Feb 022021
 

Gibt es in der deutschen Sprache eine deutliche Bevorzugung des weiblichen Geschlechts?

Vieles deutet darauf hin, nicht zuletzt die Tatsache, dass unter allen Substantiven der deutschen Sprache, die bekanntlich über drei grammatische Geschlechter verfügt, fast die Hälfte zu den Feminina, aber nur ein Drittel zu den Maskulina gehören, während etwa 20% als Neutra zu gelten haben.

Der Rechtschreibduden führt in seiner 27. Auflage diese Verteilung an: 46% aller Substantive sind Feminina, 34% Maskulina, 20% sind Neutra.

Das kann kein reiner Zufall sein. Wir dürfen die Vermutung äußern: Für die deutsche Sprache ist alles, was substanziell ist, was Bestand hat, alles, was der Welt der Erfahrung zugrunde liegt, was substanzhaft-dinghaft verstanden ist, mit Vorliebe weiblich. Zuerst war gewissermaßen für die deutsche Sprache die Frau, das Weibliche in der Welt, dann kam der Mann als Störenfried dazu.

Aber auch semantisch weist Deutsch der Frau, dem Weiblichen eher die Habenseite, die Sonnenseite des Lebens zu. Bei den Grundwörtern des Fühlens und Denkens, bei den Leitwerten unserer sittlichen Ordnung sind die entsprechenden Hauptwörter mit überwältigender Mehrheit weiblichen Geschlechts, während das Gegenteil, das Dunkle, Böse eher männlich oder als Neutrum gefasst wird.

Wir betrachten folgende Beispiele:

DIE Liebe – DER Hass
DIE Gnade, die Güte, die Fürsorge – DER Trotz, der Groll, der Ekel, der Neid
DIE Vernunft – DER Wahnsinn, der Wahn
DIE Einsicht – DER Starrsinn
DIE Erkenntnis – DER Irrtum
DIE Treue – DER Verrat
DIE Wahrheit – DER Irrtum
DIE Tugend, die Sonne, die Gerechtigkeit, die Vollendung, die Sympathie
DER Stolz, der Geiz, der Eigensinn, der Egoismus, der Dünkel
DIE Geburt – DER Tod
DIE Welt – DER Teufel (wobei die Welt als grundsätzlich gut gesehen wird)
DIE Versöhnung – DER Krieg
DIE Rettung – DER Mord
DIE Sättigung – DER Hunger, der Durst
DIE Höhe – DER Abgrund

Dies sind nur einige, nicht zufällig gewählte Beispiele, die aber, so könnte man vermuten, eine unbewusste Prägung mitschwingen lassen. Das Weibliche ist – ebenso wie das Substanzielle, Beständige – möglicherweise in den Tiefenschichten unserer Kultur eher dem Guten zugeneigt, das Männliche eher dem Bösen.

So sind ja auch die überwiegende Mehrzahl aller Straftäter Männer, nur eine Minderzahl der Verbrecher sind Frauen. Weniger als 10% der Insassen von Gefängnissen sind – in allen Ländern – Frauen.

Wie ist das zu erklären?

Sind Frauen grundsätzlich die besseren, die substanzielleren Menschen?

Zieht uns Männer, uns Söhne des Abgrunds, erst das Weibliche hinan zum Guten, zum Wahren, zum Schönen, zur Güte, zur Wahrheit, zur Schönheit? Führt die Frau und nur die Frau den Mann zur Mäßigung, zur Sitte, zur Moral?

Beleg:
„Die Verteilung der Artikel (Genusangabe) im Rechtschreibduden“, in: DUDEN. Die deutsche Rechtschreibung. 27. Auflage, Dudenverlag Berlin, 2017, S. 158

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