Feb 142009
 

13022009008.jpg Wie erwartet: Die Besichtigung des Bethanien gestern war nicht lustig, aber aufschlussreich. Besonders zu empfehlen: Das genaue Studium der aktuellen Wandinschriften im weithin gerühmten Südflügel des Gebäudes. Es ist ein Gebäude, das sich im Eigentum des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg befindet. Und was lesen wir denn da? Hier eine Kostprobe:

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Wir entziffern: Underground Ratmole: Anarchieordnung

Und darunter:

Wir entziffern: Freiheit

Aha. Der „Untergrund-Rattenmaulwurf“ verlangt die Anarchieordnung. Das soll wohl die Losung für das neue soziokulturelle Zentrum werden, das der Bezirk hier einrichtet. Aber wird die türkisch-arabische Bevölkerungsmehrheit im Kiez mit dieser Losung einverstanden sein? Zweifel sind angebracht. Wie die meisten Besatzungstruppen, scheinen auch die Besatzer des Bethanien-Südflügels keinerlei Interesse an den Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung zu haben.

Wie aber sieht die so ersehnte Freiheit nach den Vorstellungen der Besatzungstruppen im Südflügel aus? Die Antwort kann man jederzeit auf einem ganzen Quadratmeter darüber nachlesen. Im Südflügel. Im Bethanien. Wir entziffern getreulich, was wir gestern lasen:

ihr kriegt uns hier nicht raus, das ist unser HAUS, schmeißt doch endlich Schmidt, Merkel, Stoiber, Ströbele, THIERSE, FISCHER, WESTERWELLE und TRITTIN aus DEUTSCHLAND RAUS

(Großschreibung lt. Original)

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Mit den Besatzungstruppen, vertreten durch den Verein Druschba e.V., die solche Vorsätze auf ihre Zimmerwände schreiben, hat unser Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg soeben einen gültigen Mietvertrag geschlossen. Die Besatzer des Bethanien sinnen also ganz offen auf eine große Säuberungswelle, die DEUTSCHLAND endlich von den Vertretern des verhassten „Systems“ befreien soll. Das ist ihre Vorstellung von Freiheit.

Man kann die Ideale der Bethanien-Besatzer auch so formulieren: „Wir nehmen uns die Freiheit, euch jene Freiheit zu nehmen, die ihr uns gegeben habt. Wir werden uns diese Freiheit weiter nehmen. Dann seid ihr dran, endgültig.“ Ihr mutmaßliches Ziel: Ein Deutschland ganz in ihrer Hand. Schaut euch doch genau die Graffiti an, die das Gebäude nahtlos innen und außen bedecken. Wichtig: Man muss Englisch und Deutsch können, um sie zu verstehen.

Das ehemalige Diakonissenkrankenhaus Bethanien im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gleicht heute einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt, in der einige sich selbst einliefernde, schwerst wahngestörte Patienten die Macht ergriffen haben und nun mit dem Klinikpersonal – den Ärzten, Betreuern und Schwestern aus dem Bezirksamt – darüber verhandeln, ob die Rollen vertauscht werden sollen nach dem Motto: „Ihr fliegt raus – wir bleiben!“

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Mir wurde gestern eines klar: Der Bezirk spielt, seit die Besatzer 2005 in den Südflügel einmarschierten, den Biedermann, der die „Brandstifter“, die  in Gestalt der Druschba-Besatzungstruppen auftreten, vertraglich beschwichtigen oder „einbinden“ will. Druschba heißt ja Freundschaft! Und wer mit diesen freundschaftlichen Besatzern Verträge schließt, sollte auch das Großgeschriebene zur Kenntnis nehmen: Die geplante Vertreibung der verhassten deutschen Funktionselite quer durch alle Parteien – nebenbei einschließlich unserer bürgerlichen Mehrheitspartei im Bezirk – Die Grünen.

Die Schrift ist an der Wand, man muss sie nur zur Kenntnis nehmen.

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Die erste Vertreibung haben die freundschaftlichen Besatzungstruppen bereits erreicht. Das Künstlerhaus Bethanien, einer der wichtigen Mieter dieses bezirkseigenen Gebäudes, verlässt in diesem Jahr das Haus. Nicht ohne noch einen höchst freundschaftlichen Fußtritt vom Vermieter in Gestalt einer doppelt bis dreifach erhöhten Miete zu erhalten.

Wird die Musikschule folgen und ebenfalls vertrieben werden? Ein hoffnungsvoller Anfang ist gemacht! Man darf gespannt sein, wie lange der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg das Besatzungsregime noch unterstützen wird.

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Zur Vertiefung des Hintergrunds empfehle ich, im Archiv der Berliner Zeitung das Stichwort „Bethanien“ einzugeben. Dann tauchen nämlich die zugehörigen Artikel nicht in zeitlicher Ordnung auf. Man wird dann, wenn man das Datum der Veröffentlichung einmal beiseite lässt, das ganze lustige, labyrinthisch wuselnde Katz-und-Maus-Spiel, in dem das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg sich schon seit 2005 zum Narren halten lässt,  wunderbar nachvollziehen. Dazu reicht es aus, die Überschriften nachzulesen. Hier nur einige wenige:

„Ein garstiges Allerlei“ – „Alles auf Anfang“ – „Nase voll von den Besetzern und der Politik“

Alle Fotos zeigen das ehemalige Diakonissenkrankenhaus  Bethanien am gestrigen Tage. Der frühere Zustand ist derzeit noch in der Wikipedia unter Bethanien (Berlin) zu betrachten.

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