Apr 082009
 

Der Tagesspiegel veröffentlicht heute wieder einmal einen jener bitterbösen Kommentare über rücksichtslose Radler – es lohnt sich, den Artikel und  vor allem die Kommentare hierzu zu lesen. Die Kommentare belegen, wie schwer es fällt, sich in die Sichtweise des jeweils anderen hineinzuversetzen. Alle schimpfen auf die jeweils anderen, alle haben sie ja soo recht!

Immer wieder werde ich beim Fahrradfahren angesprochen: „Toll! Sie sind der erste Radfahrer, der bei Rot hält! Was ist los?“ Oder: „Toll, dass du das Rad durch den Hof schiebst – die anderen zischen immer durch, haben mich und meinen Hund schon zweimal angefahren!“

Aber: Ich sehe immer wieder vereinzelte Radler in Berlin, die bei Rot anhalten, die nicht auf Gehwegen radeln, die Rücksicht auf Fußgänger nehmen, die den Radweg nicht in der falschen Richtung benutzen. Diese Radfahrer müssen mehr werden. Es tut gut! Als Fahrradaktivist sehe ich Legitimationsprobleme, wenn zum Beispiel Fahrradstreifen, für die wir kämpfen, nicht angenommen werden, sondern weiterhin auf dem Gehweg in falscher Richtung gefahren wird.

Meinem Sohn muss ich wieder und wieder erklären: „Bei Rot hält man an. Man fährt als Erwachsener nicht auf dem Gehweg.“ Er sieht, dass eine sehr hohe Zahl der Radfahrer sich nicht an diese einfachsten Regeln hält.  Welches Bild erhält er von dieser Gesellschaft? Etwa dieses: MACH WAS DU WILLST, ABER LASS DICH NICHT ERWISCHEN!

2008 gab es in Berlin 7672 Radunfälle. Zwölf Radler starben, über 500 wurden schwer verletzt. Bei einem großen Teil dieser Unfälle hatten sich die Radfahrer durch grobe Regelverletzung selbst in Gefahr gebracht.

Ein jeder kehre vor seiner eigenen Tür! Obama macht es vor: Er ist einer der ganz wenigen, die unumwunden die eigenen Fehler  und auch die Fehler des eigenen Landes zugeben und daran arbeiten, dass diese nicht wieder vorkommen. Was er im großen vormacht, das sollte doch uns im kleinen auch gelingen, oder? Es nützt nichts, immer mit dem Finger auf die anderen zu zeigen. Dass ein großer Teil der Berliner Radfahrer sich nicht an die wichtigsten Verkehrsregeln hält, kann man jederzeit an irgendeiner Ampel, an irgendeinem Fahrradweg überprüfen.

Wir brauchen den Mentalitätswandel bei den Berliner Fahradfahrern. Change now!

Dann wird man auch nicht mehr so polemisch zugespitzte Artikel im Tagesspiegel lesen müssen.

Es ist Frühling – der Fahrradterror beginnt
Den meisten harm- und wehrlosen Fußgängern ist gewiss bewusst, dass auch der Fahrradterrorist mancherlei Anfeindungen ausgesetzt ist. Der Kollege aus dem zweiten Stock zum Beispiel, ein überzeugter Fahrradterrorist, zieht aus diesem Grund für den kommenden Sommer die Bewaffnung in Erwägung, um sich, solcherart aufgerüstet, der Attacken der Automobilterroristen zu erwehren. Im Grunde genommen will er sich ihrer nicht erwehren, er will sich an ihnen rächen. Ein niederes Motiv. Ein Motiv, das indes zeigt, dass auch in diesem Sommer keine Toleranz von niemandem zu erwarten ist. Der Autofahrer beansprucht sein Recht der Straße, der Fahrradfahrer und, in seiner teuflischsten Mutation, der Fahrradkurier, beharrt auf seinem Recht der Straße und auf seinem Recht des Trottoirs und auf seinem Recht der Fußgängerzone. Und der Fußgänger, der stille Flaneur? Was bleibt dem?

 Posted by at 13:32

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