Jul 022008
 

Keine Überraschungen bringt die neueste Umfrage des Stern nach der Bekanntheit deutscher Politiker. Merkel führt einsam, aus den in diesem Blog mehrfach erörterten Gründen. Der Außenminister liegt unter den Ministerkollegen vorne. Das galt auch schon für seine Amtsvorgänger, gleich welcher Partei. Ratschlag: Wer den Beruf „beliebter Politiker“ ergreifen will, der sollte Außenminister werden. Dann kommt Ursula von der Leyen, deren Kommunikationsstil – stets konstruktiv, stets nach vorne gerichtet – ich für vorbildlich halte. Gleiches gilt für Schäuble. Bei diesen beiden spielt das Ressort kaum eine Rolle, denn das Familienministerium war doch früher eher das Aschenputtel. Es sind wohl die Persönlichkeiten, die hier zählen. Und die Fähigkeit, politische Inhalte so zu kommunizieren, dass eine Mehrheit der Wähler sich darin wiedererkennt.

Was mich wundert bei dem Bericht des Spiegel über den Bericht des Stern, ist folgende Wendung:

Merkels Union ist auch in der wöchentlichen „Stern“-Wahlumfrage vorn. Die CDU/CSU kommt auf 35 Prozent (minus ein Punkt). Die FDP hat mit 14 Prozent erneut ihr Jahreshoch erreicht. Für das bürgerliche Lager aus Union und FDP votieren somit 49 Prozent der Wähler.

Mir sticht diese Wendung „bürgerliches Lager“ immer wieder ins Auge. Trifft sie noch zu? Wir haben hier in Friedrichshain-Kreuzberg eine neue bürgerliche Mitte aus gutverdienenden Akademikern. Sie wählen mit absoluter Mehrheit die Grünen! Die CDU und die FDP machen kaum einen Stich bei ihnen. Und Angela Merkel oder von der Leyen haben sich erfolgreich vom Klischee „bürgerliches Lager, bürgerliche Partei“ abgesetzt! Sie haben sich eindeutig vom alten Block- und Lagerdenken verabschiedet. Sie haben die veraltete Farbenlehre der Politik kräftig aufgemischt. Folge: Auch die Wähler anderer Parteien finden sie … „klasse“. Obwohl das alte Klassendenken ja ebenfalls nicht mehr trägt.

Ich meine: Staatsbürger sind wir alle! Wir sind alle Bürger. Es gibt nicht mehr die ständische Aufteilung in König, Adlige, Bürger, Bauern, Bettelleute. Wollt Ihr noch einen Beweis? Hier ist er: Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, eine Adlige reinsten Geblütes, stimmte in der Bundesversammlung für die Vertreterin der SPD, der alten Arbeiterklasse, für Gesine Schwan. Aber Schwan selbst ist auch keine Arbeiterin, sondern Professorin – also was … Bürgerin?

Ist also die SPD die bürgerliche Partei? Sind es die Grünen, die neue Partei der Besserverdienenden? Sind es die Linken mit ihren gut gefüllten Parteikassen und ihren strebsamen Wählern? Wer soll das noch verstehen? Alles geht da durcheinander, o tempora, o mores!

Ich meine: Traditionelle bürgerliche Tugenden wie Verantwortung für das eigene Umfeld, eine gewisse Hochschätzung der Arbeit, Fleiß, Streben nach wirtschaftlichem Erfolg – solche Eigenschaften findet man in allen Parteien. Sie sind noch keine politische Aussage. Der Wettbewerb zwischen den Parteien ist mit solchen allgemein menschlichen Tugenden nicht zu gewinnen.

Die Einteilung der Parteien in „bürgerliche“ und „linke“ Parteien ist windgebeutelt und löchrig. Man sollte ganz auf sie ganz verzichten.

Merkels Kabinett: Deutsche stellen Großer Koalition schlechtes Arbeitszeugnis aus – Politik – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten

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