Vorgestern stapfte ich in der Winternacht den einsamen Pfad durch den Augsburger Siebentischwald, völlig allein auf mich gestellt. Wer wollte denn heute noch zu Fuß gehen? Es gibt doch Autos, Busse und Straßenbahnen! 11 km zeigte das Navigationssystem an vom Haus meines Vaters in Haunstetten zum Haus meines Bruders in Lechhausen. Dichtes Schneetreiben umgab mich. Still war es ringsum. Niemand begegnete mir. Würde ich den Hochablass erreichen?
Da schimmerten durch die schneebestäubten Bäume die Lichtlein des Hochablasses! Sind durch die Nächte die Lichter gewunden! Wie schön! Mich ergriff große Freude. Ich sang da aus voller Kehle das Lied, das die Kinder und die Erwachsenen hier in Berlin nicht hören wollen, weil ich einen solchen Akzent habe, wenn ich russisch singe. Sei’s drum! Warum sollte man nicht auch einmal ein Lied mit Akzent singen? Hier im dicht verschneiten Siebentischwald hörte mir ja niemand zu. Also pfiff ich drauf.
Das Lied habe ich allen Unkenrufen zum Trotz auswendig gelernt und singe es gern laut auf den Wanderungen, wenn es niemand hört außer dem Wind, den Bäumen und den Schneeflocken, die fröhlich niederwirbeln. Es vertreibt mir zuverlässig Angst, Einsamkeit und Gram.
Dies ist das Lied, das ich gestern im Siebentischwald sang, ehe ich das obige Foto schoss:
Эта ночь святая,
эта ночь спасенья
Возвестила всему миру
Тайну Боговоплощенья.
В эту ночь у стада
пастухи не спали.
Светлый ангел прилетел к ним
Из небесной светлой дали.
Страх объял великий
тех детей пустыни,
Но сказал он: о, не бойтесь, —
Всему миру радость ныне.
Ныне Бог родился
людям на спасенье,
Вы пойдите, посмотрите
На великое смиренье.
И с высот небесных
раздалось вдруг пенье:
Слава, слава в вышних Богу,
На земли благоволенье.