Sep 052010
 

Eine erstklassige  Unterhaltungsserie über Sozialpsychologie läuft derzeit in allen deutschen Medien. Viele spielen dabei mit. Vorausetzung dafür ist, dass man das Buch nicht gelesen hat und der Mehrheitsmeinung folgt. Hat man das Buch gelesen – was bisher nur sehr wenige getan haben – taugt man nicht mehr für eine Rolle als Mitspieler in der Unterhaltungsserie und kann sich deshalb ganz entspannt zurücklehnen und genießen.

Man sollte das ganze Gewitter, das auf Thilo Sarrazin herniedergeht, nicht als antirassistische Hetzkampagne bezeichnen, denn dazu ist es doch zu durchschaubar. In dem Maße, wie die Menschen Sarrazins Buch lesen, werden die Argumente gegen ihn in sich zusammenstürzen, aber jetzt läuft eben diese Seifenoper noch, und deshalb wollen wir uns ihr noch weiterhin widmen.

Ganz wichtig ist es, die Sündenbockrolle zu erkennen, in die Sarrazin hineingedrängt wird.  Ein Hauptargument der Hetzer und Petzer ist es, Sarrazin die Schuld an dem beklagenswerten Zustand der Nicht-Integrationspolitik zu geben. Immer wieder kann man es lesen: Sarrazin schade der Integration, er mache es den Muslimen unmöglich, sich zu integrieren, er „spalte“, er „vergifte“.

In diesem Sinne hat sich sein Parteifreund und ehemaliger Boss Wowereit wiederholt geäußert. So auch heute wieder:

Sarrazin-Thesen: Konservative fordern harte Integrationsdebatte – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
„Solche Kampagnen zielten auf kurzfristige parteipolitische Vorteile, haben unser Land in der Integrationspolitik aber um Jahre zurückgeworfen„, kritisierte Wowereit. „Mit Thilo Sarrazin muss diese Liste nun leider ergänzt werden.“

Wir verstehen: Da Sarrazin nicht alles so toll findet wie Wowereit, ist er selber an dem ganzen Elend schuld. Die gleiche Tonart fanden wir vor einigen Tagen bei Heinz Buschkowsky im ZDF heute-Magazin: „Ich habe Thilo um Geld gebeten, er hätte uns Neuköllnern als Finanzsenator mehr Geld für soziale Projekte geben können, doch hat er das nicht getan.“ Folge: Der Finanzsenator hat durch die Sanierung des Haushaltes die Integration der Muslime verhindert. Er hat es bevorzugt, den Haushalt der Berliner für ein Jahr in Ordnung zu bringen, statt durch weitere Millionen im Minutentakt die Integration der Zuwanderer zu bewirken. Er ist selbst an allem schuld.

Ein klassischer Abwehrreflex! Der Überbringer der Nachricht wird für das Übel in Haftung genommen.  Das alles war schon in den Tragödien des Sophokles so.

 Posted by at 20:40

  One Response to “„Sarrazin hat uns um Jahre zurückgeworfen!“”

  1. Bisher bin ich immer noch nicht dazu gekommen das Buch von Sarrazin zu lesen. Ist bei uns in Frankfurt leider immer noch nicht zu haben. Aufgrund der Medienberichte bin ich zwar skeptisch, aber ich will mir selbst ein Bild davon machen. Was mich aber extrem empört ist, dass Sarrazin jetzt Polizeischutz braucht. Das geht natürlich nicht, Wenn wir schon soweit sind, dann stimmt wirklich etwas nicht mit unserem Land. Noch empörender ist, dass die Merkel dazu gar nix sagt. Und der Gabriel auch ncihts.

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