Apr 152009
 

Vielsprechend klingt ein Konzept, über das heute die Berliner Zeitung berichtet. Lest es euch durch: Es kostet viel weniger als Shared Space, es führt zu einer Gleichberechtigung zwischen Verkehrsteilnehmern. Allerdings müssten auch die Radfahrer sich an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h halten. Ob wir das schaffen?

Freie Bahn für Fußgänger – Berliner Zeitung
Autos dürfen nicht schneller als Tempo 20 fahren, dagegen haben Fußgänger überall den Vortritt. Sie dürfen jederzeit und an allen Stellen die Fahrbahn überqueren. So geht es in den mehr als 300 Begegnungszonen zu, die es inzwischen in der Schweiz gibt. Was sich in dem Nachbarland bewährt hat, könnte auch in Berlin funktionieren, heißt es im Senat. Nach seinem Willen sollen Berliner Nebenstraßen ebenfalls zu Begegnungszonen werden – zunächst versuchsweise. „Wir werden die Bezirke nun bitten, uns Straßen zu nennen, die für Modellprojekte geeignet wären“, sagte Heribert Guggenthaler aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Ein Kandidat könnte die Bergmannstraße in Kreuzberg sein.

Der Senat will Berlin fußgängerfreundlicher machen. Schließlich wird hier rund ein Viertel aller Wege per Pedes zurückgelegt, in Innenstadtbereichen sogar mehr als die Hälfte. Begegnungszonen könnten dazu beitragen, Nebenstraßen, auf denen besonders viel flaniert wird, sicherer und noch attraktiver zu machen, so Guggenthaler. „Mehr Rücksichtnahme ist das Ziel“, sagte der Referatsleiter für die Gestaltung von Straßen und Plätzen. Die Bergmannstraße, die sich in Kreuzberg als Kiez-Boulevard etabliert hat, wäre ein gutes Versuchsgebiet.

Wo in der Schweiz das entsprechende blau-weiß-rote Verkehrszeichen steht, dürfen Fußgänger die gesamte Verkehrsfläche benutzen – inklusive der Fahrbahn. „Sie sind gegenüber den Fahrzeugführern vortrittberechtigt, dürfen die Fahrzeuge aber nicht unnötig behindern“, heißt es in der „Signalisationsordnung“ des Nachbarlandes. Alle Fahrzeuge dürfen nicht schneller als 20 Kilometer in der Stunde fahren. Parken ist möglich – aber nur dort, wo Verkehrszeichen oder Markierungen dies ausdrücklich erlauben. Das gilt auch für Fahrräder.

Größere Straßenumbauten sind nicht erforderlich. „Die Bordsteine bleiben, die Bereiche für Fußgänger und Fahrzeuge sind weiterhin voneinander getrennt“, so der Planer. Dadurch sind Begegnungszonen billiger als „Shared-Space-Bereiche“, wie sie in den Niederlanden und im niedersächsischen Bohmte zu finden sind. Denn in „gemeinschaftlich genutzten Räumen“ (so eine Übersetzung) gibt es keine Bordsteine mehr, stattdessen eine Verkehrsfläche für alle. Auch Ampeln, Verkehrsschilder und Markierungen passen nicht zu diesem Konzept. Der Senat sieht es nicht nur wegen der Kosten skeptisch, sondern auch deshalb, weil Parkplätze nach der reinen Lehre in solchen Bereichen nicht vorgesehen sind. Damit drohten „Akzeptanzprobleme“. In Großstädten könnten Begegnungszonen also „unter Umständen die bessere Lösung sein“.

Deshalb lehnt der Senat auch den Vorschlag ab, die Tauentzienstraße in der City-West als „Shared Space“ zu gestalten. Sicher müssten in diesem Fall die parkenden Autos verschwinden, sagte die Bürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Monika Thiemen (SPD). Dafür würde die Straße für Einkaufsbummler und Spaziergänger attraktiver. „Wir sollten hier mutig denken“, bekräftigte Thiemen gestern. Doch wenn „Shared Space“ dort nicht möglich ist, könnte die Tauentzienstraße auch eine Begegnungzone à la Schweiz werden.

 Posted by at 14:59

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