Feb 032009
 

Wir sind schon ein lustiges Völkchen in Kreuzberg! Auch eine bundesweit berühmte Frau wie Seyran Ateş kann nicht umhin, mehrfach auf mein kleines Heimatdorf Kreuzberg einzugehen. Und auch unser direkt gewählter Bundestagsabgeordneter schafft es in die Seiten ihres so wichtigen Buches über den Multikulti-Irrtum. Auf S. 199 zitiert sie Herrn Hans-Christian Ströbele MdB mit seiner Forderung, einen oder mehrere gesetzliche islamische Feiertage einzuführen, „um so religiösem Fanatismus zu begegnen“.

Wie findet die islamische Autorin dies? Nun, sie schlägt derartige wohlgemeinte Geschenke rundweg aus. Sie schreibt: „Unschuldige Menschen wurden von fundamentalistischen Muslimen getötet, wegen ein paar Mohammed-Karikaturen brannten Fahnen und wurden Morddrohungen ausgestoßen, und der Zorn der Fanatiker soll mit dem Geschenk eines gesetzlichen islamischen Feiertags besänftigt werden? Das ist für mich ein Kniefall und vorauseilender Gehorsam gegenüber religiösem Fanatismus.“

Was meine ich dazu? Nun, wie so oft – stehe ich in der Mitte. In unserem Kindergarten wurde immer auch das Zuckerfest begangen, wir erhielten Leckereien und konnten uns über den Sinn des Festes unterhalten. Das finde ich gut, ich habe auch genascht und geplaudert,  man soll ruhig miteinander feiern und voneinander lernen. Da fällt mir ein – warum nicht auch einmal vom Sinn des Osterfestes oder von Weihnachten reden? Warum nicht vom jüdischen Laubhüttenfest? Eins der wichtigsten islamischen Feste, eben dieses Şeker Bayramı, das Zuckerfest, geht ja auf die uralte Überlieferung Israels zurück – und gleiches gilt für den christlichen Festkalender. Sowohl Christentum als auch Islam sind Nachfolgereligionen des antiken Judentums, ja sie bewahren sogar ganz entscheidende, prägende Erzählungen des alten Israel in den eigenen Festen auf. Und diese drei vorderasiatischen Religionen haben einen ganz wesentlichen Beitrag zu dem geleistet, was Seyran Ateş als „europäische Leitkultur“ einfordert und gutheißt.

Wenn dann solches gemeinsame Feiern in einer aufblitzenden Erkenntnis mündet:

„Das gibt es bei uns auch“

dann ist ein Kern von jener „Transkulturalität“ erreicht, gegen die auch Seyran Ateş nichts einzuwenden hat, die sie vielmehr sogar ausdrücklich wünscht.

Wir zitierten am 3.10.2007 in diesem Blog aus Fatih Akins großem Film „Auf der anderen Seite“ diesen Satz „Das gibt es bei uns auch …“ Ein Satz, der mir unauslöschlich im Gedächtnis geblieben ist! Ich halte ihn für wichtiger als jenes „Ich schau dir in die Augen, Kleines …“, das obendrein unvollkommen aus dem Englischen übersetzt worden ist.

Was gewinnen wir für unseren Bundestagskandidaten? Frau Ateş wird mutmaßlich Herrn Ströbele ihre Stimme verweigern. Möglicherweise hält sie ihn für einen jener realitätsblinden Multikulti-Gutmenschen, die zur misslichen Lage der türkischen Volksgruppe in Deutschland beigetragen haben.  Aber vielleicht erlebt man die beiden ja mal gemeinsam auf einer Podiumsdiskussion?

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