Just another German fawning over Obama. Sycophant … fawning …: die US-amerikanische Presse ist erstaunt über den Jubel, den Obama in Berlin ausgelöst hat. Aus dem Lager McCains, aber auch aus der Feder des Kolumnisten William Kristol von der New York Times liest man dabei immer wieder das Wort „fawning“, „the fawning Germans“ und ähnliches. Neuestes Beispiel:
Op-Ed Columnist – Be Afraid. Please. – Op-Ed – NYTimes.com
„No. 44 Has Spoken.“„Hank Aaron has spoken? Wow,“ I thought as I clicked through.
Nope. The article was by Gerhard Spörl, the chief editor of Der Spiegel’s foreign desk. „No. 44“ didn’t refer to the uniform number of the man some of us still consider the true all-time major-league home-run champion. It referred to the next president of the United States. The article’s premise was that an Obama victory is a foregone conclusion: „Anyone who saw Barack Obama at Berlin’s Siegessäule on Thursday could recognize that this man will become the 44th president of the United States.“
So it wasn’t Hank Aaron speaking. It was just another journalist fawning over Obama. That was a disappointment. But disappointment was quickly replaced by the healthier emotion of annoyance.
„Nicht so schnell, Herr Spörl,“ I thought …
Fawning – was ist damit gemeint? Auch hier hilft das Oxford Dictionary weiter. Es definiert to fawn – „mit bezug auf ein Tier, insbesondere einen Hund“ – als „das Zeigen von sklavischer Ergebenheit, insbesondere durch das Reiben an jemandem.“ Those fawning Germans – diese hündisch ergebenen Deutschen! Die Leichtigkeit, mit der den Amerikanern diese Worte über die Lippen kommen, weisen darauf hin, dass ein tiefsitzender Verdacht ausgelöst wird. Dieser Verdacht kann so in Worte gefasst werden: „Die Deutschen wollen gern zu jemandem aufschauen, sie suchen jemanden, dem sie sich unterwerfen können. Welche Verzagtheit muss in der deutschen Politik herrschen, dass ein Obama solche Wellen der Begeisterung auslösen kann!“ Ein tiefer Zweifel an den politischen Lichtbringern und Führern aller Art, vielleicht auch an den Deutschen, schlägt bei den Amerikanern da durch. Das ist gut für die Demokratie! In der Demokratie ist das Führungspersonal abwählbar. Das ist gut für das Volk!
Die USA haben – im Gegensatz zu anderen Ländern – keinen Mangel an guten Rednern. Die Tatsache, dass jemand brillant reden kann, gilt in den USA noch nicht als Ausweis ausreichender Befähigung zum Präsidentenamt! Hoffnung allein ist kein Programm.
Ich selbst hatte im Tiergarten bereits wenige Minuten nach Obamas Rede mit einigen amerikanischen Zuhörern gesprochen. Auch sie waren eher unbeeindruckt, rather underwhelmed, wie man auf Englisch sagt.
Letzten Sonntag sprach ich beim Warten auf den Zug in Briesen, einer winzigen Bahnstation in der Mark Brandenburg, mit einer Reisenden aus der früheren DDR. Erneut schlug mir abgrundtiefe Skepsis entgegen: „Wir kennen die großen Worte aus über 40 Jahren DDR-Geschichte. Wir sind ein für allemal geimpft gegen die großen Worte. Wem bedeutet denn die Tempelhofer Luftbrücke noch etwas? Wir haben die Obama-Übertragung abgeschaltet, es war unerträglich.“
Unser Bild zeigt ein Wegstück bei Briesen in der Mark Brandenburg, aufgenommen bei einer Radtour letzten Sonntag.
Ich fasse zusammen: Was dem einen sin ûl ist dem andern sin nahtigal. So ein mittelhochdeutsches Sprichwort. Es hat recht, wie fast alle Sprichwörter.
Was lernen daraus? Die Zuhörerschaft bei Reden ist vielfältig! Vielleicht nirgendwo vielfältiger als in Berlin, in Deutschland. Völlig unterschiedliche Lebensläufe treffen aufeinander. Nur der Kandidat wird in Berlin, in Deutschland Erfolg haben, der beides berücksichtigt: das abgrundtiefe Misstrauen gegenüber der Politik und den Parteien einerseits, sei es gegenüber dem „Kapital“, sei es gegenüber den „Linken“, sei es gegenüber „denen da droben“ oder „denen da drüben“. Die Objekte des Misstrauens sind austauschbar. Und andererseits die Sehnsucht nach Ehrlichkeit, nach reinem Wein, nach Vertrauen-Können. Es ist, als hörte man da immer wieder heraus:
„Wir möchten gern vertrauen, helft unserem Misstrauen!“
Womit wir zum Anfang zurückkehren: Vertrauen ist das kostbarste Gut in der Politik. Dieses Gut gilt es zu pflanzen, zu hegen und zu mehren. Ohne Vertrauen ist keine rational planende Politik möglich. Auch der vielbeschworene Konsens lässt sich nur auf der Grundlage des Vertrauens aushandeln.
Rationale Steuerung von Systemen – gut, dies mag die Aufgabe der Politik sein. Aber diese rationale Austarierung widerstreitender Interessen in der alltäglichen Kleinstarbeit kann nur gelingen, wenn ein gewisses Grundvertrauen da ist – eine Qualität, die sich nicht herbeireformieren lässt, sondern die letztlich eine Erfahrung ist. Diese Erfahrung des Vertrauens wurzelt im Wort. Im schlichten Wort, das stärker als die Wurfschleuder ist, stärker als der mediale Dauerbeschuss.
Dem designierten Präsidentschaftskandidaten Obama ist es in Berlin gelungen, diese Kraft des schlichten Wortes für sich in Anspruch zu nehmen. Deswegen sind die 200.000 Zuhörer zur Siegessäule gekommen. Sie wurden nicht enttäuscht. Ich berichtige: Ich zumindest wurde nicht enttäuscht.
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