Eine wichtige Aufgabe dieses Blogs für die nächsten Tage wird sein, die in den letzten Wochen ausgespielten Bürgermeisterwahlen in den Weltstädten London, Rom, Augsburg und Hamburg zu kommentieren. Gibt es Gemeinsamkeiten? Wie tickt die Wählerschaft in europäischen Großstädten? Überall haben sich die Wähler gegen langjährige Erwartungen entschieden: In London setzte sich der herrlich unangepasste Boris Johnson gegen den populären Amtsinhaber Ken Livingstone durch, in Rom kam überraschend mit Gianni Alemanno ein Postfaschist ans Ruder, in Augsburg setzte sich ein Kandidat durch, der zum Zeitpunkt der Wahl überhaupt keiner Partei angehörte, in Hamburg handelte Ole von Beust die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene aus.
Eines ist klar: Für den Fahrradverkehr war die Londoner Bürgermeisterwahl vom 4. Mai 2008 ein eindeutiger Sieg. Denn Boris Johnson ist – im Gegensatz zum bekennenden U-Bahnfahrer Livingstone – nach eigenen Worten ein militanter und deshalb zutiefst regeltreuer Radler:
Cycling enthusiast and Tory candidate for London mayor, Boris Johnson, called for „zero tolerance“ of cyclists who break the rules.
Speaking to ITV1, he said: „I am a militant cyclist myself and I love cycling and I want more people to cycle in London, but part of the deal has got to be that if we are going to expand cycling in London … we cyclists have got to obey the laws of the road.“
Das Bekenntnis machte Johnson übrigens, nachdem sein Parteichef David Cameron mehrfach dabei ertappt worden war, wie er Einbahnstraßen in falscher Richtiung entlangradelte und das Rotlicht missachtete. Das Ganze schlug vor den Kommunalwahlen riesige Wellen und brachte den Konservativen sicherlich zusätzliche Sympathie ein: Denn erstens entpuppte sich der Parteivorsitzende als begeisterter, nicht immer regeltreuer Radler, zweitens bekam der Boss einen Rüffel von dem bekanntermaßen schillernden Kandidaten seiner eigenen Partei. Beides dürfte die Chancen der Konservativen nicht unwesentlich gesteigert haben.
Was lernen wir daraus? Die früher ach so muffigen, elitären Tories haben sich erfolgreich in eine moderne Partei verwandelt, deren Chef David Cameron sich sogar Ordnungswidrigkeiten erlauben darf – und der nebenbei dann noch eine Lanze für den Radverkehr bricht, im Sinne von: „Die Verkehrsregeln sind für uns Radler so schlecht, dass ich gar nicht umhin kann, ein paar Regeln zu brechen.“
Und: Der Radverkehr ist in den europäischen Großstädten ein Politikum geworden, mit dem man Wahlen beeinflussen kann. In der multikulturellen 8-Millionenstadt London wurde das Fahrrad zu einem wichtigen Imageträger für den Herausforderer, dem vorher nur geringe Chance eingeräumt worden waren. Fahrradpolitische Debatten füllten die Spalten der Zeitungen und die Fernsehdiskussionen. Das muss man sich vormerken: Eine Radfahrerpartei hat den Bürgermeisterposten in der Finanzmetrople London errungen!
Damit haben wir sicherlich einen der kürzesten Kommentare zu einer Wahl geschrieben. Darauf sind wir auch noch stolz!
Als nächstes Opfer unserer tiefschürfenden Kurzkommentare haben wir Augsburg erkoren. Augsburg, eine Weltstadt? Ja, erst Napoleon hat 1806 diesen Status einer freien Reichsstadt – ich sag mal: einer Weltstadt – recht schnöde beendet, indem er die Stadt dem neu entstandenen Königreich Bayern schenkte. Also Kompromiss mit euch Skeptikern: Augsburg war eine Weltstadt …
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