Okt 162011
 

Sprich mit Verbrechern, sprich mit Psychiatern, sprich mit Polizisten, sprich mit Soziologen, sprich mit Lehrern! Bei den meisten Schwierigkeiten mit Sucht, Bildungsversagen, Schulabbruch, Lernverweigerung, Krankheit, Kriminalität und Arbeitslosigkeit wirst du in der Ursachengeschichte einen abwesenden, schwachen, prügelnden oder versagenden Vater finden!

Die kulturelle Entmachtung des Vaterbildes ist weiter in vollem Gange. Es ist ein historischer Vorgang ungeheuren Ausmaßes, dessen Zeugen wir seit etwa 1980 werden. Soeben lese ich den Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ von Eugen Ruge. Da ist er wieder, der Vater, wie er seit 1980 wieder und wieder beschrieben wird: dement, inkontinent, hilflos, ein Gegenstand des Mitgefühls und des Mitleids für den Sohn. Lies:

– Mach auf, rief Alexander.
Kurt kam näher, glotzte.
Mach auf!
Aber Kurt rührte sich nicht.

Alexander schloss auf, umarmte seinen Vater, obwohl ihm die Umarmung seit langem unangenehm ware. Kurt roch. Es war der Geruch des Alters. Er saß tief in den Zellen. Kurt roch auch gewaschen und zähnegeputzt.

Erkennst du mich, fragte Alexander.

Ja, sagte Kurt.

Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmenden Lichts. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, September 2011, hier S. 8

An Stelle des versagenden Vaters rückt der mütterliche, der fürsorgliche, der alles-verzeihende, alles-besorgende Staat. Der Staat wird zur Übermutter, an den sich die von allen guten Vätern Verlassenen wenden dürfen.

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