Jan 252024
 

Gewaltig ragt er da auf, unser Watzmann,
So dass jeder ihn bewundern kann,
Mir lange vertraut aus frühesten Kindertagen!
Doch kann ich der Befremdung mich nicht entschlagen,
War er auch damals so schroff, so weltenthoben,
Eiskalt ins Herz hinan, so schneebestoben?
Und drängte er seine Frau so patzig und grob
Zur Seite, wenn sie ihr Haupt erhob?
Und kümmerte er sich damals so wenig um seine sieben Kinder,
Die ihm zum Trotz mit Semmeln spielten und tobten, die Sünder?
Ja, ja, der Watzmann, er war ein Tyrann,
Der seine Rute über Weib und Kinder schwang,
Verhängnis bracht er über seinen Stamm,
Bis zum heutigen Tag versteint ist der König Watzmann
Mit seiner ganzen elenden Bagasch,
Da hängt er nun traurig und lasch
In der Hamburger Kunsthall an der Wand,
Wo ich ihn gestern im Menschengedräng fand.

Und doch bin ich ihm nicht gram,
Er ist eben doch – immerhin! – nicht zahm,
Ist ein Original, das Original von so vielen Fälschungen,
Von Schwindel, Hinterhalt und dreisten Täuschungen!

Ja, hänge da nun, ruhe da nun, nichts hast du zu tun.
Also sei ruhig und lass dich bestaunen,
Lass die Leut raunen.

„Du hoitst as Mai!“

Bildnachweis:

Caspar David Friedrich: Der Watzmann. Öl auf Leinwand. Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie. Leihgabe der Deka Frankfurt am Main.

Gemälde gesehen am gestrigen Abend, dem 23. Januar 2023, in der Kunsthalle Hamburg

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