Jan 052011
 

Ein Fest politischen Denkens erwartet alle Besucher am kommenden Samstag in Berlins Urania auf der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz: Gesine Lötzsch und Inge Viett auf einem Podium! Gemeinsame Fragestellung: „Wo bitte geht’s zum Kommunismus?“

Zwei Kämpferinnen für den Kommunismus – eine wortgewandte, erfolgreiche, anerkannte, systemimmanent agierende  Parlamentarierin und eine bewaffnete, hervorragend ausgebildete, mannigfach erprobte Kämpferin der Bewegung 2. Juni, beide sichtlich inspiriert durch Rosa Luxemburg! Mit einer unvergänglichen Formulierung Luxemburgs: „Maschinengewehr und Parlamentarismus“ schließen einander auf dem Weg zum Kommunismus nicht aus, sie sollten einander vielmehr fruchtbar ergänzen. Der Wege zum Kommunismus sind viele!

Wer war Rosa Luxemburg? Eine Ikone der revolutionären Realpolitik!

Neben ihren Werken empfiehlt der arme Kreuzberger Blogger das Buch über Rosa Luxemburg von Frigga Haug sowie als ersten Einstieg seine eigene Rezension dieses Bändchens:

Rosa Luxemburg – eine Ikone der revolutionären Realpolitik
Luxemburg arbeitete wie Liebknecht, Lenin und Stalin auf die gewaltsame Errichtung einer Räterepublik hin, deren Entstehung selbstverständlich „nicht mit Rosenwasser getauft sein würde“, wie sie selbst in ihrer blumigen, mit religiösen Wendungen durchtränkten Bildersprache sagt. Wodurch unterscheidet sich Rosa Luxemburg von den anderen kommunistischen Führern, die sie kannte, auf die sie sich bezog, die sie wiederum schätzten, wie etwa Lenin und Stalin?

Mit einem weiteren Bild gibt sie selbst Auskunft. Sie weist nämlich die Alternative „entweder Maschinengewehre oder Parlamentarismus“ als „Vereinfachung“ zurück. Für sie heißt es folglich: Sowohl Maschinengewehr als auch Parlamentarismus. Die von Philipp Scheidemann ausgerufene parlamentarische Republik war nach dem Zusammenbruch der Monarchie Rosa Luxemburgs erklärtes Angriffsziel. Ähnlich wie in Russland die Bolschewiki die nach der Februarrevolution entstehende bürgerliche Demokratie zerstört hatten, sollte auch die Weimarer Republik zerstört werden. Und zwar durch die Doppelstrategie Maschinengewehr und Unterwanderung des parlamentarischen Systems.

Heute, im Jahr 2011, treten viele Zusammenhänge wunderbar fassbar zutage, die damals, in den Jahren 1968-1990, nur zu erahnen waren:

1) Der enge operative Zusammenhang zwischen DDR, RAF, Stasi, Bewegung 2. Juni und arabischen Diktaturen. Nicht zufällig konnte Inge Viett wiederholt Zuflucht und logistische Unterstützung in der DDR finden, ja sich dort sogar eine neue Identität aufbauen. Und nicht zufällig flogen die Entführer des Berliner Politikers Peter Lorenz 1975 ins jemenitische Aden. Nicht zufällig erhielten namhafte Mitglieder der RAF ihre miltärische Ausbildung in Ausbildungslagern der Fatah in Jordanien.

2) Die DDR war offenkundig ab 1968 eine, wenn auch keineswegs die einzige treibende Kraft bei der Aufhetzung der westdeutschen Studenten gegen das Establishment – und umgekehrt bei der Aufhetzung des Establishments gegen die Studentenbewegung! Dass ausgerechnet der Benno-Ohnesorg-Todesschütze Karl-Heinz Kurras im Sold der Stasi stand und SED-Mitglied war, legt den Schluss nahe, dass die DDR und ihre Organe ein starkes Interesse an der Aufpeitschung der inneren Gegensätze in der Bundesrepublik hatten.

3) Das linke bis linksradikale Spektrum war in einem Kontinuum von „Parlamentarismus“ bis „Maschinengewehr“ durchgängig untereinander vernetzt. Soeben lese ich etwa die 1971 geschriebenen einführenden Worte des Herausgebers Jürgen Hentze zu den polnischen Schriften Rosa Luxemburgs:

„Wenn die Widersprüche in unserer Gesellschaft, die heute nur durch radikale Aktionen einiger weniger zum Ausdruck gebracht werden, die breiten Massen aus ihrer Bewußtlosigkeit wecken, wenn die heute verschleierten Gegensätze offen ausbrechen, dann werden die Gedanken Rosa Luxemburgs hier wieder gesellschaftliche Bedeutung bekommen.“

Jeder, der ahnte, wusste bescheid: Die „radikalen Aktionen einiger weniger“, das waren Kaufhausbrände, Entführungen, Terroranschläge. Deren Zweck war die Erweckung der Massen aus ihrer Bewußtlosigkeit. Als unversiegliche Quelle und Rechtfertigung dieser radikalen Aktionen dienten die Klassiker des Marxismus, aber eben auch zeitlose „Abweichlerinnen“ wie etwa Rosa Luxemburg.

Die Urania-Tagung am kommenden Samstag wird sicherlich diese Zusammenhänge noch deutlicher herausarbeiten. Kein politisch hellwacher Zeitgenosse, aber auch kein bisher ahnungsloses Mitglied der bewußtlosen Massen sollte sich diese Fortbildungsmöglichkeit entgehen lassen.

Literaturempfehlungen:

Rosa Luxemburg: Internationalismus und Klassenkampf. Die polnischen Schriften. Herausgegeben und eingeleitet von Jürgen Hentze. Luchterhand Verlag, Neuwied und Berlin 1971, hier Zitat aus der Einleitung, S. 33

Frigga Haug: Rosa Luxemburg und die Kunst der Politik, Argument Verlag, Hamburg 2007

Stefan Aust: Der Baader Meinhof Komplex. Hoffmann und Campe, Hamburg 1985, hier besonders: S. 314-317

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