Mai 022009
 

01052009002.jpg Genau diese Meinung scheint die Frau Ditfurth zu hegen. Sie wurde gestern mit dem Satz zitiert: „Die soziale Ordnung in Deutschland bleibt eine Gefängnisordnung.“ Gnä‘ Frau, ich hege den Verdacht, dass gnä‘ Frau sich irren!

Aber fragen wir uns im Ernst: Wie schaut es in deutschen Gefängnissen aus? Fragen wir doch – den Häftling Heribert!  Häftling Heribert ist nicht auf den Mund gefallen, er berichtet für uns im Magazin der Süddeutschen Zeitung von gestern aus dem Inneren jener Gefängnisordnung, von der Frau Jutta so vollmundig behauptet, sie wisse, wie es darin zugeht. Heribert hat etwas Tolles gemacht: Er hat sich umgehört – wie schaut’s in anderen Gefängnissen aus? Was sagt zum Beispiel Dimitri? „Dimitri hat internationale Knasterfahrung, er kennt die russischen Gefängnisse von innen. In der JVA Oldenburg sitzt er, weil er ohne Ticket gefahren ist.“ Wie schneiden unsere deutschen Gefängnisse im internationalen Vergleich ab? Fragt Russen wie Dimitri! Sie schneiden nämlich sehr schlecht ab! Schockierend: Dimitri scheint den Knast nicht für voll zu nehmen. „Kein Vergleich“, sagt er, „eher Sport hier.“ Ich meine: Ein klarer Fall für amnesty international!

Und sonst? Der Bericht des Häftlings Heribert erinnert mich in vielem an den Bericht des taz-Redakteurs Christian Füller  über die gute Schule. Gute Schule ist möglich. Guter Knast ist möglich. Die JVA Oldenburg ist ein gutes Gefängnis! Denn sie stärkt die Eigenverantwortung der Insassen, sie ist liberal und konsequent zugleich, sie behandelt die Gefangenen als „Staatsbürger hinter Gittern.“ Vorbildlich! Nebenbei: Nach gesicherten Erkenntnissen werden etwa 50% aller jungen Männer im Laufe ihres Lebens bis zum Alter 25 Jahren straffällig – das heißt, sie begehen eine Straftat, die dann irgendwie aktenkundig wird. Selbstverständlich landen nicht alle dieser Straffälligen vor den Schranken eines Gerichts, aber Straftaten begangen werden von der Hälfte aller jungen Männer in Deutschland. Kriminalität entspringt also aus der Mitte der Gesellschaft. Wie wir damit umgehen, ist ein Gradmesser unserer Kultur.

Zitieren wir SZ-Häftling Heribert mit seinen sehr schönen Schlussworten! Bitte mehr davon!

Im Gefängnis arbeiten keine Wärter, sondern Leute mit souveräner Leidenschaft und hoher Frustrationsschwelle. Leute, für die ein Tag gut ist, weil der renitente Gefangene sich endlich ein »guten Morgen« abquetscht. Hier im Gefängnis findet man einen Direktor, der begeistert ist, wenn er Häftlinge vom geschlossenen in den offenen Vollzug übergeben kann. Gerd Koop ist ein Haft-Manager (kein Jurist, sondern Sozialarbeiter mit Management-Ausbildung), der das Gefängnis als »Brücke ins Leben« betrachtet. Auf dieser Brücke steht er wie ein kleiner Franz von Assisi und spricht mit missionarischer Inbrunst. Er ersteigert eine Augenarztpraxis bei Ebay und staffiert eine Arrestzelle damit aus (die Gefangenen brauchen dann nicht in die Stadt »ausgeführt« zu werden, das ist riskant und teuer); er baut für eine Million eine neue Tischlereihalle (die Gefängnisprodukte sollen auf dem Markt bestehen können); er macht aus dem offenen Vollzug
der Gefängnisaußenstelle Wilhelmshaven ein Resozialisierungs-Schmuckstück. Das alles funktioniert auch deswegen, weil die Gefängnisse in Niedersachsen »budgetiert« sind; das heißt: Sie können finanziell weitgehend selbstständig arbeiten. Das beflügelt, das bringt einen neuen Geist in die Gefängnisse.

Wenn Vollzugsbeamte gut sind, behandeln sie die Häftlinge als Staatsbürger hinter Gittern. Die allermeisten Gefangenen bleiben nicht ewig Gefangene. Morgen sind sie wieder unsere Nachbarn. Diese Erkenntnis kann Gefängnisse verändern.

Wer immer von Gefängnisordnungen faselt und schwafelt, dem sei ein Besuch in russischen Gefängnissen wärmstens ans Herz gelegt – und anschließend ein Sozialisierungsaufenhalt in der JVA Oldenburg. Aber lest selbst:

Süddeutsche Zeitung Magazin – Gesellschaft/Leben: Die Welt als Zelle und Vorstellung

Das Bild zeigt einen Blick in unser Sozialgefängnis – gestern, Oranienstraße, Kreuzberg. Wir waren drin!

 Posted by at 11:19

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