Feb 052024
 

Früh ist es, da schleicht ein einsamer Wanderer an diesem kahlen Baum vorbei. Zauber der Stille im Innehalten! Wer hat denn dieses feine Geäst so zart, so ausgeglichen in die aufleuchtenden Wolken gezeichnet? Wer führte die Hand des Zeichners? Wer erkannte, dass hier ein Maler am Werke war, bei dem selbst ein Caspar David Friedrich in die Schule hätte gehen können?

Mehr noch: Wog diese einzige, greifbare, vergängliche Zeichnung des Morgens nicht alle Trauer über die Verluste auf, über den verlorenen steinigen „Ostseestrand“, den verbrannten „Hafen in Greifswald“, die hingeraffte „Augustusbrücke“, die zu Asche zerstobene „Abendstunde“ – alles Werke, die am 6. Juni 1931 im Münchner Glaspalast in Flammen aufgingen?

Ja, es ist noch nicht alles zu Ende. Immer wieder erhebt sich die Sonne. Es gibt Grund zu hoffen. Mit diesen Gedanken griff der Wanderer in seinen Rucksack, holte den Schlüssel zur Haustür hervor, öffnete die Tür. Jetzt – war er da. War angekommen im Tag.

Hinweis:
Florian Illies: FEUER. In: ders., Zauber der Stille. Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2023, S. 13-77, hier bsd.: S. 13-14

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