Gelassenheit angesichts des Todes

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Mai 022021
 

„Wen wirst du mir nennen, der der Zeit einen wie auch immer gearteten Wert beimäße, der den Tag wertschätzte, der erkennte, dass er täglich stirbt? Denn wir täuschen uns insofern, als wir den Tod als etwas vor uns Liegendes betrachten. Ist doch ein großer Teil davon bereits vergangen: Alles, was an Lebenszeit hinter uns liegt, hält der Tod schon in seinen Händen. Mach es ruhig so, wie du es mir schreibst, lieber Lucilius, umarme alle Stunden! So wird es geschehen, dass du weniger vom Morgen abhängst, wenn du kühn ins Heute hineinlangst.“

Soweit ein kurzer Abschnitt aus dem ersten Brief Senecas in seinen Epistulae morales. Wir verdanken unserem Dr. Pegasus den Hinweis auf diesen Ratschlag, den er uns am 3. April 2021 nach seiner Astra-Zeneca-Impfung im ehemaligen Flughafen Tegel mit dem spaßigen Motto Per Astra Zeneca ad Senecam überbrachte.

Gelassenheit gegenüber dem Tod, Einsicht in die Nichtplanbarkeit des Sterbens, das ist es, was zweifellos in unserer Gesellschaft fehlt. Dabei haben und halten wir ohne jeden Zweifel einen in der gesamten Menschheitsgeschichte nie dagewesenen Rekord an Langlebigkeit. Nur die allerwenigsten von uns hätten in früheren Zeiten das heutige durchschnittliche Sterbealter von etwa 80 Jahren erreicht. Die Kindersterblichkeit lag in allen Jahrhunderten deutlich höher als heute; als hohes „biblisches Alter“, das zu erreichen schon als besondere Gnade galt, wurden allgemein über die Jahrhunderte 70 Jahre angenommen. Ohne die Segnungen der modernen Medizin läge das Sterbealter weit darunter. Selbst das Durchschnittsalter der aktuell an Covid-19 Verstorbenen liegt mit über 80 Jahren deutlich, nämlich etwa 10 Jahre, über dem, was noch vor 100 Jahren als bestes erreichbares Sterbealter galt.

• Infografik: 89% der Corona-Toten waren im Alter 70+ | Statista

Es scheint also eine Art natürliche Alterungsgrenze zu geben, jenseits derer ein weiteres Leben oder Überleben nur mithilfe kultureller, also medizinischer Errungenschaften möglich ist. Je älter man ist, desto mehr steigt offensichtlich die Anfälligkeit für schwere Verläufe von Krankheiten, insbesondere von wenig erforschten Krankheiten. Die Corona-Erkrankung bildet darin keine Ausnahme. Sie ist keine Ausnahme. Sie ist in der reichen, wahrhaft vielfältigen Welt der Krankheiten nichts Neuartiges. Sie rechtfertigt nicht das Ausrufen eines dauerhaften allgemeinen Ausnahmezustandes und die allgemeine, dauerhafte Außerkraftsetzung grundlegender Bürgerrechte.

Dies zu akzeptieren, fällt in den Zeiten des die aktuelle Politik beherrschenden Planbarkeitswahns schwer. Und doch haben immer wieder Philosophen wie etwa Seneca oder Lukrez, religiöse Menschen wie etwa Jesus oder Dante sich der Unausweichlichkeit des Todes gestellt, sich produktiv damit auseinandergesetzt.

Für Seneca stellte die Tatsache der Sterblichkeit kein Übel dar; ein Übel ist es in seinen Augen, das Leben in Angst vor dem Tod zu verbringen, der nun eben gerade kein Übel ist, vor dem man sich fürchten müsste. Wer Angst vor dem Tod hat, der versäumt sein Leben.

Für Jesus oder Dante wiederum, die ohne Zweifel Todesangst erlebten und auch davon Zeugnis ablegten, war der Tod kein letztes. Er war zunächst einmal schrecklich, gewiss. Aber er war nicht das Ende aller Dinge. Er war eine Chance, über die Endlichkeit und Sterblichkeit hinauszulangen, hinauszuahnen in etwas, was uns, den Sterblichen verschlossen war.

In den letzten Gesängen seiner Komödie schreitet Dante auf diese eigene Sterbenserfahrung zu, und zuletzt gelingt es ihm, über die Sterblichkeit hinauszulangen und jenes höchste Licht zu sehen, das sich weit über Sterblichkeitsbegriffe hinaushebt —

O somma luce che tanto ti levi
da‘ concetti mortali …

sagt er im 33. Gesang des Paradiso (Vers 67-68).

Ich bemängele an der aktuellen Debatte fehlende Einsicht in die Unverfügbarkeit des Todes, ja in die naturgegebene Sterblichkeit des Menschen überhaupt.

Hier noch die von Dr. Pegasus vorgetragene Seneca-Stelle im lateinischen Original, zitiert nach: Seneca: Ad Lucilium epistulae morales, Epist. 1, Auswahl von Anton Klein. Text. 11./12. Aufl., Münster 1966, S. 47

Quem mihi dabis qui aliquod pretium tempori ponat, qui diem aestimet, qui intellegat se cotidie mori? in hoc enim fallimur, quod mortem prospicimus: magna pars eius iam praeterit; quicquid aetatis retro est, mors tenet. fac ergo, mi Lucili, quod facere te scribis, omnes horas complectere. sic fiet, ut minus ex crastino pendeas, si hodierno manum inieceris.

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Aug. 062014
 

2014-05-01 08.43.28

Familienpolitik beginnt bereits vor der Geburt eines Kindes. Die Reproduktionsmedizin leistet viel. Aber sie ist teuer. Die Erfüllung des Kinderwunsches darf keine Kostenfrage sein.“ Diese Aussage stammt von Manuela Schwesig, der amtierenden Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zitiert hier nach der Süddeutschen Zeitung, Magazin, Nummer 10, 7. März 2014, S. 40.

Wir dürfen das so verstehen: am Geld darf der Kinderwunsch nicht scheitern. Moderne Familienpolitik erfüllt den Frauen den Kinderwunsch, koste es, was es wolle, denn die moderne Politik wird den Frauen genug Geld geben, damit sie sich ihren Wunsch nach einem Kind erfüllen können.

Ein zentrales Heils- und Glücksversprechen der heutigen Fachpolitiker (hier beispielhaft der Bundesfamilienministerin) ist es, dass jeder Wunsch, auch der sehnlichste Wunsch so manchen Paares – der nach einem Kind – erfüllt werden kann.  Die wohltätige Politik durchdringt von vor der Zeugung an alle Lebensbereiche, der Bürger braucht gewissermaßen nur seine Ansprüche anzumelden und die Hand hinzuhalten. „Ach, wenn wir nur ein Kind hätten“, seufzte die Königin bei den Gebrüdern Grimm noch. Heute dagegen ist dieser Märchenwunsch Wahrheit geworden, denn wir haben ja die Familienpolitik und die Reproduktionsmedizin – und Geld in Hülle und Fülle.

„Sicherheit und ein stabiler Euro. So will ich Europa.“ Mit diesen und verwandten Wahlsprüchen errang die derzeit am erfolgreichsten beworbene Partei, die CDU, einen großartigen Wahlsieg. Betrachte das Bild genau: Du siehst eine junge, selbständige Frau, die voller Tatkraft aus dem Innenraum der Wohnung hinaus ins Berufsleben tritt. Das  Kind hockt wie ein Attribut auf der Hüfte der Frau, hindert sie nicht, erringt aber auch nicht die Aufmerksamkeit der Frau. Die Frau und das Kind wissen sich in Sicherheit. Der stabile Euro sichert den Rahmen. Europa ist sicher, denn der Euro ist stabil. Statt der veralteten Familie früheren Typs, bestehend aus Vater, Mutter, Kindern,  spannt die moderne Politik das zentrale Heils- und Sicherheitsversprechen auf: Europa und der Euro sorgen für euch alle. Der Euro, Europa, die Politik sichern Frieden, Wohlstand, Sorglosigkeit.

Auch hier, bei der äußerst erfolgreichen CDU, trifft die Politik sehr weitreichende, bis ins Privateste hineinreichende Versprechungen. Der Mensch braucht sich kaum mehr anzustrengen, die Politik sichert durch das Geld, durch den Euro, Stabilität und Sicherheit im Leben von Frau und Kind. Das männliche Element der früheren Ikonographie, der Mann, der Familienvater wurde ersetzt durch den Euro. Der Euro ist das Wichtigste, die Währung sichert Einheit und Geborgenheit.

Die Politik – ob nun Familienpolitik oder Finanzpolitik im Zeichen des Euro – hat die interpersonellen Bezüge, das tägliche mühselige Ringen um Einkommen, um Zusammenhalt der Familie, das harte Arbeiten von Weib und Mann für den Lebensunterhalt und die Erziehung der Kinder, wie es jahrtausendelang den Alltag der Familien prägte, ersetzt. Man muss nur das Kreuzchen an der richtigen Stelle machen.

Die Politik und ihre Reklame verspricht die Erfüllung jedes Kinderwunsches, jedes kindlichen Wunsches. Der Euro sichert im Zeichen  des „Ich will es so“ Stabilität, Frieden und Geborgenheit für alle. Ohne Sorge – sei ohne Sorge, wie es in Ingeborg Bachmanns Gedicht „Reklame“ so schön heißt.

Merke auf: Zwei subtile Botschaften, die die Politik Tag um Tag auf uns unmündige Bürger niedergehen lässt. Wir brauchen diesen Botschaften nur zu vertrauen. Ohne Sorge – sei ohne Sorge.

Bild: “Sicherheit und ein stabiler Euro. So will ich Europa.” Wahlplakat in Eisenach am Fuße der Wartburg, aufgenommen am 1. Mai 2014.

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Juni 072013
 

Die steuerliche Gleichstellung der homosexuellen Partnerschaften mit der Mann-Frau-Ehe ist nur konsequent. Sie war überfällig. Sie entspricht dem gesellschaftlichen Megatrend. Das Recht zur assistierten Kindererzeugung, das Recht zur Kindererziehung und das Recht zur Kinderadoption unabhängig von biologischer Elternschaft, also auch ohne Einschränkung für homosexuelle Eltern werden in nicht ferner Zukunft folgen müssen.

Dies ist eine in Teilen wenigstens durchaus neuartige Entwicklung. Denn Homosexualität gab es zwar immer und wird es immer geben. Im alten Griechenland wurde sie sogar kulturell höher geschätzt als die fortpflanzungsgerichtete, kulturell „niedrigere“ Krethi-und-Plethi-Heterosexualität. Auch die Ablösung der Kindererzeugung und Kinderzucht von der späteren, der  gesellschaftlich anerkannten  Elternschaft wurde gelegentlich praktiziert – so etwa im alten Kriegerstaat Sparta, in der Knabenlese der Orientalen, beim Homunculus in Goethes Faust II,  im Lebensborn der Nazis, in Zwangsadoptionen der Kinder australischer Aborigines, bei denen noch im 20. Jahrhundert den biologischen Eltern ihre Kinder im Namen eines übergeordneten Interesses geraubt wurden.

 Jahrtausendelang galt aber  über die gesamte bekannte Menschheitsgeschichte die Ehe zwischen Mann und Frau – funktional gesehen – im wesentlichen als die überragende, die tragende und die grundlegende Einrichtung zum Zeugen, Hegen und Pflegen der später einmal arbeitsfähigen Kinder, zum Pflegen und Versorgen der greisen, nicht mehr arbeitsfähigen Eltern und der Älteren.

Diese als absolut unersetzlich erkannte Grundfunktion der Ehe zwischen Mann und Frau sowie des in die Ehe hineingebetteten, biologisch begründeten Eltern-Kind-Bandes wurde jahrtausendelang in Religionen und Mythen, in Dichtung und Poesie, in Recht und Gesetz besungen, verklärt, ausgeschmückt, gepriesen und geheiligt.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stellte eingedenk der schlimmen Erfahrungen der berüchtigen 12 nationalsozialistischen Jahre, in denen die Rasse und die Macht der Nation alles, die Familie nichts galt, noch einmal ausdrücklich Ehe und Familie unter seinen besonderen Schutz.

Die Familie, gesehen als biologisch begründete Abstammungsgemeinschaft, war nach allgemeiner Überzeugung die Keimzelle und das Fundament der Gesellschaften. Wenn die Frauen das Austragen, Gebären und Stillen der Neugeborenen in ausreichender Anzahl verweigerten oder wenn aus anderen Gründen nicht mehr genug Kinder geboren und ernährt werden konnten, schrumpften die Gesellschaften oder „Völker“, wie man früher sagte, und starben schließlich weg.

Heute gilt die Ehe dagegen – funktional gesehen – als Band der Gefühle, ferner als Institut gegenseitiger Absicherung zwischen erwachsenen, gleichberechtigten, arbeitsfähigen Menschen. Ihr Zweck und ihr Sinn wird im wesentlichen auf Liebe zwischen Erwachsenen begründet, weshalb sie seit etwa 200 Jahren ja gern auch als „Liebesbund“ bezeichnet wird. Kinder gelten als nicht mehr notwendiges Beiwerk der Partnerschaft der Erwachsenen und des Sozialstaates, ein Beiwerk, das nach eigenem Willen der Erwachsenen, nach eigenen Bedürfnissen der Erwachsenen kommen darf oder auch ohne Umschweife verhindert wird.

Der Zusammenhang zwischen verantwortlicher Sexualität, Ehe, Kindererziehung,  Altenpflege und Fortbestand der Gesellschaft ist somit endgültig entkoppelt.

Jetzt übernimmt der Staat durch seine vermeintlich selbsttragenden Sozial-, Wirtschafts-  und Versorgungssysteme die gesamte Letztverantwortung dafür.  Der Staat sorgt für alle. Die Politik versorgt alle. Staat und Politik, Bundesverfassungsgericht und fast alle Parteien  erteilen nunmehr folgerichtig allen Formen der Sexualität, allen Formen der Partnerschaft zwischen Menschen gleichermaßen und gezwungenermaßen ihren Segen, fördern alle Formen der auf Dauer angelegten Partnerschaft erwachsener Menschen gleichermaßen.  Ein grundlegender Unterschied in der Natur des Mannes und der Frau wird auch rechtlich nicht mehr anerkannt. Geschlechterrollen gelten als ausschließlich kulturell bedingt. Ein echtes Interesse am Fortbestehen der Gesellschaft darf sich nicht mehr artikulieren.

Die deutsche Gesellschaft schrumpft infolge dieses grundlegenden Wertewandels.  Kinder kommen irgendwie nicht mehr so recht zur Welt.  Während in früheren Jahrtausenden die Kinder als Segen der Älteren galten, müssen heute die Kinder regelrecht ihren Eltern dankbar sein, dass sie zur Welt kommen durften, denn etwa 100.000 Abtreibungen finden  in Deutschland bei etwa 600.000-700.000 Lebendgeburten pro Jahr statt.

Es gilt heute als weithin anerkanntes, unumstößliches Gesetz: Kinder kommen  nach den Wünschen und den Bedürfnissen der Erwachsenen zur Welt. Die Erwachsenen entscheiden nach ihrer jeweiligen Interessenlage oder auch nach der volkswirtschaftlichen Gesamtlage, ob ein Kind erwünscht oder unerwünscht ist, ob frau oder man es sich leisten kann oder nicht. Die materielle Interessenlage der erwachsenen, gesunden und arbeitsfähigen Menschen und die Volkswirtschaft stehen eindeutig im Vordergrund. Durch finanzielle Anreize meint der Staat die Kinderzahl erhöhen zu können.

Die Themen Altern, Pflegebedürftigkeit, Demenz, Alterseinsamkeit werden hartnäckig  abgeschoben. Am schlimmsten ist darunter übrigens bereits heute die Vereinsamung der pflegebedürftigen Alten. Gegenüber der Alterseinsamkeit ist die vielbeschworene Altersarmut ein Klacks, ein Kinderspiel sozusagen!

Weg mit diesen trüben Gedanken!  Das gegenwärtige materielle, finanzielle und vor allem das politische Wohlergehen der gesunden, erwachsenen, arbeitsfähigen und wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger, die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung des 4-jährigen Planungshorizontes steht ganz vorne! Dem dienen die Politiker. Das verlangen die Wählerinnen und Wähler. An das, was in 20 oder 30 Jahren mit der Gesellschaft geschehen mag, denkt kaum jemand.

Das Motto scheint zu lauten: „Gib, o güt’ger Staat, uns Erwachsenen Deinen Segen zu allem, was wir tun und lassen wollen – und schenke uns dein Geld!“

 

 

 Posted by at 12:33

Ist es gerecht, dass Ingas Baby die Mutter nur kurz am Abend bewusst erlebt?

 Demographie, Donna moderna, Familie, Frau und Mann, Kinder, Konservativ, Kultur oder Natur?, Mären, Mutterschaft, Natur, Pflege, Platon  Kommentare deaktiviert für Ist es gerecht, dass Ingas Baby die Mutter nur kurz am Abend bewusst erlebt?
Mai 282013
 

2013-05-23 15.42.29

„Ist es gerecht, dass Inga schlechtere Karrierechancen hat, weil sie Mutter ist? Nein“

So die nachdenklich stimmende Mahnung der INS – Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft -, die mich vor drei Tagen im Berliner Hauptbahnhof zum Innehalten aufforderte.

„Von dem Kind in Ingas Kinderwagen sprechen wir nicht?“, frug ich fragenden Blicks eine zufällige Passantin, die ebenfalls staunend stehenblieb.

Wir fragen tiefer: Ist es gerecht, dass Frauen Mütter werden? Ist es gerecht, dass Frauen schlechtere Karrierechancen haben, weil sie Mütter werden bzw. bis zum Alter von etwa 45 Jahren stets die Gefahr droht, dass sie Mütter werden könnten?

Es gibt höchst erfolgreiche weibliche Politiker, allerdings weniger als  männliche. Wir haben in der paganen Antike Cleopatra, in der Bibel die Königin von Saba, in der Neuzeit Margret Thatcher und Indira Gandhi gehabt.

Frauen sind in der Politik und in der Machtausübung und auch in Straßennamen sogar in Friedrichshain-Kreuzberg (und weltweit) deutlich unterrepräsentiert. Woran liegt das? Ich meine, es liegt daran, dass Frauen in allen Kulturen und allen Gesellschaften, auch in der unsrigen, eben doch anders sind als wir Männer. Vor allem liegt es am unleugbaren naturgegebenen Grundbestand des Mensch-Seins: Wir werden alle von Müttern geboren, nur Frauen – nicht Männer – können Mütter werden, mit all den unleugbaren und unvermeidbaren Einschränkungen, die das für Karriere und Beruf mit sich bringt.

Die allermeisten Frauen streben folglich auch nicht so sehr nach Glanz und Gloria, nach Scheinen und Gelten wie wir Männer. Für die meisten Frauen ist es eben doch das Schönste, Leben, Glück und Freude zu verspüren dadurch, dass sie Leben, Glück und Freude weitergeben, etwa als Mütter. Für die meisten Frauen ist von Anfang an – im Gegensatz zu den meisten Männern – eindeutig ein glückliches Familienleben wichtiger als eine Karriere.

Wenn hingegen den Frauen das Mutterwerden und überhaupt Mütterlichkeit als eine Art Unfall, als schreiende Ungerechtigkeit auf dem Weg zum vollkommenen Glück, also zur völligen hälftigen Machtteilung und Gleichheit mit den Männern ausgemalt wird, dann löst sich eine Gesellschaft auf und verspielt die eigene Zukunft. In genau dieser Gefahr stehen wir in Deutschland.

Wir Männer hingegen streben von unserer biologischen Natur aus und durch kulturell verankerte  Tiefenprägungen eher hinaus ins feindliche Leben, wir raffen und schaffen, wie es Friedrich Schiller in seinem Lied von der Glocke völlig zutreffend erkannt hat.

Schauen wir uns doch uns Männer an: Macht, Machtsicherung und Machterweiterung im Außenbereich sind wichtige Themen im Leben fast jedes Mannes, und zwar auf andere Art als für die Frauen.  Unsere vornehmste Aufgabe als Männer ist es meiner Überzeugung nach grundsätzlich, den Frauen und Kindern einen gesicherten Raum zu schaffen, in dem sie friedlich blühen und gedeihen können.  Der gesicherte Raum ist grundsätzlich die Familie. Für den Staatsmann ist es die Gesellschaft als ganze.

Das ist weltweit zu allen Zeiten in allen erfolgreichen Gesellschaften so, nur in Teilen Westeuropas und insbesondere Deutschlands versucht man zur Zeit davor die Augen zu verschließen, etwa indem man Frauen den Wahn einredet, sie müssten unbedingt ebenso erfolgreich im Beruf, ebenso mächtig in der Politik werden, ebenso viele Straßennamen erhalten wie wir Männer.  Alles andere sei doch furchtbar ungerecht. Ein verhängnisvoller Irrtum, der zur Aushöhlung der Familie beiträgt und einer der Auslöser für den demographischen Niedergang unserer Gesellschaften  ist. Bereits heute haben wir viel zu wenige Familien mit Kindern, in denen die Kinder gehegt und in denen die Alten und Kranken gepflegt werden.  Der Pflegenotstand, also der akute Mangel an Pflegepersonal in allen Altenheimen und in der Altenbetreuung ist in Deutschland bereits heute Realität. Zu glauben, dass man mit aus dem Ausland geholten professionellen Pflegekräften oder durch die Versendung der Alten von Europa nach Indonesien dem Mangel an Pflegekräften Abhilfe schaffen könnte, geht völlig an den Wünschen und Bedürfnissen unserer Alten vorbei.

Zu glauben, dass der Staat oder das staatliche Sozialsystem das Mutterwerden, die Kindererziehung, die Krankenfürsorge und die Altenpflege nach und nach immer stärker oder gar vollständig direkt in eine eigene Regie übernehmen können, ist ein törichter Wahn, dem bereits die antike Kriegergesellschaft Spartas und der Philosoph Platon im 4. Jahrhundert vor Chr. erlegen ist.

Kindererziehung, Pflege der Kranken und Pflege der Alten war immer und wird immer in allen erfolgreichen Gesellschaften eine vorrangige Aufgabe der Familien bleiben. Gelingendes Muttersein ist und bleibt eine Aufgabe der Frauen, Vaterwerden und Vatersein eine lebenslang zu erlernende Aufgabe der Männer.

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Sep. 092012
 

Altersarmut – ein großes Thema, das derzeit wieder die Gemüter in Wallung bringt! Werden die Renten reichen?  Die Alten sollen doch in 30 Jahren ihr eigenes Einkommen haben, es kann doch nicht sein, dass sie dann zum Sozialamt gehen oder – schlimmer noch –  von ihren Kindern Unterhalt erbetteln müssen!

Erstaunlich, dass niemand darüber nachdenkt, wie es die Menschheit bisher, also jenseits und vor der Einführung der staatlichen Rentenversicherung  geschafft hat, die Alten, nicht Arbeitsfähigen zu pflegen und ihnen einen würdigen Lebensabend zu verschaffen. In den alten Büchern wird das Thema jedoch immer wieder besprochen.

Kindesdank und Undank  – eine wunderbare Erzählung Johann Peter Hebels fällt mir dazu ein. Ich las sie kürzlich im Sommerurlaub in Berchtesgaden, im Heimatort meiner alten und gebrechlichen Mutter. So beginnt sie:

Man findet gar oft, wenn man ein wenig aufmerksam ist, dass Menschen im Alter von ihren Kindern wieder ebenso behandelt werden, wie sie einst ihre alten und kraftlosen Eltern behandelt haben. Es geht auch begreiflich zu. Die Kinder lernen’s von den Eltern; sie sehen’s und hören’s nicht anders und folgen dem Beispiel. So wird es auf die natürlichsten und sichersten Wege wahr, was gesagt wird und geschrieben ist, dass der Eltern Segen und Fluch auf den Kindern ruhe und sie nicht verfehle.

Man hat darüber unter andern zwei Erzählungen, von denen die erste Nachahmung und die zweite grosse Beherzigung verdient.

Ein Fürst traf auf einem Spazierritt einen fleissigen und frohen Landmann an dem Ackergeschäft an und liess sich mit ihm in ein Gespräch ein. Nach einigen Fragen erfuhr er, dass der Acker nicht sein Eigentum sei, sondern dass er als Tagelöhner täglich um 15 Kreuzer arbeite …

Daneben stellen wir das Märchen der Gebrüder Grimm Der alte Großvater und der Enkel, welches also anhebt:

Es war einmal ein steinalter Mann, dem waren die Augen trüb geworden, die Ohren taub, und die Knie zitterten ihm. Wenn er nun bei Tische saß und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch, und es floß ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten sich davor, und deswegen mußte sich der alte Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen und noch dazu nicht einmal satt; da sah er betrübt nach dem Tisch und die Augen wurden ihm naß …

Die Abhängigkeit der Alten von der mittleren, der arbeitenden Generation ist uraltes kulturelles Erbe, die Sorge der leiblichen Kinder für ihre Eltern im Alter ist ein sittliches Grundgebot, das beispielsweise die jüdische, die christliche und die muslimische Religion nahezu wortgleich verkünden: siehe etwa 5. Buch Mose 5,15; Markusevangelium 10,19; Koran Sure 17, 23.

Sie kommen überein: Du sollst nicht Pfui sagen, wenn deine Eltern alt und gebrechlich sind! Ehre Vater und Mutter!

Auch in unserer Rechtsordnung besteht – noch – die Unterhaltspflicht der Kinder „in aufsteigender Linie“ gegenüber den Eltern.

Dass zuerst und zuletzt der Staat, also die Politik, das Wohlergehen der Alten besorgen müsse, ist eine ganz neue Erscheinung. Aufstockerrente, Zuschussrente, private Zusatzrentenversicherungspflicht und und und. Die ganze Debatte um die Altersarmut kreist derzeit ausschließlich um die Menschen, als wären sie später einmal alle vereinsamte, hoffnungslos alleinstehende, kinderlose Alte.

Der Sozialstaat wappnet sich, damit jeder Mensch auch im Alter einen individuell durchsetzbaren direkten Anspruch auf Schutz vor Altersarmut hat. Als schlimmstes Übel wird die Abhängigkeit der Eltern von ihren Kindern als Schreckgespenst an die Wand gemalt.

Keiner denkt auch nur im entferntesten daran, dass jahrtausendelang Kinder und wieder Kinder und Enkelkinder die beste soziale Sicherheit gegen Armut und Einsamkeit im Alter darstellten, dass die Kinder ihre Eltern irgendwann mittragen und mitziehen und miternähren müssen.

Ich meine aber, auch die deutsche Gesellschaft wird sich auf diese uralte Einsicht zurückbesinnen müssen.

Erst seit etwa 20 oder 30 Jahren denkt offenbar die Mehrheit der Menschen in Deutschland, dass der Lebensstandard der Alten im wesentlichen durch die Sozialversicherung und durch den Staat gesichert werden müsse.

Weder in Schule noch in der Gesellschaft wird den Kindern die Pflege und Fürsorge für die eigenen Eltern gelehrt. Die Familie als primärer Träger der sozialen Sicherheit wird systematisch in Politik und Gesellschaft ausgeblendet.

Ich finde dies bedenklich. Hier droht etwas zutiefst Menschliches verlorenzugehen: die Einsicht in das fundamentale Abhängigsein des Menschen in Fleisch und Blut von anderen Menschen in Fleisch und Blut in jeder Lebensphase, vor allem in Kindheit und Alter, nämlich:

Am Ende hängen wir doch ab
Von denen die wir machten.

Nur Hatice Akyün hat – mit einem ironischen Erschauern – die Vorstellung beschrieben, sie müsse noch mehr Kinder haben, um im Alter glücklich zu sein. Doch dann wird die Vorstellung sogleich wieder verworfen. Sie schreibt:

Aber von dem Modell sind wir weit entfernt. Da bleibt mir als Alternative wohl nur die türkische Variante. Es müssen dringend ein paar neue Kinder her, die mich im Alter versorgen. Oder wie mein Vater sagen würde: „Testi kirilsa da kulpu elde kalir“ – Wenn der Tonkrug zerbricht, bleibt einem immer noch der Griff in der Hand.

Fazit: Dass die Eltern sich auf ihre Kinder verlassen müssen, ist eine Vorstellung, die nicht mehr in unsere Zeit passt. Der Staat soll alle Bürger gegen alle denkbaren existenziellen Risiken lückenlos absichern, jetzt und auch noch in drei Jahrzehnten.

Ich finde dies höchst bedenklich.

 Posted by at 23:01
Mai 282012
 
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Heute zitierte ich bei einem abendlichen Geplauder über die Kindererziehung mit einer Kreuzberger Mutter meine eigene Mutter:

„Ob Mutter sein schön ist, hängt in hohem Maße davon ab, wie der Vater der Kinder ist, aber auch, wie der Vater zur Mutter seiner Kinder ist.“

Zustimmung! Du hattest häufiger recht, als wir 4 Kinder damals erkennen konnten, Mutter – schon damals.

Der Würfel der Debattte um die Alternative zwischen einerseits Betreuungsgeld und andererseits dem forcierten Ausbau der Krippen- oder Kita-Plätze für Kinder von 0 bis 3 Jahren (und nur um diese Kinder von 0-3 Jahren geht es derzeit!) steht auf einer einzigen Ecke – wie gut zu sehen an dem jederzeit zum Fallen geneigten Würfel vor dem Willy-Brandt-Haus!

Jede familienpolitische Debatte, die nicht auch von Ehe und Familie, nicht auch und vor allem von den Bedürfnissen des kleinen Kindes spricht, wird und muss ihr Ziel verfehlen. Sie dreht sich im luftleeren Raum der Zahlen und Budgetvorbehalte.

Die entscheidenden Fragen, wenn wir über das Für und Wider des Betreuungsgeldes sprechen, sind zweifellos – in absteigender Wichtigkeit:

1) Was wollen und brauchen die Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren?

2) Was wollen und brauchen die Frauen, deren Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren stehen?

3) Wie können die Väter diese Mütter unterstützen?

4) Wie können die Gesellschaft und die Politik die Familien unterstützen, deren Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren stehen?

Dies ist das Buch, dem ich derzeit sehr viele Leserinnen und noch mehr Leser wünsche:

Gerda Hampel: Warum ich gerne Frau bin. Ein Buch für Mann und Frau. Rex-Verlag Luzern/Stuttgart, 1981, hier: S. 67

 Posted by at 22:24