Apr 042020
 

Raffaello Santi: Madonna Solly (um 1502), Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin, im Original gesehen am 13.03.2020, 17.10 Uhr

In dieser Zeit des Stillehaltens, dieser „staden“ Zeit, wie man auf Bairisch sagt, fanden wir gestern die Muße, eine Rundfunksendung des SWR zu hören, die schon auf den 6. April 2020 vorausweist, den Tag, an dem sich der Todestag des Malers Raffaello Sanzio zum 500. Mal jährt. Ihr Titel lautete „Der Maler Raffael – Superstar der Renaissance.

https://www.swr.de/swr2/wissen/der-maler-raffael-superstar-der-renaissance-swr2-wissen-2020-04-02-100.html?fbclid=IwAR2mN66NsOzeWYg7_b0NoeVFwwK4_arTLkYg-cTb19lxCRCm3HdtVQnV0tk

Diese Rundfunksendung ist als höchst gelungen anzusehen, denn sie preist uns einen derzeit unzugänglichen, vom Firnis der Vermarktung und der Rühmung oft überdeckten Maler nicht als höchst vollkommen, sondern als Werdenden an, sie erregt eine unwiderstehliche Bestrebung, die Zeichnungen und Gemälde Raffaels im Original zu genießen, uns auf den Weg zu ihnen zu machen – einerlei ob sie nun in Berlin, Dresden, Rom, Paris oder London hängen!

Und doch: alle diese Zeichnungen und Gemälde sind im Original unseren Augen bis auf weiteres verschlossen. Wir werden der schmerzhaften Einsicht gewahr: Das Schöne, die Schöne ist nicht immer verfügbar, auch das Schöne ist endlich, ist — sterblich!

Und um die sechste Stunde ward eine Finsternis„, so singt es der Evangelist in der Matthäuspassion Bachs. Da überfällt mich eben noch die Erinnerung an jene Stunde gegen 18 Uhr, die „sechste Stunde“, als die Raffael-Ausstellungen im Kulturforum nach unserem letzten Rundgang die Pforten geschlossen hatten. Von der Matthäuskirche läutete unter scharf pfeifendem Wind „die sechste Stunde“, unheilschwanger verkündete ein riesiges herabhängendes Poster die Wahrheit: „Nunc est hora“.

Ich dachte unwillkürlich an die Formel der Marienanrufung „… nunc et in hora mortis nostrae“, kaum jemals schien sie mir passender als gerade – jetzt! Dies war ein kostbares mystisches Nu. Das Nu!

Jetzt und auch in der Stunde unseres Todes! Eine großartige Wendung, eine machtvolle Fügung, dieses „et“. Es besagt: Nur jetzt ist es jetzt. Es könnte auch das letzte Jetzt sein. Sei also jederzeit bereit das Jetzt bis zum letzten Tropfen zu genießen, als schlössen sich die Tore des Schönen für immer! Sei im Nu!

 Posted by at 19:32

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