„Ergreift endlich Verantwortung – gestaltet den Wandel“ … genau das ist der ominöse Wertkonservatismus!

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Apr 222013
 

Speriamo che ognuno faccia il suo dovere – wir hoffen, dass jeder seine Pflicht erfüllen möge.

Baff erstaunt kann man über die neuesten Reden von Giorgio Napolitano sein – etwa die vom heutigen Tage!  Und doch sind sie nur ein weiterer Beleg für den tiefgreifenden Wertewandel, den ganz Italien unter unseren Augen in den letzten Jahrzehnten seit etwa 1990 durchlebt hat. Ich erinnere mich noch an Napolitano, als er noch Kommunist innerhalb der KPI war. Beim Einmarsch der Sowjets 1956 in Ungarn verteidigte er die Panzer noch als Wahrer des Friedens. Später kämpfte er für Solidarität mit der Arbeiterklasse, für den Wandel des Kommunismus hin zum „Eurokommunismus“, einer menschenfreundlichen Spielart des Kommunismus, an die damals vor allem Intellektuelle in den kapitalistischen Ländern Süd-Europas und Westberlins glaubten.

http://it.wikipedia.org/wiki/Giorgio_Napolitano

Heute vertritt er  im Grund einen Wertekonservatismus reinsten Wassers, wie ihn bei uns in Deutschland selbst keine CDU-Politikerin mehr zu äußern wagen würde! Von „gesellschaftlicher Ungerechtigkeit“, vom einfühlsamen Sozialstaat, von der Benachteiligung der Arbeiterklasse, von Frauenquoten und derlei phantastischen Gebilden ist nicht mehr die Rede.

Statt dessen geht es heute in Italien um Ehrlichkeit, Anstand, Verlässlichkeit, Fähigkeit des Zuhörens, des Miteinander-Redens, es geht um Gemeinsinn, Bürgersinn, Rechtstreue, Rechtsstaatlichkeit, Pflichterfüllung, Liebe und Treue zum Vaterland Italien, Einheit der Nation, Familie, Stärkung der Institutionen, Mitgefühl mit den Menschen, denen es weniger gut geht. Es geht nicht um den Kampf gegen die Ausbeutung des Menschen, es geht nicht um strukturelle Transformation der Gesellschaft oder der Wirtschaft.

 

Gut gefällt mir auch, dass in Italien kaum mehr alle Schuld auf den mehrfach gewählten früheren Ministerpräsidenten Berlusconi geschoben wird, wie das einige unverbesserliche deutsche Politiker leider bis in jüngste Zeit getan haben. Das Schwarze-Peter-Spiel verfängt nicht mehr. Es zählen nunmehr in Italien auch und gerade für die ehemals linken oder kommunistischen Politiker wie Napolitano die Werte, die es schon gab, als wir alle noch nicht geboren waren. Es sind die zeitüberdauernden Werte der Menschheit, die man weder mit Panzern noch mit viel viel Geld durchsetzen kann. Diese Werte sind von den einzelnen Menschen, den einzelnen Parteien und Unternehmen vorzuleben. Es sind die Werte des individualethischen Denkens.

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„Erwidere eine üble Tat mit etwas Besserem!“

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Apr 182013
 
Ich finde die vom TBB erwirkte Rüge der UN-Stelle gegen Deutschland sehr ärgerlich. Die Vorstellung des TBB, dass der Staat seine Bürger gerichtlich  vor seiner Meinung nach gefährlichen Meinungen schützen müsse, führt zur Gesinnungssschnüffelei, zu Duckmäusertum, zur Schere im Kopf. Sie ist einer freiheitlichen Demokratie unwürdig. Der TBB fährt eine sehr gefährliche Strategie, nämlich die, die Türkei selbst und das Ausland zunehmend gegen Deutschland in Stellung zu bringen.  Das Ganze scheint darauf hinauszulaufen, dem deutschen Staat seine Unfähigkeit nachweisen zu wollen, die türkische Volksgruppe zu schützen, so dass dann irgendwann  die Türkei, also die Schutzmacht der türkischen und der muslimischen Volksgruppe, sich einmischen müsse. Dem sollten alle besonnene Menschen entgegenwirken!
Diese nationalistische Strategie des TBB kann nur Zwietracht und Unfrieden säen, statt endlich einmal etwas Positives dagegen zu stellen, wie es der Prophet in Sure 41, Vers 34 ausdrücklich anempfiehlt. "Erwidere eine üble Tat mit etwas Besserem!" Warum nicht mal statt über Sarrazin zu hetzen und petzen mit Sarrazin friedlich und freundlich diskutieren - ? Wie wär's mit einem nachgeholten Geplauder im Hasir? Man isst sehr gut dort!

Rassismus-Vorwürfe: SPD, Grüne und Linke loben UN-Rüge im Fall Sarrazin – Berlin – Tagesspiegel.

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Es zählt letztlich … der Mensch und seine Liebe zur Wahrheit

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Apr 182013
 
Den aus dem tiefkatholischen bayerischen Aschaffenburg stammenden Bürgermeister Franz  Schulz, den ich des öfteren erlebt habe, halte ich für einen im Grunde seines Herzens absolut redlichen Menschen. Sehr oft habe ich bemerken können, dass er sich – im Zweifel hin- und hergerissen – dafür entschied, die – oft unbequeme – Wahrheit zu sagen, statt anderen (etwa seiner eigenen Partei) nach dem Munde zu reden.  So hatte er die Lauterkeit, in bestem Französisch zu sagen, dass das von seiner Partei geforderte System der Mietpreisbegrenzungen nicht funktionieren kann. Er hatte vor wenigen Wochen – ausweislich des offiziellen Protokolls – mitten in der BVV den Mut, zustimmend aus dem Neuen Testament zu zitieren und gewissermaßen der CDU als im Grunde christlich geprägter  Demokrat die Leviten zu lesen: „Was ihr im Kleinen tut, das habt ihr mir getan.“ Er änderte damit sogar den überlieferten Wortlaut dieser Botschaft Jesu eigenständig ab. Unvergesslich ist mir auch der Werbespot aus dem letzten Wahlkampf, in dem er sich auf den Weg machte zu einem jungen Mann, der aus meiner Kreuzberger Nachbarschaft stammen könnte – oder auch stammte – und ihn herzlich begrüßte. All das bringt mich zu meiner Überzeugung: Er wollte und will im Grunde seines Herzens das Gute für alle Menschen in seinem Bezirk! Dass es bei uns so viele Missstände gibt wie in anderen Bezirken Berlins auch, ist ihm persönlich nicht anzulasten, im Gegenteil! Und so wünsche ich ihm sehr viel Gutes, vor allem auch eine bessere Gesundheit.

Bezirksbürgermeister Franz Schulz: Im August ist Schluss in Friedrichshain-Kreuzberg | Berlin – Berliner Zeitung.

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Der Mann aus den Brennnesseln der 68er Generation: Kai Ove Knausgård

 1968, Das Gute, Gedächtniskultur, Kinder, Liebe, Parkidyllen, Vaterlos, Verdummungen, Vorbildlichkeit  Kommentare deaktiviert für Der Mann aus den Brennnesseln der 68er Generation: Kai Ove Knausgård
Apr 172013
 

2013-04-09 17.20.26

Karl Ove Knausgård erweist sich in seinem Buch „Lieben“ als ein typischer Vertreter meiner Generation:

Wir sind so cool, wir sind so belesen, es hat uns von frühester Kindheit an nichts Materiellem gefehlt, wir haben immer reichlich Zeit gehabt, unsere Liebschaften und Hobbies zu pflegen. Wir sind gegen Hitler, wir sind gegen die Diktatur, wir sind gegen das Unrecht dieser Welt, wir wollen das Gute – wir halten uns für grundsätzlich gute Menschen. Wir halten uns für grundsätzlich bessere Menschen als unsere Eltern es je waren und unsere Kinder je sein werden. Wir sind fest überzeugt, dass kein Mensch illegal ist. Wir sonnen uns im Lichte unserer moralischen Überlegenheit, da wir nie an Massenmorden beteiligt waren. Die Kirche haben wir im Alter von 16 oder höchstens 24 Jahren verlassen. Wir führen die Mülltrennung durch und lernen Türkisch, damit die armen Migranten sich bei uns endlich endlich angenommen fühlen. Wir sind für Klimaschutz und für Umweltschutz, wir sind für Meinungsfreiheit und Menschenrechte, wir sind gegen Krieg und gegen Hunger, gegen Klimawandel, gegen Zwangsräumungen und für Chancengerechtigkeit.  Wir fahren Rad statt Auto.

Und doch? Stimmt etwas nicht?

Ja. Etwas stimmt in unserer moralischen Buchhaltung nicht. Unsere Generation hat kein einziges großes Projekt gestemmt.  Wir haben die Häuser von unseren Eltern schlüsselfertig übernommen, aber uns fehlen die Kinder, denen wir sie weitergeben könnten. Unsere Gesellschaften schrumpfen, die Städte in den flachen Landschaften verfallen. Ganze Wohnviertel werden in Zwickau und Gera abgerissen, während wir in Berlin die urbane Nachverdichtung mit staatlichen Zuschüssen fordern. Die Provinz stirbt. Wir haben keinen Krieg miterleben müssen, aber wir rümpfen die Nase über unsere Eltern, die im Muff der Adenauer-Jahre befangen waren. Wir sind stolz auf die Errungenschaften der 68er, aber etwas Besseres als das Grundgesetz hat keine nachfolgende Politikergeneration hervorgebracht. Wir lehren unsere Kinder keine Lieder mehr. Wir rümpfen die Nase über die klerikal geprägten Südstaaten, aber wir lassen die südlichen Bundesländer alle Kosten unseres Schulversagens und des Umweltschutzes fast allein tragen. Das Schwierigste und Lohnendste, das zwei Erwachsene zustandebringen können, nämlich lebensfrohe, verantwortliche, dem Guten verpflichtete Kinder zu erwachsenen Menschen heranzubilden, gelingt uns immer weniger. Rein demographisch und rein statistisch gesehen sind wir als Generation große Versager. Wir sind Meister darin, die Hand hinzuhalten. Wir sind schlecht darin, selber Hand an den Spaten anzulegen, bleibende Projekte zu schaffen, statt nur neue Handys in Empfang zu nehmen.

Unsere eigenen Kinder wachsen ohne Leitbild auf. Wir sind ihnen kein Vorbild. Ungefähr 2000 Jahre Kultur werfen wir zu den Brennnesseln. Alles, was vor 1980 geschaffen worden ist, durchforsten wir eifrigst auf untrügliche Beweise des Rassismus, des Kolonialismus, des unaufgeklärten Bewusstseins, des Ewiggestrigen, des Sexismus. Sigmund Freud – ist ein Rassist. Heinrich Heine – ist uns ein unerträglicher Schwulenfeind. Günter Grass – ein verkappter Nazi und Werwolf. Heinrich Böll ist uns ein unverbesserlicher Evangelikaler, der immer noch an Gott und an Jesus und Maria glaubte und in der Rückbesinnung auf die Bibel das Menschliche in der Trümmerlandschaft Kölns wieder einzurenken versuchte. Über den amtierenden Bundespräsidenten brachen wir alle Stäbe. Vor unserem untrüglichen Strafgerichtshof hat niemand Bestand, der 1945 älter als 5 war. Die Älteren und die Eltern, das sind die Würdelosen, die es nicht so weit gebracht haben wie wir.

Wir sind die Würdelosen, die nichts anerkennen und nichts gelten lassen. Wir sind die Lieblosen.

Das ist ungefähr der Ausgangspunkt in der großen Gewissenserforschung des 1968 geborenen norwegischen Autors.

Karl Ove Knausgård: Lieben. Roman. Aus dem Norwegischen von Paul Berf. Luchterhand Verlag, München 2012

Bild: Das Idyll unserer Werte auf dem Kreuzberger Oranienplatz, aufgenommen vor einer Woche

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„… hier wird niemand überwältigt“: Beethovens Streichquartett op. 18, Nr. 1

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Apr 152013
 

Im Anschluss an den gestrigen Beitrag entspann sich folgendes Gespräch mit einem Leser:

„Also können Sie, wenn ich Sie recht verstanden habe,  mit dem menschheitsumgreifenden Pathos eines Beethoven, eines Friedrich Schiller nichts anfangen?“

„In der Tat bleibt ein gewisser Grundverdacht bestehen, sobald ich den Schlusschor aus Beethovens 9. Symphonie höre. Nicht umsonst hat ja die Europäische Union genau diese Melodie als ihre Hymne gewählt. Eine Hymne ohne Text! Etwas Herrisches, Hochfahrendes haftet der ganzen 9. Symphonie in d-moll an, insofern vergleichbar der von oben herab verfügten Einführung der Gemeinschaftswährung. Wer alle liebt, liebt im Grunde keinen, vor allem dann, wenn er diesen Glauben an die Liebe zu allen mit größtem Aufwand bekennt.  Niemand kann heute in Worten angeben, was der Sinn der Europäischen Union ist.“

„Sind Sie ein Euro-Skeptiker? Also verwerfen Sie Beethoven?“

„Nein, ganz im Gegenteil! Ich liebe ihn sehr, so wie vielleicht nur 5 oder 6 andere Komponisten. Ich empfinde großes Mitleiden mit ihm, wenn ich die 9. Symphonie höre. Allerdings ziehe ich derzeit bei weitem einige seiner Streichquartette den Symphonien vor…“

„Welche Streichquartette meinen Sie?“

„Ich meine insbesondere die Streichquartette op. 18, hier wiederum das 1. Quartett in F-dur, und in diesem wiederum den 2. Satz, das Adagio affettuoso ed appassionato.“

Wir hören eine Klangprobe in der Darbietung durch das Artemis Quartett, dem wir damals bereits in Fleisch und Blut im Kammermusiksaal der Philharmonie lauschen durften, worüber wir am 28.01.2009 berichteten:

Ludwig van Beethoven: Sämtliche Streichquartette (Artemis Quartett) (7 CDs) – jpc.

Vierklang. Artemis. Anfang. Eine Suche

„Hören Sie nicht den ruhig und unablässig pulsierenden, den gleichschwebenden d-moll-Herzschlag in den Begleitstimmen? Hören Sie, wie sich hier in Violine I ab Takt 2 aus dem pianissimo heraus ein Gesang an die Eine erhebt, das Beschwören der einzigen und Einen, der das „edelste Herz“ sich verschreibt? Alle vier Stimmen treten frei zusammen, alle Stimmen sind durchhörbar, hier wird niemand überwältigt und erschlagen!“

„Also hören Sie in diesem Quartettsatz die Stimme des freien Menschen, der in voller Freiheit liebt und zugrunde geht?“

„So ist es. Hier gelangt der Einzelne zu sich und zu seinem Anrennen gegen die Begrenztheit. Hier findet er zu dem einen, zu der anderen im — Tode. Man könnte an die Zeilen Romeos für die gestorbene Julia denken:

O my love! my wife!
Death, that hath suck’d the honey of thy breath;
Hath no power yet upon thy beauty:
Thou art not conquer’d; beauty’s ensign yet
Is crimson in thy lips and in thy cheeks,
And death’s pale flag is not advanced there.

„Shakespeares Gruftszene frei zitiert! Sie beeindrucken mich! Was würde wohl Beethoven zu Ihrer Deutung sagen?“

„Ich bin zuversichtlich, dass er ihr zustimmen würde. Er würde sich möglicherweise verstanden fühlen – sowohl in meinem tiefen Grundvorbehalt gegenüber der eigentlich menschen-unmöglichen 9. Symphonie wie auch im Lobpreis seiner frühen Streichquartette opus 18.“

„Was raten Sie angesichts der Krise?“

„Hören wir die freien Stimmen! Mehr Streichquartette opus 18 – weniger 9. Symphonie!“

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Es ist leicht den Stab zu brechen

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Mrz 222013
 

Ach wie herrlich ist es doch, über Väter und Mütter den Stab zu brechen! Was für eine Häme bei all denjenigen, die nie auch nur im geringsten derart erprobt worden sind. Wie gut man sich dabei fühlt. Allerdings kenne ich persönlich und höre auch von ziemlich vielen Menschen, ordinary Germans, die eben nicht mitgemacht haben, die nachweislich und beweisbar Widerstand in Wort und Tat geleistet haben, darunter erstaunlich viele Katholiken und katholische Pfarrer.  Die meisten haben bitter büßen müssen – Ämterverlust, Inhaftierung, KZ, Todesurteil, Ermordung. In der Gewaltherrschaft werden immer die meisten mitmachen oder mitmachen müssen, schon allein um sich oder die Familie zu schützen. Das galt für die Sowjetunion (1917-1989) ebenso wie für das Deutsche Reich während der NS-Zeit (1933-1945). Beide Diktaturen waren in gleicher Weise mörderisch, haben verbrecherische Angriffskriege geführt und Millionen von Menschen außerhalb von Kriegshandlungen nur aufgrund von Gruppenzugehörigkeiten ermordet. Und in beiden Ländern hat die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung mitgemacht. Was hätten sie auch machen sollen?

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„Ich möchte vor allem ein guter Vater und Ehemann sein!“ – „Nein, der Staat muss das regeln!“

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Mrz 222013
 

2013-03-22 09.05.462013-03-22 09.05.46

Zwei herrliche, gegensätzliche Gespräche mit zwei klugen Männern bietet die gedruckte Süddeutsche Zeitung heute an. Beide in höchstem Maße lesenswert! Zwei offene, lachende, fröhliche Gesichter, sympathische, gewinnende Persönlichkeiten! Die Unterhaltungen könnten unterschiedlicher nicht ausfallen, und deshalb ziehe ich sie bei, um den Unterschied zwischen einer personalistischen und einer kollektivistischen Ethik zu erläutern.

Omar Sy aus dem französischen Trappes, unser erster Zeuge, vertritt auf Seite 10 eine personalistische Ethik. Seine Grundaussage – und damit die Grundaussage jeder personalistischen Ethik – ist: „Wir sind doch alles freie Menschen.“ Aus dieser Freiheit des Menschen leitet sich die Forderung ab, dass jede und jeder für das eigene Handeln Verantwortung übernehmen muss. Die Anforderungen einer solchen Ethik richten sich in Ich-Form an das eigene Selbst, an das eigene Gewissen. Die Grundaussage ist:

„Ich will und soll … das und das tun.“ Ein Beispielsatz Omars lautet: „Ich möchte vor allem ein guter Vater und Ehemann sein.“ Dieser Satz zeigt auch sofort den ursprünglichen Geltungsbereich dieser Ethik: es ist das Verhältnis zu den nächsten Menschen, also zunächst einmal die eigene Familie. Ein Mensch, der allein auf dieser Erde lebt – ein Robinson Crusoe unserer Single-Gesellschaft – hat selbstverständlich keine Pflichten gegenüber anderen Menschen. Da wir aber im Regelfalle nicht allein leben, führt der Geltungsbereich der in der Freiheit begründeten personalistischen Ethik zunächst zur Familie: zu Vater, Mutter, Geschwistern, Ehepartner, Kindern. Die Familie – Kinder, Ehefrau, Ehemann, eigene Eltern – sind diejenigen, an denen sich dieser Anspruch ethischen Handelns zuerst bewähren muss. Später tritt die Gesellschaft oder der Staat hinzu.  Die Familie ist der wichtigste, unverzichtbare Bezugsrahmen, die Kinderstube der Ethik.

Weitere Beispiele für derartige personalistische  Ansätze in der Ethik sind: die Tugendlehre und der kategorische Imperativ von Immanuel Kant, all die muslimischen und die alevitischen Pflichtenlehren, all die christlichen Pflichtenlehren und all die jüdischen Pflichtenlehren, aber auch die Öko-Ethik eines Franziskus von Assisi.

Motto: Wenn jeder sein eigenes Leben bessert, wird auch die Welt insgesamt besser.

Ganz im Gegensatz dazu äußert sich auf Seite 24 Robert Pfaller aus dem österreichischen Wien. Er sagt: das private Laster ist der öffentliche Nutzen. „Private vice is public benefit. Damit die Welt allgemein gut wird, müssen wir individuell böse sein.“  Grundannahme unseres Zeugen ist: Die Welt ist zwar noch nicht gut. Sie wird aber schon irgendwie gut werden – allerdings nicht durch das individuelle Bemühen, sondern durch das kollektive Handeln. Der Einzelne hat keine Chance, die Welt besser zu machen. Der Konsument kann als einzelner auch nichts beeinflussen. Zum Beispiel beim Klimawandel:  „Und der Konsument soll das alles individuell beeinflussen? Nein, der Staat muss das regeln! Die Politik muss feste Klimaziele bestimmen und die Finanzmärkte regeln, nicht der Einzelne.“

Auch ein  Vertreter einer kollektivistischen Ethik wie Robert Pfaller will das Gute. Er will ja nicht, dass die Staaten übereinander herfallen oder dass wegen der globalen Erd-Abkühlung der Frühling im Nachbarland Deutschland ausfällt – worauf im Moment leider alles hindeutet. Bezeichnend für den kollektivistischen Ansatz ist aber, dass es keine individuelle Verantwortung gibt. Die große Verantwortung liegt stets bei den Strukturen, bei den Märkten, bei den Verhältnissen. Schuld an den Übeln dieser Welt sind stets die anderen: der Neoliberalismus, der Kapitalismus, die Gesellschaft usw. Hauptregulator des Wandels ist nicht das individuelle Gewissen, sondern die Politik und der Staat. Jeder soll im allgemeinen Bösen so leben, dass für ihn das eigene Glück maximiert wird. Dann wird es auch den anderen besser gehen. Irgendwie wird sich schon alles einrenken.  Der naturgegebene Rahmen für die Entfaltung dieser Glücksvorstellung ist erstens der Sinnengenuss im einvernehmlichen, lauten Sex und zweitens die Freundschaft zwischen gleichberechtigten Menschen auf Augenhöhe, also etwa das Gespräch zwischen Philosophen bei einem Gläschen Wein im Hain der Philosophie oder im Wiener Caféhaus bei einem Gläschen Whisky.

Beispiele für derartige kollektivistische Ansätze in der Ethik sind: Platons „Politeia“, vor allem sein 5. Buch, Epikurs Lehre von der Glückseligkeit, die marxistischen und sozialistischen Theorien, die Occupy-Bewegung, überhaupt alle Bewegungen, die das Gute und die Befreiung aller benachteiligten Menschen wollen – in Kreuzberg oder San Rafael del Sur/Nicaragua oder Wien/Österreich und überall auf der Welt sonst auch.

Motto: Es kommt auf das Ganze an. Die Gesellschaft und der Staat stehen in der Pflicht.

Ich denke, beide Haltungen treten heute in der Süddeutschen Zeitung in den beiden Männern Omar Sy und Robert Pfaller geradezu idealtypisch hervor. Dank an beide Männer, Dank an die Süddeutsche Zeitung, sie haben mir hier im hohen Kreuzberger Norden die Stube erwärmt!

Wer hat nun recht: der gute, altertümlich wirkende Vater und pflichtbewusste Familienmensch Omar Sy, der sich selbst öffentlich in die Verantwortung für Mensch und Gesellschaft nimmt – oder der heitere Lebenskünstler und menschenfreundliche Genießer, der Philosoph Robert Pfaller?

Wähle selbst!

Quellen:
Alexander Mühlauer: „Sex ist laut und sozial unverträglich.“ Gespräch mit Robert Pfaller. Süddeutsche Zeitung, 22.03.2013, S. 24
Martin Zips: „La Grande Intégration“. Süddeutsche Zeitung, 22.03.2013, S. 10

Photo: Global warming is coming! Die Erderwärmung schreitet voran!  Ein Schneemann im ersten verkehrsberuhigten Bereich Kreuzbergs, der Hornstraße. Beweis: diese Aufnahme vom 22. März 2013, dahinter: die ev. Christuskirche mit sinnenfrohen Graffiti

 Posted by at 15:22
Dez 172012
 

Eine Fülle an Daten, einen wahren Goldschatz an Daten bietet das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, nicht nur in dem heute vorgelegten Bericht (Keine) Lust auf Kinder?

Die Studie ist gar nicht hoch genug zu loben. Denn sie räumt mit der irrigen Vorstellung auf, das Kinderbekommen, die Fertilitätsrate, sei direkt oder indirekt von ökonomischen Verhältnissen abhängig. Zu recht stellt die Studie den Faktor der Einstellung ganz in den Vordergrund. Ob die Menschen Eltern werden, hängt zum allergrößten Teil davon ab, ob sie es wollen oder nicht, ob sie das Kind in ihre Lebensplanung einbauen können oder nicht. Der ökomische Status der Menschen in Deutschland hat sich im Durchschnitt seit 1991  verbessert. Von der wirtschaftlichen Unsicherheit früherer Jahrhunderte sind wir Lichtjahre entfernt.  Es liegt nicht am Geld oder am ökonomischen Unsicherheitsgefühl, wenn keine Kinder kommen.

Zweifellos bringen auch alle Versuche der Politik nichts, mithilfe von Geld oder sonstigen Statuszusicherungen die „Lust auf Kinder“ zu erhöhen.

Ob Kinder kommen oder nicht kommen, hängt vielmehr ganz vom Willen der Eltern ab. Es hängt davon ab, ob die Menschen Lust auf Kinder oder keine Lust auf Kinder haben, wie bereits aus dem Titel der empirischen Studie hervorgeht.

Der Elternwille entscheidet. Es liegt ganz im Willen der Eltern, ob Kinder kommen oder nicht kommen. Ihr, der Eltern Wille geschehe! Die Sicherung im Alter wird vertrauensvoll in die Hände der Sozialkassen gelegt, eigene Kinder sind als soziale Absicherung im Alter somit überflüssig geworden.

Kinder sind ein kontingentes Ereignis geworden, das bei Bedarf der Eltern geschehen oder auch auch entfallen kann. Ein Blick auf die Abtreibungsstatistik belegt dies schlagend. Seit 1996 weist das Institut eine leicht schwankende Kurve an Schwangerschaftsabbrüchen nach – sie liegt stets bei über 10% der Geburtenzahlen, oder auch in ganz Deutschland bei meist über 100.000 Abbrüchen pro Jahr.   In zehn Jahren werden also mehr als 1 Million Abbbrüche vorgenommen. Schwangerschaftsabbrüche sind Teil der Normalität des Kinderlebens in Deutschland, sie sind keine absolute Ausnahme, sondern eine Begleiterscheinung.

http://www.bib-demografie.de/DE/DatenundBefunde/07/Abbildungen/a_07_01_schwangerschaftsabbrueche_d_w_o_1996_2010.html?nn=3073206

In amtlicher Darstellung des Instituts der Bundesregierung wird das Kinderzeugen und Kindergebären als Frage der vorhandenen oder nichtvorhandenen Lust auf Kinder dargestellt:

(Keine) Lust auf Kinder?

Die große Kampagne „Wir haben abgetrieben“ des Jahres 1971, getragen von erfolgreichen Frauen, die glanzvoll im Scheinwerferlicht stehen,  gilt unumstritten als Meilenstein auf dem Weg zum Elternwahlrecht über das Leben des Kindes.

Angesichts dieses regierungsamtlichen Befundes – „Ob Kinder kommen, hängt ganz von Einstellung und Lust der Eltern ab“ – und angesichts der Abtreibungsquoten von konstant über 10% der Lebendgeborenen dürfen wir feststellen:

Wir alle leben und alle Kinder wachsen in Deutschland heute in dem Bewusstsein auf, dass sie ihr Dasein, ihr Leben der Lust oder Unlust der Eltern verdanken: Es besteht auch eine 10-15%-Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht hätten geboren werden können. „Ob ich geboren wurde oder nicht, hing von der Lust und der Entscheidung meiner Eltern ab. Sie hätten mich auch ablehnen können. Dann gäbe es mich eben nicht. Schön für mich, Gott sei Dank, da habe ich aber großes Glück gehabt.“

Dem Kindwerden und dem Vater- oder Mutterwerden, dem jungen, entstehenden menschlichen Leben und somit überhaupt dem menschlichen Leben wird in unserer Gesellschaft kein überragender, kein lebens- und überlebensnotwendiger Rang mehr zugesprochen. Kinder sind heute eine gesellschaftliche und private Option unter vielen, keineswegs eine Erfüllung und eine in sich ruhende Sinnsetzung des Lebens der Erwachsenen. Kinder sind heute kein Goldschatz für das Leben, sondern eine teils erfreuliche, teils hinderliche Begleiterscheinung, auf die man Lust oder nicht Lust hat.

Keine namhafte gesellschaftliche Kraft – keine Partei, keine große Zeitung, keine in die Öffentlichkeit kraftvoll hineinsprechende oder hineinschreiende Gemeinschaft, kein Sozialwissenschaftler, kein Politiker, der gewählt werden will   – diskutiert oder  beklagt diesen Zustand.

 Posted by at 23:35
Nov 262012
 

Gutes, vorbildliches Mutterverhalten beobachteten wir gestern im Zoo Leipzig! Das Nashorn-Mädchen Naima („die Glückliche, die Sorglose“ auf Suaheli) weiß seit der Geburt die Mutter stets um sich. Die Mutter kümmerte sich hingebungsvoll, säugte und stillte die Kleine, die bei der Geburt am 10.12.2011 immerhin 37 kg wog, aber jetzt schon das Kleinkindalter hinter sich gelassen hat. Die Mutter erdrückt die Tochter nicht mit Fürsorge, sie lässt ihr nunmehr Freiraum, eigene Wege zu gehen!

Beide Tiere zeigten Wachheit und Interesse an der Umwelt, bewegten sich im Raum, wussten um die Nähe der anderen. Dies gab mir Anlass, über die Wichtigkeit der Mutter-Kind-Bindung bei den Säugetieren nachzudenken.

Etwas weniger als 6000 Säugetierarten (Mammalia) sind weltweit bekannt. Auch unsere eigene Art, der Mensch – homo sapiens sapiens – , gehört zu dieser Klasse. Wir sind in allen biologischen Eigenschaften nichts anderes als eine Art der Säugetiere und teilen mit allen anderen Säugetierarten einige Merkmale, darunter die namengebende Aufzucht der Kinder, eben das „Säugen“. Bei allen Säugern übernehmen die Mütter bald nach der Geburt die Ernährung der Kinder.

Während einige Jahrzehnte lang die Wissenschaft glaubte, die Muttermilch beim Menschen durch eine wissenschaftlich abgesicherte Formel gleichwertig ersetzen zu können, raten heute alle namhaften Ärzte- und Gesundheitsorganisationen nahezu ohne Ausnahmen zum Stillen mit Muttermilch.

Alle Säuger entwickeln durch das Säugen, durch Hegen und Pflegen eine besonders innige Mutter-Kind-Beziehung, nur sehr wenige Säugetierarten ersetzen gelegentlich die leibliche Mutter durch eine Ersatzmutter, die „Amme“. Bei allen Säugern gibt es eine deutlich unterschiedene Profilierung des männlichen und des weiblichen Verhaltens in der Paarung und gegenüber den Jungen – im Gegensatz etwa zu den brütenden Vögeln, bei denen Männchen und Weibchen oft gleiche Aufgaben übernehmen, etwa das Abwechseln beim Brüten, die gemeinsame Futterbeschaffung bei den Geiern.

Im Sozialverhalten gibt es außer der engen Mutter-Kind-Bindung in der ersten Lebensphase des Neugeborenen sonst keine Gemeinsamkeiten unter allen 5000-6000 Arten Säugern! Das Säugen und Stillen, das Hegen und Pflegen des Nachwuchses durch die Mutter sind ein ganz entscheidender Grundzug des natürlichen So-seins aller Säugetierarten. Bei allen Säugern halten sich die Kinder in der ersten Lebenszeit „von Natur aus“ ausschließlich im Umfeld der Mutter auf, während der Vater teils anwesend ist, teils als leiblicher Vater überhaupt nicht in den Horizont der Kinder gelangt.

Danach ist nichts mehr so, wie es war. Die Gemeinsamkeiten unter allen Säugerarten verschwimmen und verschwinden. Eine riesige Fülle an Verhaltensweisen stehen etwa nach der frühesten Kindheit den Primaten zu Gebote: Fürsorge, Aggression, Kriege, Gruppenbildung, Versöhnung, Diskrimination und „Rassismus“ gegenüber anderen Affenhorden, soziales Lernen, erste Ansätze einer spezifischen Gruppenkultur, einer spezifischen Gruppensprache  – diese vielfachen Ausfächerungen des sozialen Verhaltens von Primaten werden am Primatenzentrum des Zoos Leipzig erforscht.

Entscheidend aber wurde mir die folgende Einsicht gestern überdeutlich klar: Die enge, die nahezu überlebensnotwendige  Mutter-Kind-Bindung ist das entscheidende Merkmal im anfänglichen Erziehungsverhalten aller, wirklich aller Säugetiere.

Wenn behauptet wird, dass in der Erziehung des Säuglings oder des Menschen-Kleinstkindes alles oder fast alles durch kulturelle „Gender“-Konstruktionen bedingt sei, so widerspricht dies allen Befunden, die jeder ökologisch bewusste Naturfreund in Feld und Flur, in Steppe und Busch – aber auch in Zoos gewinnen kann. Dies würde ich gerne einmal im Leipziger Zoo mit Judith Butler besprechen, die kürzlich unter rauschendem Beifall der geistigen Führungsschicht Deutschlands den Adorno-Preis gewonnen hat – und die seit ihrem Buch Gender Trouble genau dies zu unterstellen scheint: Es gibt keine naturgegebenen Geschlechterrollen, alles ist Kultur, alles ist soziale Konstruktion. Judith Butler stellt die Frage nach Mutterschaft nicht. Sie spart diesen entscheidenden Grundtatbestand des Lebenszyklus – das Mutterwerden – höchst vorsorglich aus.

Eine Leugnung des naturhaften Unterschiedes der beiden Geschlechter, wie Judith Butler sie ins Werk setzt, kommt einer Leugnung der Naturgebundenheit des Menschen überhaupt gleich. Es ist eine gewaltige Überhebung, eine Selbstüberschätzung des Menschen, wenn er dies behauptet.

Bild: Vorne Tochter Naima, hinten Mutter Sarafine. Zoo Leipzig, aufgenommen gestern.

 Posted by at 18:59
Nov 212012
 

So äußerte sich die Rechtsanwältin Nizaqete Bislimi gestern in einer Fernsehsendung über das Schicksal des Volkes der „Unberührbaren“ (atsinganoi), in der der Vorwurf des Rassismus, der Vorwurf der Stigmatisierung inflationär zu hören war.  Das beste Wort, das berührende Wort!

Ich sprach vor einigen Monaten mit einem Menschen, dessen Leben nach einem schweren Verkehrsunfall am seidenen Faden hing. Er erzählte mir: „Ich war so schwer verletzt, die Ärzte haben mir nachher gesagt, dass ich einige Tage in Lebensgefahr schwebte. Es gab Tage, an denen ich fast nicht mehr gewollt hätte. Aber es hat Menschen gegeben, die mich im Krankenhaus besucht haben. Sie haben an mich geglaubt. Sie haben gesagt: Du schaffst das schon. Damit haben sie mir geholfen. Ich fasste den Willen wieder aufzustehen.“

Dieser unerlässliche Glauben an den Menschen in Not, die Hilfe, die Menschen einander leisten – das ist es. Ohne den Glauben an den Menschen scheitern alle Antidiskriminierungspläne, alle wohlgemeinten antirassistischen Initiativen und Petitionen. Auch das ständige Pochen auf den Status eines benachteiligten Volkes hilft nichts, wenn nicht vorrangig und gleichzeitig  das wechselseitige Vertrauen entstehen kann.

Das gute, das berührende Wort bricht Mauern, ebnet dem Menschen den Weg, das Wort des Glaubens an den Menschen hilft dabei, auf eigenen Beinen zu stehen.

 Posted by at 11:13

Eine klassische Ohrenbeichte bei der Psychotherapeutin Susanne Lothar

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Nov 172012
 

Tiefe verwandtschaftliche Gefühle erregt in mir eine Filmszene mit der leider viel zu früh verstorbenen Susanne Lothar und der jungen Schauspielerin Jana Hampel – mit der ich Vor- und Zunamen teile. Jana ist ja nichts anderes als die tschechische weibliche Form des uralten hebräisch-griechisch-christlichen Namens Johannes.  Sie könnte meine Base sein und ist es auch.

http://www.schauspielervideos.de/video/jana-hampel?vs=s

Eine Szene wie im katholischen Beichtstuhl, der wir hier beiwohnen dürfen  – allerdings in der completely upgedateten Fassung der katholischen Ohrenbeichte, nämlich der themenzentrierten Gesprächs-Psychotherapie. Die Psychotherapeutin Susanne Lothar nimmt der leidenden Sünderin Jana Hampel das Eingeständnis des Versagens ab. „Ich habe nichts geschafft, ich bin schon 38 Jahre alt. Meine Eltern haben so viel in mich investiert, jetzt muss ich aber auch was zurückzahlen!“

Im Klartext: „Ich kann meine Schulden nicht zurückzahlen. Ich fühle mich persönlich wie  Griechenland in der Euro-Währungsunion.“

Dann folgt die contritio cordis, die Zerknirschung des Herzens, wie das seit etwa 2000 oder 3000 Jahren genannt wird, die Einsicht in Schuldhaftigkeit und Verfehlung, die befreienden Tränen (der Fluss der „Zähren“, wie es bei J.S. Bach hieß …). Schließlich das Erbarmen der gütigen Therapeutin, die der eingebildeten Sünderin auf dem Weg der Umkehr hilft.

Die gute Hirtin sagt: „Du hast nichts falsch gemacht. Und wenn du etwas falsch gemacht hast, so werde ich dir helfen, Dich selbst anzunehmen, indem ich dich annehme. Nimm dich selbst an, so wie ich dich annehme!“ Dann folgt der Erlass der Schuldgefühle, der Erlass der Schulden: remissio omnium peccatorum.

Zurückübersetzt: Nehmet einander an, so wie ich euch angenommen habe.

Nimm dich selbst an so wie deinen Nächsten.

Wer mag das wohl gesagt haben.  Ich freue mich, meine Cousine heute Abend auf der Bühne zu sehen!
Quelle:

Film „Staub auf unseren Herzen“. Regie: Hanna Doose, D 2012

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„Deutsch sprudelt aus mir heraus. Ich liebe diese Sprache“

 Das Gute, Deutschstunde  Kommentare deaktiviert für „Deutsch sprudelt aus mir heraus. Ich liebe diese Sprache“
Nov 052012
 

„Deutsch sprudelt aus mir heraus. Ich liebe diese Sprache, mit deren Worten ich gerne spiele und vor der ich großen Respekt habe.“

Wie cool ist das denn. Wieder so ein Tabubruch der neuen Konservativen! Eine Liebeserklärung an die deutsche Sprache in reinstem, grammatisch einwandfreiem Hochdeutsch, ja darf denn so etwas sein, mitten in Berlin?

Noch sind wir nur einen Schritt davon entfernt, dass irgendjemand öffentlich bekennt: „Ich liebe Deutschland. Ich lebe gern in Deutschland. Ich freue mich Deutscher zu sein. Ich finde Deutschland und die Deutschen grundsätzlich auch nicht schlimmer, nicht böser als Iran und die Iraner, Frankreich und die Franzosen, Saudi-Arabien und die Saudi-Araber, als China, Russland, Ukraine, England, Botswana, die Türkei, Kuwait, die USA, Indonesien!“ Dies wäre der letzte, der gefährlichste Tabubruch, eine Liebeserklärung an ein so böses, so dunkles Land wie Deutschland!

Ich fand diesen echten Tabubruch, diese Liebeserklärung an die deutsche Sprache heute in der taz auf S. 14 unter dem Titel „Mein Leben in der Fremde“.

Ich selbst liebe die deutsche Sprache ebenfalls, und ich finde es schade, dass in Deutschland so oft viele lieber grottenschlechtes Englisch als handelsübliches Deutsch sprechen. Why? Die deutsche Sprache als solche ist doch nicht böse, und sie ist auch nicht hässlich, wie viele hypermodern aufgestylte, aufgebrezelte Deutsche durch ihre Missachtung ihrer Muttersprache unter Beweis stellen, indem sie alles ablehnen, was vor etwa 1980 in Deutschland gedacht, gesagt, getan, geredet, gedichtet und gelitten wurde.

Die deutsche Sprache verdient Achtung, Pflege und Hege, Liebe und Zuwendung – auch und gerade in Deutschland.

Denn nur über eine gemeinsame Sprache können die Menschen in diesem Land zueinander finden.

Diese überquellende Kraft der Sprache, die enthüllende Kraft der Sprache fasst ein anderer Mensch einmal in folgende Worte:

Wes das Hertz vol ist / des geht der Mund vber. Ein gut Mensch bringt guts erfür / aus seinem guten schatz des hertzen. Vnd ein böser Mensch bringet böses erfür / aus seinem bösen schatz.

Die zweite Erklärung zum Urquell der Sprache stammt aus der Feder Martin Luthers und letztlich von Jesus. Er meint damit wohl: Nicht die Worte sind böse, nicht die deutsche, die griechische, lateinische, türkische oder die aramäische Sprache sind böse, sondern der einzelne Mensch in seinem Herzen.

Gutes wie Böses lässt sich in tausend Sprachen sagen. Die Sprachen – ob nun Griechisch, Hebräisch, Türkisch, Deutsch oder Englisch – sind ein Schatz, aus dem Gutes wie Böses sprudeln kann.

Quellen:
Kübra Gümüsay: Mein Leben in der Fremde. taz Berlin, 05.11.2012, S. 14
Neues Testament, Matthäus-Evangelium, Kap. 12, Vers 35, hier  in der Übersetzung Martin Luthers

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„Von der heilenden Kraft des Lernens“, oder: „Lerne und arbeite!“

 Bert Brecht, Das Gute, Kinder, Kochen, Sozialadel, Sozialstaat, Tugend  Kommentare deaktiviert für „Von der heilenden Kraft des Lernens“, oder: „Lerne und arbeite!“
Okt 092012
 

Walter Wüllenweber legt in seinem Buch Die Asozialen seine Sicht der Dinge dar: Die deutsche Gesellschaft werde von oben und von unten, von der Oberschicht und der Unterschicht gnadenlos ausgenutzt, die Reichen würden immer reicher, ihr Finanzvermögen wachse dank der Finanzkrise prächtig an. Umgekehrt würden die Staatsabhängigen, die Unbeschäftigten mit ständig wachsenden Hilfen und Unterstützunsgeldern bei guter Laune gehalten, der Sozialetat gerade der Städte wachse stark überproportional an.

Ich denke, an Wüllenwebers Analyse ist viel dran. Unsere Vorfahren fingen nach dem Krieg fast bei Null wieder an. Die Masse des deutschen Volkes lebte in bescheidenen Verhältnissen. Erst etwa 1960 hatten die Deutschen den Lebensstandard erarbeitet, der heute in etwa auch einem Arbeitslosen zusteht. Vor 1960 lebte die Mehrheit der Deutschen unter Bedingungen, die heute von so manchen Sozialpolitikern als menschenunwürdig bezeichnet werden.

Doch sollten wir das Loben nicht vergessen! Gerade am heutigen Erntedankfest! Wüllenweber selbst spricht auf Seite 118 seines Buches lobend von der heilenden Kraft des Lernens. Lernen heißt, am Selbst arbeiten. Wer lernt, ändert sich. Wer lernt, kann andere ändern, wer lernt, kann sein Leben ändern. Lernen ist eine Form des Arbeitens.

Denkbar wäre es, etwa gut deutsch, gut rechnen, gut schreiben, gesunde Lebensführung  zu lernen. Gutes Deutsch, gutes Rechnen, gutes Schreiben,  gesunde Lebensführung, das ist jedem Menschen in Deutschland heute ohne jede staatliche Unterstützung möglich. Dazu kann man die Menschen auffordern – und zwar ohne stets erneut den Staat dafür in die Pflicht zu nehmen.

Lerne und arbeite – ora et labora!

Völlig anders tickt die Berliner Landespolitik: „Wie können wir den Bürgern das Leben so angenehm wie möglich machen?“ Heute kommt der Vorschlag auf, den Bürgern kostenloses W-LAN in der Innenstadt zu schenken. Der Senat schenkt den Bürgern wieder etwas. Lieb!

Die Kinder sollen besseres Schulessen bekommen – auf Kosten des Staates. Lieb! Unter drei Euro pro Mahlzeit ist das aber nicht zu haben. Wir zahlen in Friedrichshain-Kreuzberg etwa 2 Euro pro Mahlzeit. Lieb, dass der Staat den Bürgern besseres Essen schenkt.

Keiner denkt daran, den Eltern und Kindern das tägliche sparsame und gesunde Kochen mit vielen Kartoffeln, viel Gemüse, viel Magerquark beizubringen.

Ich sage: Lerne kochen, Mann in der Küche! Lerne lesen und schreiben, Frau in der Moschee!

Lern singen und fußballspielen, Kind in der Schulmensa! Geh zu Fuß zur Schule! Bewegung, Bewegung, Bewegung!

Der Staat tut, was er kann, um seinen Bürgern alle erdenklichen Annehmlichkeiten zu bieten.  Dabei haben die meisten Handy-Nutzer heute längst eine Flatrate, ein kommunales W-Lan auf Kosten des Staates ist überflüssig.

Nein, nein. Da lob ich mir die saure Pflichtenethik eines Benedikt von Nursia, eines Johannes Calvin aus Genf, eines Walter Wüllenweber vom Stern.

Gelobt sei – das Lernen! Gelobt sei auch der Dichter, welcher kam aus der schwäbischen Stadt der Confessio Augustana, der Dichter, der hervorging aus der Stadt der tüchtig rechnenden Fugger und der Tag um Tag singenden und fiedelnden Mozarts! Er, der Dichter aus der Lechstadt Augsburg, der als versprengter Nachfahr der christlichen Pflichten- und Lernensethik gelten kann.

Schließen wir die Besinnung zum Erntedankfest mit einigen Zeilen aus seinem

Lob des Lernens 

Lerne das Einfachste! Für die
Deren Zeit gekommen ist
Ist es nie zu spät!
Lerne das Abc, es genügt nicht, aber
Lerne es! Laß es dich nicht verdrießen!
Fang an! Du mußt alles wissen!
Du mußt die Führung übernehmen.

Lerne, Mann im Asyl!
Lerne, Mann im Gefängnis!
Lerne, Frau in der Küche!
Lerne, Sechzigjährige!
Du mußt die Führung übernehmen.
Suche die Schule auf, Obdachloser!
Verschaffe dir Wissen, Frierender!
Hungriger, greif nach dem Buch: es ist eine Waffe.
Du mußt die Führung übernehmen.

Scheue dich nicht zu fragen, Genosse!
Laß dir nichts einreden
Sieh selber nach!
Was du nicht selber weißt
Weißt du nicht.
Prüfe die Rechnung
Du mußt sie bezahlen.
Lege den Finger auf jeden Posten
Frage: Wie kommt er hierher?
Du mußt die Führung übernehmen.
Quellen:

Walter Wüllenweber

Die Asozialen

Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren – und wer davon profitiert

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 256 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-421-04571-3
€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50* (* empf. VK-Preis)

Verlag: DVA Sachbuch

Zitat: S. 118

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Bert Brecht: Lob des Lernens
Bertolt Brecht: Ausgewählte Werke in sechs Bänden. Dritter Band. Gedichte I. Suhrkamp Verlag Frankfurt 2005

Zitat: S. 233

 

 

 

 

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