Jul 022008
 

Oswald Metzger hat es nicht geschafft: Die CDU-Basis im ländlichen oberschwäbischen Wahlkreis 292 wollte den republikweit bekannten Haushaltsexperten, der mehrfach die Partei gewechselt hat, nicht als Direktkandidaten aufstellen. Sie wählte den bisher in Deutschland unbekannten Josef Rief, also „einen von uns“. Es lohnt sich den Artikel in Spiegel online nachzulesen!

Bundestags-Aus: Metzger scheitert an konservativer CDU-Basis – Politik – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten

Wie ist dies zu deuten? Ich glaube, ein ganz entscheidender Hinweis ist in den bisherigen Wahlergebnissen zu suchen: Die CDU besitzt diesen Wahlkreis unangefochten, sie fährt dort satte Mehrheiten ein. Sie war 2005 sowohl bei Erst- wie bei Zweitstimmen stärkste Partei mit ca. 15% Abstand auf die SPD! Wieso sollte sie da ein Risiko eingehen? Es gab keinen Grund, einen unbequemen Warner und Mahner wie Metzger in diesen Wahlkreis zu holen. Und ich vermute auch, dass die über Jahrzehnte hinweg gewachsene Bindung zwischen Partei und Wähler dort im Oberschwäbischen noch besteht. Ich kenne doch die Schwaben, auch in Augsburg zum Beispiel war es ein Argument: „Der Gribl kommt von hier“. Man wählt einfach die Partei, der man sich irgendwie verbunden weiß. Ganz entscheidend ist dabei der „Stallgeruch“. Nur wer über viele Jahre hinweg seine fraglose Zugehörigkeit zur Partei bewiesen hat, wer ein osmotisches Verhältnis zu Orts- und Kreisverbänden aufgebaut hat, wird es auf die vorderen Listenplätze oder auf den Platz des Direktkandidaten schaffen. Jedenfalls in den Hochburgen der Parteien. All das fehlte Metzger.
Nein, nur nach einer satten Wahlschlappe werden die Parteien auf die Suche nach neuen geeigneten Kandidaten gehen. Nur dort, wo die Stammwähler wegbrechen oder sich nicht mobilisieren lassen, wo eine frühere Volkspartei das Volk verliert und in den einstelligen Bereich abrutscht, gilt geradezu zwingend das Gebot: Sucht neue Wege, geht Wagnisse ein, öffnet euch! Die Stammtruppe der Partei vermag nicht in breite Wählerschichten hinein zu wirken. Dann wird das Gründe haben, die in der Partei selbst zu suchen sind. Also muss man die breiten Wählerschichten symbolisch in die Partei hinein holen. Tut man das nicht, so gibt man den Anspruch auf Mehrheiten von vornherein auf.

Gut war das Verfahren in Oberschwaben: Offener Ausgang, faire Befragung aller Kandidaten, nicht abgesprochene Abstimmung. Metzger hat seine Niederlage sofort eingestanden. Er hat das Verfahren gelobt. Auch das spricht für ihn. Nicht alle Politiker bringen diese Größe auf.

Und habt Ihr noch Zeit zu lesen? Dann empfehle ich Euch: Hans Herbert von Arnim, Die Deutschlandakte, C. Bertelsmann Verlag 2008. Unter dem Kapitel „Wahl von Abgeordneten: Inszenierter Schein“ zerreißt der Verfassungsrechtler das gängige Auswahlverfahren bei Bundestags- und Europawahlen als hinterhältige Wählertäuschung:

„Die politische Klasse hat unser Wahlsystem in eigener Sache derart pervertiert, dass die Abgeordneten gar nicht mehr vom Volk gewählt werden, wie es das Grundgesetz verlangt. Wen die Parteien auf sichere Plätze setzen – und das ist oft die große Mehrheit der Abgeordneten -, der ist lange vor der Wahl praktisch schon „gewählt“, bloß eben nicht von den Bürgern“ (S. 42).

Ich meine: Von Arnim hat in vielem recht, wenn er auch manchmal allzu einseitig formuliert und dann übers Ziel hinausschießt. Zum Beispiel kann er nicht erklären, warum es doch immer wieder „Quereinsteiger“ schaffen, die sich nicht mühsam über die Ochsentour hochgedient haben, wie etwa die jetzige Bundeskanzlerin und der jetzige Bundespräsident, ein ausgewiesener Systemkritiker. Das „System“ ist vielleicht nicht ganz so schlecht, wie von Arnim oder Horst Köhler behaupten.

Schlussfolgerung auf kurze Sicht: Um etwas zu verändern, muss man in die Parteien reingehen, sich in die Kandidatenauswahl einmischen, die Stimme erheben. Man könnte an Zwischenformen denken, wie in den USA: Man muss dort nicht gleich Parteimitglied sein, um bei der Kandidatenwahl mitzustimmen. Das ist viel spannender als am Wahlsonntag irgendwo sein Kreuzchen abzuliefern. Und genau so eine spannende Auseinandersetzung ist gestern in Biberach geschehen. Die Delegierten haben entschieden, das Wahlvolk wird zu erwägen haben, ob diese wichtige Vorauswahl ankommt oder nicht.

Metzger wäre wohl besser beraten gewesen, bei einem großstädtischen Kreisverband mit schlechten Wahlergebnissen anzuklopfen. Es gibt ja großstädtische Wahlkreise, in denen sich die CDU neu aufstellen muss. Dort hätte er – so meine ich – sehr gute Chancen gehabt. Aber das wollte er nicht. Wahrscheinlich ist er dazu doch zu sehr, mit Feuer und Flamme, das, was er ist, ein Oberschwabe.

 Posted by at 08:27

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