Mitten in die Kandidatensuche für die nächste Bundestagswahl platzt den Parteien ein neuer Umfragerekord für Kanzlerin Merkel – der wievielte eigentlich? Forsa führte die Befragung für den Stern durch. Spiegel online berichtet darüber heute:
Angela Merkel im Allzeithoch: Die Kanzlerin erzielt bei den Deutschen in praktisch allen Bereichen überragende persönliche Werte. Bei einer Direktwahl zum Amt des Bundeskanzlers würde Merkel einen Kantersieg landen – völlig unabhängig vom Gegenkandidaten.
Aber: Erneut klafft ein riesiges Loch zwischen der Kanzlerin und ihrer Regierung bzw. Partei!
Mit der Arbeit der Kanzlerin zeigten sich laut der Umfrage mehr als zwei Drittel der Bürger zufrieden: 69 Prozent beurteilen ihre Arbeit als gut. Die Bundesregierung selbst schneidet weniger positiv ab; deren Arbeit wird nur von 36 Prozent als gut gewertet. Die CDU kommt auf 34 Prozent.
„Wissen Sie, welcher Partei Angela Merkel angehört?“ Bei einer Straßenbefragung vor einiger Zeit wussten einige Passanten dies nicht: „Merkel … die ist von der SPD, … oder doch von den Grünen?“
Umfragerekord: Merkel beliebt wie noch nie – Politik – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten
Gesamtbefund: Merkel gewinnt, CDU profitiert nicht entscheidend davon! Offenbar wird Kanzlerin Merkel in der Wählerschaft nicht als typisch für die CDU wahrgenommen. Sie selbst – bezeichnete sich noch im Jahr 2004 als „verschärfte Seiteneinsteigerin“.
Ich meine: Sie vereinigt erfolgreich Merkmale aus typischen Eigenschaften aller 5 wichtigen Parteien:
1) Sie spricht immer so, dass alle sie verstehen. Das kommt gut an bei Wählern ohne Abitur. Sie ist nicht abgehoben, vertritt kein elitäres Bewusstsein von „bürgerlicher Führungsschicht“. Ehemalige SPD-Stammwähler wollen das. Sie spricht sogar direkter, weniger verklausuliert als der mutmaßliche SPD-Kanzlerkandidat!
2) Sie wuchs in der DDR auf, ohne dort in echte Opposition zu gehen. Deshalb für die Mehrheit der ehemaligen DDR-Bürger gut wählbar. PDS- bzw. Linke-Wähler finden diesen Teil ihrer Biographie in der Kanzlerin wieder.
3) Sie setzt sich international erfolgreich für Umwelt- und Klimaschutz ein, erreicht Konsens gegen alle Erwartungen, übertrifft teilweise die Forderungen der Grünen noch. Die Grünen können ihr kaum am Zeug flicken. Merkel kämpfte 1995 für ein Tempolimit auf Autobahnen – und verlor den Kampf. Es war nicht durchzusetzen. Seither kämpft sie nur noch für erreichbare Ziele.
4) Sie vertritt immer wieder mal eine reformorientierte Position im Sinne des Leipziger Parteitags von 2003. Allerdings: Für FDP-Stammwähler ist sie damit kaum so stark und ansprechend, wie sie das früher mal war.
5) Ähnlich ihrer Partei, der CDU, vertritt sie eigentlich keine glasklar erkennbare „Parteilinie“. Eher gilt es, das zum gegebenen Zeitpunkt beste erreichbare Ziel im Konsens herbeizuführen. Dies gereicht in Zeiten, wo alte Partei-Profile zerbröckeln, wo Lager-Zugehörigkeiten sich lockern, zum Vorteil.
Was könnten die Parteien bei ihrer Kandidatenaufstellung für die nächste Bundestagswahl lernen?
1) Kommunikation so einrichten, dass alle alles oder doch fast alles verstehen können. Eine klare, nüchterne, einfache Sprache kommt gut an.
2) Kandidaten aufstellen, die für den jeweiligen Wahlkreis typisch sind, also möglichst viele Eigenschaften mitbringen, in denen sich die Wähler wiederfinden. In einen Wahlkreis mit „grüner“ oder „roter“ Stammwählerschaft sollte man also jemanden schicken, der selbst mindestens „grün“ oder „rot“ angehaucht ist – und umgekehrt.
3) Gegnerische Parteien stellen, auf deren eigenem Felde schlagen. Keine Partei macht alles richtig, man sollte sich ruhig ins gegnerische Lager wagen, deren Themen „abgraben“. Wie groß war bei den Gegnern die Empörung, als Ole von Beust plötzlich eine Verdoppelung des Radverkehrs forderte! „Ja, darf der denn das? Darf der uns die Themen klauen?“ Ich meine: Er darf, wir dürfen alle – denn wie heißt es doch so schön: „Prüfet alles, das Beste behaltet!“
4) Programmatische Kreuzungen heranziehen! In den nächsten Jahren werden zunehmend Politiker Erfolg haben, die eher wie eine Art Mischung aus verschiedenen Parteien daherkommen. Das kann ein Saab-turbo-fahrender Grüner sein – oder eine kreuzbrav-schöpfungsfreundlich radelnde CDU-Frau. Eine barfuß laufende FDP-Vertreterin in Latzhosen, oder ein Linker in schwarzem Anzug und Krawatte. Solange es stimmt, solange die Person sich nicht absichtlich maskiert – warum nicht? – Das Leben ist so bunt!
5) Lernbereitschaft, Offenheit dokumentieren. Die „alten Hasen“ sind weniger gefragt, derzeit kommen die „Seiteneinsteiger“ und „Querdenker“ besser an. Personen, die schon einen Teil der Berufskarriere hinter sich haben und nicht auf das politische Amt als Einkommensquelle angewiesen sind.
6) Der Wähler will das Gefühl haben: „Aha, da hört mir endlich jemand mal zu. Da kann jemand mal die Klappe halten, gut, das gefällt mir!“
In diesem Sinne … es bleibt spannend!
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