahre beschieden sind, wenn es hochkommt.

Und nun frage ich euch: Wie alt seid ihr eigentlich – und wie alt möchtet ihr werden?

„Ich bin 5 Jahre alt und möchte 150 Jahre alt werden“, sagte das erste Kind ohne zu zögern.

„Ich bin 4. Und ich möchte 1000 Jahre alt werden“, sagte das zweite nach einigem Nachdenken.

„Und du? Wie alt bist du?“, fragte der alte Mann das kleinste Kind.

„Ich bin so“ – das Kind hielt ihm zwei Finger entgegen. „Du bist also zwei?“ „Ja, er ist zwei“, bestätigte der 5-Jährige.

„Und wie alt möchtest du werden?“ „So alt!“ Wieder zeigte uns das Kind die zwei Finger. Das Kind war offenbar in diesem Augenblick glücklich!

Der alte Mann und die Kinder kamen überein, dass gerade das zweijährige Kind schon „so gut wie ein dreijähriges“ spricht, läuft und zuhört, und  lobten es dafür. Und sie verabschiedeten sich im besten Einvernehmen. Die Macht des guten gelingenden Wortes hatte sie zu einer Erzählgemeinde zusammengeführt, und man sieht, dasz „die Weisheit auf der Gasse noch nicht ganz untergegangen ist“.

Bild: Das uralte Standbild des Herkules zu Cassel-Wilhelmshöhe. Aufnahme vom 24. April 2013

Zitatnachweis für: man sieht, dasz „die Weisheit auf der Gasse noch nicht ganz untergegangen ist“: Vorrede der Brüder Grimm vom 17. September 1840. Zitiert nach: „Vorrede“, in: Brüder Grimm. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen. Herausgegeben von Heinz Rölleke. Philipp Reclam jun., Stuttgart 2009, S. 15 bis 27, hier S. 26

 

 Posted by at 11:31
Sep 192011
 

Die Kinder sind begeistert vom gestrigen Wahlergebnis! Sogar Wladimir Kaminer ist glücklich, dass mehr Menschen mit gefärbten Haaren gewählt wurden (Berliner Zeitung heute S. 17).

Echte Piraten im Parlament! Action! Spannend! Das sagt ja schon der Name. Wann kommen Indianer? (Dass die echten Piraten in Somalia und anderen failing states eine riesige Bedrohung darstellen, nicht vor Mord und Menschenhandel zurückschrecken, braucht niemand zu wissen.) Es ist, als säße nun Pippi Langstrumpf in der BVV und schösse mit Lakritz auf den langweiligen Bürgermeister im grauen Anzug!

Aber auch Umweltschutz kommt immer gut an bei den Kindern! Und die Grünen findet der Kreuzberger, hier bloggende Vater sogar rasend nett! Alles in Butter! Nettigkeiten, Geschenke, Umweltschutz!

Jetzt zur CDU! „Was will eigentlich die CDU“?, fragt mich ein neunjähriges Kind. Ich antworte: „Die CDU will, dass die Menschen frei sind und selbst für ihr Glück arbeiten. Weißt du, … die Politik, der Staat kann die Menschen nicht glücklich machen.“

„Arbeiten“! Lange Gesichter! So etwas Langweiliges auch!

Ich erkläre (obwohl der salbaderische Sermon schon zu lange ist): „Der Staat soll euch nicht Lakritze oder kostenloses W-LAN oder Gratis-BVG schenken, sondern ihr sollt euch alle abstrampeln, damit ihr einmal selber für euch und eure Familien euer Essen verdienen könnt. Ihr sollt Kochen, Radfahren, Schreiben, Basteln, Singen, Tanzen, Rechnen lernen. Die CDU will, dass alle sich selber abstrampeln wie gute Fahrradfahrer und sich dabei an die Verkehrsregeln halten.“

Sehr langweilig, sehr down-to-earth! Mit diesem kargen trocken Brot fängt man keine Mäuse!

Um wieviel schöner ist es doch, den Menschen eine saubere Umwelt, eine grüne Wirtschaft, eine gemütliche Stadt für alle, ein kostenloses Schulessen, lebenslang dauerhaftes Wohnrecht überall, bezahlbare Mieten überall, ein unreguliertes Internet, kostenloses W-LAN zu versprechen! Lakritze, Lakritze, ick hör dir trapsen.

Der Erfolg der Piraten ist eine Riesenklatsche für die Altparteien SPD, CDU, Linke, FDP und Grüne. Wohl bekomm’s. Das habt ihr euch selber zuzuschreiben, oh Altparteien. Mit eurem Überbietungswettbewerb fordertet ihr die Piraten ja geradezu heraus, euch noch einmal zu toppen.

Beweis: Keine Partei hat es im Wahlkampf auch nur gewagt, größere Klassen vorzuschlagen. Dabei liegt es doch auf der Hand: Es gibt derzeit auf dem Berliner Markt keine Lehrer, und im Haushalt gibt es sowieso kein Geld, um Lehrer anzulocken. Ergo …?

Um etwa eine von allen ersehnte Unterrichtsgarantie zu bieten, hätte es genügt – wie in diesem Blog vorgeschlagen – die Klassenfrequenzen berlinweit um 2-3 Schüler zu erhöhen und von den Schülern mehr Disziplin und Fleiß einzufordern. Aber das habt ihr euch nicht getraut.

Das ist nur EIN Beispiel von Dutzenden anderen, die man zum Beweis der Mutlosigkeit der Berliner Altparteien anführen könnte! Jetzt habt ihr Altparteien die Quittung für einen  zaghaften Kuschelwahlkampf bekommen.

 Posted by at 12:22