Jun 182010
 

„Müsste also auch der Sozialstaat für Deutsche gekappt werden? Auch für allein-erziehende Mütter, zum Beispiel? Auch in Gegenden, in denen es tatsächlich viel zu wenig Arbeitsplätze gibt?“

Einige sehr gute Fragen aus München von Loewe!

Gut ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen in Berlin ist auf Hartz IV angewiesen. 44 Prozent der von Hartz IV betroffenen Kinder wiederum leben in Berlin mit Alleinerziehenden zusammen (taz, heute, S. 18). Wie reagiert der Staat? Soll der Staat die finanzielle Absicherung der Alleinerziehenden verbessern? Soll er weitere finanzielle Anreize setzen, Kinder ohne Vater bzw. ohne Mutter aufzuziehen? Ich sage: Nein.

Ich meine: Der Staat muss mehr positive Anreize für das Gemeinsam-Erziehen – und negative Anreize gegen das Alleinerziehen setzen. Etwa durch Steuern, etwa durch Abschaffen des Ehegattensplittings für Kinderlose und konsequente steuerliche Besserstellung der Familien mit Kindern (ersatzweise bei Abschaffung oder Kürzung des Kindergeldes).

Warum bringen die Schulen den Jugendlichen nicht bei, wie man eine Familie gründet? Warum versäumen es Schule und Gesellschaft, die junge Generation in ein lebbares Modell der Familie einzuführen?

Berliner Kinder lernen heute bereits in der Grundschule (Klasse 6) anhand einer Banane im Unterricht, wie man ein Kondom überzieht. Das halte ich für richtig, auch wenn natürlich viel gekichert wird und viele muslimische Eltern empört sind. Sex bei minderjährigen Schülerinnen und Schülern unter 16 Jahren ist heute gang und gäbe. Die Schülerinnen und Schüler erfahren das Wichtige über Sex und Verhütung. Sie wissen, wie „es“ geht.

Aber: Sie erfahren in der Schule und auch anderswo nichts darüber, wie man Kinder erzieht, wie man eine Familie gründet und zusammenhält. Wie kocht man für eine Familie? Fehlanzeige! Die Kinder erfahren es nicht. Viele Väter und Mütter wissen es nicht, wie man kleine Kinder ernährt und erzieht. Aber sie erfahren, wie man ein Kondom überstreift, wann die fruchtbaren Tage sind usw. usw.

Es gibt in den Schulen Sexualkundeunterricht. Gut. Richtig.  Aber es gibt keinen Familienkundeunterricht! Das halte ich für einen Skandal, ein unentschuldbares Versäumnis.

Folge: Wenn ein Kind kommt, sind die allermeisten Eltern völlig unvorbereitet. Viele sind überfordert. Viele Kinder lernen nie eine intakte, vollständige Familie kennen.

Viele Väter machen sich aus dem Staub, entziehen sich den Unterhaltspflichten.

Der Staat muss den Vätern und Müttern, die ihren Unterhalts-und Erziehungspflichten nicht nachkommen, viel schärfer zusetzen. Ich finde: Er muss sie zum Zahlen zwingen, notfalls mit mehr Zwangsmaßnahmen auch zum Geldverdienen antreiben. Das geschieht jetzt einfach nicht.

Dass so viele Kinder bei Alleinerziehenden aufwachsen, ist auch eine Folge des Sozialstaates. Denn die Väter und Mütter wissen: „Wenn ich mich nicht kümmere und nicht zahle, wird es der Staat tun.“

„Alleinerziehen ist Scheiße.“ So drückte es mir gegenüber einmal eine alleingelassene Mutter aus.

Ich meine in der Tat: Die jungen Menschen müssen davor abgeschreckt werden, eine Familie als Alleinerziehende zu planen. Es geht meistens nicht gut. Zur materiellen Sicherheit der Kinder scheint es mir unumgänglich, dass eine Familie, also eine Gemeinschaft aus mindestens zwei dauerhaft verbundenen  Erwachsenen da ist, die alle nötigen Mittel bereitstellt, damit das Kind ohne staatliche Hilfe großwerden kann. Großeltern, Tanten, Onkel, Geschwister – alles sollen zusammenstehen, damit Alleinerziehen nicht zur Beeinträchtigung des Lebensglücks führt. Die erweiterte Familie sollte ein Netz aufspannen. Alle, die können, müssen sich des kleinen Kindes anehmen. Sie dürfen diese Pflicht nicht an den Staat delegieren.

Der Staat sollte nur als letzte Möglichkeit bereitstehen. Man sollte das Sozialsystem nicht so anlegen, dass es zum Alleinerziehen geradezu ermuntert.

„Sozialhilfe kappen auch in Gegenden, in denen es tatsächlich viel zu wenig Arbeitsplätze gibt?“

Wenn es in einer Gegend zu wenig Arbeitsplätze gibt, dann wandern die Menschen ab. Das war immer so, und das ist richtig so. Erst durch den Sozialstaat ist eine große räumliche Immobilität eingekehrt. „Warum soll ich umziehen – ich habe hier alles!“, sagte mir einmal ein Kreuzberger Arbeitsloser, dem eine Stelle in Saarbrücken angeboten worden war.

Ich fasse zusammen: Der heutige Sozialstaat hat eine ganze Reihe von schwersten Fehlentwicklungen hervorgebracht: Bequemlichkeit, Faulheit, Immobilität, eine große Verantwortungsscheu bei vielen werdenden Vätern, zu viele Alleinerziehende, die eigentlich „Alleingelassene“ sind, eine völlige Unbekanntschaft mit der richtigen, der nachhaltigen Art der Familiengestaltung.

Das sind alles schwere Versäumnisse, die unsere Kinder ausbaden müssen. (Und nirgendwann auch wir selbst).

Denn wie sagt Mephisto so schön:

Am Ende hängen wir doch ab
Von denen, die wir machten.

 Posted by at 16:32

  2 Responses to “„Wie zieht man ein Kondom über?“ „Und wie gründet man eine Familie?“”

  1. Wenn Sie den Sozialtransfer kappen – etwa zeitlich, oder was die Höhe oder die Berechtigung anbelangt – dann erwischen Sie den einen oder anderen Fall von Missbrauch und den einen oder anderen Fall einer Person, die schon könnte, wenn sie müsste.

    Aber ÜBERWIEGEND würden Sie Menschen ins Elend treiben, die wirklich nicht die Möglichkeiten haben, die Sie, Herr Hampel, unterstellen.

    Das werden Sie wohl bestreiten. Sie werden sagen, ÜBERWIEGEND werden sich die aufs Trockene Gesetzen selber auf die Hinterbeine stellen, und die anderen werden verdientermaßen verelenden.

    Einmal, wer hat nun recht, ich oder Sie, mit der Annahme, was „überwiegend“ der Fall wäre? Wie finden wir das heraus?

    Zweitens, selbst wenn Sie recht hätten und es wären nur 30% Fälle, in denen das Kappen des Sozialtransfers jemanden trifft und ins Elend stürzt, der tatsächlich keine Chance hat — wäre dies ethisch zu rechtfertigen? Außerdem: Welche zusätzlichen Kosten würde es nach sich ziehen?

    Wenn ich mir Ihr Modell in Bilder umsetze, dann sehe ich Millionen von Obdachlosen, von Pennern, von herumstreunenden Jugendlichen, von Gangs, die auf Handtaschenraub ausgehen, von Kindern, die im Müll nach Essbarem suchen …

    Vermutlich haben Sie andere Bilder im Kopf. In Ihrer Vorstellung raffen sich nun vermutlich Millionen von bisherig faulen Transferempfängern plötzlich auf, ordentlich jede Arbeit anzunehmen und ohne staatliche Beihilfe dafür zu sorgen, dass genug Mittel erarbeitet werden, um die Familie durchzubringen.

    Sie werden es mir nicht übel nehmen, wenn ich mein Szenario der massenhaften Verelendung für das wahrscheinlichere bzw. häufigere halte, und das (meiner Vermutung nach) Ihre eher für Wunschdenken.

    Ich bin mir bewusst, dass ich mich in so etwas leicht täuscht und deshalb überlegen sollte, ob und wie ich meine Überzeugung überprüfen und gegebenenfalls korrigieren könnte.

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