Feb 132010
 

Die Berliner Neocons waren vorhin in einem recht lustigen Konfetti-Licht erschienen. Die Paarung von verstockt-konservativer Bewahrung des Status quo und aktionistischer Überraschung entlockte uns kaum mehr als ein müdes Lächeln. Was schrieb nun gestern eine andere Quelle, der Tagesspiegel, über dasselbe Ereignis? Lest selbst:

Klaus Wowereit: Auf Spikes und Socken durch Neukölln
Auf dem Boden des Quartiersmanagement-Büros, das die Entwicklung des armen und größtenteils von muslimischen Einwandererfamilien bewohnten Viertels koordinieren und fördern soll, liegt Konfetti. Das hatte eine Gruppe von etwa zehn linksautonomen Protestierern am Nachmittag zuvor verstreut. Die Gruppe war, unkenntlich gemacht mit weißen Masken, am Mittwoch in die Räume an der Schillerpromenade eingedrungen, hatte Mitarbeiter des Quartiersmanagements bedrängt, als Rassisten beschimpft und Plakate aufgehängt, auf denen stand, dass man wiederkommen werde.

Hintergrund der seit einem guten halben Jahr anhaltenden Attacken auf das Quartiersmanagement ist neben der Angst vor einer mit Mietsteigerungen verbundenen Aufwertung des Viertels die sogenannte Task Force Okerstraße, eine Arbeitsgruppe von Sozialarbeitern, Mitarbeitern des Bezirksamtes und der Polizei, die in einem als sozial besonders schwierig geltenden Teil des Viertels eingesetzt werden. Für die linksradikalen Systemkritiker ist das Teil der „gewaltsamen Umgestaltung des Kiezes“ – aus Senatssicht ist es der Versuch, der Not und den wachsenden Spannungen unter den Bewohnern etwas entgegenzusetzen.

Bedrängen, beschimpfen, bedrohen – vor allem aber die Wortkeule „Rassisten“ – das ist schon ein anderes Kaliber! Wenn das stimmen sollte, was der Tagesspiegel berichtet, dann wäre hier die Grenze zwischen Fasching und Faschismus überschritten. Denn Beschimpfen, Bedrängen, Bedrohen, Beleidigen, lustige Verkleidungen und Uniformen, Rollkommandos, Überfälle, Feindschaft gegen „Immobilien-Itzigs“ – das ist ja das Instrumentarium des Faschismus. Damit fing der italienische Faschismus in den 20-er Jahren an. Damit fing der deutsche Faschismus (der Nationalsozialismus) an. Die Feindschaft gegen den vermeintlichen damaligen „Immobilienkapitalismus“ war ein ganz wesentliches Merkmal der braunen Genossen um Hitler. Damals, in den 30er Jahren, hetzte man gegen die „Immobilien-Itzigs“, heute bekämpft man die „Immobilien-Heinis“. Ob nun „Itzig“ oder „Heini“, der Name spielt keine Rolle. Die Nazis haben später mit gigantischen Verbrechen dafür gesorgt, dass all die „Itzigs“ verschwunden sind. Wesentlich für rechts- und linksfaschistische Systemkritiker ist der gezielte Aufbau und die sorgsame Pflege eines Feindbildes.

Welcher Quelle soll man nun mehr trauen? Dem äußerst unabhängigen Blog der Berliner Neocons, indymedia, oder der altehrwürdigen Stimme des progressiven Berliner Bürgertums, dem Tagesspiegel?

Meine Antwort: Ich war nicht dabei. Ich kann dazu nichts sagen. Über mich persönlich hat der Tagesspiegel bisher nur sachlich Zutreffendes berichtet. Insofern genießt er weiterhin mein Vertrauen.

Dies ist nur eine Übung für euch Leser. Ihr könnt euch selbst ein Bild machen. Es herrscht Pressefreiheit.

 Posted by at 12:13

  2 Responses to “Fasching oder Faschismus? (2)”

  1. Ich entnehme der Nachricht tatsächlich vor allen Dingen, daß das Quartiersmanagement allen Unkenrufen zum Trotz zumindest eine gewisse Wirkung zeigt. Mich würde natürlich interessieren, wie viele Menschen dadurch zu den „Aufsteigern“ werden, von denen so viele reden. Der eine oder andere sollte schon dabei sein. Schließlich explodiert die Bevölkerung von Berlin ja nicht, was die Preise treiben könnte. Eine kleine Anmerkung zu Loewe. Es ist sicher richtig, daß der Staat nicht der Bereicherung einer gewissen Gruppe dienlich sein soll, sondern den Wohlstand der ganzen Bevölkerung steigern soll. In der Regel allerdings werden Anlieger für Straßenverbesserungsarbeiten herangezogen und ein Teil der Kosten oder auch die gesamten (Details dazu weiß ich nicht) auf diese umgelegt. Eine Nichtbeachtung dieser Tücke hat schon manche kleinen Hauseigentümer, die Ihr gesamtes Geld ins Haus gesteckt hatten und plötzlich noch für die Straßenarbeiten zahlen mußten, das Genick gebrochen.
    Die Hausbesetzer dagegen, die dieser Szene offensichtlich nahestehen oder möglicherweise identisch mit denen sind, erhalten kostenlos oder spottbillig Wohnraum von der Stadt, ohne je die Bedürftigkeit nachzuweisen.

  2. Ich steh da schon auch auf der Seite Wowereits und des Quartiermanagements — aber diese Immobiliengeschäfte sind mir auch nicht geheuer.

    Das hat wohl damit zu tun, dass unsere Gesellschaft es Privatpersonen erlaubt, erheblich abzusahnen, wenn der Steuerzahler durch seine Investition den öffentlichen Raum aufwertet.

    Es sollte so etwas wie eine Wertsteigerungsabgabe geben. Zum Beispiel: Wird eine Straße verkehrsberuhigt und anwohnerfreundlich möbliert, zahlen die Hauseigentümer anteilig einen Beitrag dazu, gemäß der Mietsteigerungen bzw. der Wertsteigerung der Eigentumswohnungen. Es gäbe auch noch andere Instrumentarien, privaten Gewinn aus öffentlicher Investition zur Finanzierung von Infrastrukturverbesserungen heranzuziehen.

    Was die linksgspinnerten „Neocons“ betrifft: Ich seh sie als Symptom, nicht als die Krankheit selbst. Sie zeigen uns, dass wir was falsch gemacht haben, oder dass da was schief läuft und wir was dazulernen müssten.

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